Ursprünglich und erst vor zwei Jahren als Einfamilienhaus gebaut hat das Haus Yashidori 16 eine eher unspektakuläre Besiedlungsgeschichte. Dadurch, dass die Familie, die es erbauen ließ nach sage und schreibe 4 Monaten wieder ausgezogen ist und es für einen langen Zeitraum leer stand und kaum genutzt wurde, befindet es sich in einem hervorragenden Zustand. Auf den ersten Blick lässt nichts darauf schließen, dass es wirklich einmal bewohnt war. Gestrichen in hellen Farben strahlt diese Unterkunft schon von Weitem einladende Behaglichkeit aus, die auch nach dem Eintreten über die kleine, durch Stufen zu erreichende Veranda aufrecht erhalten bleibt. Gegenüber der Eingangstüre befindet sich eine große, schwere Schiebetüre, über die man die Garage erreichen kann, die mit einem Fahrzeug von der anderen Seite aus angesteuert wird. Im Erdgeschoss befinden sich hinter edlen Holztüren alle gemeinschaftlich nutzbaren Räumlichkeiten, hierzu zählen die geräumige Wohnküche, das Badezimmer, sowie eine kleine Abstellkammer für Haushaltsgeräte, Putzmittel und ähnliches. Über eine Treppe im Vorraum gelangt man in die Galerie des Obergeschosses, die zugleich Flur und Verbindung zu allen 3 Zimmern ist, die zu Zeiten der ersten Bewohnung allesamt als Schlafzimmer, zwei davon wahrscheinlich als Kinderzimmer für Jugendliche genutzt worden sind.
Die schlafende Jul, die Levi seit doch geraumer Zeit betrachtete, schien immer unruhiger zu werden. Ihr Atmen wurde hastiger, fast schon schnappartig und hin und wieder hatte sie ihren Kopf hin und her gerissen. Gerade, als der Engel sich von der Wand abstützen und ihr zu ihr schreiten wollte, um sich zu vergewissern, dass alles soweit in Ordnung war, öffnete sie dann aber doch die Augen und der Schwarzhaarige verharrte in seiner Bewegung. Es fehlte wahrscheinlich ein Millimeter oder so, dass der Kaffee in seiner Tasse gerade nicht überschwappte. „Guten Morgen … Jul.“, grüßte er seine Ziehmutter schließlich zurück versuchte angestrengt, aus ihrer Gestik und Mimik lesen zu können. Ihre Stimmlage war irgendwie kräftiger, ihr Lächeln ein anderes als sonst aber das konnte auch einfach der Tatsache entsprungen sein, dass sie beide gestern doch einiges zu verarbeiten hatten. Der Engel schwieg, als sich die Dämonin rasch vom Bett erhob und auf ihm zusteuerte. Es dauerte eine Weile, bis er auf ihre Frage reagierte. „Eh, ja, hab‘ ich.“, nuschelte er und ließ das Wuscheln durch seine Haare über sich ergehen, hielt ihr schließlich ihre eigene Kaffeetasse hin. Während er seine Lippen öffnete und zur Frage aller Fragen ansetzen wollte, unterbrach die Direktorin ihn jedoch schneller als ihm lieb war. „Für mich nicht, ich habe schon gefrühstückt“, erklärte er ihr und zuckte gefolgt von einem entschuldigenden Lächeln die Schultern. Auch, als sie sich ihre Kleidung für den Tag zusammensuchte, ließ der Schüler sie keine Sekunde lang aus den Augen und gab sich Mühe, ihrem fixierenden Blick, als sie wieder zu ihm zurückgekehrt war, standhaft zu bleiben. „Ist gut.“ Nun konnte sich der Engel aber doch von ihr lösen – anders ging es auch schwer, während er seine Klamotten vom Vortag vom Boden klaubte und sich schnell überzog. Ja, ins Wohnheim musste er dringend noch. Eine Dusche wäre auch schnell hier erledigt, doch mit Jogginghose und Tanktop würde ihn Jul höchstwahrscheinlich nicht in die Schule lassen. „Ich warte dann unten.“ Und das tat er. Es fühlte sich wie eine verschissene Ewigkeit an. Vor allem wenn man keinen Nerv hatte, sich während des Wartens mit etwas anderem zu beschäftigen. Dem Fernseher oder dem Handy oder so. Nein, der Engel blieb einfach gegen die Küchentheke gelehnt im Wohnzimmer stehen, die Arme vor der Brust verschränkt und fixierte die Türe, durch die Jul hoffentlich bald … ah, da war sie ja! „Ich dachte schon, du bist untergegangen.“, versuchte er seine Nervosität zu überspielen, seufzte dann aber kaum hörbar. Es war egal. Früher oder später musste er sie sowieso damit konfrontieren – oder eher … sich selbst? „Und?“, fragte er sie mit neugierigem Gesichtsausdruck und ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe er weitersprach. „Wie geht’s? Also ich meine … wie fühlst du dich im Gegensatz zu gestern? Ist alles in Ordnung? Du scheinst eine unruhige Nacht gehabt zu haben.“
tbc: Das Wohnheim - Gemeinschaftsbad der Jungs
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Quer durch den Wald hatte ihn die Dachsmutter gejagt, bis Mathéo genug davon hatte und sich außerdem daran erinnert, dass er ja ein Dämon war und nicht wirklich nur eine Katze. Daher konnte er sich auch einfach umdrehen und seine verborgenen Kräfte wecken, sich in ein dämonisches Abbild eines Hauskaters verwandeln und damit den Dachs in die quiekende Flucht schlagen. Am liebsten hätte er in dem Moment einen Spiegel gehabt, um sich selbst zu sehen. Sein Kopf hatte sich heiß angefühlt, ebenso der Boden unter seinen lodernden Pfoten.
Zum Glück hatte ihn die Verfolgung bis an den Waldrand geführt, sodass er von dort aus ohne Probleme weiterreisen konnte. Der Straße Richtung Stadt zu folgen, war kein Problem für ihn. Mit der Erinnerung an seine Kräfte konnte er die Distanz sogar in kürzester Zeit zurücklegen. Diese Macht allerdings direkt dafür zu nutzen, nach Hause zu gelangen, daran dachte er wiederum nicht. Also hieß es, weiter durch die Stadt zu schlittern. Unterwegs kam er an einem Restaurant vorbei, welches er von unten nur schwer wiedererkannte. Auch der verlockende Geruch aus dem Hinterhof weckte sein Gedächtnis nicht; dafür reagierte sein knurrender Magen umso mehr. Mit neugierig zuckender Nase hatte er sich in der Dunkelheit hinter das Restaurant geschlichen und wollte nachschauen, ob es dort etwas zu gewinnen gab. Tatsächlich war da auch was; allerdings nichts womit er gerechnet hatte. Eine Bande Straßenkatzen war dabei, Essensreste aus der Küche zu stehlen. Fleischklopse flogen über das Fensterbrett. Eine Schüssel Spaghetti wurde sogar durch einen Türspalt hindurchgeschoben. Was sind denn das für Katzen?!, fragte sich Matheó verwundert. Nie zuvor hatte er erlebt, dass diese Tiere zu solchen Dingen in der Lage waren. Es war fast, als würden sie aus einem Kinderfilm stammen, in dem Tiere menschliche Intelligenz besaßen. Von der Neugier angetrieben, stellte sich Mathéo seinen Artgenossen. Schnell durfte er feststellen, dass es sich bei ihnen nicht um einfache Katzen handelte. Sie waren mehr. Doch was sie genau waren, konnte Mathéo nicht festmachen. Ihre Kommunikation und ihr Verhalten hatte starke menschliche Züge. Sie erkannten auch sofort, dass Mathéo ebenfalls kein trister Straßenkater war und so luden sie ihn just zum Essen ein. Von jetzt auf gleich fühlte er sich in ein Katzenabenteuer geworfen, wie es nur amerikanische Zeichentrickstudios entwickeln konnten. Leider wurde der legendäre Moment vom wütenden Schrei eines Kellners zerstört. Dieser hatte den Diebstahl mitbekommen. Mit dem breiten Besen in der Hand scheuchte er Mathéo und seine neuen Freunde vom Hof. Die Fleischklöpse und die Spaghetti konnte er dabei jedoch nicht retten. Beides wurde auf dem nächstbesten Hausdach genüsslich verspeist. Dabei unterhielten sich die Flohbälle angeregt über ihre Leben. Mathéo erklärte, dass er eigentlich ein Dämon war und irgendwie in einen Kater verwandelt worden war. Natürlich kaufte man ihm dies anfangs nicht ab, doch als er seine Fähigkeiten zeigte, verstummten die Lacher. Respektvolle Stille kehrte ein, die nur Mathéo mit einem kecken Spruch auflockern konnte. Danach war es plötzlich wieder wie vorher und sie alle akzeptierten, dass sie einfach nicht normal waren. Erneut luden sie Mathéo dazu ein, Zeit mit ihm zu verbringen. Sein ursprüngliches Ziel verlor der Tristam im Rausch der Nacht aus den Augen und schloss sich seinen streunenden Kameraden an.
Und so waren die Stunden dahingerannt. Nach dem italienisch angehauchten Schmaus hatten sie sich an den Vorräten eines Supermarkts vergriffen. Literweise Milch schleppten sie in ihr Versteck: Der Dachboden eines alten und großen Hauses. Dort hatten sie sich mit Kissen, alten Möbeln wie Kommoden und einem Bett eine katzenartige Loft hergerichtet. Aus den Flaschen oben auf den Schränken floss die Milch wie bei einem Wasserfall in niedere Schalen, aus denen sie wiederum in andere Schalen am Boden fiel. Dort unten saßen dann die Schnurrbartgesellen und tranken sich förmlich in den Milchrausch. Dazu gab es noch Musik, indem sie über ein altes Klavier tanzten und mit den Krallen an einem alten Kontrabass zupften. Die Singstimme der Katzen war übrigen auch nicht zu unterschätzen. Für Menschen klang das alles sicher wie schrilles Katzentheater, doch in Mathéos Ohren war es eine der genialsten Jam-Sessions, die er je erleben durfte. Je mehr Milch er intus hatte, desto weniger fragte er sich, ob das alles überhaupt real war und ob er nicht vor Stunden mit dem Kopf gegen eine Wand gelaufen war. Selbst wenn es so war, hätte es Mathéo nicht gestört. Für ihn zählte nur das Erlebnis und die damit verbundenen Gefühle. Für diese Nacht wollte er nochmal eine Katze durch und durch sein. Am nächsten Tag würde er immer noch genug Zeit haben, sich über sein eigentliches Leben Gedanken zu machen.
Rückblick Ende.
Früher Morgen, 24. Juni 2015
Am Morgen war Mathéo dann unter einem und zwischen zwei Kissen aufgewacht. Sein Fell war total zerzaust vom Liegen und um ihn herum schnurrten die tief schlafenden Partylöwen. Als Mathéo schmatzend den Kopf erhob, saß einer der anderen Kater auf dem Brett eines offen stehenden, kleinen Fensters. Mit einem gut getimten Sprung landete der Tristam neben dem Kater, der sich bisher als Anführer der Bande herauskristallisiert hatte. Die beiden tauschten ein paar letzte Worte aus, während sie an den vergangenen Abend dachten und was vor ihnen lag. Sicher war nicht, ob sie sich wiedersehen würden, doch Mathéo wollte es hoffen. Wenn er diesen Fluch überstanden hatte und doch die Chance behielt, von Zeit zu Zeit zur Katze zu werden, dann würde er dies nutzen, um einen Abstecher in die Stadt zu machen und nach seinen pelzigen Kameraden Ausschau zu halten. Zwar kannten sie sich noch keinen Tag lang, doch in dieser kurzen Zeit hatte sich bereits ein enges Band zwischen ihnen geformt. Mathéo hatte sich auf Anhieb aufgenommen gefühlt, wie man es nur von einer echten Familie kannte.
Nach dem männlichen Abschied zweiter Bro-Kater hatte sich Mathéo mit flotten Pfoten ins Yashidori-Viertel aufgemacht. Von Weitem konnte er hinter den Fensterscheiben von Haus Nummer 16 noch nichts erkennen. Als er jedoch auf das Brett vor dem Küchenfenster hüpfte, sah er einen schwarzen Schopf mit weißer Strähne. Zuerst wunderte sich Mathéo über Levis Aufmachung so früh am Morgen. Dann wurde ihm aber bewusst, dass der Nephilim hier übernachtet haben musste. Hoffentlich nicht in meinem Bett, fauchte der rote Kater innerlich und dachte dabei daran, dass Levi sicherlich nicht das Bett nach dem Verlassen aufgeschüttelt und zusammengelegt hatte. Besser wäre es für ihn, wenn er auf der Couch gepennt und dabei keine Sabberflecken auf dem guten Stoff zurückgelassen hatte. Als Julia plötzlich auftauchte, überkam Mathéo ein mulmiges Gefühl. Seit dem Ball hatte er sie nicht mehr gesehen, nichts mehr von ihr gehört. Sie war es, die ihn in die Hände von Bernardo gegeben hatte. Ob sie ihn hatte loswerden wollen? Hatte sie ihn deshalb in die Hände seines Henkers geschubst? Unwahrscheinlich, dachte sich der Tristam. Mit einer einfachen und alles andere als Aufmerksamkeit erregenden Handlung schlüpfte Mathéo zauberhaft durch das sonst so feste Glas des Fensters. Für einen naturwissenschaftlichen Magier seiner Schnurrbartlänge war dieses Kunststück absolut kein Problem. Doch kaum hatte er den Raum betreten, überraschte ihn eine zugleich vollkommen ungewohnte und irgendwie doch gewohnte Aura. Sie kam von Julia, denn Levi war so wie immer. Irgendwas musste sich bei ihr getan haben - und es war nicht ohne. Allerdings wirkte sie ziemlich unberührt, fast schon lebendiger als noch vor zwei Tagen. Mathéo war sich sicher, dass da was faul war.
Schnell spitzte er die Ohren, als er Levis Lippen in Bewegung sah. Sein Schulkamerad erkundigte sich nach Julias Befinden und wirkte dabei eher vorsichtig und umsorgt. Es war kein plumpes ’Hey, wie geht’s dir?’, sondern es war eine ganz gezielte, wenn auch unsicher formulierte Frage. Das hörte sogar ein blinder Hund mit Krückstock heraus. Um nicht aufzufallen, erstarrte Mathéo am anderen Ende des Raumes auf dem Fensterbrett zwischen zwei bunten Topfpflanzen. Sie würden hoffentlich von seinem unnormalen Fell ablenken, sodass er unentdeckt dem Gespräch beiwohnen konnte. Später würde er sich Julia zu erkennen geben. Bei Levi war er sich nicht so sicher, ob er es riskieren durfte. Vielleicht war es der Berdera lieber, wenn der Fluch und seine Folgen nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Auf der anderen Seite … Mathéo hatte Hunger. Sein Magen dürstete nach einer Schale Milch und etwas Fleisch. Fisch würde auch reichen. Aber auch da musste er sich im Zaum halten. Erst mal galt es, die Tarnung aufrecht zu erhalten.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Die Dusche war wundervoll! Also, nicht mehr als die Tage davor auch, aber wenn man den Morgen nicht so vollkommen fertig begann, dann fühlte sich das warme Nass einfach um Längen besser an. Beinahe war die Dämonin sogar dazu geneigt ihre Session unter dem Wasser auf unbestimmte Zeit zu verlängern, aber sie hatte noch etwas zu erledigen. Wobei sich dieses „etwas“ auf die Schule und ihren Schützling betitelte. Sowie ein anderes Problem, dass sich hoffentlich über den gestrigen Tag erledigt hatte. Sie hoffte, dass die Kompetenz des älteren Herrn sich zumindest in dem Bereich auszahlen würde. Aber alles nach seiner Zeit. Kaum war das Wasser abgedreht und der übliche Duft ihres Shampoo’s erfüllte das Badezimmer, folgte die tägliche Routine. Der Blick in den Spiegel störte sie dabei auch eigentlich gar nicht mehr. Ganz im Gegensatz zu vorher, wo sie nach gefühlt zehn Minuten eine Veranlagung spürte diesen einfach von der Wand zu reißen. Allein der Gedanke kam ihr dieses Mal nicht im Ansatz durch den Kopf geschossen. Was … gut war. Wann konnte man schonmal in sein Spiegelbild schauen und sagen, dass man heute wirklich gut aussah? Sie musste nicht Mal ihre Augenringe verdecken. Denn dort waren keine. Nicht einmal ein kleines Fleckchen der sonst so hartnäckigen Ermüdungserscheinungen traute sich auf ihre sanft-glattes Hautbild. Lächelnd und sehr zufrieden wischte sich die Direktorin noch einmal mit dem Finger unter dem Auge entlang, dann folgte ein melodisches „Mh.“ Und sie verließ mit dem Handtuch umschlungen den Waschbereich des Hauses, um ihre Kleidung aus dem Schlafzimmer anzulegen. Da wiederrum ließ sich keine Veränderung begutachten. Der Kragen wurde zurechtgebogen, das Jackett übergelegt und der Rock war wie immer. Nur noch ein letztes Mal verschlug es die Blondine ins Badezimmer, um die letzten Feinschliffe an ihrer Frisur zu richten, sowie einen dezenten Lidstrich zu setzten. Ein schneller Blick auf das Telefon und … oh. Sehr interessant, es gab also einen kleinen Ausbrecherkönig unter den Katzen. Man gut, dass sie diesen schon auf dem Ball aufgespürt hatte und deswegen wusste, wie man ihn ungefähr findet. Aber eines nach dem anderen. Mehr brauchte es erstmal auch nicht, dann stieg Julia schon alsbald zum normalen Volk die Treppe hinunter. Einen eleganten Schwung an den Tag legend, gesellte sie sich zu ihrem Schützling an seiner Warteposition. Der sie allem Anschein nach wohl schon sehnsüchtig erwartet hatte.
„Kann sein, dass ich mir etwas mehr Zeit gelassen habe als sonst. Aber es sollte sich noch in einem angemessenen Rahmen halten.“, beschwichtigte sie den offensichtlich nicht so wörtlich gemeinten Kommentar. Währenddessen hielt sie dem Blick des Nephilims so freundlich wie möglich stand. Ihre Mundwinkel leicht erhoben und ihre Augen die seinen keinen Moment auch nur annähernd abschweifen lassend. Fast, als wollte sie seine Gedanken lesen wollen. Aber das musste Julia zum Glück nicht so drastisch bewerkstelligen. Seine Art sagte ihr schon mehr als genug. „Und ja, mir geht es gut, Levi.“, setzte sie deswegen noch einmal nach und strich dem Schwarzhaarigen einmal über die Mähne. „Mach dir keine Sorgen. Es war nur ein unruhiger Schlaf, das passiert manchmal. Alles in Ordnung.“, und mit alles war mehr oder minder ihre momentane Verfassung gemeint. Natürlich war sie anders. Allein der kurze Gedankengang, wie schwach der Junge vor ihr doch wirkte, war Beweis dieses Umstandes. Just in dem Moment überkam sie wieder diese Welle der Kälte. Ihre Aura schwankte und kurz wurde ihre Mimik ein wenig flacher, neutraler. „Also, wollen wir los? Ich muss nochmal hierher zurück, bevor ich zur Arbeit muss. Also sollten wir keine Zeit verlieren.“, deutete die Dämonin an und schob ihn mit einer Hand an der Schulter langsam zum Ausgang, wo sie sich dann noch ihr Schuhwerk anzogen und die Tür öffneten. Vorher allerdings blieb Julia noch im Eingangsbereich stehen und warf einen Blick in Richtung der ebenfalls dämonischen Aura im näheren Umkreis. Und sie ließ ihn spüren, dass er durchaus auf ihrem Radar erschienen war. Generell war ihre Wahrnehmung viel feinfühliger und wachsamer geworden. Als ob hinter jeder Ecke ein Konkurrenz – oder Revierkampf entbrennen würde. Aber sei es drum. Die Dämonin begleitete ihren Gast des Abends bis zum Wagen und machte sich dann auf den Weg. Beim Wohnheim angekommen. gab sie dem Engel noch einen Kuss auf die Wange. „Mach heute in der Schule nicht so viel Ärger, ja?“, ansonsten würde sie ihm legitim die Hölle heiß machen. „Und denk an deine Schulsachen.“, was ein Satz war bei dem sie sich innerlich fragte, warum sei das eigentlich gerade gesagt hatte. Er war ein fast erwachsener Mann. So sehr bemuttern musste sie den Jungen nun auch nicht. Wieder fuhr es ihr kalt den Rücken runter. „Also, ab mit dir.“, war der finale Aufruf und als Levi sich verabschiedet hatte, ging es für sie wieder zurück in die Wohnung.
Auf der Rückfahrt schüttelte sich Julia mehrmals im Auto, als ob ihr etwas konsequent und unregelmäßig die Finger über den Nacken streichen würde. In der einen Sekunde kam es ihr als selbstverständlich vor sich einfach an die geltenden Verkehrsregeln zu halten, in der nächsten tendierte sie schon voll und ganz dazu diese einfach zu ignorieren. Eine merkwürdige Sache die sich zum Glück genau in dem Moment einstellte, als sich die Blondine effektiv mit dem Gedanken befasste. Das wiederrum hielt sie nicht auf nach einem dritten Schüttelfrost Anfall die Tür so präzise wie ein Uhrwerk zu öffnen. Ihre Mimik war unterdessen vollständig erstarrt. Monotonie herrschte von den Lippen, über die Wangen, bis hin zu ihren Blicken. Dieser alles direkt wertende Blick hatte sowieso nur ein Ziel in diesem Moment. Eine gewisse Katze musste gefunden und zurückverwandelt werden. Selbst, wenn es sie persönlich – und das war auch eine Folge dieses Bruchs – nicht im Geringsten Interessierte, es war ihr Job sich darum zu kümmern. Und wer seine Arbeit nicht ausführte, der hatte es nicht verdient beachtet zu werden. „Mathéo Tristam.“, folgte der Ausruf wie eine Einladung zur Guillotine, gemischt mit einer gleichzeitig honighaften und süßen Verlockung. Wenn man es nicht besser wüsste, wäre dies der wohl attraktivste Aufruf zum schnellen Tod gewesen. Genau so wanderten ihre Blicke auch durch das Wohnzimmer, in welchem sie sich gerade befand. Wie ein Jäger warteten die dunkelblauen Augen auf ihr Ziel. Zwar fand man nun wieder sanftere Gesichtszüge bei der Bardera vor, aber im Grunde genommen war das nur eine gute Fassade. Wenn sie ihn erwischen würde, so konnte er sich auf jeden Fall binnen Sekunden über eine Rückverwandlung freuen. Die Glocke an seinem Hals würde einfach geläutet werden und dann wurde die ganze Situation neu evaluiert … eine Antwort würde trotzdem noch fällig sein.
Anfangs hatte er wirklich gedacht, dass er zwischen dem blauen Bernd und dem gelben Helfried gut aufgehoben war. Zwar passte er farblich nicht zwingend zu einem von beiden und maximal nur zu Helfried auf Grund der Wärme ihrer Farben, doch insgesamt bildeten sie ein buntes Trio, dessen Köpfe auf derselben Höhe schwebten. Während Mathéos Kopf haarig war und dazu einlud, ihn zu kraulen, war Bern eher zurückhaltet und spitzzüngig. Helfried auf der anderen Seite wirkte lethargisch ausschweifend. Seine Blüten breiteten sich rücksichtslos nach links und rechts aus, sodass Mathéo sie sogar zur Seite schnauben musste. So ganz mochte er Helfried nicht. Aber Bernd wäre ihm auch ohne diese gelben Macken sympathischer. Mathéo spürte eine geheime Bindung zwischen ihnen, da sie dieselbe Ausrichtung - in etwa - besaßen und beide sich nichts anderes als Seelenfrieden und was zu Trinken wünschten. Spitzzüngig konnte Mathéo im übrigen auch sein: noch eine Gemeinsamkeit.
Levi zeigte stattdessen vollkommen andere rhetorische Fähigkeiten, die Julia jedoch keinerlei nennenswerten Mehrwert an Informationen entlockten. Es ging ihr gut, sie hatte nur unruhig geschlafen; das mussten doch die abschmetternden Worte einer Frau sein, die keinen Bock darauf hatte, dem Kerl Zugang zu ihrer inneren Gefühlswelt zu schenken, oder? Levi bekam nicht mal eine Chance zum Nachsetzen. Der erste Schuss hätte sitzen müssen, doch der ging daneben. Nun hatte Julia die Flinte in der Hand und drückte sie ihrem Schützling ungefragt in den Rücken. Die Blonde und der Schwarzhaarige hatten die Küche schneller verlassen, als Mathéo mit Bernd über das eben gesehene tratschen konnte. Instinktiv sprang er vom Fensterbrett ab und schlich auf leisen Pfoten zum Türrahmen. Levi wartete vor der Haustür, während Julia sich noch die Schuhe über die Zehen zog. Niemand hatte den roten Katzendämon bis hierhin bemerkt, so dachte Mathéo. Doch Julias plötzlicher Blick zurück zu ihm sollte ihm knallhart das Gegenteil entgegenwerfen. Allein dank seiner Katzenreflexe zog er das Köpfchen schnell genug weg. Dass sie ihn gespürt und vielleicht sogar seine Haarspitzen mitbekommen hatte, davon ging Mathéo katzenstreufest von aus. Sie waren beide Dämonen und es war nichts Unnormales, dass sie sich gegenseitig spüren konnten; wobei Mathéo gehofft hatte, in seiner momentanen Gestalt nur eine verschwindend geringe Aura abzugeben. Er meinte sogar, ein kurz aufblitzendes Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben. Viel mehr überkam ihn das schaurige Gefühl, dass ihn dieses Funkeln durch die Wand hindurch piesackte. Irgendwas war definitiv anders an Julia - und Mathéo war sich absolut nicht sicher, ob er es gutheißen durfte.
Als dann endlich die Haustür ins Schloss fiel und Mathéo sich zögerlich mit einem Blick um die Ecke versicherte, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, atmete er erst mal tief. Mit dem seufzenden Leeren seiner kleinen Lunge wurde auch jegliche Last von seinen zierlichen Schultern gestoßen. Nun meldete sich auch sein Magen zurück, der immer noch nach Milch und Fleisch verlangte. Daher ging es zurück mit dem Kopf in die Küche und hinüber zum riesig wirkenden Kühlschrank. Das Öffnen der Pforte wäre eigentlich ein Akt der Unmöglichkeit für Mathéos Gleichen, doch als dämonische Katze hatte er Tricks im Fellärmel, die ihn spielend an sein Ziel bringen sollten. Es dauerte also nicht lange, da zog er sich bereits die kalten Regale hoch. Ein Pfotenaufdruck auf der Milchflasche reichte, um diese wie eine magische Wolke hinüber zum Tisch schweben zu lassen. Hinterher folgten ihr der Kochschinken und ein Stück Käse. Gleichzeitig fragte er sich, ob Katzen überhaupt Käse aßen; und dann fragte er sich, ob es wichtig war, was Katzen aßen, wenn er doch eigentlich eh keine war. Aus dem nächstmöglichen Wandschrank folgte eine flache aber breite Schale; auch sie glitt zauberhaft durch die Luft. Die Flasche öffnete sich auf Befehl der zuckenden Schnurrhaare und goss ihren lieblich duftenden Inhalt in die ausladende Schale. Sofort machte sich Mathéo über die Suppe her und verschlang sie mit etlichen schnellen Zungenschlägen. Beinahe instinktiv lief dies ab, dabei hatte er anfangs noch enorme Probleme gehabt. Die allgemeine Idee einer trinkenden Katze war vollkommen falsch. Die Zunge wurde gar nicht zu einem Löffel geformt, um dann die Flüssigkeit in den Mund zu heben. Wer so einen Irrglauben an die Kinder dieser Welt verteilte, der gehörte gesteinigt und geköpft. Die frühen Franzosen hätten ihn direkt unter die Guillotine geworfen. Zum Glück hatte es Mathéo dann doch noch geschafft, sich zu helfen. Spätestens aber nach seinem Trip am vergangenen Abend hatte er diese Kunst vollständig gemeistert. Seine katzigen, aber nicht gestiefelten Kameraden hatten ihm all die Kniffe gezeigt, die ein moderner Kater von Welt wissen musste. Was den nachfolgenden Schinken anbelangte, da verfügte er über ganz eigene Techniken. Wie in einem guten Katzen-Zeichentrickfilm, fuhr Mathéo die Krallen aus und langte dann mit einer schnellen Bewegung nach dem Klumpen. Sofort vielen, zwei, drei Scheiben ab und konnten just verzehrt werden. Zwei weitere Scheiben folgten, dann ließ er den Schinken wieder zurück in den Kühlschrank schweben.
Die Schale stand übrigens noch unabgewaschen auf dem Tisch, als Mathéo zufrieden aus der Küche tapste und seine Neugier im Haus verteilen wollte. Julia war zwar flott unterwegs mit dem Wagen, aber bis zu ihrer Rückkehr hatte er noch ausreichend Zeit. Also tummelte er sich von Raum zu Raum und erlebte die Welt um ihn herum, wie es nur für eine Katze möglich war. Wieder vergaß er dabei, dass sein gängiges Leben eigentlich ein anderes war. Zwar sehnte er offiziell immer noch eine Heilung herbei, doch wenn diese fehlschlagen sollte, würde er mittlerweile wohl weniger enttäuscht sein als noch vor zwei Tagen. Einerseits seltsam und andererseits erschreckend, wenn man genauer darüber nachdachte.
Als dann irgendwann die Haustür wieder aufging und man Julias lautes Paar Schuhe klackern hören konnte - und Katzen konnten super hören -, zuckte Mathéo sofort zusammen und kauerte sich flach am Boden des Flurs im Obergeschoss zusammen. Niemals würde sie ihn mit Augen erkennen können, doch damit es auch ihrem dämonischen Gespür schwer fiel, versuchte er, seine Aura noch stärker zu dämpfen. Ein sicheres Gefühl besaß er dabei nicht. Vor allem als er seinen Vor- und Nachnamen hörte, zuckte er nochmal. Er wusste nicht, wann sie ihn zuletzt so gerufen hatte. Normalerweise machte man das, wenn man einen Frechdachs zu sich rief, um ihn zu belehren oder gar zu bestrafen. Dabei hatte er doch gar nichts angestellt, oder? Allein die Temperatur ihrer Stimme war alles andere als eindeutig; vom Klang gar nicht erst zu sprechen. Sie klang warm und süß, hatte aber einen kalten und scheinheiligen Nachklang. Mit einem warmen Eis zu locken, war hier wohl ein guter Vergleich. Es klang zu schön und reizend, um wahr sein zu können. Und Julia schien es nicht mal darauf anzulegen, dass man diesen Makel nicht erkannte. Spielereien hin und her - so hatte sie noch nie geklungen. Wieder etwas, was Mathéo enorm misstrauisch stimmte. Das einzige, was er ausschließen konnte, war, dass ein Dämon von ihr Besitz ergriffen hatte; denn wo ein Dämon bereits war, da konnte kein zweiter eintreten. Langsam und mit größter Vorsicht schlich sich Mathéo so flach geduckt zum Rand des Rundgangs im Obergeschoss, dass man meinte, er schleifte seinen pelzigen Bauch über den Boden. Ein großes Auge und eine Augenklappe lugten über die abschließende Kante und unter dem Geländer hinunter ins Erdgeschoss. Sein Blick glitt direkt hinüber zum Wohnzimmer, in dem er Julia erkennen konnte. Sie suchte ihn wie eine Raubkatze ihre Beute. Oder hab’ ich doch etwas angestellt? Vielleicht weil ich abgehauen bin? Aber ich wollte doch nur in einem Stück nach Hause … hm … Er traute sich nicht, einen Mucks von sich zu geben. Tatsächlich dachte er sogar daran, den Kopf wieder zurückzuziehen und sich im Kleiderschrank zu verstecken; doch just im Moment dieser Überlegung schaute Julia plötzlich nach oben. Ruckartig tat er, womit er eben noch gezweifelt hatte. Der Kopf schnellte zurück hinter der Kante und blieb still am Boden liegen. Mit etwas Glück hatte sie ihn nicht bemerkt.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Julia hatte einige Sekunden damit verbracht den roten Kater vom gestrigen Abend in ihrer Umgebung zu suchen. Sie wartete; und das mehr gezwungen als wirklich aus freiem Willen heraus. Es könnte doch alles so einfach sein. Sie fand den Fellball, schnappte ihn sich, läutete die Glocke und alle waren glücklich. Oder besser gesagt, sie hatte ein weiteres Ziel ihrer kleinen To-Do-Liste abgehakt. Was der Tristam danach veranstaltete, war ihr herzlich egal, so lange er pünktlich und einsatzbereit in der Schule auftauchte … aber immer noch folgte keine genaue Antwort. Kein „Miau“ und kein Kater der sich fröhlich zu seinem Herrchen bewegte, damit er ihrer Einladung Folge leisten konnte. Den Eingangsbereich hinter sich in den Fokus nehmend, wanderten die eisigen blauen Augen den Weg entlang, den sie gekommen war. Nichts. Selbst ein Blick in die Küche war – auf den ersten Blick – vergebens. Ein einziges Mal hörte man, wie die Beine der Blondine einen Schritt weiter ins Wohnzimmer hinein machten und erneut wanderten ihre Augen den eben vollführten Rhythmus ab. So lange, bis sie mit ihrem Gespür etwas eindeutig Dämonisches erkannte. Und was noch besser war: Es hatte ungefähr die gleiche Art und Weise an sich, wie diejenige, bevor sie das Haus verlassen hatte. Innerlich lachte das Gemüt der Bardera. Da steckte der Rothaarige also! Wie ein Steinadler fixierte sie das obere Ende der Treppe. Sie brauchte nur noch den richtigen Moment, um sich ihre Beute zu schnappen. Lediglich das anschließende verfüttern würde sich Mathéo sparen können, da Julia zum Glück keine kleinen Küken hatte und Levi wohl kein exquisiter Gourmet in Sachen Dämonenfleisch war. Aber Garantien sollte man in diesem Moment wohl lieber nicht aussprechen.
„Mh.“, äußerte sie sich ungewohnt knapp und machte einen Schritt auf die Treppe zu, ihr Bein leicht erhebend und den linken Fuß zuerst auf die Treppenstufe stellend. Das „Klack“, den ihr Absatz beim auftreffen auf das Holz erzeugte, sollte zugleich eine erste Warnstufe darstellen. Immer noch war ihr Blick auf das obere Ende der Treppe fixiert, aber sie ließ sich Zeit, umkreiste den Ort ihrer Beute sorgsam und langsam, während sie seelenruhig die Treppe hinaufschwebte. Dabei immer wieder ein Signal ihrer Absätze versendet und kurz den Fokus auf ihre Fingernägel richtend, als ob das die bevorzugte Kralle des Beutefangs werden sollte. „Verstecken bringt nichts, Mathéo.“, war die Warnung die sie – wohlwissend kein Selbstgespräch zu führen – schon einmal kühlen Tones als Botschafter emporsandte. „Je länger ich suchen muss, umso ungeduldiger werde ich.“. Was mehr als Synonym für drastischere Maßnahmen zu sehen war. Die Dämonin hatte so ihre Methoden, um ungehorsam zu begegnen. Spätestens dann, wenn sie ihn in die Finger bekommen würde. „Und im Endeffekt wollen wir beide das Gleiche, oder nicht?~“, appellierte sie hier an die Vernunft des Tristams, mit einer ähnliche Guillotinen-Stimme wie vorher. Wobei Julia hier nicht einmal zur Debatte stellte, dass es eine andere Meinung gab, oder diese je existierte. Sie wollte ihn zurückverwandeln, also hatte er das gefälligst auch zu wollen. So einfach war die Geschichte. Stufe für Stufe bewegte sich die Dämonin weiter in Richtung des Obergeschosses und als sie kurz davor war die letzten drei Tritte vor sich zu haben, verschwand die Blondine einfach in einer kleinen schwarzen Wolke, um am Ende am oberen Ende in einer weiteren wieder zu erscheinen. Eine ihrer leichtesten Fähigkeiten und ebenfalls das Produkt wachsender Ungeduld, weil sich immer noch keine Antwort in ihre Richtung bewegt hatte. Sie für ihren Teil hatte genug gespielt, es wurde Zeit ernst zu machen und das ganze hinter sich zu bringen. Da konnte Mathéo auch gerne einen Schreck-Salto vollführen, wenn er denn überhaupt noch an dieser Stelle vorzufinden war, wo nun die Augen der Bardera hinschauten. An ihrer Pose änderte das jedoch nichts. Mit verschränkten Armen stand die Direktorin nun dort und versuchte die Situation erneut zu erfassen. Zwar lächelte Julia in einer durchaus freundlichen Manier, aber in ihren saphirblauen Augen spiegelte sich diese in keinem Moment wider. Aber vielleicht könnte ein sich auf den Rücken legender Kater die ganze Situation doch noch wenden. So wie es die Tiere immer taten, wenn sie sich einem teilweise unterwarfen. Wobei … die Freude wäre eher kurzlebig. Sie hatte immerhin noch anderes zu tun.
Die ganze Zeit über fragte er sich, warum er sich eigentlich versteckte und warum es ihm so schwer fiel, Julia ihre Worte abzukaufen. Natürlich brachte ihm das Verstecken nichts. Wenn sie wusste, wie man ihm helfen konnte, dann wäre es umso unsinniger, vor ihr zu flüchten. Doch sein Verhalten rührte auch nicht von seiner Neigung nach einem Katzenlaben her, sondern ein tieferes Unwohlsein in seiner haarigen Brust war die treibende Kraft. Da half es auch nicht, ihm von ihrer eigenen Ungeduld zu berichten. Was bedeutete das denn?, fragte er sich. Was würde sie tun, wenn ihre Geduld gebrochen war und was würde passieren, wenn er sich ihr brav präsentierte? Nur der halbe Kopf ab? Vielleicht dachte er auch einfach zu viel darüber nach und ließ sich von seiner Intuition in die Irre führen. Dass der Großteil seiner fantasievollen Ergüsse an den Katzenhaaren herbeigezogen war, war ihm sehr wohl bewusst.
Ich weiß, was ich will. Aber was willst du, Julia?
Die Kernfrage in seinem Kopf jonglierend, merkte er den plötzlichen Ortswechsel der Bardera wie einen Stich von einer Schläfe zur anderen. Der rote Pelz stellte sich vor Schreck auf und die Krallen des Tristams bohrten sich unbewusst in den Teppichboden. Nur langsam drehte er seinen kleinen Kopf nach hinten. Julia stand nun hinter ihm, hatte sich von jetzt auf gleich dorthin teleportiert. Weglaufen machte keinen Sinn. Weder musste er mit dem Tod rechnen, noch hatte er etwas zu verstecken. Er war hier, weil er seine Katzenform wieder loswerden wollte; und mit dieser die Glocke an seinem Hals. Langsam richtete sich der rote Tristam auf und drehte seinen Katzenleib in sitzender Position der Bardera zu. Sein Blick folgte über ihren Fußspitzen den Beinen hinauf bis über den Bauch und das Kinn in ihre Augen. Die waren nicht ohne und auf alle Fälle ganz anders als sonst; aber den Gedanken pflegte er gerade nicht zum ersten Mal an diesem Tag, weshalb er schneller wieder verschwunden war als noch der erste. »Miau?«, tat er ganz unschuldig und leckte sich wie eine echte Katze über die erhobene Pfote. Vielleicht sah das sogar super süß aus, doch bei Julia zeigte dieser Move keine Wirkung. Die Blondine bückte sich ohne einen Kommentar zu ihm hinunter, sodass Mathéo instinktiv eine abwehrende Haltung einnahm. Ehe er jedoch zu seiner Verteidigung maunzen konnte, tippten ihre schlanken Finger das Glöckchen an seinem Hals an.
Was?, war die zweite wichtige Frage binnen weniger Sekunden, die seinen Verstand beherrschte. Kaum war der leise Ton erklungen, rührte sich ein vibrierendes Gefühl auf Mathéos Haut. Sofort wurde ihm klar, was nun passieren würde. Also aktivierte er mit seinen hauseigenen Kräften die Stoffteilchen im Bändchen an seinem Schwanz, die sich nahezu zeitparallel zu seinem wandelnden Körper zurück in ihre Ursprungsform vom gestrigen Tag wandelten.
Geschehen war binnen eines Augenblicks eine staubig magische Wolke, in deren puffenden Zentrum ein rotschöpfiger Tristam nun endlich wieder auf zwei menschlichen Beinen stand. Das Gesicht sah ebenfalls so aus wie gewohnt; sogar die Augenklappe saß. Was ebenfalls wie maßgeschneidert am rechten Fleck prangerte, war sein Ballanzug. »Miau? Äh, ich meine … puh.« Mathéo pustete etwas den Rauch weg, der sich sofort in den Ritzen des Hauses verzog. »Endlich wieder keiner Katze mehr«, meinte er schlicht, während er an sich hinabsah. Das Unwohlsein von eben überspielte er damit eindruckslos. Er hatte nicht das Gefühl, dass er dem jetzt nachgehen sollte. Immerhin stand auch die Schule an, für die er sich vorbereiten musste. Also ging er lieber jeglichen Fragen der Bardera direkt aus dem Weg und verabschiedete sich ins Bad, wo er sich den Geruch nach Katzenfell abwaschen wollte. Sollte schnell gehen, wenn man magisch nachhalf.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Wäre Julia nicht so gut darin ihre wahren Gedanken von ihrer Mimik zu trennen, hätte sich ein sehr markantes Grinsen auf ihren Lippen abgezeichnet. Innerlich sehr zufrieden beobachtete sie die teils erschrockene Haltung des Katers, bevor dieser sich dann doch noch besann und einfach nur leicht herumdrehte. Na gut, dann eben kein unterwürfiges auf den Rücken werfen. Wäre ja auch zu schade gewesen. Aber man konnte eben nicht immer alles haben, oder zumindest nicht sofort zur Zielgeraden springen. „Sehr vernünftig.“, äußerte sie zufrieden klingend, aber nicht dreinblickend und hockte sich zu dem roten Geschöpf herunter, der in ihrer Nähe leicht in die Defensive überging. Eigentlich war sie nur froh, dass dieses Spektakel nun sein Ende finden würde und sie sich wieder auf ihre Arbeit fokussieren konnte. Einen kurzen Moment musterten ihre blauen Augen mit einem berechnenden Blick das Tier, dann stupste die Dämonin das Glöckchen an und begutachtete das sich nun präsentierende Schauspiel. Innerhalb eines Augenblicks – und dem Sichtmalus durch die Staubwolke einmal abgesehen – stand dort kein auf vier Pfoten laufendes Lebewesen wieder, sondern der Tristam, wie er sich vorgestern Abend noch ihrem Antlitz präsentiert hatte. Allerdings war das wohl kaum der Aufzug für einen Schüler der SnK-Oberschule. Aber noch sagte Julia nicht ein einziges Wort und richtete sich lediglich auf, um dem Tristam wieder in die menschlichen Augen zu blicken. Kein Wort verließ ihre Kehle und nachdem Mathéo mit seiner Sightseeing-Tour seines alten Körpers abgeschlossen hatte, verabschiedete er sich auch sogleich ins Bad. „Ich warte draußen.“, gab sie ihm lediglich beim weggehen als Information mit und schnappte sich im Erdgeschoss ihre Arbeits – und Sporttasche, damit sie diese schon einmal im Wagen verstauen konnte. Das einzige Objekt, dass sie im Übrigen noch mit großer Sorgfalt behandelte und sich sogar dazu hinreißen ließ ihre Finger von der Front – bis hin zur Fahrertür des Wagens – an der Seite entlangstreichen zu lassen. Ab dort hätte man auch locker eine Szenerie aus ihrer Vergangenheit nehmen und einfach darüberlegen können.
Ungeduldig und mit dem Blick konstant auf ihrer Uhr liegend, wartete sie bis der zweite Hausbewohner seine Sachen gepackt hatte und nun auf dem Weg zu ihr war. Die blauen Augen der Direktorin folgten ihm ab der Haustür Buchstäblich bei jeder Bewegung, bis der Rothaarige sie passierte und zur Beifahrerseite ging. Dabei stets das Lächeln von vorhin tragend, welches immer noch nicht von ihren Seelenspiegeln geteilt wurde. Wo Julia sonst einen lockereren – und vergleichsweise neckischen – Kommentar platziert hätte, herrschte nun eine pure Stille. Erst, als sie sich im Wagen befand und die Tür geschlossen war, entspannte sich ihre Körperhaltung wieder ein wenig. Mehr passierte jedoch erst einmal nicht. Kein Gespräch, keine Fragen, nichts. Der Smalltalk, für den Julia nicht berühmt war, aber ihn dennoch beherrschte, fehlte komplett. Stattdessen wirkte es, als hätte man eine Glaswand zwischen ihr und der Außenwelt aufgezogen und Levi war heute sogar der erste, welcher unbewusst voll dagegen gelaufen war, es aber keineswegs gemerkt hatte. Aber das war egal, ihr war es zumindest egal. Erst als sie kurz vor dem Schulgebäude waren und die Reifen kurz davor den Schulhof zu betreten, schüttelte sich die Direktorin einmal kurz, als ob ihr jemand mit kalten Fingern über die Wirbelsäule streichen würde. „Wir sind da.“, kommunizierte sie das Offensichtliche und äußerte damit eigentlich die indirekte Aufforderung zum Aussteigen. Julia kam dieser schon unmittelbar nach der Aussage selbst nach und öffnete sogleich den Kofferraum des Wagens. „Ich hoffe, die Verwandlung beeinträchtigt dich nicht zu sehr. Wenn doch, dann melde dich rechtzeitig, ja?“, gab sie dem Dämon in einem Anflug unerwarteter Fürsorge mit auf den Weg und bemerkte dabei nicht mal, wie sie kurz in ihre „ursprüngliche“ Art abdriftete. So, wie man sie die letzten Jahre auf der Insel stetig kennengelernt hatte. Doch es war nur ein kurzer Lichtblick. Innerlich darüber streitend, ob sie das wirklich sagen wollte, wünschte die Direktorin ihm nur noch „Viel Erfolg, heute.“. Als ob es seine Pflicht wäre eine gute Leistung abzugeben. Ein weiteres "Frösteln" suchte sie heim, danach verschwand sie kommentarlos im Schulgebäude. Sie wurde immerhin nicht für das herumstehen am Eingang bezahlt. Wobei die Farce erst jetzt wirklich beginnen würde. Die Dämonin war immerhin nicht so dumm jeden Schüler die Veränderung spüren zu lassen. Also wurde das Lächeln kurzerhand wieder aufgesetzt. Es wäre nur schön, wenn ihre nette Seite endlich mal aufhören würde zu rebellieren. Sie sollte sich unterwerfen, wie ein braves kleines Mädchen.
Von vollen Tüten könnte bei den beiden wirklich keiner reden. Ein einziger reichte und hatte sogar noch Luft übrig, nachdem Helena den Einkauf darin verstaut hatte. Interessanterweise ignorierte sie die Möglichkeit, das Gepäck direkt an den Dämon abzudrücken. Laut einem gängigen Klischee war das männliche Wesen für das Tragen von Gepäck zuständig und sein weibliches Gegenstück wies ihn grundsätzlich immer darauf hin. Bei Helena schien dieses Klischee nicht angekommen zu sein, denn die Chevalier stolzierte mit dem Beutel in der Hand aus dem Laden. Mathéo musste also auf der Straße Überzeugungsarbeit leisten, um ihr diesen abzunehmen. Man konnte viel über die Erziehung des jungen Tristam diskutieren. Sicher gab es viele Elemente in seiner Kindheit, die vorrangig von seiner Familie geprägt waren und über die man seinen ethischen Zweifel herfallen lassen durfte, doch die Qualität der Ausbildung und seines Studiums konnte man als nahezu perfekt betiteln. Da fehlte es nämlich auch nicht an den alltäglichen Regeln des Benehmens und den Eigenschaften eines vorbildlichen Gentlemans. Mathéo erinnerte sich amüsiert an die Stunden mit seinem privaten Lehrer, dem er Tag um Tag am liebsten den Stock aus dem Arsch gezogen hätte. Trotzdem hatte es der Mann geschafft, Mathéo ein Empfinden für adrettes Verhalten einzupflanzen. Und daher kam es, dass sich dem Dämon die Haare aufstellten, als er Helena den Beutel tragen sah. An der Stelle hatte er auch kein Aber geduldet. Der Beutel gehörte in seine Hand. Aber neben dem Gepäck gab es auch das Thema der Bezahlung. Die Kosten für den Einkauf konnten nicht allein auf den Schultern von Helenas Portmonee lasten. Sie war ihm ziemlich flott zuvorgekommen, ehe er auch nur bemerken konnte, dass es Zeit war, seine Geldbörse hervorzukramen. Drum bestand der Großteil der Reise zu seinem Haus aus einer angeregten Diskussion über das Teilen der Kosten. Helena argumentierte damit, dass sie ohnehin vorhatte zu kochen und Mathéo konterte damit, dass er allerdings das fertige Gericht ebenfalls essen würde. Die Verwertung der Zutaten fiel also beiden zu - unabhängig wer kochte und ob er es schon vorher vorgehabt hatte. Irgendwann - nach ein, zwei, drei Anläufen - lenkte Helena schließlich ein und erlaubte Mathéo, ihr den halben Preis zu erstatten.
Als die beiden dann schließlich im Yashidori-Viertel angekommen waren - genauer gesagt direkt vor Mathéos Haus -, wurde dem Tristam für einen kurzen Moment nochmal mulmig zu Mute. Die Sache mit seiner Mitbewohnerin stand an und in seinem Hinterstübchen reimten sich bereits die Ausreden zusammen. Vorrennen und alles verstecken, war eine unsinnige Idee. Niemals würde er das Haus in so kurzer Zeit restlos von Spuren bereinigen können. Helena war als Mitglied des weiblichen Geschlechts mit Scannern ausgestattet, die Informationen aufnahmen, deren Existenz Mathéo gar nicht kannte. Diesen aussichtslosen Kampf wollte er also weder kämpfen noch überhaupt zu diesem antreten. Sollte sie sich doch wundern und ihn fragen, er würde ihr schon einen fettigen Braten auftischen, von dem sie lieber die Finger ließ, statt weiter nachzuhaken. Oder … er munkelte, während er die Stufen hinauf zum Eingang beschritt. Die besten Lügen sind die, die am nächsten an der Realität waren. Je weniger er sich ausdenken musste, desto glaubwürdiger erschien sie. Und obendrein … wer sagte denn, dass er grundsätzlich lügen musste?
»Hereinspaziert!«, hielt Mathéo die Tür hinter sich auf und wartete, bis Helena hindurchgeschlüpft war. Im ‚Foyer‘, wie er es gerne beschrieb, zeigte er ihr, wo sie ihre Schuhe abstellen konnte, wo es zum Bad ging, falls die Notdurft sie nötigte und natürlich wo es zur Küche ging. Als sie vor den Fenstern zum Garten hin vorbeigingen, erwähnte er diesen auch flüchtig. Dabei musste er an die Idee mit der Hängematte zurückdenken. »So, hoffe, die Küche kann mit der im Wohnheim mithalten«, scherzte er, auch wenn er stark davon ausging, dass Welten zwischen den Qualitäten der beiden lagen.
———————————————
Zen-Transaktion: 7 Zen an Helena Chevalier Grund: Ausgleich der Supermarktkosten
Der Weg zur begehrten Küche sollte für Helena nicht so einfach werden, wie es die Engelin gerne gehabt hätte. Es gab ein paar Komplikationen auf dem Weg dorthin. Wobei man hinter diesem Wort wohl eher etwas drastisches verstehen würde, aber so weltbewegend war es wohl nur für die Betroffene des Szenarios. Denn, entgegen ihrer Hoffnung sagte er ihr nicht die Adresse seines Wohnhauses, sondern wollte ihr die Tüte mit den Einkäufen abnehmen. Das war wohl eher weniger, was sie mit ihrem fragenden Blick erreichen wollte. Einen kleinen Moment lang wollte sie sogar ablehnen irgendetwas an ihn abzugeben. Aber gut, nachdem er so freundlich danach gefragt hatte, ließ ihn die junge Dame einfach gewähren und übergab ihm die Zutaten. Eine Diskussion darüber wäre sowieso nicht in ihrem Interesse gewesen und sie konnte an seinem Blick sehen, dass es genau auf so etwas hinauslief. Wenn es sich nicht sogar zu einem sturen Dialog hochgeschaukelt hätte. Als er dann aber noch darauf bestand die Einkaufskosten mit zu tragen, lehnte sie ab. Immerhin hatte sie den Tristam dazu eingeladen und am Ende hätte sie ja auch ohne ihn etwas zubereitet. Außerdem … es waren nur 14 Zen. Doch nach zwei hoffnungslosen Versuchen, den Dämon davon abzubringen, ließ sie weiteren Widerstand einfach versiegen. Leicht belustigt ließ sie sich die sieben Zen auszahlen und steckte sie in ihren Geldbeutel. Irgendwie hatte diese insistierende Art ja schon was an sich. Welchem Mädchen würde es nicht gefallen, wenn die Begleitung schon auf Sachen wie Einkäufe tragen oder mitbezahlen insistierte. Wobei letzteres gar nicht so verwerflich war. In einem zweiten darüber nachdenken hätte auch sie es sich nicht nehmen lassen etwas zum Preis beizusteuern, was vermutlich ähnlich geendet hätte. Schon lustig, irgendwie.
Der Weg des hungrigen Schülerpaars führte sie nach diesen Hindernissen hinaus ins Yashidori-Viertel. Nicht gerade unbekanntes Terrain für Helena, aber dennoch ungewohnt. So viele Freunde hatte sie außerhalb des Wohnheims nicht, wenn überhaupt. Es war wie eine Isolationsanstalt und hielt alle Besonderen fern vom Alltag der normalen. Naja, so halbwegs zumindest. Ihr kam es zumindest manchmal so vor. Ob er deswegen ausgezogen war? Mh, wäre ja mal interessant zu wissen. Allerdings war das keine Frage für das erste Mal kochen. Sollte sich die Thematik im Laufe des Nachmittags nicht von selbst auftun, würde die Pariserin hier auch keinen Versuch starten. Es gab auch viel interessanteres im Moment. Zum Beispiel das Haus, zu dem sie geführt wurde. Kurz blieb Helena am Tor zum Grundstück stehen und begutachtete das Gebäude. Es sah schön aus und lag einigermaßen ruhig. Ungefähr so wie sie sich eine Wohnung vorgestellt hatte, wenn sie mal in den Luxus einer eigenen Familie kommen würde. Ob er vielleicht mit seinen Eltern hier wohnte? Mh, machte irgendwie keinen Sinn. Vielleicht war er auch einfach nur sehr vermögend, konnte ja auch sein. Nur, weil man hier an der Schule war, musste man ja keine arme Kirchenmaus sein. Nicht jeder wurde von den Metro-Tunneln direkt auf eine Insel nahe Japan teleportiert und ließ alles zurück bis auf einen kleinen Koffer, dessen Herkunft sie bis heute nicht hinterfragt hatte. Naja, was soll’s.
Mit einem „Danke sehr.“ und einem leichten Nicken, trat sie dann schließlich in die heimischen Gefilde ihres Mitschülers ein. Bereits im Eingangsbereich konnte man eindeutig erkennen, dass es sich hier auf jeden Fall um ein Haus in Familiengröße handelte. Eine optische Täuschung von vorhin war also auszuschließen. Bevor sie sich aber dort weiter hineinsteigerte, gingen ihre Spinnensinne erstmal auf Erkundungstour. Wirklich fündig wurde Helena aber erst beim Ausziehen ihrer Schuhe. Denn neben denen von Mathéo und ihr, gesellten sich auch noch andere Paare von Damenschuhen dazu. Er lebte hier also definitiv nicht allein und mit einer Frau, was automatisch eine Frage aus ihrem geistigen Fragekatalog entfernte. Warten zahlte sich eben aus. Die daraufhin folgende Rundtour zum Bad, dem Garten und der Küche, ließ die Chevalier deswegen mit großem Interesse am Ball bleiben. Je mehr sie sah, desto mehr Fragen erledigten sich so vielleicht von selbst. Allein, wenn es um die Kleidungsstücke und Einrichtung ging, konnte sie zwei verschiedene Stile herausfiltern. Sie waren keineswegs so homogen und abgestimmt wie bei ihren Eltern zuhause. Eine WG vielleicht? Aber dazu war es zu … harmonisch, irgendwie. Vielleicht frisch zusammengezogen? Die Blondine wusste auch nicht, wie genau sie das jetzt bewerten sollte. Ihr Kopf würde wohl etwas länger brauchen, um dieses Mysterium vollständig zu entschlüsseln.
„Machst du Witze? Als ob die Küche im Wohnheim mit einer Küche wie dieser mithalten kann.“, erwiderte Helena geradezu selbstverständlich auf seine Frage und ließ ein kurzes Lachen erklingen, „Allein die Einrichtung hier ist zehn Mal besser als dort.“. Gut, die Wohnheimsküche war ja auch für Masse ausgelegt, was sollte man da erwarten? War ja eigentlich selbstverständlich, aber sie lebte dort ja auch schon seit ein paar Monaten. Der Gang zur Küchenzeile, um weitere Sachen in Erfahrung zu bringen, war dementsprechend schon fest vorprogrammiert. Vorsichtig öffnete sie eine der Schubladen und lugte hinein. Nur, um von einer gut Sortierten Menge an Schneebesen und anderen Kellen begrüßt zu werden. Man konnte förmlich mit ansehen, wie ihre blauen Augen zu leuchten begannen. Da schien jemand seine Küche wirklich sehr zu lieben … und sie liebte die Küche auch. Ja, hier konnte sie es wirklich aushalten. Nicht mal Temperaturen wie draußen würden sie davon abhalten. Ein Königreich für eine Küche! „Jep, eindeutig besser als im Wohnheim.“, wiederholte sie sehr überzeugt ihren Eindruck und ließ eine schwungvolle 180-Grad-Drehung in seine Richtung folgen. Abgerundet wurde sie von wieder einmal hochgezogenen Mundwinkeln. Aber wer Helena kannte, der wusste, dass auch dahinter eine neugierige Französin steckte. Sie stellte Fragen gerne mal so subtil, dass man manchmal gar nicht selbst merkte, welche Antwort man ihr damit wirklich lieferte. Dieses Mal allerdings verzichtete sie auf großartige Wortspiele und versuchte es nur halb so subtil, musste am Hunger liegen. „Muss allerdings echt hart sein die Ordnung durchzusetzen, wenn man noch jemanden hier im Haus hat. Ich meine …“, und sie ging zur Tüte mit den Einkäufen, „… bei uns Zuhause lag manches einfach immer Mal irgendwo anders. Aber mit der Zeit hatte man alle Orte im Kopf, dann ging das irgendwann und … oh.“. Ihr Magen machte dem kleinen Redefluss schnell den gar aus und ließ sie etwas fokussierter auf das anstehende Essen werden. Das Knurren war eindeutig, da gab es nur eine richtige Deutung. Trotzdem hoffte sie auf eine etwas ausführlichere Antwort bezüglich des Mitbewohners. Wenn nicht, musste sie halt etwas konkreter werden … nach dem Essen.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Mathéo ließ sich instinktiv vom kurzen Auflachen der Chevalier anstecken. Einerseits beruhigt, dass die Küche ihr ausreichte, fühlte er sich gleichzeitig bestärkt und bestätigt. Sein Stolz als (halber) Hausbesitzer bauschte sich zusätzlich auf, nachdem eines der pochenden Herzen seines Guts derart gelobt wurde. Dass die Konkurrenz bei diesem Vergleich die vielleicht schlechteste überhaupt war, ignorierte er natürlich. Was er jedoch weiterhin nicht ignorierte, war das Verhalten Helenas. Seit dem Betreten des Hauses hatte sie noch kein Wort über diverse Hinweise verloren. Dass er nicht alleine hier lebte, sollte auch ihr aufgefallen sein. Also vermutete Mathéo, dass sie heimlich sammelte und wohl abwartete, ehe sie zum Angriff ansetzte. Wie eine Löwin in der Savanne, die ihre Beute umkreiste und erst dann zuschlug, wenn die perfekte Situation da war. Mathéo schmunzelte in sich hinein. Dass er Helena mit solchem Vorgehen verband, war absurd. Er ging zwar nicht davon aus, dass sie das pure und unschuldige Mädchen von nebenan war, doch … wobei. Der Tristam grübelte einen Moment, während die Blondine durch die Küche - gefolgt von lobenden Worten - schwebte. War es nicht typisch Mädchen, sich derart hinterhältig zu verhalten? Mathéo wollte sie ungern über den Klischeekamm scheren, allerdings würde es in dieser Situation nicht abwegig sein. Er kannte sie einfach nicht gut genug, um das sicher einschätzen zu können. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als zu warten.
»Danke, danke«, reagierte er stattdessen zufrieden auf die positiven Äußerungen der Französin. Gegen einen schlichten Kochnachmittag hatte er nichts auszusetzen. Es musste nicht immer alles drei Mal überprüft und hinterleuchtet werden. Es konnte auch alles einfach mal … einfach bleiben. Mathéo hatte sich also schon halb der Sorglosigkeit hingegeben, als Helena plötzlich doch zum Angriff ansetzte. Die Löwin hatte sich tatsächlich nur versteckt. Anfangs horchte er ihr noch unbekümmert zu; schnell wurde ihm jedoch bewusst, was sich gerade anbahnte. Es konnten nur Vermutungen sein, die Helena äußerte, an die sie jedoch fest glaubte. Also bot sie diese auch mit der entsprechenden Sicherheit an und ließ sie klingen, als hätte Mathéo es bereits bestätigt. In Wirklichkeit musste sie sich allerdings erhoffen, durch seine Reaktionen und seine Antworten zusätzliche Informationen zu erhalten. Auf eine Bestätigung ihrer Aussagen konnte sie nicht hinauszielen, dafür waren die Indizien in der Wohnung zu offensichtlich. In Mathéos Kopf ratterte sich bereits ein Konterplan zusammen, als seine Gedankengänge plötzlich von Helenas Magenknurren unterbrochen wurden. Ohne es kontrollieren zu können, musste er amüsiert auflachen. »Wir sollten besser nicht trödeln, hm?«, meinte er daraufhin - immer noch schmunzelnd. »Aber ja, kann unter Umständen ziemlich anstrengend sein. Solange man aber klare Regeln und Zuweisungen hat, geht das schon. Jeder hat seinen Bereich und wo es sich überschneidet, wird vorher einfach abgesprochen. Geht natürlich auch nur, wenn beide mitmachen. Wenn nur einer von beiden seinem inneren Rebellen nachgibt, geht das schnell schief.« Mathéo dachte kurz daran zurück, wie es bei ihm Zuhause war. »Oder natürlich einer ist so dominant, dass sich der andere brav unterordnet. In meinem Familienhaus war es meine Mutter, die eigentlich alles bestimmt hat. Da gab es auch keine Unordnung, denn sie hat allem ihre eigene Ordnung aufgezwungen. Kann man gut heißen oder nicht.« Sein Lächeln zum Abschluss war leicht angestrengt, da es mehr einer guten Miene zum schlechten Spiel glich. Nicht dass Vater sich damals unterordnete, weil er Angst vor seiner Frau hatte und seine Ideen für das Haus für sich behielt. Er hatte schlichtweg kein Interesse daran gehabt, sich mit der Einrichtung zu beschäftigen. Daher kam es ihm sogar gelegen, alles seiner Gemahlin zu überlassen.
Um seine anderen Worte von eben aber nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, begann Mathéo, nacheinander Utensilien aus den Schränken zu kramen. In einem unteren Schrank holte er beispielsweise einen Reiskocher heraus, wie man ihn im japanischen Raum in - vermutlich - jedem Haushalt fand. Das war zwar nicht die englische Art, doch er mochte es, sich an diese hiesige Kultur anzupassen. Reis holte er ebenfalls heraus, denn der fehlte an erster Stelle noch für das Gericht. »Ich hoffe, du vermisst dein Zuhause nicht zu sehr«, sprach Mathéo fast schon in nebensächlichen Ton und setzte dabei ein mitfühlendes Lächeln auf, ohne Helena direkt anzusehen. Erst als er sich in Form eines abrupten Themenwechsels nach dem weiteren Vorgehen bei der Zubereitung erkundigte, schaute er der Chevalier wieder in die Augen.