Ursprünglich und erst vor zwei Jahren als Einfamilienhaus gebaut hat das Haus Yashidori 16 eine eher unspektakuläre Besiedlungsgeschichte. Dadurch, dass die Familie, die es erbauen ließ nach sage und schreibe 4 Monaten wieder ausgezogen ist und es für einen langen Zeitraum leer stand und kaum genutzt wurde, befindet es sich in einem hervorragenden Zustand. Auf den ersten Blick lässt nichts darauf schließen, dass es wirklich einmal bewohnt war. Gestrichen in hellen Farben strahlt diese Unterkunft schon von Weitem einladende Behaglichkeit aus, die auch nach dem Eintreten über die kleine, durch Stufen zu erreichende Veranda aufrecht erhalten bleibt. Gegenüber der Eingangstüre befindet sich eine große, schwere Schiebetüre, über die man die Garage erreichen kann, die mit einem Fahrzeug von der anderen Seite aus angesteuert wird. Im Erdgeschoss befinden sich hinter edlen Holztüren alle gemeinschaftlich nutzbaren Räumlichkeiten, hierzu zählen die geräumige Wohnküche, das Badezimmer, sowie eine kleine Abstellkammer für Haushaltsgeräte, Putzmittel und ähnliches. Über eine Treppe im Vorraum gelangt man in die Galerie des Obergeschosses, die zugleich Flur und Verbindung zu allen 3 Zimmern ist, die zu Zeiten der ersten Bewohnung allesamt als Schlafzimmer, zwei davon wahrscheinlich als Kinderzimmer für Jugendliche genutzt worden sind.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Und schon verfolgten ihn die Worte seines Lehrers, ohne das Mathéo es hätte kommen und abwehren können. Kaum hatte Julia seine Frage nach ihrem Befinden beantwortet, tauchten klar geschriebene Zeilen eines Buches, wenn auch gesprochen erlebt, in seinem Kopf auf. Der Lehre nach gab es bestimmte Interpretationsmöglichkeiten, wenn die Gegenüber sich nicht zurückerkundete. Von Julia kam keine Frage nach seinem Befinden. Und im weiteren Verlauf konnte man sogar annehmen, dass sie sich diese Frage selbst beantwortete, indem sie ihn allein mit ihren Augen inspizierte. Am Ende war es jedoch wenig überraschend für Mathéo, dass es zu der Frau passte, die er hier vor ungefähr einem Monat zurückgelassen hatte. Die Enttäuschung hielt sich also in Grenzen. Was ihn dagegen viel mehr mitnahm, war ihre Annahme, er hätte seine Familienangelegenheiten souverän gelöst. Bei ihr klang es nach einer Familieneskapade, die irgendwie wieder ins Lot gebracht werden musste. Stattdessen hatte man ihn nur immerzu gedrängt, seinen Pflichten als angehendes Oberhaupt nachzukommen und seine Fähigkeiten zu schulen, wie sie künftig benötigt werden würden. Ein, zwei Mal konnte man ablehnen, aber irgendwann standen die Männer in Schwarz vor der Tür und nahmen einen einfach mit. Zugegeben: Genau so war es nicht abgelaufen. Die Männer in Schwarz hatten ihn lediglich zurückgebracht. Dennoch: Von einem souveränen Ablauf würde Mathéo nicht sprechen; auch wenn er seine Lehrer hatte zufriedenstellen können. Sein Gesichtsausdruck zeugte daher viel mehr das Leben eines gepeinigten, der sich nicht recht dargestellt fühlte. Dies löste sich auch erst auf, als Julia zu ihm herüberkam und ihm - überraschenderweise - den Kragen richtete. Dabei hatte er diesen doch eben erst bewusst gelockert, um Luft reinzulassen. Fräulein Businessfrau passte dies allerdings nicht und musste die Ordnung wiederherstellen. Mathéo seufzte innerlich, schenkte Julia einen bedienten Blick.
Die plötzliche Nähe, welche Julia aufgebaut hatte, sie wurde dem Tristam in ihrer eigenen Brisanz erst richtig bewusst, als er von seinen kurzweiligen Emotionen abgelassen hatte. Nicht nur dass es - wie schön früher - ein seltsamer Umstand war, es erinnerte ihn auch just in diesem Moment an den letzten Tag vor seiner abrupten Abreise. Damals hatten sie sich kaum aussprechen können, nachdem ihr Wortgefecht auf empfindlichen Themen herumgetrampelt hatte. Zumindest hatte Mathéo es derart in Erinnerung. Vollkommen rekapitulieren konnte er es jedoch nicht. Dass Julia sich nun aber ruhig und gelassen verhielt, vermittelte ihm den Eindruck, dass alles geklärt war. Nur … zum Guten oder zum Schlechten? Ein gewisses Unbehagen - weil Unwissenheit - überkam ihn. Julias typisches hyänisches Grinsen trieb es nur weiter an.
Als sie fertig war mit ihrer Tat, schwirrten Mathéos Gedanken noch ziellos um die Frage herum, was Julia sich gerade dachte. Hinter ihrer gelassen und zufrieden wirkenden Art musste sich etwas verstecken, so viel stand fest. So gut Julia es auch zu verdecken mochte und jeden in Unwissenheit über dessen Inhalt versetzen konnte, so war es ihr schier unmöglich zu verhindern, dass jeder wusste: dort ist etwas. Darüber konnte sie sich ärgern, sie konnte es aber auch ausnutzen; denn: warum sich etwas zur Last machen, wenn man auch dessen Schwung nutzen konnte. Spielchen … so wie damals … manche Dinge änderten sich wohl einfach nie. Und auch das Mathéo viel zu viel darüber nachdachte, hatte sich nicht geändert. Der einzige Unterschied war, dass er nun einen volleren Werkzeugkasten mit sich herumschleppte.
Mit der Aussage zu seinem Aussehen und der Verbindung mit einer Hochzeit holte Julia ihn schließlich wieder zurück ins reelle Gespräch. »Wenn’s das nur wäre«, gab Mathéo einen kurzen Kommentar darauf und seufzte abschließend. Sein Finger ging unterbewusst wieder an seinen Kragen, den er wieder lockerte und somit verschob, wie es Julia sicher nur ungern beobachtete. Aber er tat es auch nicht bewusst um sie zu ärgern, sondern einzig sein Unterbewusstsein lechzte nach Freiheit in jeglicher realer oder nur symbolischer Form. »Ich bin nach dem letzten Meeting direkt in den Flieger und los. Keine Lust, mich noch umzuziehen. Im Nachhinein denk’ ich mir aber auch: wäre besser gewesen.« Er zuckte mit den Schultern, ergab sich der Erkenntnis. »Ich würd’ einen Kaffee nehmen«, antwortete er auf ihr Angebot. »Frühstück ist noch zu früh. Abendessen war erst vor kurzem. Ich bin von der anderen Seite gekommen, wo die Sonne noch schläft.« Er deutete dabei zu seiner linken, ohne darüber nachzudenken, ob dort wirklich Westen war. Aber Julia verstand sicherlich, was er damit meinte. »Muss mich also erst mal wieder an die neue Zeitzone gewöhnen.« Während er gesprochen hatte, war er bereits selbst zu den Küchenschränken hinüber geschritten und hatte sich eine Tasse genommen; und das obwohl Julias Frage einen einladenden Unterton hatte, fast als wolle sie ihm den Frühstückstisch selbst aufbereiten. Aber darauf wollte sich Mathéo angesichts noch ausstehender Ungewissheiten nicht einlassen. Lieber mehr auf selbstständig machen und ihr wenig Raum zur Dominanz lassen. So konterte man Frauen wie sie - dachte er sich. Und das begann eben schon bei so simplen Dingen wie dem Kaffee. Mit der Tasse in der Hand kehrte er dann zum Tisch zurück, wo er sich abseits von Julias Platz setzte - weder vor ihr noch neben ihr. »Gibt’s irgendwas Neues?«, fragte er, während er sich die Kanne nahm und die Tasse pur schwarz füllte. »Ich hoffe, der Garten steht noch wuchert nicht mit Unkraut über, hm? Und die Schule: Alle noch am Leben und fleißig am Lernen? Hab ich viel verpasst? Irgendwelche Pläne heute?« Schön mit Fragen überhäufen, dachte sich Mathéo. Julia durfte ruhig erst mal was zu tun haben, während er genüsslich von seinem Kaffee schlürfte.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Natürlich hielt sich der gerichtete Kragen nicht lange. Als wäre er eine unerwünschte Nebenwirkung seiner Heimkehr, vernichteten die Finger des rothaarigen Dämons schon kurz danach schon wieder ihre kurze – allerdings auch liebevoll gemeinte – Arbeit. Hätte Julia etwas weniger Selbstkontrolle, hätte sie sicherlich leicht mit den Augen gerollt. Stattdessen blickte sie nur einen kleinen Moment auf sein wiederhergestelltes Der-Abend-Danach-Outfit und zog ihre Mundwinkel leicht in die Höhe, ein schmales Lächeln als Reaktion hervorbringend. Nun, wenn er unbedingt so herumlaufen wollte, dann würde sie ihn nicht aufhalten. Sie war immerhin nicht seine Mutter und er eindeutig alt genug sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen; auch wenn sie das in ihrem täglichen Schuldienst nicht immer von jedem behaupten konnte. Der Dämon hingegen nahm diesen inneren Gedankengang von ihr und führte ihn auch sogleich weiter. In erster Linie ihre Vermutung mit der Hochzeit dementierend, die natürlich ziemlich absurd war. Sie wollte ein bisschen in Richtung ihres letzten Streits gehen; das Thema etwas anstacheln und eventuell eine kleine Reaktion der Reue bei ihm hervorrufen. Sinnlos, wie Julia schon kurz darauf erkennen musste. Doch nichts dergleichen passierte. Der Tristam war wohl in dem vergangenen Monat von allen Dingen geläutert worden, die sein Gewissen beschwerten. „Verständlich, man verbringt ungern mehr Zeit als nötig an gezwungenen Orten.“, stimmte sie kurz in sein Argument mit ein, während ihre blauen Blicke seine unveränderte reuelose Mimik musterten. Die mehr Bände sprach, als Julia gerade zu lesen bereit war. Sicherlich nicht das gewünschte Ergebnis, doch die Direktorin nahm es sportlich. Sie hatte – irgendwo in ihrem Hinterkopf – schon mit so etwas gerechnet. Eigentlich war seine gesamte Begrüßung schon Indikator genug gewesen. Allerdings wusste sie nicht einmal selbst, was sie in dem Punkt von ihm erwartet hätte. Das war in dem Moment aber auch nicht mehr relevant.
Stattdessen folgten ihre Augen dem Anzugträger, als er die genauen Umstände seiner heutigen Reise erläuterte. Indirekt offenbarend, dass Schlaf nicht garantiert- und das Essen wohl schon erledigt war. „Der klassische Jetlag, ich sehe schon. Naja, gibt sich hoffentlich schnell.“, kommentierte sie sichtlich amüsiert, wenn auch wohlwollend im Unterton, während sie im Kopf ihre eigenen Erfahrungen zu dem Thema Revue passieren ließ. Nichts war schrecklicher als ein komplett aus dem Ruder gelaufener Zeitrhythmus aufgrund von Geschäftsreisen. Die innere und äußere Uhr wieder in Einklang zu bringen fiel dabei manchen einfacher als anderen, nicht selten für spontane Müdigkeit und Antriebslosigkeit sorgend. Mathéo machte im Moment allerdings noch einen recht soliden Eindruck, wenn sie sich diese Interpretation mal erlauben durfte. Zumindest zeugte sein Verhalten stark von fehlender Müdigkeit, als er an ihr vorbei in die Küche ging und sich das Kaffee-Angebot einfach selbst erfüllte. Julia leicht verdutzt stehend dort zurücklassend, während sie sich innerlich mit der Frage auseinandersetzte, warum sie ihm das vor wenigen Sekunden überhaupt angeboten hatte. Das schwarze Gebräu damit indirekt zum Hauptobjekt eines unausgesprochenen Konfliktes erklärend. Besonders als sich der Dämon seelenruhig an den Tisch setzte und sich seine Tasse füllte, blieb Julia einen Augenblick lang stehen, als ob sie gerade jedes Zukunftsszenario ihrer Handlungen vor ihrem inneren Auge durchspielen würde. Ihn von ihrer erhöhten Position aus betrachtend, als würde sie gerade den besten Weg ergründen ihm eine Gewürzmischung in die Tasse zu kippen. Am Ende jedoch obsiegte ihre innere Vernunft und auch ihr Körper setzte sich – ruhig und friedlich – wieder an den Tisch. Die Dämonin gehörte immerhin nicht zu den impulsivsten Geschöpfen auf diesem Planeten. Ansonsten hätte sie ihm vermutlich schon beleidigt an den Kopf geworfen, dass er sich seinen verdammten Garten doch selbst anschauen sollte, wenn es ihn so interessierte. Insebsondere sein provokantes „mh?“ am Ende … puh. Er machte es der Direktorin nicht einfach. Trotzdem flog ein eloquentes „Der Garten ist im gleichen Zustand wie vor deiner Abreise, Mathéo.“ schräg über den Tisch, ehe ihre Aufmerksamkeit kurz vom unteren Teil der Zeitung eingenommen wurde. „Ich war so frei mich, trotz der geringen Kenntnis in dem Gebiet, deinem Reich anzunehmen.“, wenn auch manchmal mit viel Frust verbunden. Glücklicherweise hatte sie sich dafür schon früher eigene Handschuhe zugelegt, damit der Dreck später nicht unter ihren Nägeln haften blieb. Sie hasste das Gefühl von Erde unter den Fingern abgrundtief. Weswegen sie arbeiten an ihrem Wagen ebenfalls immer aus zwei Blickwinkeln betrachtete: Der spaßígen- und der nageltechnischen Seite. „Und die Schule läuft ebenfalls wie bisher. Es steht zwar immer mal wieder etwas an, aber nichts, was zu stark aus dem normalen Rahmen herausfällt.“, und sie unterbrach sich selbst durch einen langen Schluck aus ihrer eigenen Tasse, „Du hast aber vermutlich nicht sonderlich viel verpasst. Mit Ausnahme des Fähigkeitentrainings vielleicht … oder kleineren gruppenbildenden Maßnahmen.“. Dinge von denen die Dämonin sowieso sehr wenig Hoffnung hatte, dass sie bei dem Rothaarigen großartig Anklang finden würden. Ein Gedanke der ebenfalls wieder auf das Ereignis vor seiner Abreise bezogen war, jedoch dieses Mal einen eher nüchternen Beigeschmack mit sich führte. Es war keine innere Verurteilung, sondern mehr eine Art Fakt; doch das Thema wollte sie jetzt nicht breittreten. Ihre Lust über die Arbeit zu reden hielt sich sowieso gerade stark in Grenzen. Vermutlich eine Veränderung, die man nicht unbedingt im ersten Moment erkannte. „Und was das letzte angeht …“, sie überlegte kurz und ließ ihre Blicke über die Einrichtung schweifen, „… ich wollte eventuell in die Stadt, die Sonne ausnutzen und mir ein wenig die Beine vertreten.“. Eine Aussage die normalerweise viel zu vage für ihre Verhältnisse war, jedoch zu einhundert Prozent zutraf. „Mal sehen, was der Tag so bringt.“, und sie zuckte unbeschwert mit den Schultern, als ihre saphirblauen Augen wieder auf dem Tristam zum Stehen kamen und dabei mit einer leichten Freundlichkeit in ihrem Blick benetzt waren. Denn so ungewiss wie ihr Tagesplan war, ihr Gesprächsablauf folgte einem klaren Muster … und eventuell war es auch ihr indirekter Versuch den eigenen Frust abzubauen und nicht zu viel Stress zu verursachen. Es war immerhin Wochenende. „So ... und dir geht es wirklich gut?“, und sie grinste einen kleinen Moment amüsiert, bevor sich wieder ein leichtes beschwichtigendes Lächeln in den Vordergrund kämpfte und ihre Lippen umspielte. „Es macht mir den Eindruck, als ob du das Gefühl hättest, dir würde jeden Moment alles auf den Kopf fallen.“, um ehrlich zu sein, wenn man Julias Gemüt über diesen kurzen Zeitverlauf betrachtete, eine gerechtfertigte Annahme. Nicht, dass die Blondine das jemals zugeben würde. Allerdings schadete es ja nicht, den Eindruck, den man gerade vermittelte, noch einmal bestätigt zu bekommen.
Spätestens jetzt merkte der Tristam, dass er schnell zu alten Lastern zurückgefunden hatte. Dabei hatte er sich unbewusst stark von den früheren Ereignissen beeinflussen lassen. Was ihm vorhin erst zurück in die Erinnerung geschossen war, hatte seit dem seine Wahrnehmung geleitet. Zwar hatte sein Zweifel bereits geschnuppert, dass Julia etwas verbarg, doch aus einer verteidigenden Haltung heraus war er in die seichte Offensive gegangen und hatte seiner Gegenüber kein Land geben wollen. Selbstständig hatte er auftreten und sie mit Fragen bombardieren wollen. Dadurch wollte er ihr Einhalt und Stirn gebieten. Kampfeslustig. Hatte Julia nicht einst selbst gesagt, dass sie keine Kerle mochte, die schnell einknickten? Das war vermutlich immer noch der Fall, aber diese Eigenschaft war keine simple; und sie durchzusetzen, konnte weit davon abweichen, wenn man es unüberlegt anging. Ohnehin war es falsch, eine Eigenschaft bewusst einsetzen zu wollen, da man Gefahr lief, sie als eine fremde darzustellen und nicht als die eigene. Wenn man sie selbst besaß, dann kam sie auch von selbst zum Vorschein. Zum Glück … hatte Mathéo es nicht bewusst versucht. Es war ihm nur ebenfalls zurück ins Gedächtnis geschlichen. Das einzig Schlimme war hier also, dass er es sofort vergeigte, mit seiner Vergangenheit zusammenzutreffen. Ein ganzer Monat war vergangen. Dinge waren unausgesprochen geblieben, unbeendet. Zeit war vergangen, in der jeder seinem Leben gefolgt, neue Dinge erlebt, alte Sachen abgeschlossen hatte. Gedanken hatten Arbeit geleistet und Seufzer wurden verteilt. Mathéo selbst hatte vieles gelernt und doch war er hier durchs Haus geschlürft und hatte sich seine Pantoffeln von damals übergestreift, die noch dreckig vom Garten waren. Warum hatte er nicht die neuen ausgepackt oder wenigstens die alten abgeschrubbt? Auch wenn die Pantoffeln nur eine Metapher waren, so war ihr Gehalt greifbar für den Tristam.
Mathéo schlürfte leise. Sein linker Fuß hob an und wurde von seiner Hand gegriffen, um ihn auf das rechte Knie zu legen. Die Lehne des Stuhls wurde ausgetestet. Die Tasse Kaffee verweilte in seiner Hand, obwohl er bereits abgesetzt hatte. Seine Lippen blieben still während er lauschte. »Danke«, meldete er sich kurz auf ihren Bericht zum Garten. Er sollte es nicht als Selbstverständlichkeit ansehen, dass sie sich um ihn gekümmert hatte, auch wenn er zu dem Haus gehörte, in dem auch sie wohnte. Direkt von Beginn an hatte er sein Interesse an dem Garten breitgetreten und Julia ihm diesen offenkundig ohne Widerwillen überlassen. Wenn das Grünzeug also einging, dann war das seine Sache - nicht ihre. Mathéo lauschte weiter. Julia sprach von der Schule. Bei den Worten Fähigkeitentraining und gruppenbildende Maßnahmen verlor er etwas die Fülle in seinem Körper. Eine schwache Leere machte sich breit, schien jedoch wie eine Nebelwolke, durch die man greifen, aber trotzdem nicht leugnen konnte. Bei Gruppenbildungen war er schon lange kein Thema mehr gewesen. Doch das war keine neue Erkenntnis. Schon vor seiner Abreise hatte ihn dieses Bewusstsein eingeholt. Dagegen gemacht hatte er allerdings nichts. Auch dieser Monat der Abwesenheit hatte dem nicht gutgetan. Mathéo hatte sogar sein Handy auf Isola gelassen. Niemand hätte ihn erreichen können. Niemand von seinen Mitschülern. Nicht mal Julia. Kurz fragte er sich, ob sie es vielleicht versucht hatte; und dann fragte er sich, ob sie es zugeben würde, wenn er fragte. Andererseits: So wie sie auseinandergegangen waren, hatte kein Grund für sie bestanden, es zu versuchen. Er brauchte also nicht nachsehen, konnte sich eine Nachfrage ebenso sparen.
Mathéo blieb still. Seine Augen folgten ihr, als sie sich wieder an den Tisch setzte. Früher hätte er vermutlich versucht, sich darüber lustig zu machen, dass sie mal einen Tag ohne Stress und Arbeit verbringen wollte. Heute würde er es immer noch machen, doch nicht an dieser Stelle, nicht in dieser Lage, nicht bei dieser Atmosphäre. Lesen lernen hörte nie auf. Auch im hohen Alter kannte man noch nicht jeden Buchstaben und jede Aussprache. Julia dabei zuzuhören, wie wenig sie geplant hatte und wie frei ihr Plan tatsächlich klang, hatte auch einen ungewohnt lebhaften Unterton. Oft hatte sie ihm jedenfalls nie davon erzählt, den Tag so ungezwungen angehen zu können. Scheinbar hatte sich wirklich das eine oder andere verändert, während er weg war. Dafür hatte es ihn schon mal nicht gebraucht. Julia lenkte anschließend das Thema von sich und ihrer Planung um; es ging zurück zum Tristam. Dieses Mal nahm sie es sich heraus, die Frage auf ihn zurück zu werfen - oder zumindest so in der Art. Nach seinem Tagesplan fragte sie nicht wirklich. Stattdessen erkundigte sie sich nach seinem Befinden. Eine wirkliche Sorge um ihn wollte er ihrem Ausdruck jedoch nicht ablesen können. Den Zweifel daran konnte man Mathéo sicherlich ablesen. Und wie Julia fortfuhr, machte sie ihm bewusst, dass man ihm seine Gedanken nicht jetzt erst ansehen konnte. Dass er im Kopf mehr Wörter abwälzte als sie über den Frühstückstisch purzelten, das hatte Julia gut beobachtet. Mathéo winkte ab. »Nein, nein, keine Sorge.« Auch wenn gelogen, wohl einzig aus der Not heraus. »Vielleicht liegt es wirklich am Jetlag, wie du schon sagtest. Ich muss erst mal richtig ankommen.«
Doch das, was sich gerade in seinem Kopf zusammenbraute, zielte nicht darauf hinaus, ihn auf Isola zu akklimatisieren. Es war viel mehr ein Mix aus vielen Gefühlen und Gedanken, die ihn heimsuchten und einen gemeinsamen Nenner benennen wollten. »Vielleicht würden mir ein paar Schritte auch guttun. Ich bin zwar den Weg vom Landeplatz schon gegangen, aber mehr sollte nicht schaden. Meine zehntausend Schritte habe ich zumindest noch nicht zusammen.« Er grinste verschmitzt. »Wie wäre es mit einer Runde Joggen, Julia? Wir könnten bis runter zur Strandbar, eine Erfrischung schnappen und wieder zurück. So was haben wir früher nie gemacht, wäre doch was, oder?« Oder war das zu seltsam? »Wobei ich auch schon immer mal angeln gehen wollte. Wüsste gerne, wie gut die Fische hier beißen. Vielleicht hast du Lust, mitzukommen?« Da konnte man sich zwar nur bedingt die Beine vertreten, aber vielleicht war so eine entspannende Beschäftigung ja etwas für sie. »Ach und im Laufe des Tages wird mein Klavier geliefert.« Das könnte jetzt etwas sehr überraschend sein. »Äh, hatte ich vermutlich nie erwähnt, eh?« Er lächelte verzeihend. »Hätte dir vorher Bescheid geben sollen, sorry. Hatte mein Handy leider hier gelassen.« Ungewollt hatte er sie schon wieder mit Fragen überhäuft.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Einen kleinen Moment blieben die Blicke Julias etwas ungläubig an seinem Gesicht hängen. Als würde sie jeden Moment damit anfangen seine Aussage gründlich zu widerlegen. Zuzutrauen wäre es der Dämonin durchaus, den Ermittler im Orient-Express zu spielen und jedes Motiv bis ins kleinste Detail auszuführen. Allein auf dem basierend, was sie an den Schuldigen nur Momente zuvor beobachtet hatte. Doch nichts dergleichen passierte, sie saß nur da und ließ es offen, ob sie den Tristam nun durchschaut hatte oder nicht. „Ja, kann manchmal etwas dauern und nimmt einen oft auch etwas verzögert mit.“, stimmte sie ihm mit einem kurzen Zucken der Mundwinkel zu, ehe ihre Augen wieder auf die Zeitung vor sich wanderten. Das Thema genauso schnell vergrabend, wie es vor wenigen Sekunden entstanden war. Mit ihrer Tasse wieder in ihren Händen liegend, hätte es wohl auch erstmal keinen weiteren Gesprächsbedarf gegeben. Der Rothaarige konnte sich – wie er zuvor bewiesen hatte – alles selber holen und sie hatte im Moment nichts Spannendes zu erzählen. Über ihre Tagesplanung wusste er bereits bescheid und sie hatte ihren Tag ja auch gerade erst begonnen. Eine Detailerzählung der letzten vier Wochen konnte ebenfalls nicht in seinem Interesse sein. Die Chancen standen hoch den Tristam dabei eher in ein schläfriges Delirium zu brabbeln, als wirkliches Interesse zu fördern. Stattdessen blätterte sie um und huschte gemütlich die aneinandergereihten Buchstaben ab, um sich mit den allgemeinen Geschehnissen der letzten Tage auseinanderzusetzen. So gut das eben bei der aktuellen Berichterstattung möglich war. Natürlich ignorierte sie ihren Mitbewohner nicht vollkommen. Immer mal wieder wanderten ihre Blicke empor und ruhten auf seinem Gesicht, das anscheinend etwas zu verarbeiten schien. Nur, um plötzlich von einer Masse an Wörtern erschlagen zu werden, die eine Unterbrechung ihres kleinen Leseabenteuers unumgänglich machten.
Wenn Julia es nicht besser wüsste, könnte man die jetzige Aktion auch als eine Art Versöhnung betiteln. Einfach, um die aufgebaute Distanz wieder zu überbrücken und sich auszusprechen, falls es notwendig war. Nicht, dass die Dämonin wirklich eine von dem Schlag war, die mit ihren Gefühlen um sich warf und unbedingt verstanden werden wollte. Doch sie dachte ernsthaft darüber nach, was das Ablassen von ihrer Zeitung deutlich symbolisieren sollte. Wäre da nicht das Ende seiner Erklärung gewesen. „Moment …“, und sie hob abwehrend die Hand, als würde das seinen Wortfluss kurzzeitig unterbrechen. Nebenbei sichtlich ungläubig den Kopf schüttelnd, als würde sie versuchen die gerade erhaltenen Informationen vehement zu verneinen. Bei dem Versuch jedoch kläglich scheiterte. „Du hast … ein Klavier bestellt?!“. Die Entschuldigung mit seinem Telefon half da im ersten Moment herzlich wenig und entlockte der Blondine ein sichtlich überfordertes Seufzen. Das konnte doch echt nicht sein Ernst sein! Was redete sie da überhaupt? Natürlich war das sein Ernst! Dieser Haushalt war nicht für seinen ausgeprägten Komik-Gehalt bekannt ... leider. Außerdem stand die Frage im Raum, ob es den Stress überhaupt wert wäre jetzt, in diesem Moment, daraus eine Szene zu machen. Und nein, dass war es eindeutig nicht. Die Frau des Hauses gab sich sofort und ohne weitere Argumente geschlagen. „Naja … es ist dein Klavier.“, verkündete sie ihre Niederlage und entzog sich damit gleichzeitig aus der Verantwortung, die sie sich normalerweise mit angelastet hätte. Die Dämonin wollte sich auch nicht unnötig lange mit Dingen auseinandersetzen, die sie jetzt sowieso nicht mehr ändern konnte. Ihr plötzlicher Themenwechsel sollte ihm das mehr als deutlich symbolisieren. Ganz getreu nach dem Motto: Wenn du die Frau des Hauses von etwas überzeugen willst, musst du sie mit unveränderlichen Fakten überraschen. Davon einmal abgesehen standen ja noch seine zwei Angebote im Raum, die Julia keinesfalls verstreichen lassen wollte. Manchmal lösten sich Spannungen auch einfach durch gemeinsame Aktivitäten. „Um auf deine Vorschläge zurückzukommen …“, und sie faltete beide ihrer Hände auf der Tischplatte zusammen, als würde sie ihm eine Investition vorschlagen, „… Angeln klingt doch sehr interessant.“. Nicht nur, dass sie sich in diesem Fall nicht mehr umziehen musste. Nein, die Dämonin würde sich auch noch eine zweite Dusche ersparen, die nach dem Sport definitiv wieder angebracht war. Mal ganz davon abgesehen, dass sich letzteres besser mit ihrer bereits existierenden Planung überlappte. Allerdings war auch sie bereit einen kleinen Teil zum gemeinsamen Glück beizusteuern. „Außerdem kam mir dazu die Idee, ein bisschen was für zwischendurch vorzubereiten, während du oben deine Sachen ordnest und … deine Angel rausholst?“. Hatte er überhaupt eine Angel? Sie hatte ihn nie danach gefragt und auch nie damit gesehen. Am Ende – und bei dem Gedanken musste sie leicht grinsen – hatte er auch die zum heutigen Tag bestellt. Spontanität sollte eben sorgfältig geplant werden.
Bis kurz vorm Ende seines Redeschwalls hatte er fest mit einem ungläubigen Blick von Julia ob seiner wahllosen Vorschläge gerechnet. Am Ende bekam er ihn auch - allerdings für etwas gänzlich anderes. Mathéo musste sich auch eingestehen, dass er zwar im Vorfeld schon erkannt hatte, dass es überraschend sein würde; dass die Anschaffung eines Klaviers jedoch eine ganz andere Hausnummer war als beispielsweise ein Wasserkocher, ein Paar Schuhe, ein Buch, … die Größenordnung war vollkommen verschieden. Genauso gut hätte er erzählen können, dass er den Firmenhubschrauber auf Isola behielt und sie dafür die Garage räumen musste. Mathéo hatte sogar schon während seiner Zeit im Park darüber nachgedacht, ein Klavier schicken zu lassen, allerdings hatte er sich zu große Sorgen um den Platz gemacht. Die nächste Bleibe sollte definitiv genug Platz besitzen, um diese Sorge zu vermeiden; daher dieser Kauf. Allerdings fehlte ihm durch Julias Schlafzimmer das Musikzimmer. Er könnte ja mal versuchen, ihr vorzuschlagen, dass sie sich ein Doppelstockbett besorgten und ihre Schlafzimmer zusammenlegten. Dann könnte er sich sogar einen Flügel schicken lassen. Aber Mathéo bezweifelte stark, dass er Julia dafür begeistern könnte. Unwahrscheinlicher war nur die Überlegung mit der Garage. Aber zurück zur gegenwärtig verblüfften Julia. Weil er sich zum Schluss bezüglich seines Handys entschuldigt hatte, dachte er im ersten Moment gar nicht mehr an das Klavier, als Julia ihrem Gesichtsausdruck eine besondere Note schenkte. Erst nach der ergänzten Frage wurde ihm bewusst, worum es ging. Er musste sogar etwas verlegen grinsen, weil er ihre Reaktion sehr amüsant fand. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, er wäre sicher auch überrascht gewesen; doch seine Reaktion wäre eine viel positivere gewesen. Also stellte sich Mathéo auf eine Diskussion ein oder zumindest ein Verhör seiner Person. Doch diesen Kampf schien Julia nur mit sich selbst führen zu wollen, an dessen Ende sie … augenscheinlich … verlor. Sie ließ es geschehen, brachte keinen Widerspruch vor. Mathéo konnte durchatmen - zumindest innerlich. Besser war’s auch, er fragte nicht nach, ob sie eventuell Bedenken besaß; oder ob sie eine Idee hatte, wo das Klavier stehen konnte. Wenn er ihr jetzt klarmachte, dass er darüber selbst nur oberflächlich nachgedacht hatte, wäre er direkt wieder bei ihr unten durch. Den jugendlichen Wahn durfte er sich nicht geben. Vor Julia blieb ihm nur, eine erwachsene Grundhaltung zu wahren - so gut das einem Mathéo Tristam mit seiner frechen Natur auch gelingen mochte.
Glücklicherweise besann sich Julia zurück auf seine Unternehmungsvorschläge; und sie war sogar positiv von diesen angetan. Zwar hatte er selbst natürlich große Lust darauf, die Angel zu schwingen, doch irgendwie war er auch leicht enttäuscht, nicht eine Runde mit Julia um die Insel zu laufen - oder zumindest um einen Teil der Insel. Sportklamotten konnten mitunter ziemlich sexy sein. Aber dann gab es eben nur die weite Gummihose mit tausend Taschen und Hosenträgern. Darunter ein schickes Hemd, Stiefel, Hut, … schon konnte es losgehen. Ob Julia dies auch bewusst war, wollte Mathéo direkt anzweifeln. Immerhin schickte sie nur ihn an, sich um die Ausrüstung zu kümmern. Währenddessen wollte sie sich wohl um ein kleines Picknick kümmern. Super Idee, wie Mathéo fand. Aber das würde sie nicht vor der Anglerhose retten können. Der Tristam konnte sich ein freches Grinsen nicht verkneifen. Schnell machte er sich nochmal ein genaueres Bild von Julia; das Kleid verschleierte dezent, doch in Kombination mit seinen Erinnerungen sollte er ein gutes Maß im Kopf haben. »Gut, freut mich«, nickte er der Bardera euphorisch zu. »Dann bin ich mal eben oben.«
Im Obergeschoss wurde Mathéo direkt wieder bewusst, dass er seit einem guten Monat nicht mehr auf Isola war. Sein Zimmer wirkte frisch und unbedarft auf ihn, teils auch etwas fremd. Die letzten Tage hatte ihn ein ganz anderes Bett begrüßt. Andere Schränke hatten die Wände geschmückt. Von der Aussicht brauchte er gar nicht erst reden. Der erste Blick ging zur Seite auf die Kommode an der Seite. Dort hatte er sein Handy abgelegt. Natürlich war der Bildschirm schwarz, es brauchte Strom. Also holte er das Ladekabel und steckte es erst mal ein. Nach kurzer Wartezeit ploppte der Willkommensbildschirm auf. Danach folgten einige Nachrichten. Von Julia war erwartungsgemäß nichts dabei. Allerdings hatte Caiwen versucht, ihn zu erreichen. Mathéo schaute sehr erstaunt auf sein Handy, als er die aufgezeichneten Sprachnachrichten abspielte. Da hatte jemand recht schnell aufgegeben; oder anders gesagt: Man merkte sehr, wie sie nach jedem Versuch zusätzlich Hoffnung verlor. Am Ende kam gar nichts mehr von ihr und zwischen den beiden markanten Pieptönen blieb es still. »Was sie wohl wollte?«, murmelte Mathéo zu sich und tippte hastig eine Nachricht. Danach ging es an die Vorbereitungsarbeit. Auf der Fensterseite des Raumes hockte er sich vor sein Bett und zog einen langen, flachen Kasten hervor. Man musste nicht groß raten, was sich darin versteckte: es war seine Angel; und eine zweite lag direkt darunter. Die lange Ruhezeit hatte ihnen augenscheinlich nichts Böses angetan, also konnte er die Kiste wieder verschließen und sie zur Tür bringen. Ein zweiter Kasten, der einer Werkzeugkiste ähnelte, wurde hervorgezogen. Ein schneller Blick ins Innere verriet ihm, dass auch hier niemand geräubert hatte. Alles war noch an Ort und Stelle und einsatzbereit. »Sehr gut«, quittierte er die Materialprüfung. Als nächstes wollte er die Klamotten vorbereiten - oder eher zubereiten. Für sich selbst holte er Hose und Hemd aus dem Schrank, aus einer Ecke, wo nur selten Licht hinfiel. Flott hatte er sich seines Anzugs entledigt und diesen aufs Bett geworfen. Zuerst warf er sich sein rot kariertes Hemd über, knöpfte halb zu. Als zweites streckte er seine Beine durch eine kurze Hose. Die Anglerhose legte er neben den Anzug aufs Bett. Zwei Mal klopfte er mysteriös auf das wasserabweisende Material, schon verwandelte es sich in eine augapfelgroße Kugel. Dasselbe tat er mit den Gummistiefeln. Socken mussten auch mit, denn für den Weg würde er nur ein paar sommerliche Schlappen tragen. Dasselbe tat er mit seiner Ersatzmontur. Später würde er daraus einen passenden Anzug für Julia formen, damit sie ungeniert mitmachen konnte. Mit einem Sommerkleid ließ es sich nämlich schlecht angeln. Allein daran zu denken, wenn sie das Gleichgewicht im schlammigen Boden verlor und umfiel … welcher Mann wäre dann noch in der Lage, aus dieser Situation keinen lüsternen Vorteil zu ziehen? Keiner. Und Mathéo war da nicht anders. Also würde er Julia eine anständige Anglerhose geben, damit sie ausgelassen lostollen konnte. Zwar konnte er sich auch das kaum vorstellen, aber für den Fall, dass er sich in ihr täuschte, hatte er wenigstens vorgesorgt. »Was noch?«, meinte er zu sich selbst, als er nochmal alles durchging. Kleinigkeiten kamen ihm noch in den Sinn. Unter anderem hätte er fast seinen Anglerhut vergessen. Der wirkte zwar erst mal deplatziert, da er noch wie ein englischer Tourist auf norwegischen Südseeinsel aussah - und die rannten für gewöhnlich nicht mit Anglerhüten herum -, aber er wollte ihn ungern in die Kisten sperren oder für die Reise verwandeln, da ruhig jeder unterwegs sehen sollte, was er vorhatte. Aufs Angeln durfte man stolz sein. Das war eine wunderbare und super männliche Beschäftigung.
Zurück im Erdgeschoss legte Mathéo das Gepäck neben der Treppe ab. Er wollte in der Küche nachschauen, wie weit Julia war. Vielleicht konnte er ihr noch helfen. »Ich hab dir Hose und Stiefel eingepackt. Besser wär’s, wenn du dir noch ein Hemd oder so einpackst. Anglerhose und Kleid könnte unpraktisch sein«, meinte er amüsiert, während er vom Flur in die Küche einbog.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Das Angeln kam gut an. Super, wie sich die Dämonin innerlich dachte. Kein Umziehen, kein Stress, und ein bisschen Ruhe an der Frischen Luft. Wenn ihr nämlich eines gutgetan hatte, dann das Abstand nehmen von ihrer Arbeit und allen anderen Faktoren, die sie sonst immer so hart eingespannt hatten. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Reste im Kühlschrank noch super zu kleineren Snacks verarbeiten ließen. So fackelte die eifrige Hobbyköchin auch nicht lange und brachte ihr Geschirr zur spüle, wo sie neben den Abwascharbeiten nebenbei noch dinge Wie Toast und Brot herausholte. Es musste ja nichts wirklich Aufwendiges sein … wobei. Gerade als sie sich auf das minimalste beschränken wollte, lächelten sie zwei Gurken an. Ein Gurkensalat wäre doch sicherlich noch im Rahmen. Sowohl von seinem Gehalt, als auch vom Zeitlichen her. Sie rechnete immerhin nicht damit, dass Mathéo innerhalb der nächsten fünf Minuten wieder hier unten stehen würde. Dafür hatte er ihrer Ansicht nach zu viel Zeit abseits der Heimat verbracht. Allerdings – und sie schaute mit einem Seufzen unterstützt nachdenklich aus dem Fenster – was wusste sie schon, wie er sich wieder einlebte? Die Situation hatten sie jetzt das erste Mal. Eine Prämiere, sozusagen. Nicht, dass einer der beiden das großartig feiern würde. Mh .. vielleicht sollte sie doch eine Kleinigkeit anfertigen? Aber machte es nach dieser doch recht nüchternen Begrüßung noch einen Unterschied? Sie hatte ihn – jetzt, wo sie so leicht in ihrer Vergangenheit – mit der gleichen Neutralität abgestraft, wie ihren Vater damals. Wobei sie diesen Abgrundtief gehasst hatte. Es kam ihr also recht unverhältnismäßig vor hier die gleiche Karte wie damals gezogen zu haben. Andererseits … sie gestand sich nicht gern selbst ein im Unrecht zu sein. Vor allem: Konnte man das überhaupt vergleichen? Nein, eigentlich nicht ...
Trotzdem hatte sich Julia verändert. Nicht erst in den letzten Wochen. Nein, auch vorher war sie von ihrem alten Selbst abgerückt und wollte sich ja grundsätzlich anderen Werten verschreiben. Also vielleicht sollte sie es ja einfach versuchen? Doch eines nach dem anderen. In gewohnter Manier wurden Zwiebeln zerkleinert und die so berüchtigte Soße des Gurkensalats angefertigt. Zusammen mit saurer Sahne und Dill – sowie anderen kleineren Zutaten – war das sehr schnell erledigt. In einer dafür passenden Box verstaut, sollte dieser die Reise auch gut überleben. Hoffentlich. Mit ihrem Spezialplan sah es dann schon anders aus. Immerhin würde er ein klein wenig länger Dauern als sie eigentlich brauchen wollte. Doch da musste der Rothaarige jetzt einfach mal durch. Immerhin konnte man diese kleinen Mini-Calzone auch kalt essen. Was – gegeben ihres Tagesplanes – wohl auch eine Voraussetzung sein sollte, die eine Speise als Snack erfüllen sollte. Schnell klaute sie dem Kühlschrank den vorgefertigten Blätterteig für faule Tage, sowie Bacon und Käse. In kleinen Stückchen verteilte sie den Teig auf einem Blech, packte eine Scheibe Bacon darauf und bestückte das ganze mit zerbröckeltem Käse. Dann wurden die Teigecken schon zur Mitte geklappt, damit sie sich überlappen. Alles, was nun noch fehlte, war ein kleiner Handgriff, um alles zusammenzudrücken. Quick and Dirty, wie sie es selbst vorher mal zusammengefasst hatte. So entstanden relativ schnell 8 kleine Mini-Snacks auf dem Blech, bevor sie im vorgeheizten Backofen verschwanden. Genug Zeit für Julia sich jetzt noch um den Rest des Imbisses zu kümmern: Die Brote. Doch Mathéo war schneller als gedacht … oder sie einfach zu langsam. Sie hörte ihn bereits die Treppe hinunterwandern, als sie gerade dabei war die erste Schnitte einzupacken. Dabei bemerkend, dass es noch keine passende Box für besagtes Essen gab.
So überhörte – oder verarbeitete – sie die Info ihrer neuen Kleidung auch erst relativ spät. „Du hast mir eine Hose eingepackt? Aber ich dachte …“, und sie nahm sich in ihrem küchenversessenen Wahn die Zeit um sich zum Tristam umzudrehen, der soeben in ihr Sichtfeld trat. „Ich habe nie gesagt, dass ich selbst die Angel schwinge!“, dementierte sie mit gehobenem Zeigefinger und unterbrach ihre lässige Geste, um in einer der oberen Schubladen herumzukramen. Eine große Box offenbarend, die das neue Gefängnis ihrer Verpflegung sein würde. Zwar nicht ideal, aber es würde reichen. Am Ende sollte ja noch alles in einen Korb passen. „Aber gut, dann nehme ich mir halt noch was mit.“, knickte sie auch dieses Mal überraschend schnell ein und wandte sich wieder den Broten zu. „Ich habe zwar großteilig nur Geschäftshemden, aber dann muss es eben einer der Blusen sein.“, womit sie erst jetzt darauf kam zu sehen, wie sich Mathéo in der kurzen Zeit umgezogen hatte. „Du hast auf jeden Fall …“, und Julia musste unweigerlich grinsen, als sie seine Aufmachung einmal genauer betrachtete, „ … keine Probleme mit deinen Klamotten, wie es aussieht.“. Es folgte sogar ein sichtlich beherztes Lachen, als sie über ihre eigene Erscheinung in so einem komischen Angler-Ausflug nachdachte. „Irgendwelche Bilder von mir in so einer Anglerhose und du wirst den Abend nicht überleben.“, deutete sie an und verfrachtete behutsam das nächste Paket in die durchsichtige Box auf der Küchenzeile. „Wenn du es überhaupt bis zum Abend durchhältst.“, damit eine sicherlich viel zu verlockende Herausforderung an den Tristam stellend. Anscheinend brauchte es nicht einmal Angeln um ihre Laune zu heben. In der Küche ihr Ding durchzuziehen reichte anscheinend auch schon aus. „Ich war im Übrigen mal so frei.“, und ihr Knie deutete mit einem kleinen Knicks zur Ofenscheibe, wo man die kleinen sündigen Leckereien sehr gut beim aufgehen beobachten konnte. „Immerhin konnte ich ja nichts vorbereiten, so ohne Vorankündigung deines Eintreffens.“. Wenn der Tristam jetzt noch wissen wollte, womit er das verdient hatte, würde er ebenfalls eine Antwort bekommen. Allerdings keine, die man von Julia so aus dem Stehgreif gewohnt war. Es hatte aber sehr stark mit ihren eigenen Ansichten zu tun, die Mathéo vielleicht erahnen- aber wohl keinesfalls erraten konnte. „Achja … noch ein Wunsch bezüglich des Belags, wenn ich schonmal dabei bin?“, und sie hielt inmitten ihres Treibens inne, um den Blick des Dämons zu suchen. Nicht, dass er am Ende nichts davon essen wollte.
Als Mathéo in die Küche gekommen war und Julia dabei erwischte, wie sie noch mitten in den Essenvorbereitungen war, überkam ihn plötzlich ein Gefühl, zu dessen Beschreibung er nicht in der Lage war. Auch wenn man ein Bild nur sehen und nicht fühlen konnte, so steckte die Reaktion vor allem ganz tief in ihm drin. Von jetzt auf gleich hatte ihn etwas überkommen, das einer heimischen, wohligen Aura gleichkam. Man könnte fast sagen, dass ihm ein paar Kilo an unsichtbaren Gewichten abfielen. Würde sogar behaupten, er könne sich an den Anblick gewöhnen; nur würde Julia ihm auf Dauer sicher den Topf um die Ohren werfen, wenn er sie ständig bei der Essenszubereitung anstarrte. Er schmunzelte, lauschte gleichzeitig aber ihren Worten.
Julias erste Reaktion auf die Klamottenansage hatte ihn erst mal sichtlich überrascht. Baff blinzelte er sie an, als sie meinte, sie hatte nicht geplant, selbst die Angel zu schwingen. Innerlich fragte er sich, worin dann der Sinn bei dem Ausflug bestand, wenn nur er angelte. Dann konnte er auch alleine losgehen; oder wollte sie nur mitbekommen, um ihm zuzusehen? Wenn ja, dann durfte sie künftig aber auch nichts dagegen sagen, wenn er sie in der Küche stalkte. Zum Glück lenkte Julia schneller ein, als er selbst hatte etwas sagen können. Ohne Kampf und Argument hatte sie sich dem Leben einer Anglerin ergeben - zumindest für einen Tag. In seinen Vorstellungen sah alles sehr amüsant aus. Vor allem eine Anglerin-Julia hatte einen ganz besonderen Charme. Und was ihn am meisten daran reizte, war, dass er sich absolut nicht ausmalen konnte, wie sie sich wohl machen würde. Dass sie ihn mit ihren geheimen Angelkünsten vollkommen kalt aussehen lassen würde fand er nicht weniger vorstellbar, als dass sie als erstes vornüber ins Wasser stolperte oder sich beim Ausholen mit dem Haken an der Hose überraschte. Und diese Ungewissheit fühlte sich wie ein fieses Kribbeln an. Vorfreude - das musste es sein - gepaart mit einer großen Portion Neugier und Lust. Etwas dachte er sogar darüber nach, Julia auch ein Oberteil zu zaubern. Gerade weil sie wohl sonst nichts passendes hatte, könnte er ihr schnell helfen. Sie durfte am Ende nur nicht zu sehr darüber nachdenken, warum sein Augenmaß so gut darin war, ihre Größe zu ermitteln. Ganz unabhängig von Julia war ihm das bisher oft bis immer bei Freunden und Bekannten gelungen. Musste wohl sein verstecktes Designer-Gen sein, welches ihm da half.
»No worries«, winkte er bezüglich ihrer Warnung vor Fotos ab. »Ich werde sehr sorgfältig sein, dass du nichts mitbekommst.« Unschuldig, aber zugleich offensichtlich spitzbübisch grinste er sie an, während er um sie herum schritt und einen besseren Blick auf die Vorbereitungen bekommen wollte. Diese Neckerei - und vor allem seine Bereitschaft und sein Genuss - war aus dem Wohlbefinden heraus zurückgekehrt, die die aktuelle Atmosphäre ausgelöst hatte. Vielleicht musste er aufpassen, dass er sich nicht zu viel herausnahm.
Auf ihren Hinweis zum Ofen hin bückte sich Mathéo vor besagte Maschinerie, um einen Blick ins warme Innere zu werfen. Sofort entkam ihm ein »Oooh«, dem seine positive Zustimmung kaum abzuerkennen war. »Sieht super aus. Mini-Apfelstrudel?« Er schnupperte. »Hm, ne, nothing sweet.« Das war erst mal nichts enttäuschendes sondern sogar etwas, was seine Neugier weiter anstachelte. Erst durch Julias Frage nach seinem Wunschbelag konnte er sich vom Ofen wieder lösen. Er streckte die Knie und sich selbst zurück in die Höhe und lehnte sich hinüber zu Julia, um aus nächster Nähe auf das zu schauen, was vor ihren Fingern lag. »Hm.« Wirklich darauf achten, was zur Verfügung stand, tat er allerdings nicht. »Schinken, Marmite, Frischkäse … oh, haben wir vielleicht noch Chester?« Irgendwie stellte er sich gerade eine Scheibe Chester in der grünen Natur richtig genial vor. Vielleicht war noch was da. Er wusste zumindest, dass er sich früher gerne … Oh … in dem Moment erinnerte er sich wieder daran, dass er den letzten Monat außer Haus war. Er hatte also nichts eingekauft und der Kühlschrank war sicher mit Dingen gefüllt, die ausschließlich von Julia ausgesucht wurden. »Aber eigentlich egal. Everything‘s fine. Ich vertrau dir da voll und ganz, Julia«, wählte er daher eine diplomatischere Antwort und stieß sich von der Arbeitsplatte ab.
»Wenn du willst, kann ich dir übrigens auch was zum Anziehen machen. Dann brauchst du deine Business Shirts nicht missbrauchen.« Die Sache mit den Sachen war ihm noch im Gedächtnis hängen geblieben. »Ich kann dir aber auch was von mir geben«, meinte er und baute sich förmlich hinter ihr auf, als würde gleich ein Überfall folgen. In Wirklichkeit schätzte er allerdings nur das Offensichtliche ab: Und zwar dass ihr natürlich seine Sachen nicht zu klein wären. Ganz von seiner Passion eingenommen, sich um Julias Klamotten kümmern zu wollen, dachte er kein bisschen darüber nach, wie es wäre, wenn sie mit seinen Sachen herumlief. Im Gegensatz zu Newcastle war ganz Isola nur ein kleines Pupsdorf. Da verlor er sofort öffentlichen Scham und kümmerte sich im ersten Moment nicht darum, wie er draußen rumlaufen musste oder was Leute von einem denken konnten.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
„Ich werde es immer mitbekommen.“, ermahnte sie den Herrn des Hauses ihre femininen Spinnensinne nicht zu unterschätzen. Auch wenn es hier eher um reine Beobachtungsgabe ging. Sie fragte sich gerade sowieso, wie sie auf das Thema mit den Fotos gekommen war. Was brachte ihm die Fotos, wenn er sie ihr am Ende nicht zeigen konnte. So fotogen war sie immerhin auch nicht, als dass man sich damit bei irgendwelchen Zeitschriften einschmeicheln konnte. Wenn die das überhaupt in Erwägung zogen. Naja, er würde schon wissen, was für seine eigene Gesundheit am Besten war. Fotos waren es auf jeden Fall nicht. Auch wenn sich Julia fragte, was sie denn konkret dagegen tun konnte. Klar, sein Handy ins Wasser werfen war eine Option – oder eben die Kamera. Aber ansonsten? Eigentlich blieb ihr da ja nur das beharrliche bestehen auf eine Löschung, oder durchgehend eine sehr unangenehme Atmosphäre im Haus herrschen zu lassen. Mh … vielleicht fiel ihr auf dem Weg zum Wasser ja noch etwas geeignetes ein. Es standen ja sowieso erstmal ganz andere Dinge auf der To-Do-Liste. Zum Beispiel der gefakte Apfelstrudel im Ofen. „Daneben!“, grinste die Dämonin und machte einen kleinen Satz nach links, um den durch die Hektik weiter entfernten Belag wieder in ihre Nähe zu holen. „Es sind Mini-Calzone.“, worauf der Rothaarige sicher als zweites gekommen wäre. Der Geruch sollte es ja eigentlich schon verraten. Okay, vielleicht würde nicht unbedingt eine Calzone seine Antwort sein, aber bestimmt irgendetwas Pizza-Mäßiges. Neben all dem gesunden Zeug musste man eben auch mal sündigen. Ein Gebiet in dem sich Dämonen ja normalerweise auskennen sollten. Im Überfluss leben taten sie trotzdem nicht, wie sich schon kurz danach herausstellte. „Nein, wir haben keinen Chester.“, bestätigte sie die inneren Befürchtungen des rothaarigen Dämons mit einer Sicherheit, die jeglichen Blick in den Kühlschrank überflüssig machte. Mathéo reichte das wohl auch und er unternahm dementsprechend keine weiteren Anstalten mehr, seinem spontanen Wunsch nach eben diesem Käse zusätzlich noch einmal Ausdruck zu verleihen. Nur, weil man die Kühlschranktür zweimal hintereinander öffnete, änderte sich noch lange nicht der Inhalt. Stattdessen wurde das Zepter wieder an Julia übergeben, die sich dann auch recht schnell wieder daran machte die letzten Brote mit einem möglichst leckeren und sättigenden Belag auszustatten. Ein schneller Blick hinunter in den Ofen und es konnte auch schon weitergehen.
Denn mit der letzten Schnitte in sicherer Zwangsverwahrung, konnte Julia endlich einen Moment entbehren, um sich voll und ganz ihrem wieder heimgekehrten Mitbewohner zuzuwenden. Mit verschränkten Armen und ihrem Hintern and der Küchenzeile ließ sie das Argument der Kleidung für einen Moment lang im Raum verpuffen, bevor sie sichtlich amüsiert schmunzelte und dann einfach nur leicht den Kopf schüttelte. „Und woher willst du bitteschön wissen, was meine Größe ist? Hat dir das ein Vögelchen gezwitschert?“, erwiderte sie neckisch und musste dabei leicht grinsen. Natürlich könnte er die Größe ihrer Hemden auf dem Etikett ablesen. Das änderte nur leider nichts daran, dass diese eben aus offensichtlichen Gründen anders geschnitten waren. Außerdem war sie nicht gerade wirklich überzeugt davon, dass Mathéo das hinkriegen würde. Da erschien ihr die Wahl mit den übergroßen Hemden von Ihr plausibler. Bedeutete jedoch nicht, dass es die attraktivere Wahl gab. „Außerdem: wie ich in deinen Hemden aussehe, dass kann ich mir jetzt schon gut vorstellen. Als hätte ich vermutlich die letzten Wochen konsequent nur noch Fett in mich reingestopft und keinen Sport getrieben.“, was sie nur so überzogen darstellte, um das Ganze mal in Perspektive zu setzen. Julia war eben durch und durch schwer zu überzeugen. Wobei man dazu sagen musste, dass es einfacher war sie dazu zu überreden ein übergroßes T-Shirt als Schlafanzug anzunehmen, weil sie sich in diesem ja nicht aus dem Haus bewegen musste. Sie konnte doch als Direktorin nicht draußen herumlaufen, als hätte sie gerade die Krise ihres Lebens. „Also wird mir ja wohl keine andere Wahl bleiben. Oder willst du hier gleich wieder mit einem Maßband auftauchen und mein kleines Urteil revidieren?“. Eine Frage die sowohl Herausforderung als auch Ansage in einem war. Sie war von ihrem eindeutigen Statement leicht abgerückt und gab ihm die überaus schöne Wahl es zu versuchen, oder es sein zu lassen. Was Julia – ungeachtet des Ausgangs – amüsieren würde. Dabe lag der Gedanke nahe, dass die Dämonin nicht ganz darüber nachgedacht hatte, bevor sie ihre Herausforderung ausgesprochen hatte. Dass ein Vermesser mit einem fluffigen Sommerkleid nicht arbeiten konnte, war ja mehr als offensichtlich. Es ging hier immerhin um Präzisionsarbeit … irgendwie. Im Ernstfall musste es also weichen – und was das bedeutete, kann sich jeder bestimmt denken. Doch so unbedacht wie Julia in diesem Moment war, freute sie sich lieber auf den kleinen – dämonisch angehauchten – Schlagabtausch. Was ihre erwartungsvolle Haltung mit dem leicht frechen Grinsen mehr als deutlich vermitteln sollte. Indirekt die Frage aufwerfend, ob sie ihm vielleicht sogar absichtlich so eine Lücke bot, um ihn in eine kleine Falle laufen zu lassen. Wobei ihr vorheriges Verhalten eindeutig dagegen sprach...
Tatsächlich hätte ihn der Geruch der Mini-Calzones davon abhalten sollen, so weit am Ziel vorbeizuschießen. Allerdings waren seine Augen schneller als seine Nase und so hatten sie aus einem Teigetwas in einem Ofen sofort das gemacht, was er sich unterbewusst am meisten gewünscht hatte. Erst danach - und vor allem nach Julias Reaktion - hatte ihn die Duft-Realität eingeholt. Natürlich konnte es nur etwas wie Calzones sein. Aber auch mit der Bestätigung seiner Nase und Julias Antwort konnte Mathéo nicht anders, als verblüfft die Augenbrauen zu heben. Nie und nimmer hätte er damit gerechnet, dass Julia so etwas zubereiten würde. »Not bad«, murmelte er - immer noch am Staunen.
Was die Sache mit den Sachen anbelangte, musste er sofort verschmitzt grinsen. Julias Frage, woher er ihre Größe kennen wollte, konnte er natürlich nicht ernst beantworten. Doch bevor er gleich mit einem mutigen Spruch um die Ecke kam, beließ er es bei seinem vielsagenden Blick und den frech zuckenden Mundwinkeln. Das Ganze verschwand sofort aus seinem Gesicht, als Julia sich offen vorstellte, wie sie in einem von Mathéos Shirts aussehen würde. Während sie noch weitersprach und wissen wollte, wie er das Ganze angehen wollte, klappte sein Unterkiefer immer weiter nach unten und seine beiden Hände wanderten an seine Wangen. Am Ende stand er ziemlich erschrocken da. Kaum hatte Julia zu Ende gesprochen, rief er entrüstet aus: »Soll das etwa heißen, das ICH fett bin?!« Auch wenn dabei offensichtlich blieb, dass er es nur schauspielerte, versuchte er sich - so gut es ging - in die emotionale Rolle zu versetzen. Die Klischee-Frau vor Julia zu spielen, machte ihm sogar spontan sehr viel Spaß. »Was eine Frechheit!«, prustete er weiter. »Ich könnte ja jetzt etwas dazu sagen, aber einer von uns beiden muss ja Anstand und Höflichkeit bewahren!« Mit hochgezogener eingeschnappter Nase stolzierte er aus der Küche heraus, blieb jedoch zwischen dem Türrahmen stehen. »Ich hol etwas Stoff und warte mit der Ausrüstung draußen. Bis dahin hast du Zeit, über dein Benehmen nachzudenken, Fräulein! Pöh!« Wie angekündigt machte er nochmal einen kurzen Abstecher nach oben, wo er sich zwei seiner Shirts griff. Die würde er schon noch auf die Größe der Bardera schrumpfen lassen können, damit sie nicht wie ein fetter Klos aussah … Irgendwie, dachte sich Mathéo, war es doch ärgerlich, dass sie meinte, sie würde so schlecht drin aussehen. War er etwa so viel breiter? Dabei dachte er, Julia wäre … umfangreich genug, damit es wenigstens an einer Stelle eng wurde. Vielleicht unterschätzte er aber auch sein männliches Kreuz. Na ja. Mathéo schüttelte die Sorgen ab, ehe aus dem Schauspiel staubtrockener Ernst wurde. Während Julia ihre Vorbereitungen abschloss, schnappte sich Mathéo seine Angelausrüstung und verließ das Haus durch den Haupteingang.
tbc: Bambuswald | Mitten im Wald - Bambus!?!
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Mit einem sachten, aber nimmermüden Lächeln auf den Lippen schob er seinen Angelkoffer wieder zurück unter das Bett, auf dass er dort nicht so langen schlafen möge wie zuletzt. Julia und Mathéo hatten sich vom Wald aus auf direktem Wege zurück zu ihrem Haus begeben. Unterwegs hatte die Sonne versucht, sie einzuholen. Draußen vorm Fenster hockte das Rotorange der nahenden Dämmerung. Es gab dem Moment einen melancholischen Unterton. Mathéo verstand erst nicht, warum es sich plötzlich so anfühlte, als würde er einen alten Freund verstauen; ohne zu wissen, wann sie sich wiedersehen würden.
Julia hatte nach ihrer Rückkehr das Badezimmer sofort für sich beschlagnahmt. Wenn auch nicht wie ein kleines Kind, welches auf dem Vordersitz bei Mama sitzen wollte und deshalb schnell ein Schlachtwort vor seinen Geschwistern schrie, hatte Julia trotzdem schnell klargemacht, wie ihr Plan aussah, was sie dafür benötigte und worauf der Tristam entsprechend erst mal verzichten musste. Nur zu gern ließ er ihr den Vortritt. Der Tag heute war für sie - hoffentlich - auf seine ganz eigene Art und Weise ein anstrengender gewesen. Viel Neues hatte sie erlebt. Da durfte sie sich gerne geschlaucht fühlen und ihren Körper von den Tätigkeiten reinigen wollen. Und bei Julia wirkte es sogar oft so, als könne sie mit warmen Wasser Koffer von ihren Schultern spülen.
Während seine Mitbewohnerin sich also im Bad vergnügte, kümmerte sich Mathéo um die Nachbereitung ihres Trips. Nicht nur die Angelausrüstung wollte verstaut werden, auch die Sachen an seinem Körper mussten ausgetauscht werden. Eine Dusche wollte er sich später auch noch gönnen. Was zeitlich darüber hinausging, da hatte der Dämon noch keinen Plan. Irgendwie juckte es ihm nach etwas Spontanität. Vielleicht lag es am Angelausflug, der ebenfalls spontan angezettelt worden war. Da könnte man von ausgehen, dass der Tristam ruckzuck auf den Geschmack gekommen war. Andererseits könnte man auch behaupten, er wolle einen Tapetenwechsel für den Rest des Tages. Er würde sich nicht mal wundern, wenn Julia nicht nur von Fischen, Maden und Angeln vorerst genug hatte, auch Mathéo mit seiner Art und Weise konnte sicherlich ausreichend Substanz abverlangen. Der Tristam sah sie schon mit hochgelegten Beinen auf der Couch fläzen: in der einen Hand die Fernbedienung, in der anderen ein Glas Wein. Das passte allerdings nicht zum Tristam. Das hatten sie bereits in der Vergangenheit herausgefunden. An solchen Abenden saß Mathéo im Garten, werkelte an etwas herum oder machte schlichtweg … sonstwas. Nur selten hatte er sich zu ihr gesellt; und wenn dann nur für ein eigenes Glas alkoholhaltigen Traubensaft - um es mit den Worten eines Banausen auszudrücken.
Als Mathéo soweit fertig war mit seiner Nachbereitung, fiel sein Blick auf die Kommode neben der Tür seines Zimmers. Die Erinnerungen den Tag des Balls kehrten zurück, denn auf dem Möbelstück stand noch immer eine ganz besondere Schatulle. Sie war verschlossen, doch öffnete man sie, so drehte sich die Welt ganz schnell um 180°. Zwar geschah mit ihr selbst dabei nichts, doch wer auch immer die Schatulle öffnete, der kippte nach einer Drehung wortwörtlich aus den Latschen; denn diese passten plötzlich nicht mehr. Die Schatulle hatte ihn damals in einen rothaarigen Kater verwandelt. Und nur dank eines Glöckchens, welches Bernardo, ein Lehrer an seiner Schule, herbeigezaubert hatte, konnte man Mathéo wieder zurückverwandeln. Besagtes Glöckchen lag neben der Schatulle. Er könnte sich jederzeit hin- und her verwandeln. Jederzeit. Theoretisch. Praktisch. Auch … jetzt … zum Beispiel. Mathéo warf der Schatulle einen Frechen Blick zu. Hätte das kleine Objekt ein Bewusstsein, so würde ihm jetzt wohl ein kalter Schauer den gold gerahmten Rücken hinablaufen; denn so wie der Tristam schaute, konnte er nichts Gutes im Schilde führen.
Poof!
Erstaunlicherweise hatte das Haus dieses Mal nicht gerumpelt. Kein Knallen, kein übermäßiger Rauch, kein Feenstaub … nur ein Puffen erklang in Mathéos Schlafzimmer. Julia würde nichts davon unter der Dusche gespürt haben. Doch würde sich Mathéo nun aus dem Fenster werfen, so sollte ihr klar sein, dass er verschwunden war. Doch wie bereits vermutet, ging Mathéo davon aus, dass sie die Ruhe genießen würde. Also konnte er ihr diesen Gefallen tun und mal schauen, ob seine haarigen Sauf- und Musikerkumpanen auch heute Abend wieder die Stadt unsicher machten. Da Mathéo nur von seinen Sachen und nicht von seinen magischen Fähigkeiten auch noch beraubt war, konnte er letzteres nutzen, um sich spurlos durch die Fensterscheibe seines Zimmers zu drücken. Vom Fensterbrett aus wirkte das Obergeschoss deutlich höher, als es das eben noch für Mensch-Mathéo getan hatte. Und bevor er den lebensmüden Sprung versuchen wollte, schaute er nochmal zurück in sein Zimmer. Seine Sachen lagen verräterisch vor seinem Bett, sodass Julia sofort klar sein sollte, was hier geschehen war. Und dabei hoffte er, dass sie unter der Dusche keinen Clown vernascht hatte und davon ausging, dass Mathéo sich splitterfasernackt im Haus versteckte. In dem Klamottenhaufen fehlte nur seine Augenklappe. Aus dieser hatte er sich wieder eine kleinere Version gebastelt. Dadurch würde er nur als roter Fußabtreter auffallen und nicht als heterochromes Fabeltier. Wobei die Frage erlaubt war, ob man als rote Katze nicht noch mehr an eine Ausgeburt eines Fantasy-Streifens erinnerte.
Jetzt würde er erst mal nur zum roten Kometen werden, denn wie solch einer sprang er vom Fensterbrett ab und sauste hinüber in den nächsten Baum. Danach ging es von Ast zu Ast Etage um Etage tiefer, bis er schließlich auf dem Gehweg landete. Wo sollte es nun hingehen - stand als Frage im Raum. Mathéo würde sich einfach vom Wind führen lassen. Es gab immerhin auch Orte auf der Insel, die er in dieser Form noch nicht erkundigt hatte. Und nach seinen Katzengefährten konnte er auch noch im Mondschein suchen.