Der Ostflügel des Wohnheims im ersten Stock ist den Jungen vorbehalten. Neben den Einzelzimmer gibt es einige größere Zimmer, die Platz für bis zu 4 Personen haben. Eines von ihnen ist das Zimmer mit der Nummer 203. Nach einem schmalen Gang, der bestimmt oftmals mit Schuhen oder ähnlichem vollgestellt wird, erreicht man das große Zimmer, welches um die 25m² umfasst. An den Wänden gegenüber der Fensterfront sind tiefe Einbauschränke angebracht, die unter den Bewohnern dieses Zimmer aufgeteilt werden. In der Mitte des Raumes hat ein runder Hochflorteppich seinen Platz gefunden. Auf diesem steht ein formähnlicher, niedriger Tisch, um welchen man sich gerne mit den Mitbewohnern oder aber auch Freunden versammelt. Da der Raum nur über zwei größere Schreibtische mit Stauraum verfügt, wird oftmals auch der runde Tisch für Hausaufgaben, dem Verfassen eines Briefes an die Familie oder Ähnlichem verwendet. Zwei neu hergestellte Stockbetten bieten Platz für 4 schlafende Persönlichkeiten - auch die Zuteilung der Betten liegt in der Verantwortung der Bewohner. Neben dem Fenster sind außerdem die Inselkarte an der Wand, sowie ein Kalender angebracht, um den Schülern den Alltag etwas zu erleichtern. Je nach Bewohner werden die Wände mit verschiedenen Postern, Bilder oder sogar Wandregalen verziert.
Geduldig wartete Jeanne vor der Tür, nachdem sie angeklopft hatte, welche ihr kurz danach auch schon geöffnet wurde. Gut, sie hatte nun viel mehr mit Kazuya gerechnet, aber stattdessen stand ein anderer Junge vor ihr, der über ihr Erscheinen wohl überrascht zu sein schien. Aber wer wäre das auch nicht. Sie neigte leicht den Kopf zur Seite und schmunzelte anschließend bei dessen Feststellung. „Das bin ich tatsächlich nicht. Aber was nicht ist, kann immer noch werden“, sagte sie munter. Natürlich wusste sie, dass hier strickt zwischen den Geschlechtern getrennt wurde, aber es war gut zu wissen, dass hier wohl noch ein Bett frei war, sollte es im Mädchenzimmer mal Zickenkrieg geben. Denn darauf hätte sie nun wirklich keine Lust. Aber sie hatte ihre Zimmermitbewohnerinnen ja noch gar nicht kennen gelernt, daher konnte sie das noch nicht in Betracht ziehen. Aber sicher war sicher.
Die Magierin merkte jedoch, dass der Junge vor ihr irgendwie abwesend schien, bis ihm wieder einfiel, dass er vor einem Mädchen stand. Und anstatt sie herein zu bitten oder überhaupt zu fragen, warum sie hier war, wurde ihr gesagt, wo sich der Mädchentrackt befand und anschließend die Tür wieder zu geknallt. Völlig irritiert sah Jeanne die Tür an und fragte sich gerade, ob das ein Scherz war. Aber dem schien nicht so zu sein. Er hatte ihr doch ernsthaft die Tür vor der Nase zugeschlagen! Wenn es Dinge gab, die Jeanne nicht mochte, dann war das eines davon. Da könnte diese Kerl mit noch irgendeiner Ausrede kommen, es würde es nicht wider gut machen. Hätte er gefragt, warum sie hier war, hätte er auch erfahren, dass sie wegen Kazu gekommen war. Sie war immerhin kein verwirrtes, keines Mädchen, das man den Weg zeigen musste. Oder das sich verlaufen hatte.
Sie überlegte schon, die Tür einfach nieder zu brennen und diesem Jungen die Ohren lang zu ziehen, mit der Frage, was ihm überhaupt einfiele, die Tür wieder zuzuschlagen. Gut, die Heimleitung würde das nicht gut heißen, doch wollte Jeanne das nicht einfach auf sich sitzen lassen. So formte sie zwischen ihren Händen bereits eine Feuerkugel, ehe die Tür doch wieder auf ging und sie dieses Mal Kazuya entdeckte. So ließ sie es sein und scheinbar war auch Kazuya nicht sonderlich begeistert davon, dass sie aus dem Zimmer ausgeschlossen worden war. Sie nickte nun bei der Frage des Braunhaarigen. „Ja, wollte ich. Und ich dachte, da du mir sowieso deine Freunde vorstellen wolltest, kann ich auch so schon vorbei kommen, aber ich glaube, das hat sich für's erste ereldigt..“, meinte sie. Vielleicht würde sie es sich anders überlegen, sollte sich der andere Typ entschuldigen. Doch wollte sie nicht weiter daran denken. Sie nickte daher wieder und lächelte, ehe sie mit Kazuya los ging.
Itsu betrat das Zimmer und trat in den schmalen Gang der auf das eigentliche Zimmer zulief. Von dort aus gesehen konnte er die Fensterfront des Zimmers erkennen und ein Teil der Betten. Insgesamt Vier konnte er erkennen. Er ging weiter in den Raum hinein und schaute sich um. Gegenüber der Fenster lagen Schränke. Genug für Vier Personen wofür das Zimmer auch ausgelegt war. Kaum Abnutzung war zu erkennen und er fühlte sich direkt wohl. "Trotzdem ein wenig stickig hier drin.", sagte er zu sich selbst. Ob Vivian ihm schon gefolgt ist wusste er nicht und wen würde sie ihm bestimmt zustimmen. Er ging auf die Fenster zu und öffnete diese direkt und ließ Frischluft von draußen hinein. Wieder setzte sich eine Pole auf seine Nase.
Er nieste wieder einmal und der Pulverschnee der dabei enstand setzte sich auf der Fensterbank ab. "Ich entschuldige...", sagte er sich Nase reibend und stellte sein Koffer neben dem Fenster ab. Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht und der Schnee glitzerte in Schein der Sonne. Er drehte sich um und schaute direkt auf die Tür zu wo er Vivian erwartete. Er hatte sich schon Gedanken darüber gemacht welches Lied er nun spielen sollte und zog seine Handschuhe aus. Bedacht jetzt nichts anzufassen wartete er auf seine Geige.
Etwas überrascht wirkte der Weißhaarige Junge auf ihr Statement hin. Ihre Wenigkeit hingegen nahm das ganz nüchtern hin. War es nicht gut, wenn sein Zimmer sehr nah an der Treppe war? Es war somit immerhin leichter, im Notfall schneller aus dem Gebäude zu kommen. Aber das schien Itsuna wohl nicht so ganz zu interessieren. Musste es ja auch nicht. Die Erzieher würden sich in so einem Ereignis sicherlich rechtzeitig um alles kümmern, da war sie sich sicher.
Das Zimmer wurde in jedem Falle schnell betreten und eröffnete nicht nur seinem neuen Bewohner, sondern auch Vivian selbst einen guten Einblick darauf, wie auch ihr Zimmer aussehen würde. Immerhin sollten die Zimmer ja alle gleich aussehen. Alles andere würde keinen Sinn machen. Erstaunt war die Engelin lediglich über die Anzahl an Betten im Zimmer. Vier zählte sie, als sie mit der Geige in der Hand in das Zimmer folgte und sogleich die Tür hinter sich schloss. Das waren mehr Betten als im alten Waisenhaus, so viel war sicher. Im alten Gebäude waren es immer nur zwei Betten pro Zimmer gewesen. Vermutlich wollte man mit diesen Zimmern den Zusammenhalt unter den einzelnen Bewohnern stärken, so ihr spontaner Gedanke. Was die Möbel angign konnte sich das Zimmer in jedem Falle sehen lassen. Es sah angenehm aus, das Holz hatte einen sehr beruhigenden Effekt und durch das Fenster wirkte der Raum Tagsüber sehr freundlich. Lediglich die Luft war, da musst sie ihm zustimmen, etwas stickig. „Das Fenster zu öffnen, sollte dem Abhilfe verschaffen.“, äußerte sie gleich einen Lösungsvorschlag und wechselte mit ihrem Blick auf das Fenster.
Gesagt, getan. Aber kaum war das Fenster geöffnet und der Wind trug eine angenehme Brise in den Raum hinein, nieste ihre Begleitung erneut. „Gesundheit.“, entkam es ihr wie aus der Pistole geschossen und ihr Kopf legte sich dabei etwas schräg, während ihre blauen Augen den glitzernden Pulverschnee in der Sonne betrachteten. Ehe er sich auf der Fensterbank niederließ. Ein schöner Anblick für die Engelin. Ästhetik schaffte es auch hin – und wieder sie zu berühren. „Wenn du eine Allergie haben solltest, es sollte hier ein Krankenzimmer geben. Oder im Falle einer…“, sie grübelte kurz offensichtlich nach dem Begriff, „…Erkältung? Einen Arzt der dich untersucht.“. Das wollte sie wenigstens noch loswerden, bevor noch ein Unglück passierte. Das wohlergehen ihrer Mitmenschen lag ihr immerhin am Herzen. So sehr, dass sie dafür sogar ihre Arme geopfert hatte. Deswegen ja auch die Handschuhe. Sie wollte ihr Umfeld nicht beunruhigen. „Darf ich die Geige irgendwo ablegen? Oder möchtest du sie selber in den Händen halten?“, fragte sie danach und wartete brav und still auf eine Antwort. Es konnte ja immerhin sein das er sich noch einrichten wollte, bevor er sich daran machen würde ihr etwas vorzuspielen. Natürlich hätte sie auch auf die Idee kommen können, ihm sein Instrument gleich zu übergeben, aber so ein bisschen steif war die Blondine in diesem Punkt dann doch. Was man nicht gesagt hatte, machte sie auch nicht. Zumindest nicht mit den Objekten fremder Leute. Außerdem waren seine Arme nicht erwartungsvoll ausgestreckt, was vermutlich gereicht hätte.
Er winkte auf ihre Bemerkung hin, dass er sich mal untersuchen lassen sollte, ab. “Danke aber nein das ist nicht nötig. Es hat sich nur eine Polle auf meine Nase gesetzt.” Dass sie ihn immer noch nicht auf den Schnee angesprochen hat ignorierte unbewusst und geht auf sie zu. Im Beschluss seine Geige aus der Tasche zu nehmen. “Könntest du meine Geige dort auf den Tisch legen? Wäre nett.” fragte er sich freundlich und jetzt nun umso mehr darauf achtend das nichts dabei passierte.
Während er noch darauf wartete das Vivian seine Geige ablegte, sodass er sie entnehmen kann fuhr ihm ein kleiner relativ kalter Windzug über den Nacken. Er kannte das Gefühl zwar aber dieses war anders. Normalerweise hatte er das immer bevor er sich in seine Drachenform verwandelte, doch dieses Gefühl war anders. Als ob jemand oder etwas anderes dies verursacht hätte. Und es war definitiv nichts Natürliches. Er schaute nochmal kurz aus dem Fenster. In diesem Moment fühlte es sich an als würde sein innerer Drache etwas wittern. Sein inneres zitterte.
Er glaubte einen anderen Drachen zu spüren, aber die Wahrscheinlichkeit das es genau in diesem Moment auftauchte, so entschloss er, war sehr gering. ”Ich bilde mir schon Dinge ein vor Aufregung. Bleib ganz ruhig Itsu!. Er drehte sich wieder zu Vivian um. Noch während seiner Drehung blieb er mit dem Fuß am Tischbein hängen und fiel in den Raum hinein. Nun Flach auf den Boden liegend, seufzte er und kniete sich hin. Er kratze sich peinlich berührt am Hinterkopf und lachte.
Ein weiteres Nicken folgte, wie so oft in den Gesprächen mit Vivian. „Natürlich, tut mir leid.“, entschuldigte sie sich sogleich für ihre, wohl zu übertriebene, Geste der Sorge. Auch wenn sie sich vorhin, sowie jetzt ein bisschen an diesem Schnee verguckt hatte. Immerhin, dass hatte sie angedeutet, gab es sowas nicht oft auf Isola. Wenn überhaupt. Darauf angesprochen hatte sie ihn ja bereits. Unten, im Parterre des Wohnheims. Eine weitere Erwähnung, in einem so kurzen Abstand, empfand die Engelin also als nicht angebracht. Vielleicht würde sich später noch einmal eine gute Gelegenheit dazu ergeben. Doch vorerst gab es ja etwas zu tun. Auf dem Tisch sollte das Gepäckstück, welches er der Blondine anvertraut hatte, abgelegt werden. Eine leichte Aufgabe und mit einer kleinen Verbeugung, die wieder einmal etwas altmodisch wirkte, setzte sie sich auch sogleich in Bewegung. Vorsichtig kniete sich die Isolanerin in die Nähe des Tisches, während sie sehr präzise darauf achtete den Koffer nicht falschherum auf die Platte zu legen. Sie kannte Musikkoffer schon aus dem Musikraum im alten Wohnheim, da hatte sie auch schon öfter beim Aufräumen geholfen und war erfahren im Umgang mit derartigen Gepäckstücken. Allerdings, dessen war sie sich auch im Klaren, konnten die Koffer interne Unterschiede aufweisen. Je nachdem welches Instrument sich darin verbarg.
„Bitte sehr.“, kündigte Vivian ihre vollendete Aufgabe an und drehte sich zu ihrer Begleitung um. Da polterte es nur auf dem Tisch mit der Geigentasche, dass wilde Gewedel von Armen war zu sehen und plötzlich segelte ein, mit weißen Haaren besetzter Kopf, in Richtung des Bodens. Ja, die Schwerkraft war immer schon der Feind aller Lebewesen gewesen und Vivian war in diesem Moment einfach zu langsam, als dass sie ihn hätte auffangen können. Mit ein bisschen Geschwindigkeit und einem kleinen, dumpfen Geräusch machte sich der Aufprall des jungen Mannes bemerkbar. Apollo 13 war gelandet und Vivian stand als Zeugin etwas regungslos und gleichzeitig fasziniert neben dem Tisch. Wie konnte man so unaufmerksam sein?
„Ist dir etwas passiert? Tut es irgendwo weh?“, fragte sie in einem vorsichtigen Ton und einer leicht besorgten Stimmlage, während sie sich in eine leichte Hocke begab, um Itsuna genauer in die Augen zu schauen. Vielleicht hatte er sich ja am Kopf etwas aufgeschlagen? Platzwunden konnten sehr gefährlich werden. Der Betroffene selbst allerdings lachte nur erstmal etwas komisch, was die Engelin nicht so ganz verstand. War es ihm peinlich? Das leitete sie sich aus anderen Situationen, mit anderen Leuten, gerade ab. Nun, sie kannte ihn nicht wirklich, deswegen war es gut möglich…aber. Vielleicht war das auch einfach nur ein Weg um mit dem Schmerz umzugehen. Sie hatte das in seltenen Fällen bei den Werwolfsangriffen erlebt. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit hier wohl sehr gering. Die Umstände spielten immerhin nicht mit. „Soll ich ein Gel-Kissen - oder einen Verband holen, damit du es dir auf die schmerzenden Stellen drücken kannst?“, sie wollte ihn jetzt auch nicht so plötzlich anfassen und nach Verletzungen durchsuchen. Nein, das würde sie nicht. Denn wer aufgepasst hatte, der sah, dass sie immer und zu jeder Zeit einen Freiraum zischen ihr und ihm ließ. Seine imaginäre Privatsphäre, könnte man sagen. Auch bei @Arata Itô war das der Fall. Zumindest so lange, bis er sich entschied das zu übergehen. Aber da hinderte ihn die Blondine nie dran.
“Nein, Nein, aber trotzdem danke für das Liebe Angebot.”, antwortete er auf den Vorschlag medizinische Utensilien für ich zu besorgen. Viel brauchte er solche Dinge nicht. Sein Körper war schon regelrecht daran gewöhnt sich zu stoßen oder hinzufallen. Doch allerdings wusste dies halt keiner, weshalb ihn die Reaktion von Vivian nicht sonderlich überraschte. “Sowas passiert mir relativ oft...”, sagte er und richtete sich auf, “...bin halt ein Tollpatsch schlecht hin hehe.”
Er ließ die beiden Schlösser an dem Geigenbehälter hochklappen. Doch so sanft wie diese aufklappten hätte man meinen können man hätte grade nur einen Bleistift auf einen Holztisch gelegt. Als er dann wiederrum die Geigentasche öffnete und sich das seichte Sonnenlicht auf dem lackierten Holz spiegelte, war es als würde man auf die Wasseroberfläche eines dunklen Teichs schauen. Das dunkle Ebenholz glänzte und spiegelte etwas Elegantes, aber auch rebellisches wider. Itsu strich mit einer Hand über das Holz. Das Gefühl wie sich, trotz der Lackierung, die Maserung unter seinen Fingerkuppen entlangschlängelte gab Itsu ein Gefühl des Glückes. An der oberen Seite unterbrach die Lackierung kurz. Wie eine Narbe schlängelte sich dort eine, solide geflickte, Bruchstelle. Er erinnerte sich noch daran wie die Leute des Magistrat seine Geige damals zerbrach.
“Dies ist mein Ein und Alles...”, flüsterte er vor sich hin und ein weiches und zufriedenes Lächeln setzte sich in die Gesichtszüge des Weißhaarigen tollpatschigen Jungen Mannes. Er entnahm die Geige und legte sie, einer Geige gebürtig, unter seinem Kinn an. Seine Finger glitten über die Saiten und ein seichter Ton entglitt diesen. Er nahm den Geigenbogen auf und setzte ihn an. Testweise strich er über die Saiten der Geige. Ein Reihenfolge Tiefer Töne füllten den Raum als wollten diese den Raum abschließen. Der Raum schien nun das Reich der Melodien zu sein. Ein Ort, erschaffen, genau nach Itsus Geschmack.
„Wenn das so ist.“, erwiderte die Blondine nur leicht verwirrt auf diese Antwort, während sie ihn im Kopf als Tollpatsch abspeicherte. Wenn er es über sich selber sagte, dann musste es ja wohl stimmen. Zumindest in Teilen. So schlau war Vivian dann doch, dass nicht jeder zu hundert Prozent die Wahrheit sprach. Itsuna machte auf ihre Wenigkeit aber noch nicht den Eindruck groß Unwahrheiten zu verbreiten. Ihre Hand, um dem Weißhaarigen hoch zu helfen, wurde allerdings in diesem Falle etwas ignoriert. Nicht das es sie jetzt großartig kränken würde. Vielleicht mochte er es auch einfach nur, seine Tollpatschigkeit selbst wieder geradezubiegen. Solche Leute sollte es ja auch geben. Vivian war manchmal auch einer dieser Leute, deswegen konnte sie sich das auch so gut vorstellen.
Nun aber hieß es sich in Stille zu üben. Ab dem Moment, wo sich der junge Mann erhoben und seinem Koffer zugewandt hatte, verblieb die Engelin in purer Stille. Jetzt, so dachte sie, begann das angekündigte vorspielen. Dementsprechend neutral stand sie auch dort und wartete eigentlich nur auf seinen Anfang. Natürlich entging ihren scharfen Augen dabei nicht, wie behutsam und rücksichtsvoll er sein Instrument behandelte. Sie hatte das schon bei ein paar Bewohnern des Waisenhauses gesehen, welche musizierten. Es war ein ähnlicher Umgang wie zwischen ihr und ihrem Gewehr, auch wenn das ein ziemlich verschrobener Vergleich war. Aber es ging ja auch nicht um das musizieren. Im Umgang nämlich, warne sie sich sehr ähnlich. Vivian ging genau so vorsichtig mit ihrem guten Stück um wie Itsuna. Immerhin hatte es sie durch viele schwere Zeiten begleitet. Und es brauchte Pflege, regelmäßig. Eine Geige war da sicherlich nicht anders. Was ihr der junge Mann auch in einem kleinen Flüstern bestätigte.
Vivian verstand diese Freude, so wie alle Emotionen bei Anderen, nur zu gut. Sie konnte die Bindung zwischen ihm und seinem Instrument, was es für eine Bedeutung für ihn hatte, welchen Einfluss es haben könnte, nachvollziehen. Verstehen und somit für sich übertragen, das blieb ohne weiteres aus. Wieder einmal schaffte es die Engelin nicht diesen Prozess der Empathie fortzusetzen. Ein Grund, warum ihr Lächeln verschwand und sich eine neutrale Miene über ihr Gesicht legte. Sie wartete nun nur noch, so lange, bis er anfangen würde zu spielen. Denn einen Musiker unterbrach man nicht bei seinen Vorbereitungen, noch beim Spielen selbst. Das war eine Sache des Respekts. Ein Konstrukt, welches die Blondine ohne Probleme verstand.
Doch bevor er anfing zu spielen, schaute er Vivian nochmal an und lächelte. Er klemmte den Bogen unter seinen Arm und hielt sich die Handfläche vor den Mund und pustete einmal kräftig. Eine Wolke relativ dicker Schneeflocken flogen nun durch den Raum. Allerdings nicht mehr lange. Itsu schnippte mit den Fingern und die Schneeflocken verwandelten sich in rote Rosenblätter die nun langsam zu Boden sanken. “Mal sehen wie dir das gefällt.”, sagte er direkt zu Vivian ohne selbst auf die Rosenblätter zu achten und grinste erfreut. Er nahm den Bogen wieder in die Hand und setzte ihn auf Saiten der Geige. Er begann mit fließenden Bewegungen eine fröhliche, gmeinschaftliche Melodie zu spielen. Eine schnelle Melodie aber gut verfolgbar. Die Rosenblätter reagierten plötzlich auf die Melodie und fingen an durch den Raum zu tanzen.
Itsu fühlte wie die Musik den Raum füllte, Vivian einhüllte und seine Seele umschloss. Er war wieder in seiner Welt. Sein innerer Drache erwachte ein wenig aus seinem Schlaf in Itsus Körper, doch es blieb außer Sicht das er sich verwandelte. Stattdessen erfüllten nur die scharfen Sinne des Drachen Itsus Körper. Er spürte nun jede Vibration der Saiten und schloss die Augen während er weiterspielte und die Rosenblätter tanzten. Wie damals. Als die Kinder von Detroit noch um ihn tanzten vor Freude und lachten. Er mochte diese Erinnerung und schwelgte noch ein wenig in dieser.
Nach einer kleinen Weile des Spielens, begann er die zum Ende des Liedes zu kommen. Die letzten Klänge der Saiten gingen leise über ins nichts, wie die letzten Sonnenstrahlen am Horizont. Die Blätter legten sich und verwandelten sich wieder zurück in Schneeflocken und schmolzen unter der Raumtemperatur direkt. Itsu atmete tief aus und genoss den letzten Widerhall der Melodie. Zuweil er auch hoffte das es Vivian gefallen hatte. Doch plötzlich tat sich in ihm ein Gefühl auf. Als würde sein innerer Drache etwas ahnen. Das Gefühl trieb ihn hinaus aus dem Zimmer Richtung einem Unbekannten Ort. Er sah nur Schemenhaft Kreuze und eine kniende Person. Er packte sofort seine Geige wieder ordentlich ein, schulterte sie und packte sich seine Umhängetasche. “Es tut mir unendlich leid Vivian Edwards...” er verbeugte sich wie nach einer Aufführung, “...aber ich muss sofort etwas nachgehen.” Er schaute ihr nochmal in die Augen und merkte selbst nicht das sich seine Augen in die Augen seiner Drachengestalt verwandelt hatten. Er ging Richtung Tür, öffnete sie und lief mit schnellen Schritten den Gang entlang, ohne überhaupt daran gedacht zu haben das sich nun Vivian alleine im Zimmer befand oder überhaupt den Raum abzuschließen.
Sie schaute nicht schlecht, als ihre Augen versuchten jede einzelne der Schneeflocken im Raum zu erfassen, als seien sie ein Individuum, welches unbedingt eine gesonderte Aufmerksamkeit benötigte. Vielleicht war es auch dem Umstand geschuldet, das Vivian vor einigen Monaten zum ersten Mal Schnee gesehen hatte. Also hautnah und nicht in irgendeinem Film, oder auf einem Bild. Die Engelin war fasziniert, das konnte man ruhig so sagen. Dabei hatte der Weißhaarige noch nicht einmal angefangen auf seinem Instrument zu spielen. Er schaffte es sogar den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, als die Flocken sich alle nacheinander in Rosenblätter verwandelten. Hätte Itsuna in diesem Moment nicht angefangen zu spielen, so wären die blauen Augen der Blondine wohl weiter den herabfallenden Gegenständen gefolgt. Fasziniert und grübelnd zugleich. So eine Magie, solch eine Fähigkeit, hatte sie in noch keinem Vergleichbaren Umfang miterlebt. Dementsprechend genau merkte sie sich die Abläufe der Schneeflockentransformation und richtete nun wieder ihren Blick auf den musizierenden jungen Mann vor ihr.
Die Melodie, welche sich ihr dort gerade offenbarte, folgte einem langsamen und eher ruhigen Ton. Er war leicht zu verfolgen und die Engelin spürte, wie sie diese Melodie etwas ruhiger und entspannter werden ließ. Äußerlich erkennbar an einem kleinen sinken ihrer Schulterblätter. Wobei ihre Kleidung alles in ihrer Macht stehende tat, um dies nicht ganz so offensichtlich wirken zu lassen. Sie genoss es sichtlich, dieses kleine Konzert. Wäre sie nun ein normales Mädchen gewesen, so hätte sie sicherlich mitgewippt; oder Gesten gemacht. Stattdessen hielt sie ihre Pose sehr akkurat und verblieb auch so. Nur ihr Kopf schien mit kurzen Bewegungen diese Faszination darzubieten. Dabei war sie gedanklich gerade sehr aktiv und versuchte sich von der Melodie in ihrem Klang, ihrem Rhythmus mitreißen zu lassen. Es erweckte in ihr den Wunsch, auch die anderen Musikanten im Wohnheim nach einer kleinen Aufführung zu fragen. Eine Sache mit der sie sich sonst immer zurückgehalten hatte, weil sie das als zu aufdringlich empfand.
Als sich das Musikstück seinem Ende neigte, was die Engelin aufgrund ihres Musikgefühls teilweise schon vorausahnte, öffnete die Blondine wieder ihre Augen. Ja, sie hatte für einen kurzen Moment tatsächlich ihre Augen geschlossen. Aber der Weißhaarige würde wohl noch etwas Zeit auf der Insel, oder mit ihr benötigen, um das wirklich schätzen zu wissen. Falls es den ihr Gegenüberstehenden überhaupt interessierte. Dann stoppte die Musik. Ohne auch nur einen Kommentar abzugeben, packte der Weißhaarige sein Instrument in die Tasche zurück, verneigte sich und…ließ sie einfach stehen. Ausdruckslos verblieb die Blondine in seinem Raum zurück, bevor ihr Blick zurück zur Geige wanderte. Sie konnte ihm nicht einmal wirklich einen Abschiedsgruß geben, weil er so schnell verschwand, wie er gekommen war. Ein kleines Lächeln berührte ihre Lippen, dann drehte sie sich langsam herum und verließ ebenfalls das Zimmer. Ganz ruhig und sanft schloss sie die Tür hinter sich und kehrte zu ihrem Koffer zurück…irgendwie kam ihr der Abschied gerade etwas erzwungen vor. Nun, dann würde sie ihr Zimmer nun suchen.
Cf: Das Wohnheim | Parterre | Mittelflügel | Der Foyer des Parterres
Zimmernummer 203. Hier war es. Hier war der Ort an dem Freddi ab jetzt eine lange Zeit lang leben müsste. Vorsichtig versuchte er die Tür zu öffnen und zu seinem Erstaunen, war sie nicht einmal abgeschlossen. Deswegen ging er davon aus, dass jemand schon im Zimmer sein sollte. „Hallo?“, sagte er während er die Tür betrat und nun auf einem schmalen Gang stand. Ein paar Schritte nach vorne zeigten ihm dann das gesamte Zimmer. Es war keiner da. Es standen allerdings schon ein paar Sachen im Raum, woraus Freddi schlussfolgerte, dass hier schon jemand drin war. Er konnte nicht genau sehen welches Bett sich die Person ausgesucht hatte, weswegen er einfach das untere Bett gegenüber nahm. Er schmiss sein Koffer auf das Bett und fing an auszupacken. Es dauerte seine Zeit bis er endlich alles aussortiert hatte und als er dann fertig war, setzte er sich erstmal auf sein Bett. Er hatte keine Nachrichten auf sein Handy bekommen und ging deswegen davon aus, dass bei seinem Bruder auch alles in Ordnung war. Schlussendlich entschied er sich dann einfach mal durch die Gegend zu gehen und zu schauen was man hier alles entdecken kann.
Tbc: Das Wohnheim | Außenbereich | Garten des Anwesens