Das Gemeinschaftsbad der Mädchen ist mit allem ausgestattet, was eine Frau von Welt für ihre Körperpflege braucht und wahrscheinlich auch haben will. Das Bad selbst ist mit weißen Fliesen an den Wänden an allen Seiten verkleidet. Am Anfang des Raumes, an der selben Wand sich die große Eingangstür befindet, sind ein paar Waschbecken und Spiegel aneinander gereiht. Manche davon scheinen schon eingenommen zu sein, finden sich doch hier und da ein paar Zahnputzbecher und ähnliche Kosmetika auf dem Abstellbereich der Waschbecken. Der gesamte hintere Teil des Bades wird von einem riesigen Badebecken mit lauwarmen Wasser eingenommen, in welchem man sich in Ruhe baden und entspannen kann. In der Mitte des riesigen Bades sind einzelne Reihen mit großen Spiegeln, Schemeln und Wasserhähnen angereiht, die nach dem Verlassen des großen Beckens gerne nochmal benutzt werden - immerhin baden ja doch mehrere Personen im selben Wasser. Wer sich nicht gerne in Gesellschaft seiner Mitbewohnerinnen waschen will hat auch die Möglichkeit, das in einer der beiden extra abgetrennten Duschkabinen zu tun. Der Vorraum kann außerdem als Umkleideraum benutzt werden; dort liegen rund um die Uhr frische Handtücher zur freien Verfügung bereit. Die meiste Zeit des Tages gleitet ein angenehmer Duft von Frauenshampoos durch die Luft.
Nachdem die Irin erzählt hatte, seit wann sie auf der Insel war, schien Helena ein wenig nachdenklich geworden zu sein. Ob das einen bestimmten Grund hatte? Vielleicht war sie ja überrascht, dass es doch nur so wenige Monate waren? Lydia war sich wirklich nicht sicher, aber die anschließende Bemerkung von Helena zeigte wohl doch, dass die Wölfin mit ihren Gedanken richtig lag. Die Blondine war wohl schon sechs Monate auf der Insel. Aber für die Wölfin war sie ehrlich gesagt kein Neuling mehr auf der Insel, auch wenn sie nicht alle Ecken kannte. „Ehrlich gesagt, find ich nicht, dass du noch ein Neuling mit sechs Monaten hier auf der Insel bist. Ich denke es ist egal, ob du die Stadt in und auswendig kennst. Es geht eher darum, ob du dich gut eingelebt hast und wohl fühlst und ich denke das hast du sicher nach sechs Monaten hier erreicht“, antwortete sie dem Mädchen. Ob sie mit der Antwort einverstanden war? Vielleicht fühlte sich die Blondine aber auch nicht wohl hier auf der Insel? Wobei sie das nicht glaubte, aber natürlich kannte sie Helena nicht wirklich gut und sie könnte genauso gut einfach nur den Schein wahren.
Doch von einem Thema wechselte auch schon Helena zum nächsten, das unangenehmer für die Irin war. Sie hätte wahrscheinlich lieber vom Wetter geredet oder von der Schule, als vom Thema der Liebe. Helena kam nun der Irin ein wenig zu nah, sodass sie erst einmal ein bisschen zurück rutschte. Der Wölfin war das Thema sichtlich unangenehm, aber sie wollte auch nicht wirklich unhöflich sein. „Also ich weiß nicht, ob sich jemand in mich verliebt hat“, antwortete sie dem Mädchen. „Aber vielen Dank. Ich finde, dass du sehr süß aussiehst und ich glaub, dass bei dir die Männer wahrscheinlich Schlange stehen würden, wenn dein Freund nicht wäre“, fügte sie noch an und lächelte sie freundlich an. Dass sie auf ihre erste Frage einfach nicht einging, war der Irin bewusst. Sie wollte nicht darüber reden und würde es auch so schnell nicht tun. Immerhin wusste Lydia ja selbst nicht mal, was sich da noch zwischen ihr und @Mikhail ergeben würde, oder eben auch nicht. @Ivy hatte ihr zuvor auf jeden Fall keine großen Hoffnungen gemacht und irgendwie hatte die Wölfin auch das Gefühl, dass ihre beste Freundin recht hatte. Aber über dieses Drama wollte sie jetzt nicht reden, geschweige denn daran denken. „Wer ist denn eigentlich dein Freund?“, fragte sie Helena und lenkte das Gespräch wieder auf sie.
„Stimmt, du hast absolut recht.“, erwiderte Helena selbstsicher und mit einem Lächeln auf den Lippen. Bewusst die Tatsache verbergend, dass sie damit eigentlich ganz und gar nicht einverstanden war. Sie fühlte sich diesem Eiland inmitten des Ozeans nicht so verbunden, wie man es vielleicht annehmen sollte. Bevor das hier ihr Zuhause ersetzen könnte, würde wohl noch eine Menge Zeit vergehen. Aber momentan hatte die Französin noch arge Zweifel daran. Ganz egal, wie gut und zahlreich ihre Freunde hier sein mögen. Es fehlte dieses kleine bisschen, um sich hier eine vollends wertige Heimat aufzubauen. Es fehlte dieses altbekannte Familiengefühl. Vertrautheit, Geborgenheit, solche Sachen. Zwar war Alix eine signifikanter Boost in diesen Angelegenheiten. Jedoch gab es Lücken, die selbst ihre Schwester nicht wirklich schließen konnte … leider. Naja, genug der Grübelei! Ihren philosophischen Trieben konnte sich die Blondine auch später noch widmen. Das Bad war, besonders in Gesellschaft, nicht der richtige Ort dafür.
Lydia mit der Beziehungsthematik aufzulauern hatte da viel mehr Reize gehabt und … was sollte man sagen? Sie wurde auf jeden Fall nicht enttäuscht. Gut, sie rückte ihrer neuen Bekanntschaft vielleicht etwas zu nah auf die Pelle, aber das machte sie gleich nach dem zurückweichen der Dunkelhaarigen wieder rückgängig. Reichte ja auch, wenn ihre Worte aufdringlich genug waren. So, wie sich ihre Klassenkameradin gerade um Rede und Antwort schlängelte. Was – so empfand sie selbst – etwas leicht Niedliches mit sich brachte. Diese Mischung aus Zurückhaltung und Unwissenheit hatte – in sich geschlossen – einen verdammt lieblichen Charme. Ein leicht introvertiertes Ding, was sich potenzieller Verehrer gar nicht bewusst war … und ihre eigenen Schwärme nicht preisgab. In was für ein Wundes Thema die Engelin da eigentlich gestochen hatte, dämmerte ihr dabei nur leicht im Hinterkopf. „Wenn die Männer jemals Schlange gestanden haben.“, scherzte sie auf das zurückgeworfene Kompliment hin und lachte amüsiert. „Ich habe die lange Aufreihung an Männern noch nicht ausmachen können.“, erklärte Helena sichtlich belustigt und grinste verstohlen in sich hinein. Nicht, dass sie was gegen diese Vorstellung hätte. Wer mochte es nicht, von viele Leuten umworben zu werden? Zumindest bis man realisierte, dass man keine Ruhe mehr in seinem Leben haben würde. Von daher blieb es wohl besser beim bloßen Wunschdenken.
„Was? Wer mein Freund ist?“, fragte sie offensichtlich aus ihren eigenen Gedanken gerissen. „Das ist Damian.“, beantwortete sie die Frage, ohne großartig darüber nachzudenken. Bei der generellen Veranlagung für die Partnersuche hätte ihr die bloße Nennung der Zimmernummer vermutlich nichts gebracht. „Du weißt schon, der große Blonde. Ein richtiger Riese. Sehr sportlich, mit diesem frechen Grinsen manchmal.“, führte sie weiter aus und seufzte leicht schwärmerisch, als würde sie von einer jahrelangen Beziehung reden. „Wir gingen vor dieser Klassenumverteilung beide in die Sternenklasse. Aber wirklich fest wurde es erst im späteren Verlauf. Beim Ball letztens sind wir dann endgültig zusammengekommen. Eigentlich ja auch eine perfekte Gelegenheit für solche Dinge.“. Ganz besonders, wenn man ein kleines Faible für Romantik hatte. Als Französin war das auch einfach Pflicht. Außerdem: Besser hätte es an diesem Abend einfach nicht laufen können. So im Nachhinein betrachtet, ist es perfekt gewesen. Kein Spielraum für Verbesserungen. „Vielleicht brauchte ich auch einfach nur einen kleinen Ruck, um es zu realisieren und in die Tat umzusetzen. Keine Ahnung, wirklich. Ich bin auf jeden Fall überglücklich und beklagen kann ich mich auch nicht, wenn du verstehst.“, schloss sie mit einem seitlich gerichteten Zwinkern in Lydias Richtung ab, was vermutlich viel mehr aussagte, als eigentlich damit gemeint war. Die pikanteren Sachen behielt die Engelin – logischerweise – noch für sich. Damit Lydia in alle schmutzigen Details ihres momentanen Gedächtnisses eingeweiht werden würde, fehlten hier eindeutig die freundschaftlichen Bande. Mit Lu wäre sie sogar recht schnell in die Richtung abgerutscht. Ein kleiner Badewannen-Talk – wie Helena das kurzerhand nannte – würde, wenn überhaupt, nur die Grundsteine für ein solches Privileg legen. „Aber gut …“, und Helena hievte sich mit ihrem Hintern auf den Rand der Wanne und somit aus dem Wasser heraus, „… bevor ich mich jetzt noch in einen schrumpeligen Schwamm verwandle, Wenn ich es nicht sogar schon bin.", ein von Selbstironie geprägtes Lachen fuhr über ihre Kehle, während ihre blauen Augen - wie immer - den Blickkontakt suchten. "Wie geht’s bei dir heute weiter? Schon irgendwas groß vor? Eine Idee bekommen? Oder sind bei dir gerade auch alle beschäftigt?“. Nicht, dass sie jetzt was Spannendes erwartete. Es wurde ja vorhin schon angedeutet, dass ihr Terminplan nicht wirklich voll war und somit lag die Antwort ja im Prinzip schon auf der Hand. Eine Frage zur Sicherheit und zur Bekundung des eigenen Interesses war sicherlich nicht fehl am Platz.
Die Meinung, die Lydia über das Neulings-Dasein hatte, teilte Helena wohl auch. Oder machte es nur den Anschein? Vielleicht war die Blondine ja komplett anderer Meinung und wollte diese nur nicht mit ihr teilen. Ein Grund dafür könnte unter anderem eine elendslange Diskussion sein, oder sie wollte einfach diese Gedanken nicht mehr weiter ausführen. Naja, egal. Wenn Helena weiter darüber reden hätte wollen, dann hätte sie es sicherlich getan.
Das Thema Männer nahm so seinen Lauf. Es war höchst interessant, dass Helena wohl nicht der Meinung war, dass sie viele Verehrer gehabt hatte. Dabei war sie doch eigentlich eine schöne junge Frau. Gut, vielleicht fiel es ihr auch gar nicht auf. Der Wölfin würde es auf jeden Fall so gehen. Noch nie hatte sie wirklich gemerkt, dass ein Junge sie mehr als nur freundschaftlich mochte. Nun ja, bis an dem einem Tag mit @Mikhail, da hatte sie doch das Gefühl. Wobei sie sich jetzt ja nicht mehr wirklich sicher war. Vielleicht war das ja alles Einbildung oder sowas in der Art. Unbewusst schüttelte sie ihren Kopf und versuchte die Gedanken vorerst wieder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Mittlerweile hatte auch Helena wieder ein wenig Abstand zu der Wölfin gefunden und sie entspannte sich ein wenig. Immerhin kannte sie Helena ja nicht und dann noch so stark bedrängt zu werden, war wirklich ein wenig unangenehm. Damian… Damian… ging die Irin im Kopf durch. Wer war das noch gleich? Die weitere Ausführung half ihr dann auf die Sprünge. Es war also der blonde Riese! Den hatte Lydia schon öfters gesehen, aber mit ihm geredet, hatte sie nicht. Jedenfalls konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wenn sie wirklich mit ihm mal ein Wort gewechselt hatte. Mittlerweile wurde die weitere Erzählung von Helena ziemlich schwärmerisch und romantisch. Da hatte sie sich wohl den perfekten Partner geangelt. „Süß, das klingt ja so, als wärt ihr füreinander geschaffen“, sagte die Wölfin mit einem zarten Lächeln und sanfter Stimme zur Blondine. Die Romanze zwischen den beiden klang so süß und auch richtig. Ob Mike und sie jemals auch so eine Geschichte zu erzählen hatten? Es stand noch in den Sternen, aber die Zweifel waren da und wahrscheinlich auch berechtigt. Das Zwinkern von Helena verwirrte die Wölfin ein wenig. Was genau meinte sie damit? Sie meinte doch nicht etwa… spezielle Details über das Liebesleben der beiden? Der verwirrte Blick blieb kurzzeitig bestehen, ehe Helena schon wieder weitersprach. Die Irin wusste nicht wirklich wie schrumpelige Haut aussah. Deshalb konnte sie das auch bei sich selbst nicht beurteilen. Ob sie einfach mal fragen sollte? Vielleicht würde es aber auch seltsam für Helena sein. Aber bevor sie überhaupt etwas fragen konnte, stellte die Blondine ihr auch gleich die nächsten Fragen. „Für heute Abend meinst du? Ich werde nachher wahrscheinlich einfach in mein Zimmer gehen und versuchen bei der restlichen Hitze zu schlafen, ohne zu schmelzen. Was ist mit dir?“, gab sie die Frage an Helena anschließend wieder zurück. „Ähm… Helena? Was meinst du mit schrumpeligen Schwamm genau? Ich kenn hier viele Sachen nicht und das ist eine Sache davon“, fügte die Irin anschließend noch an. Es war ihr ein wenig unangenehm, dass sie überhaupt frage, aber die Wölfin kannte sich selbst. Es würde ihr sonst einfach keine Ruhe lassen und eventuell würde sie dann die ganze Nacht doch kein Auge mehr zu bekommen, weil sie über das nachdachte. Gespannt wartete sie auf die Antwort der Blondine.
Klar, es war eine wahrlich verherrlichende und romantische Darstellung ihrerseits gewesen. Aber sie kam dennoch nicht drumherum sich ein bisschen geschmeichelt zu fühlen, als Lydia ihre Beziehung als „füreinander geschaffen“ klassifizierte. Ob sie soweit gehen würde? Immerhin standen sie – neben dem ganzen Freundschaftlichen – ja noch ziemlich am Anfang. Das man dabei schon jetzt mitunter sehr körperlich wurde, schien da nicht sonderlich störend für sie. Damian und sie waren immerhin keine 40 Jahre alt und mussten sich mit tollen Geschichten beweisen, wie toll sie mal gewesen waren. Nein, die Dynamik, wie sie momentan zwischen ihm und ihr vorherrschte, gefiel der Französin eigentlich sogar sehr gut. Weswegen ein kleines selbstsicheres Grinsen alles war, was Lydia als Antwort bekommen sollte. Außerdem hatte Helena ihre dunkelhaarige Begegnung schon genug mit irgendwelchen pikanten Andeutungen geteased, da konnte jetzt auch ruhig mal Schluss sein.
Da schien es wirklich besser, wenn man mal auf den heutigen Abend zu sprechen kam, anstatt sich weiterhin an Romantik, Beziehung und anderen Dingen entlang zu hangeln. Doch so viel gab es da im ersten Moment nicht zu erzählen. Leicht ernüchtert über den doch recht überschaubaren Plan ihrer Wannengenossin, nickte die Pariserin nur leicht bestätigend. Aber wenn man genauer darüber nachdachte, machte es durchaus Sinn. Es gab nicht mehr viel zu tun und bei warmem Wetter einzuschlafen, dazu noch unter einer Decke … ja, das ging nicht immer gut. Wie oft hatte die Engelin es schon erlebt, dass sie mitten in der Nacht die Augen aufschlug? Der Körper nass von der angestauten Hitze, die Bettdecke leicht angefeuchtet? Es war einer der Gründe, warum sie hier nur in Unterwäsche schlief. Die Standardreaktionen hielten sich in so einer Situation immer im gleichen Muster. Entweder schmiss sie die Decke weg, oder sie versuchte mit verzweifelten Fächer-Bewegungen die Luft zum Zirkulieren zu bringen. Egal wie, dass Einschlafen danach war trotzdem eine wahre Mammut-Aufgabe. „Was es mit … dem schrumpeligen Schwamm auf sich hat?“, einen kurzen Moment lang schaute die Blondine ungläubig vom Beckenrand hinab zu Lydia. Nur, um einen kurzen Moment später einen leicht loszuprusten. Der Gedanke, dass das unhöflich war, kam ihr absolut nicht. Warum auch? War ja nicht so, als ob sie die Dunkelhaarige damit aufziehen oder vor anderen schlecht machen wollte. „Nichts wirklich wichtiges, Lydia“, erwiderte sie noch leicht amüsiert glucksend und schaute auf ihre Fingerkuppen, bevor sie diese als würdiges Beispiel identifizieren konnte. „Ich meinte damit einfach nur sowas hier.“, und sie streckte Lydia breit gefächert die Hand entgegen und deutete mit der anderen Hand auf die Fingerspitzen. „Du weißt schon, wenn man zu lang im Wasser ist und sich die Haut wegen dem ganzen Wasser vollsaugt.“, ein amüsiertes Lachen entwich ihrer Kehle und sie zuckte - als wollte sie ihr Amüsement abschütteln - mit ihrer Schulterpartie, „Mehr war damit eigentlich nicht gemeint. Ist halt eine Art Ausdrucksweise.“. Und die Frage, warum Lydia diese nicht kannte, schien sie erst in dem Moment richtig abzuholen. Da kam sich die Engelin auf eine gewisse Art und Weise schon sehr ignorant vor. So selbstverständlich wie sie sich hier ins Bad gesetzt hatte, ohne auch nur ein wenig auf das Gesamtbild der ihr Gegenübers einzugehen. „Wieso, nennt man das in deiner Heimat anders? Oder … hat man dafür überhaupt einen anderen Ausdruck?“, und Helenas Stimme wurde leicht spitzbübisch, „Oder warst du gerade einfach nur nicht auf der Höhe? Mh?“. Letzteres erwartete Helena eher. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es den besagten Vergleich nicht überall auf der Welt gab. Gut, vielleicht in ein paar entlegenen Winkeln der Erde nicht. Aber sonst? Lydia machte jetzt nicht den Eindruck, als wäre sie von wissbegierigen Forschern aus dem Amazonas entführt und hierhergebracht worden. So wie King Kong. Auch, wenn das ein schlechter Vergleich war. Nachdenklich nahm sie ihre Hand wieder zurück und begutachtete sie einen Moment. Besonders ihre Fingernägel landeten ziemlich schnell im Fokus der meerblauen Augen. Mh … vielleicht musste sie da heute Abend noch einmal mit einer Feile nacharbeiten. Sie kamen ihr ein bisschen rissig vor. Auch, wenn das bei einem Engel eher als extrem pingelich zu werten war. In der Kategorie des Aussehens gab es eben – und das schmerzte, wenn man es sich eingestehen musste – als Engel verschiedene Vorteile. Allerdings war der Spruch, „Wer schön sein will, muss leiden.“, niemals akkurater. Gelitten hatte sie … sehr viel sogar.
Die Geschichte, wie Helena und Damian zusammengekommen waren, war wirklich romantisch. Viel romantischer konnte doch der Beginn einer Beziehung fast nicht mehr sein. Aber in der Wirklichkeit sah das alles wahrscheinlich sehr oft anders aus. Jedenfalls konnte sich die Schwarzhaarige gut vorstellen, dass es genug Personen gab, die nicht halb so romantisch waren wie zum Beispiel Damian in diesem Fall. Aber die Blondine schein sehr zufrieden mit der Beziehung zu sein. Lydia freute dies sehr, denn sie gönnte jedem sein Glück und bei Helena war das nicht anders.
Die Frage, die die Wölfin gestellt hatte, schien doch etwas seltsamer zu sein, als sie es angenommen hatte. Zuerst wollte Helena doch nicht so ganz mit der Sprache herausrücken, aber dann, erklärte sie es ihr zum Glück doch noch. Lydia sah auf die Stelle, auf die Helena mit ihrem Finger zeigte. Das nennt man also schrumpeligen Schwamm? Sie sah die Haut an und erkannte jetzt, warum man es so nannte. Unwillkürlich griff Lydia mit ihrem Finger über die Stelle. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, ob dies Helena unangenehm sein könnte. Es fühlte sich wirklich sehr seltsam an. Nicht so, wie sich eine Haut normalerweise anfühlen sollte. Ganz plötzlich bemerkte sie, dass sie den schrumpeligen Schwamm von Helena einfach anfasste, ohne zu fragen. „Entschuldigung“, sagte sie leicht verlegen und zog ihren Finger wieder weg. Es war wirklich eine seltsame Haut, wenn sie in diesem Zustand war. Ob das irgendwelche Vorteile hatte? Der Blick der Wölfin ging nun an ihre Finger. Dort sah alles so aus wie immer. War das vielleicht ein Nebeneffekt, weil sie sich nicht in einen kompletten Menschen verwandeln konnte? Möglich wäre es wahrscheinlich, aber sicher war sie sich nicht. „Hm… also ich hab das nicht“, sagte sie ihr und zeigte ihr ihre Finger. „Ehrlich gesagt, kenne ich weder den Ausdruck noch wie das ist, wenn man das auf der Haut hat. Ich bin eigentlich ein Wolf in einer Menschengestalt und kenne deshalb einiges nicht. Ich bade auch heute in der Badewanne zum Beispiel das aller erste Mal“, sagte die Irin ehrlich zu Helena. Lydia glaubte nicht, dass sie sie jetzt auslachen würde oder sowas in der Art. Ob Helena ihr nachher erklären könnte, was sie nach dem Baden noch beachten musste? Immerhin kannte sie sich da ja auch nicht wirklich auf und bei den anderen Mädchen wollte sie auch nie zusehen, weil sie sich dann seltsam vorgekommen wäre. Wahrscheinlich hätten sich dann auch die Mädchen nicht darüber gefreut und sich auch seltsam gefühlt. Aber egal. Lydia saß noch in der Badewanne, zog ihre Beine an und schlang ihre Arme drumherum. „Gibt es nach dem Bad eigentlich irgendetwas das man macht, oder trocknet man sich normalerweise nur ab und geht dann wieder?“, fragte die Wölfin Helena anschließend noch. Vielleicht würde Helena sie nachher dafür auslachen, oder eben auch nicht und ihre Frage ernsthaft beantworten. Lydia wurde ein wenig nervös, da sie sich wirklich unsicher war, aber sie musste einfach abwarten, wie Helena reagieren würde.
Sichtlich fasziniert ließ Helena ihre Hand etwas länger ausgestreckt als geplant, bevor sie diese dann aus Lydias Fängen entzog. Das sie so angetan von ihren schrumpeligen Fingerspitzen war, überraschte die Französin auf mehr als nur einer Ebene. Von ihrem plötzlichen Gedanken an einen Hand-Fetisch rückte sie mal lieber ganz schnell ab. Es war sowieso nur ein kurzzeitiger absurder Seitengedanke. „Alles gut.“, verzieh sie ihrer Klassenkameradin den spontanen Grabscher und ließ ihr folgendes Schulterzucken sowohl für ihre schwammigen Finger, als auch die Situation im generellen Sprechen. Wer sich von sowas in einer Badewanne belästigt fühlen würde, dem war sowieso nicht mehr zu helfen. Das würde sie ja nicht einmal stören, wenn es ein Junge gemacht hätte. „Echt nicht?!“, und mit einem erstaunten Blick musterte sie die babyglatte Haut auf Lydias Fingerspitzen. Im Gegensatz zu ihrer dunkelhaarigen Gesellschaft schämte sie sich allerdings nicht dafür, die Hand einmal kurz zu berühren. Sicher ist sicher. „Krass...“, war das von Faszination geprägte Statement und in ihrem Blick konnte man durchaus eine kleine Portion Neid erkennen. Wenn ihr Engelsdasein kein anderes Upgrade mehr brauchte, das hingegen wäre noch wünschenswert gewesen. Trotzdem: Hochgradig Interessant! Ob das bei allen Tierwesen so war? Sie müsste Isa mal fragen. Könnte man bestimmt gut für eine Hausaufgabe in Rassenkunde nutzen. So ein kleines Forschungsprojekt am Rand, um die Note aufzubessern. Gab sicherlich noch andere, die daran Interesse hätten. Aus diesen Gedanken wurde sie aber wieder elegant herausgerissen, als eine Offenbarung nach der nächsten auf sie zukam.
Moment. Ein Wolf … zum Mensch geworden? Wie jetzt? Und sie kannte einiges nicht. Leicht kritisch hob sich ihre linke Augenbraue bei der Geschichte, die ihr da präsentiert wurde. Also Lydia war vom Tier zum Zweibeiner aufgestiegen und kannte deswegen keine Badewannen? Man sah es der Blondine nicht an, aber innerlich war sie mehr als nur hochgradig verwirrt. Menschen die zum Wolf wurden. Gut, das kannte man auf Isola. Aber umgekehrt?! Das musste sie heute Abend wohl erstmal verdauen. Vor allem aber: Was sagte man so einem – und man möge ihr die harsche Sprache ihrer Gedanken verzeihen – Landei? So viele Sachen, die man als Thema wählen konnte, fielen nach dieser Offenbarung einfach unter den Tisch. „Verstehe. Kann mir vorstellen, dass das nicht so einfach ist.“, lenkte Helena ein wenig verzögert ein, während sie der Wölfin ein aufmunterndes Lächeln zukommen ließ. „Wenn nicht sogar hart ungewohnt. Ich meine, vorher noch tierisch und dann … plötzlich in der Zivilisation? Wäre bestimmt keine Situation in der ich mich gerne wiederfinden würde.“. Darauf konnte die Französin sogar Brief uns Siegel geben. Sich von Grund auf neu an die Gesellschaft gewöhnen? Nein, danke. Sie wusste aus ihrem Leben gut genug, wozu eine Gesellschaft fähig war, wie sie tickte. Dort ohne eine Eingewöhnungsphase – sprich: Kindheit – einfach reingeworfen zu werden … ein Horror-Szenario! „Najaaa, also für gewöhnlich wäscht man sich vor dem Betreten der Wanne einmal ab. Immerhin wechselt man das Wasser hier nicht unbedingt jedes Mal, wenn jemand hier drin war. Ist eher was zum Entspannen, denke ich.“, wieder einmal zuckte sie mit den Schultern. Eine Garantie, dass auch sie das richtig machte, gab es einfach nicht. „Danach … oder war es auch davor? Keine Ahnung. Kann man sich richtig waschen. Entweder in der Dusche, oder bei diesen Sitzflächen.“, ihre linke Hand zeigte Hinüber zu der Spiegelreihe. „Da sitzt man normalerweise und lässt sich von anderen mal ausgiebig den Rücken schrubben! Kommt man ja auch immer so schwer dran.“, was auch spontan mit einem sympathisch klingenden Lachen untermalt wurde. „Bin vielleicht nicht die beste Lehrerin, wenn es um Gepflogenheiten geht, oder das, was du nachholen musst. Aaaaber!“, und Helenas Stimme wanderte gleichzeitig mit ihrem Finger nach oben. Immerhin musste sie ihre eigentlichen Qualitäten gut hervorheben. „Ich könnte dir den Rücken waschen, wenn das noch keiner bei dir gemacht hat … und nebenbei erzählst du mir, wie das Leben als Wolf so ist.“, und mit diesen Worten rutschte sie auf dem Rand der Wanne auch wieder etwas näher an die zusammengekauerte Wölfin heran. Mehr als einen freundlichen Eindruck zu machen blieb ihr in dem Moment sowieso nicht übrig. Immerhin hatte Lydia klar gezeigt, wie sie zu Eindringlingen ihrer Privatsphäre stand. Also mussten dieses Mal wieder Mimik und Gestik an die Arbeit gehen. Vielleicht hätte sie später doch Schauspielerin werden sollen, statt an ihren alten Plänen festzuhalten. „Also, haben wir einen Deal?“.
Die Berührung von Lydia an der Fingerspitze schien ihr Helena zu verzeihen. Es wirkte sowieso nicht so, als ob sie es hasste, aber trotzdem blieb die Wölfin höflich. Immerhin gab es ja auch Personen, die so etwas überhaupt nicht gerne hatten. Nachdem dann auch Lydia der Blondine ihre Fingerspitzen zeigte, war sie überrascht und griff auch mal ihre Hand an. Die Wölfin störte es überhaupt nicht. Im Gegenteil sie war fasziniert davon, dass sie die schrumpelige Haut am Finger nicht hatte. Es ging Helena wohl ähnlich. „Ja, voll seltsam, dass ich das nicht hab“, antwortete sie ihr noch. Viel lieber wäre sie ja einfach wie ein normaler Mensch. Aber wenn sie das wäre, dann wäre sie wahrscheinlich nicht hier auf der Insel, sondern würde immer noch in Irland mit ihrer Familie leben. Aber es gefiel ihr hier so gut auf der Insel, dass sie noch gar nicht daran gedacht hatte, dass sie eventuell irgendwann mal, wenn sie ihre Fähigkeit im Griff hatte, nach Hause gehen würde. Nein, wahrscheinlich würde sie für immer hierbleiben, denn hier hatte sie endlich Freunde gefunden und sie war hier sehr glücklich.
Nach einer kurzen Pause, kam dann endlich eine Antwort von Helena. Kurzzeitig hatte Lydia gedacht, dass sie etwas Falsches gesagt hätte. Aber es schien wohl doch nicht so zu sein. Da war die Wölfin doch sehr froh. Immerhin hätte es ja auch sein können, dass sie die Blondine verscheucht hätte. Das wäre wahrscheinlich der Worstcase für Lydia gewesen. Aber zum Glück kam es nicht dazu. Naja, bis jetzt mal nicht. „Naja, die Insel war doch eine sehr große Umstellung am Anfang für mich. Aber jetzt geht’s mir hier gut“, antwortete sie Helena anschließend noch. Am Beginn ihres neuen Lebens hier musste sie sehr viel neues lernen, was sie davor noch nicht kannte. Aber sie hatte sich mittlerweile wirklich sehr gut hier eingelebt. Klar, einige Sachen kannte sie immer noch nicht, wie die Gepflogenheiten beim Baden, aber dies würde sie ja sicherlich noch lernen. Gesagt, gelernt. Oder so ähnlich. Jedenfalls erklärte Helena ihr, wie sie sich im Bad genau benahm. Im Kopf nahm Lydia einen Stift und Block her und schrieb alles mit auf. Gleich am Anfang fiel ihr auf, dass sie schon einen Fehler begannen hatte, denn sie hatte sich davor nicht abgeduscht. Aber davon würde die Welt jetzt sicher auch nicht untergehen. Lydia hörte der Blondine fasziniert zu. Es gab da doch wirklich einiges zu beachten. Wenn es nach der Wölfin gegangen wäre, wäre sie einfach hineingegangen, danach wieder raus, hätte sich abgeduscht und abgetrocknet. Aber es gab wohl doch noch viel mehr Zwischenschritte als die paar, von denen Lydia dachte, dass dies richtig wäre. Bevor sich die Irin überhaupt bedanken konnte, für die tolle Erklärung, kam schon ein Angebot von Helena. Lydia sah sie freundlich lächelnd an und nickte dann zustimmend. „Deal. Danach schrubb ich aber auch deinen Rücken“, sagte sie anschließend zu ihr immer noch freundlich lächelnd. „Und vielen Dank für deine Erklärung, die hat mir wirklich sehr geholfen“, bedankte sie sich danach nochmals. Anschließend stieg die Irin aus der Wanne und begab sich zu einem dieser Stühle. Sie setzte sich auf so einen und war schon ein wenig aufgeregt, wie ein kleines Kind.
Amüsiert ließ die Französin ein leichtes Summen verlauten, als der Deal erfolgreich von beiden Seiten angenommen wurde. „Ach, nicht doch! Ist ja nur ne kleine Erklärung gewesen.~“, winkte sie die Lobpreisung ihrer Klassenkameradin leicht geschmeichelt ab. Kurz darauf erhob sie sich schon vom Wannenrand und verließ das warme Wasser, in welchem sich ihre Beine vorher noch versteckt hatten. „Alles klar, dann mal los!“, schloss sie den Deal mit einer gebührenden Portion Enthusiasmus ab und bewegte sich – nachdem Lydia auch gefolgt war – in Richtung der Podeste. Sehr gut! So hatte sie Lydia nicht nur aus der Wanne bekommen – und musste auch noch ihre Füße in laufende Schwämme verwandeln – sondern konnte sich außerhalb von ihrem Leben berieseln lassen. Wobei auf dem Weg kurzzeitig der Gedanke aufkam, ob es da überhaupt etwas interessantes geben würde. Irgendwie stellte sich Helena das Leben als reines Tier halt … wie ein normales Tierleben vor? Man ging durch den Wald, jagte, aß, solche Sachen eben. Oder nicht? Gerade jetzt bemerkte die Engelin ziemlich deutlich, dass sie gar nicht genau wusste, was genau sie darüber eigentlich denken sollte. Es war eine sichtlich merkwürdige Situation … und eine ungewohnte, wenn man schon einmal dabei war. „Ja, genau. Setz dich dort hin.“, wies sie Lydia mit einer kleinen Geste an, die das eigentlich schon im gleichen Moment instinktiv richtig machte. Helena selbst platzierte sich direkt hinter ihrer tierischen Bekanntschaft und legte nachdenklich den Finger an die Unterlippe. Irgendetwas hatte sie doch … ah! Ja, logisch. „Nur ohne Waschzeug wird das wohl nichts.“, sprach sie in den Spiegel vor ihnen hinein – weil man sich dadurch super sehen konnte – und zeigte noch einmal zur Wanne, „Ich hole mal schnell mein Zeug von der Wanne, dann kann es auch schon losgehen. Also, einen Moment noch, ja?“. Nicht, dass sie sich darum sorgte bei ihrer Rückkehr einfahc niemanden hier vorzufinden, aber Sicher ist sicher. Nicht, dass ihre großteilig unerfahrene Bekanntschaft plötzlich etwas komplett anderes dort hineininterpretierte. Reichte ja schon, dass sie sehr stark versuchte nicht auf Redewendungen zurückzugreifen. Aber eines nach dem anderen. Mit ihrem eigenen Waschzeug bewaffnet kehrte Helena freudig summend wieder in das Blickfeld des Spiegels. Nahm sich einen Eimer von der Seite und stellte ihn unter den Wasserhahn mit Warmwasser, bevor sie sich wieder vollständig Lydia widmete. Die konnte das im übrigen Merken, weil die linke Hand der Französin eine orangene Tube in ihr Blickfeld manövrierte. „Hier! Das kommt auf deinen Rücken. Aber vorher musst du erstmal eine Dusche über dich ergehen lassen.“, und sie schnappte sich den Eimer, der mittlerweile gut gefüllt war. „Einmal Luft anhalten! Keine Angst, es ist warmes Wasser.“, kündigte sie noch einmal ihre Intentionen an und … PLATSCH!
Ohne Rücksicht auf Verluste hatte die Pariserin ihre tierische Begleitung in einen nassen Pudel verwandelt. Also, noch mehr als vorher, immerhin kamen sie ja schon aus dem Wasser. Aber warten war keinesfalls in ihrem Interesse gewesen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, hatte Helena ja Spaß daran gehabt, Lydia einfach mal was über den Kopf zu kippen. Wann bekam man immerhin schonmal die Erlaubnis für sowas? „Nun bist du bereit.“, kicherte sie sichtlich amüsiert und stellte den Eimer wieder neben ihnen auf den Boden. Das sie heute nicht das letzte Mal mit Wasser übergossen wurde, behielt die Engelin wohl lieber erstmal für sich. „So, dann wollen wir mal…“. Was sogleich das Stichwort war, die Haare ihres Kunden zusammenzubündeln und über die Schultern nach vorne zu legen. „Normalerweise macht man sich einen Pferdeschwanz, so wie ich, damit man da halt besser drankommt und deine Haare nicht überall herumfliegen.“, warf sie als kleine Info mit ein, als ein Klacken das Öffnen der Shampoo-Tube verkündete. Keine Sekunde später spürte Lydia auch schon die Hände der Blondine auf ihrem Rücken, wie sie langsame, kreisförmige Bewegungen machten. „Ich kann dir nachher noch die Haare waschen, sofern du mich in die Nähe deiner Ohren lässt.“, bot sie leicht konzentriert klingend an. Es wäre ja langweilig, wenn sie ihrer neuen Bekanntschaft einfach nur das Zeug auf den Rücken klatschen würde und dann wieder den Eimer in die Hand nahm. Nein, ein bisschen Anspruch hatte selbst Helena. Es verwunderte also nicht, dass eine leichte Massage mit in die Prozedur eingearbeitet wurde. Wenn man den Schweif am Steißbein nicht sehen würde, konnte man dabei auch glatt vergessen hier keinen Menschen vor sich zu haben … wahrlich faszinierend. „Also? Ich höre.“, grinste sie Frech über Lydias linke Schulter in den Spiegel. Deal ist Deal.
Das Kompliment nahm Helena freundlich an und dies freute die Wölfin umso mehr. Immerhin tat es gut manchmal wahre Komplimente zu bekommen und das war auch in Ordnung. Für die Wölfin war die Blondine auf jeden Fall eine gute Lehrerin. Ob sie vielleicht irgendwann einmal Lehrerin werden würde? Bei Helena konnte sie es sich schon vorstellen, da ihre Erklärung doch sehr gut war. Aber sowas würde noch in den Sternen stehen. Nicht mal Lydia wusste, was sie irgendwann einmal werden würde. Das würde die Zeit sicher noch zeigen. Naja, dies hoffte die Irin jedenfalls. Helena gab ihr die Anweisungen und Lydia befolgte diese auch artig. Immerhin kannte sie sich ja überhaupt nicht aus und hätte sicher jetzt alles noch falsch gemacht. Sie war wirklich froh, dass sie die Blondine hier getroffen hatte. Ohne sie wäre sie jetzt wahrscheinlich schon innerlich verloren. Als sie sich hingesetzt hatte, holte Helena noch das Waschzeug. „Okay“, sagte sie nur zu ihr, ehe sie kurzerhand verschwand. Währenddessen sah sich die Irin noch ein wenig im Raum um. Der Raum sah von hier aus irgendwie anders aus. Wahrscheinlich lag es am Blickwinkel. Oder vielleicht doch eher daran, dass sie diesen Raum eigentlich noch nie genau unter die Lupe genommen hatte? Immerhin ging sie normalerweise nur in die Duschkabine und wusch sich die Zähne beim Waschbecken. Aber egal, jetzt konnte sie sich ja ein Bild von dem ganzen Raum machen. Gleich darauf war Helena wieder zurück. Sie zeigte ihr eine Tube, die man auf den Rücken gab. Lydia nahm diese kurz in die Hand und sah sich diese genauer an. Sie machte die Tube kurz auf und roch daran. „Mhmm… das riecht gut“, sagte sie anschließend zu Helena und machte die Tube wieder zu. Danach übergab sie ihr diese wieder. Gleich darauf bekam die Irin noch eine Erklärung, wegen dem Wasser. Bevor sie irgendwas noch sagen konnte, landete das Wasser schon auf dem Kopf der Wölfin. „Ah, das Wasser ist ja richtig warm“, sagte sei danach. „Ich wollte dir noch sagen, dass ich wahrscheinlich ein wenig ein anderes Temperaturempfinden wie du hab. Mir ist immer relativ warm, also wäre es auch egal gewesen, wenn du das Wasser Eiskalt gemacht hättest, aber egal“, fügte sie an und lächelte anschließend in den Spiegel. Die Temperatur des Wassers war nicht weiter schlimm für die Irin, aber Kälte wäre auch nicht ganz so schlecht gewesen. Immerhin wusste sie jetzt, welche Temperatur sie nachher für Helena etwa herrichten musste. Eventuell war es sowieso besser so, denn ansonsten hätte die Schwarzhaarige ihr noch zu kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Jetzt wollte Helena mittlerweile doch beginnen. Lydia nickte zustimmend und war überrascht, als sie ihre Haare nach vorne gab. „Oh, das wusst ich gar nicht. Naja, so geht es sicher auch oder?“, fragte sie nochmals nach. Sonst würde sie sicher hier irgendwo ein Haargummi finden, um sich diese zusammenzubinden. Sie hielt ihre Haare vorne mit einer Hand ein wenig fest, damit diese nicht nach hinten fliegen konnten. „Wenn du meine Haare nachher waschen möchtest, kannst du das gerne machen“, antwortete sie ihr und lächelte freundlich in den Spiegel. Lydia spürte nun langsame und kreisförmige Bewegungen am Rücken. Es fühlte sich richtig angenehm an. Eine Massage hatte die Wölfin ja noch nie gehabt, darum wusste sie nicht, wie sich das genau anfühlte, aber es war wirklich angenehm. Ganz plötzlich wurde die Wölfin aus ihren Gedanken gerissen, denn Helena wollte natürlich die Geschichte von ihr hören. „Ah ja. Also ich komme aus einem kleinen Dorf aus Irland. Wir sind alle Tiermenschen und lernen deshalb auch schon als kleine Wölfe alles, was Menschen auch lernen. Ab 14 Jahren bekommen wir Wölfe dann die Fähigkeit uns in einen Menschen zu verwandeln und ab da an darf man dann auch in die Stadt gehen. Aber wie du siehst, kann ich mich nicht in einen ganzen Menschen verwandeln und durfte darum nie in die Stadt gehen. Dadurch kenne ich leider einiges nicht. Wobei es jetzt seit ich hier bin sowieso viel besser geworden ist“, erzählte sie einfach frei von der Seele über ihr Leben und sah sich im Spiegel an. Wenn sie doch nur diese doofen Wolfsohren und den Schweif loswerden könnte, dann könnte sie einfach so normal, wie alle in dem Dorf sein. Aber wollte sie das überhaupt? Wollte sie wirklich zurück gehen und dort als normaler Tiermensch ihr Leben leben? Bei diesem Gedanken bekam die Irin Gänsehaut. Wahrscheinlich war das ein Zeichen, dass es besser wäre, wenn sie hier bleiben sollte. Es gefiel ihr hier sowieso viel besser, als zuhause.
„Sehr gut.~“, summte Helena zufrieden auf die Zusage einer zusätzlichen Haarpflege. Ob Lydia das gänzlich bereuen würde, konnte die Französin jetzt allerdings noch nicht sagen. Gut, man kümmerte sich auch nicht jeden Tag um einen Haarschopf mit Tierohren oben drauf. Mal ganz davon abgesehen, dass ihr eindeutig die Haustiererfahrung fehlte, um irgendwie einen kleinen Ausgleich herzustellen. Innerlich atmete sie schwer aus. Gar nicht so einfach, wenn man den Rest seines Lebens nur an Menschen herumgedoktert hatte. Oder eben an Isa die, im Gegensatz zu anderen, sich vollständig vermenschlichen konnte. Ob sie vielleicht … ? Nein, das würde sie nachher in Ruhe nachschauen. Immerhin, so war es ja bestätigt worden, hatte sie die perfekte Voraussetzung dafür. Es war also keinerlei Problem dem kleinen Exkurs Lydias zu folgen und sich ihr Leben einmal am inneren Auge vorbeiwandern zu lassen. Allerdings … kam sie wohl ein wenig durcheinander, wenn sie alles genau so zusammensetzte, wie es ihr in einzelnen Teilen vorgesagt wurde. Irgendwie schwebte in ihrem Kopf eine Siedlung aus Wölfen herum, die sich erst mit 14 Jahren verwandelten. Heißt das also … da liefen nur Wölfe rum? Oder waren das Wölfe als Menschen, die mit Wölfen, die Menschen werden konnten, zusammenlebten? Nachdenklich schrubbte sie den Rücken ihrer Klassenkameradin weiter. Warum behandelte man nicht mal sowas im Rassenkunde Unterricht? Das wäre doch mal viel Interessanter. „Tierwesen in gesellschaftlichem Umfeld“ … oder so. Keine Ahnung, wie sie das konkret nennen würde. Sollte sie vielleicht mal ansprechen.
„Also leben da nur Wölfe zusammen als Wölfe? Oder wie soll ich das verstehen?“, kam die erste Frage aus ihr herausgesprudelt und wurde sogleich durch weitere Nachfragen ergänzt, während ihre Hände fleißig die Massage weiterführten. Wer das eben bei seiner Schwester des Öfteren machte, hatte da eben auch Ausdauer in den Fingern. „Also, leben bei dir zuhause alle als Wölfe zusammen, oder leben die, die sich verwandeln können, als Menschen und passen auf die jüngeren auf, die das noch nicht können?“, interessiert tauchte ihr Kopf wieder über der linken Schulter im Spiegelbild auf. „Also, tut mir echt leid, wenn das so präzise nachgehakt ist … ich … ich kann es nur nicht so richtig zusammensetzen. Mein Kopf fabriziert da nur komische Bilder.“. Es erschien ihr vom momentanen Horizont auch einfach viel zu surreal. Vor allem, weil sich zu ihrer anfänglichen Cartoon-Vorstellung nun auch ein Dorf-Design von Herr der Ringe gesellte. Wobei Lydias Leute wohl kaum in Hobbit-Häusern lebten und womöglich nicht so viel in sich hineinschlangen. Hobbits waren eben sehr kleine und gefräßige Wesen … aber ihre Küche war gut. Nur würde die Dunkelhaarige wohl kaum etwas von Tolkien und ihren Referenzen verstehen. Schade, eigentlich. War im Endeffekt aber auch egal. Zumindest lag der Mangel an Vorstellungsvermögen nicht einer niederen Kreativität ihrerseits verschuldet. Ein bisschen seltsam empfand sie sich aber schon spontane Bilder von Gandalf in ihrem Gedächtnis vorzufinden. Musste wohl an seinen Krassen Auftritten in den Büchern liegen. Damit sie aber nicht vollends abdriftete, fokussierte sie sich lieber weiter auf den Rücken vor ihr. „Mir fehlen wohl einfach die ganzen kleinen Details, denke ich. Wobei ich mir – Achtung, jetzt kommt’s, halt dich also fest! – ein Leben in so einem Dorf recht angenehm vorstelle? Wenn ich’s nicht anders kennen würde, wäre ich vermutlich auch nicht so ganz von der momentanen Welt beeindruckt.“, und ihre Hände arbeiteten sich weiter den Rücken der Wölfin entlang, ehe sie im nächsten Moment auch schon stoppten. „Alles laut und so durcheinander, richtig verwirrend eben.“. Was auch das Stichwort zum Aufstehen und Eimer holen war. Zügig kämpfte sich die Blondine also auf ihre zwei Füße und nutzte die Gelegenheit, um links – weil das sowieso ihre normale Ansprechrichtung geworden war – neben ihr stehen zu bleiben. „So! Zeit, den Rücken von allem Schmutz zu befreien! Also, mach dich bereit!“