Das Krankenzimmer ist in seiner Ausstattung zwar nur sehr schlicht gehalten, dennoch können die Ärzte hier beinahe alles finden, was zu Untersuchungen und Behandlungen erkrankter oder verletzter Schüler benötigt wird, denn die Schränke sind gut befüllt. In einer elektronischen Datenbank, auf die die Ärzte jederzeit Zugriff haben, können sie auf Daten der Schüler, wie Blutbilder, Testergebnisse und Krankheitsgeschichten jederzeit zurückgreifen. Neben dem Bett, das sich zu Untersuchungen und Akutfällen direkt gegenüber dem Schreibtisch befindet gibt es in einer hinteren Ecke noch zwei weitere, die von einem Vorhang abgedeckt werden. Es kann mitunter auch vorkommen, dass erkrankte Schüler hier für ein paar Nächte untergebracht werden, um ein besseres Auge auf sie haben zu können und um Ansteckungen zu vermeiden.
Amélie schien nicht mal ansatzweise so überrascht zu sein, wie Levi es in jenem Moment gewesen war, was allerdings auch keine große Überraschung war. Dass ein 17-Jähriger in der Blüte seiner Pubertät seinem lang gehüteten Zuhause den Rücken kehren würde stand außer Frage. So zumindest, wenn man den Engel ein wenig kannte und etwas mehr Wörter als „Hallo“ und „Tschüss“ mit ihm gewechselt hatte. Bestimmt hatte die Ärztin schon damit gerechnet, Levi früher oder später gegenüber zu stehen. De facto konnte sie sich auch besser darauf vorbereiten als er, der fast schon schreckensstarr vor sich hin stotterte und sich mehr als ein Mal überlegte, ob ihm sein Bewusstsein wieder einen Streich spielen würde. Amélies Reaktion war sanft, ebenso ihr Lächeln, als sie dem Engel erklärte, dass sie so schnell wohl nicht wieder abziehen würde.
„Oder halt bis die nächste voll wichtige Aufgabe kommt“, hatte der Engel leise und fast unverständlich vor sich hin genuschelt und dabei beleidigt seine Lippen gespitzt. Ihren Blicken wich er für den nächsten Moment aus, aber allzu lange war es dem Schüler wohl nicht gewährt, die beleidigte Leberwurst zu spielen. Es schien im Moment aber auch wichtigere Dinge zu geben – das zumindest hatte Amélie als erste erfasst. Unsicher verfolgte der Engel die Hand der Ärztin, als sie an einem der Gänseblümchen auf Leviathans Kopf zu zupfen begann. Kurz zuckte der Engel und kniff das linke Auge zusammen, während Amélie sich Leviathans gestrigen Tag erkundigte. Sie bot ihm an, später über alles Weitere zu sprechen, wollte aber erst einmal gegen seine „Vergiftung“ vorgehen. „Re-*hick*-iß‘ doch nicht so dran!“, fauchte der Schwarzhaarige die Ärztin an, als sie auch noch mit äußerster Vorsicht an seinem Gänseblümchen ihm Nacken zupfte, natürlich nicht daran riss. Der Engel schien im Moment einfach überempfindlich auf alles zu reagieren, sogar das Geräusch der Lehne jenes Stuhls, auf den sich Amélie kurzerhand gesetzt hatte, fühlte sich an wie als würde jemand penetrant mit der Gabel am Porzellanteller herumkratzen. Leviathan atmete angestrengt und tief ein und versuchte zu überlegen, welche der Geschehnisse des vergangenen Abends für Amélie wohl relevant sein würden. Welche der Geschehnisse, an die sich der Schüler überhaupt erinnern konnte. Ob Frau Jansson vielleicht auch dafür verantwortlich sein konnte? Wieder schüttelte es den Engel bei dem Gedanken an die Lehrerin, die ihn mit Sicherheit verhext oder ähnliches gehabt hatte. Irgendwie war es Levi dann aber doch peinlich, mit Amélie, die er gerade erst wieder getroffen hatte, über solche Dinge zu sprechen. Außerdem wollte er Jul noch über @Karina Aurelia Jansson befragen – spätestens dann würde sich sowieso herausstellen, ob sie etwas mit der Botanik auf seinem Kopf zu tun hatte. „Also…“, noch einmal überlegte der Engel, war sich dann aber sicher. Er drehte sich etwas und rutschte am Bett so weit nach hinten, dass er sich und allen voran seinen schweren Kopf an der Wand anlehnen konnte. „..gestern Abend waren wir im Kräutergarten, ein paar Freunde und ich. *hick*“, begann er und hoffte inständig, dass sie einfach nicht weiter nachharken würde. „..und da waren in einem der Vitrinenschränke so dunkelgrüne Fläschchen mit komischen Symbolen drauf; das, was da drinnen war hat mir fast das Auge wegge-*hick*-ätzt, aber eine Freundin und ich, wir haben es … naja *hick* … getrunken.“, gestand Levi, kratzte sich schämig am Hinterkopf und fixierte seine Beine, die zu einem Teil über die Bettkante hinaus ragten und mehr oder weniger in der Luft baumelten. Auch die sichtbare Blume am Kopf schien sich vor Amélies Blicken verstecken zu wollen und hing schlaff zwischen den dunklen Haaren. „Und dann sind uns diese Dinger gewachsen!“, sagte er nun etwas lauter und deutete mit dem Zeigefinger auf die Stelle, an der er das Ding vermutete. „Es lässt sich nicht pflücken und ich krieg dieses … *hick* … ja, genau das nicht weg. Was danach pass-*hick*-iert ist, weiß ich nicht.. aber jetzt ist mir schlecht und ich hab Kopfschmerzen“, erklärte er Amélie und traute sich erst jetzt, wieder in ihre Augen zu sehen. Und genau in dem Moment schlug ein Geistesblitz ein, ein Flashback an die vergangene Nacht. @Ivy, @Caiwen, @Lydia Johnson, fremde Person und @Mikhail … in Mikhails Zimmer. Mikhail trägt ein Kleid. „Ehh..“ Irgendwie versuchte der Engel seine Erinnerung zu ordnen, versagte aber kläglich. Egal. „Bitte sag mir, dass ich nicht auf ewig mit der beschissenen Blume rumlaufen *hick* muss!“
Levi schien im Moment ja nicht sonderlich glücklich zu sein. Ich hatte gehofft, dass nach seiner Überraschung vielleicht sowas wie Freude folgte, doch dem war nicht so. Stattdessen war er nicht glücklich darüber, wie ich an seinen Blümchen zupfte - was wohl verständlich war. Trotzdem mochte es sicherlich niemand, so angefaucht zu werden; doch ich übersah das alles einfach mal. Sicherlich war es nicht nur Leviathans Äußeres, das so durcheinander wirkte, sondern auch in seinem Kopf war gut möglich vieles durcheinander - und wer wusste schon, was er zu sich genommen hatte und wie es sich sonst noch auf ihn auswirkte, was vielleicht nicht allzu offensichtlich war? Doch bevor ich nicht wusste, was los war, konnte ich auch nicht wirklich helfen. Meine grünen Augen lagen die ganze Zeit über auf dem Schwarzhaarigen, während dieser sich etwas auf dem Bett umsetzte und an die Wand rutschte, um sich an diese zu lehnen. Hatte er überhaupt die Nacht geschlafen? Wirkte zumindest nicht so.
Levi fing an zu sprechen und ich hörte ihm aufmerksam zu. Mit jedem Satz, der aus seinem Mund kam, zogen sich meine Augenbrauen mehr und mehr zusammen, doch blieb ich vorerst still und ließ den Engel aussprechen; auch wenn man mir gut ansehen konnte, wie viel ich von dem hielt, was der Bengel die letzte Nacht getrieben hatte. Ein letztes Flehen, dass er nicht für immer diese Blumen auf seinem Kopf rumtragen wollte, wurde ausgesprochen, und es wurde für einige Sekunden still im Raum. Fast schon unheimlich still. Mein wütender Blick lag nachwievor auf Levi und ich durchbohrte ihn fast schon mit diesem. „Bist du vollkommen verrückt geworden?!“, zischte ich und erhob mich abrupt von dem Stuhl, woraufhin dieser ein wenig zurückgekickt wurde und gegen den Tisch knallte. Ich trat wieder näher an das Bett heran und beugte mich etwas zu dem Schüler herunter, die Hände in die Hüfte gestemmt. „Weißt du eigentlich wie dumm das von euch war?! Habt ihr euren Verstand komplett aus dem Fenster geworfen, oder was? Einfach irgendeine Flüssigkeit zu trinken, von der ihr nicht wisst, was es ist ... nachdem du schon gemerkt hast, dass es sich dabei um nichts gutes handeln kann!“ Ich stellte mich wieder gerade hin und atmete durch, während ich den Kopf schüttelte und zur Seite schaute. Unglaublich. Leviathan mochte zwar fast erwachsen sein, aber würde er geistig jemals über das Alter von 6 hinauswachsen? Gerade im Moment zweifelte ich das stark an, ich war maßlos enttäuscht von ihm - und allen anderen, die in der Situation dabei gewesen waren. „Du kannst froh sein, dass es nur Gänseblümchen und ein Schluckauf sind, und du nicht tot im Kräutergarten rumliegst“, sagte ich etwas ruhiger und nahm meine Hände von der Hüfte, ehe ich Levi wieder direkt anschaute. „Was ist mit deiner Freundin, hat sie die gleichen Symptome? Sie sollte sich auch dringend untersuchen lassen.“ Nocheinmal atmete ich tief durch um nicht nochmal bei dem Gedanken zu explodieren. Wer wusste schon, was dem Mädchen jetzt alles fehlte? Aber gerade hatte ich eben nur Levi vor mir, also würde ich mich auf ihn konzentrieren. Wirklich glücklich war ich über unser Wiedersehen nun auch nicht mehr - ich hätte ihn viel lieber nicht getroffen, wenn das bedeutete, dass er klügere Entscheidungen in seinem Leben traf.
„Leg dich hin, dann schau' ich mal, was sich machen lässt.“ Mein Ton ließ keine Wiederworte zu, doch vor allem war es ja in Levis Interesse, dass er meinen Anweisungen folgte, wenn er wieder ohne Blumen und Schluckauf das Krankenzimmer verlassen wollte. Als der Engel sich auf den Rücken legte zog ich meinen Stuhl wieder näher an das Bett ran und setzte mich auf diesen, ehe ich meine rechte Hand hob und auf den Bauch des Schülers legte. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich, um mit meiner Magie herauszufinden, was genau in Levis Körper gerade schief lief. Und die Antwort war... vieles. Was auch immer die beiden getrunken hatten war nichts für einen Körper wie diesen, weswegen es sich natürlich auch klar äußerte, dass etwas nicht stimmte. Zudem schien Levis Körper die Flüssigkeit absolut nicht zu verdauen oder auf anderem Wege abzustoßen, weswegen die Symptome eventuell so lange bestehen bleiben würden, bis er das Getrunkene wieder loswurde. Ich öffnete die Augen wieder langsam und zog meine Hand zurück, überlegte für ein paar Momente, ehe ich mich von meinem Stuhl erhob und zu einem Schrank ging. Ich öffnete die Türen und schaute mich ein wenig um, wühlte hier und da suchend rum, ehe ich dann endlich gefunden hatte, wonach ich suchte. Es war ein simpler Plastikbehälter, ganz gut geeignet um eventuelle Flüssigkeiten aufzufangen. Ich schloss die Schranktüren und ging zurück zu Levi, stellte den Behälter neben seinen Kopf und drehte das Haupt des Engels, sodass sein Mund sich über dem Plastikding befand. „Was auch immer du getrunken hast muss wieder raus“, sagte ich und ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. War es, weil ich meine Gutmütigkeit wiedergefunden hatte, oder weil ich Levi es gönnte, sich für ein paar Minuten grottig schlecht zu fühlen? Wer wusste das schon. „Halt den Mund bloß über den Behälter. Ich werde... die Flüssigkeit aus dir rausholen. Ich bin ehrlich, es wird sich wie Erbrechen anfühlen - nur, dass dein Körper nichts damit zutun hat, weswegen es sich womöglich noch seltsamer anfühlen wird, als sonst.“ Ich wartete ein paar Momente ab, falls Levi starke Gegenargumente haben würde, doch dann fing ich schon an. Ich legte beide meine Hände wieder auf den Bauch des Engels und konzentrierte meine heilende Magie auf meine Hände, welche über diese in den Körper Levis floss. Mit dieser schob ich einzig und allein die unbekommende Flüssigkeit aus dem Magen des Engels, bewegte meine Hände von seinem Bauch, zu seiner Brust und langsam immer höher, sodass der Behälter bald das auffangen sollte, was nichts in diesem Körper zu suchen hatte.
Fuck, es war einfach verdächtig still im Krankenzimmer, nachdem Levi Amélie erklärt hatte, wie es zu dem Schluckauf und dem Wachsen der Blumen gekommen war. „..Halloo?“, fragte der Engel leise, duckte sich etwas und winkte ihr vorsichtig zu, um sicherzugehen, dass sie nicht eingeschlafen war oder gerade einen Schlaganfall oder so hatte, was angesichts Levis dramatischer Geschichte jetzt gar nicht so abwegig gewesen war. Ihre Mimik hätte den Engel jedoch schon viel früher Warnsignale entgegenschießen können, aber der bekam ja heute generell nur sehr wenig mit. Urplötzlich fing Amélie an Feuer zu spucken. Sowohl ihre Standpauke als auch das penetrante Geräusch des nach hinten katapultiertem Stuhl ließ den Schüler nicht nur zusammenzucken, sondern für einen kurzen Moment sogar seine Hände schützend vor sich zu positionieren. „Ja, ich w-..“, begann er, doch mit jedem Wort, das Amélie ihm weiterhin an den Kopf warf, sank der Engel mehr und mehr in sich zusammen und das Pochen in seinem Kopf dehnte sich vehement aus. Als sie meinte er solle froh sein, nicht tot im Kräutergarten zu legen, öffnete er kurz seine Lippen, entschied sich dann aber doch, die Engel-können-nicht-sterben-Theorie für sich zu behalten. Wahrscheinlich würde es Amélie nur unnötig und noch mehr zur Weißglut bringen und außerdem konnte sich Levi schon denken, dass er sicher nicht zu der Sorte Engel gehörte, die auf ewig frischfröhlich ihre Wege auf der Erde zurücklegten. Ob Amélie wohl…?
Reumütig linste der Engel zu Amélie auf und hatte gar nicht bemerkt, wie fest er sich mit seinem Arsch und Rücken schon gegen die Matratze und Wand gequetscht hatte. Er überlegte, ob er die wütende Ärztin vielleicht irgendwie entschärfen konnte. Ob er erklären sollte, dass sie dachten, es handle sich um Schnaps, weil es ihm vom Heilkundeunterricht noch bekannt war. Anderseits würde das auch nur wieder wie eine billige Ausrede klingen nicht wahrhaben zu wollen, dass er und Ivy letzte Nacht eine ziemlich große Scheiße fabriziert hatten. „Ich weiß nicht. *hick* Sie hatte aber nur ein Blümchen …“, antwortete der Engel immer noch ziemlich eingeschüchtert. „Hab’ sie heute *hick* noch nicht gesehen.“, hing er noch dran. „Ich werd‘ es ihr dann sagen.“ Ein Besuch bei Ivy würde ihm also früher oder später nicht erspart bleiben, um ihr die Botschaft zu überbringen. Vor allem weil sein Handy immer noch unauffindbar war.
Als die Ärztin dann schlussendlich doch zur Tat schreiten wollte, ging der Engel vorerst dankbar und ohne Widerrede darauf ein. Zu groß war der Wunsch weitestgehend symptom- und blumenfrei zu werden. Außerdem wollte er Amélie nicht noch länger im Rage-Modus erleben. „Okay.“, schluckte der Engel und legte sich mit dem Rücken auf das Bett, während Amélies Hinterteil wieder Platz auf dem Stuhl gefunden hatte, der inzwischen wieder näher gerückt war. Etwas unglaubwürdig blinzelte der Schüler dann aber schon, als Amélie eine Hand über seinen Bauch legte und dabei ihre Augen schloss und sich wohl sehr darauf zu konzentrieren schien, was in seinem Körper gerade abging. Während der Engel sichtlich damit zu kämpfen hatte, seine Augen offenbehalten zu wollen. Es dauerte eine Weile, bis Amélie sich abermals in Bewegung gesetzt hatte und mit einem Plastikbecher zum Bett zurückkehrte, den sie neben Leviathans Kopf, den sie etwas drehte, platziert hatte. „Ehm..was?“, fragte er mit zittriger Stimme. Okay, Magen auspumpen, easy. Aber … der Becher genau neben seinem Kopf war sicher nicht dafür da, den Jungen mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Spät aber doch klingelte es. „Nein, oder?“ Doch seine Vermutungen bewahrheiteten sich sogleich, als Amélie ihm die weitere Vorgehensweise erklärte. „Das … nein, ohne mich! …“, wehrte er sich zuerst dagegen und drehte den Kopf ablehnend vom Becher weg. Da bemühte er sich die ganze Zeit nicht zu reiern und dann sollte er das urplötzlich in einen kleinen Becher und vor Amélies Augen tun? Sie jedoch schien keine Späße zu machen, wartete lediglich geduldig ab. In Momenten wie diesen wünschte sich der Engel einfach als einer von einer Million Patienten im Krankenhaus von Tokio aufzuwachen und mit den modernsten Methoden der Wissenschaft behandelt zu werden, und nicht mit Magie. Dafür war es jetzt aber auch schon zu spät, in diesem Zustand würde er es niemals nach Tokio und auch nicht zur Yasumi Klinik in die Stadt schaffen. Der Engel schnaufte laut, willigte dann aber doch ein und positionierte seinen Mund wieder über den Plastikbehälter. „Es hört sich grausam an, was du mir antun willst *hick*, Amélie.“, gestand er sich ein und schluckte kurz, ehe er ihr ein aufforderndes Nicken zuspielte und sie wissen ließ, dass sie starten konnte. Diese Behandlung war entgegen menschlicher Würde und noch während die wohl ungewünschte Flüssigkeit sich ihren Weg nach oben suchte überlegte Levi, wo er die nächsten Beschwerdeformulare einreichen könnte. Es fühlte sich tatsächlich an, als würde er sich übergeben, nur … um ein Vielfaches verlangsamt. Er konnte wahrlich spüren, in welcher Gegend sich das Gesöff gerade befinden musste und nicht nur sein Magen, sondern sein ganzer Körper krampfte sich dabei zusammen. Heilige Scheiße, es dauerte wirklich eine Ewigkeit, bis ein Ende in Sicht war. Fast schon in Embryonalstellung lag der Junge zusammengekrampft auf dem Bett, was die Behandlung für Amélie und den Fortschritt der Flüssigkeit sicher nicht beschleunigte. Sein Gesicht wurde immer bleicher und verschwitzter und gerade als er damit rechnete, jetzt den Löffel abzugeben, entleerte sich die Flüssigkeit über seinen Mund und landete trotz gekrümmter Embryonalhaltung zielgerecht im Plastikbehälter, was für Außenstehende bestimmt komisch aussehen musste. Vermutlich hatte Amélie auch bei seiner Treffsicherheit etwas nachgeholfen, wer wischte schon gerne Kotze auf? Die Haare klebten schweißnass an Levis Kopf und überdeckten sein Gesicht bis zur Hälfte, sodass Amélie nur den offenstehenden Mund erkennen konnte, der hastig nach Luft schnappte, als wäre er gerade ein Mal um die ganze, verfluchte Insel gejoggt. Nur über mehrere Minuten weg beruhigte sich der Atem des Engels. „Leb … ich … noch?“, schaffte es der Schüler schließlich, die drei Worte über seine Lippen zu bringen, drehte seinen Kopf leicht und suchte mit einem Auge Amélie auf, was sich durch die Haarsträhnen hindurch als nicht allzu leicht herausstellte. Selbstverständlich fiel ihm bei all dem Trubel auch nicht auf, wie vereinzelt weiße Blütenblätter sich schon von den Gänseblümchen verabschiedeten und vertrocknet nach unten fielen.
Meine ganze Welt war nur noch schwarz und dunkel. Ich spürte einen dumpfen Schlag, konnte aber nicht ausmachen, wo genau dieser mich traf oder warum überhaupt. Schmerz spürte ich aber keinen. Als ich versuchte meine Augen zu öffnen, fühlten diese sich 10 Tonen schwer an, so als seinen zu geklebt und getackert worden. Es war viel zu anstrengend dagegen anzukämpfen, also ließ ich sie zu. Meiner Körper wurde bewegt, zu mindestens glaube ich dies. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt und benebelt. Also ziemlich angenehm. Es war so ein zustand völliger Zufriedenheit und da ich an sich nie zufrieden war, war es irgendwie auch ein komisches Gefühl. Als ich das nächste Mal versuchte meine Augen zu öffnen, blinzelte ich zu einem wunderschönen Gesicht mit kurzen, blonden Haaren hoch. Ein... Engel? War der erste Gedanke, welcher mir durch den Kopf schoss oder sagte ich es? Vielleicht hatten sich meine Lippen bewegt, ich konnte es nicht mit Sicherheit abstreiten. Da es ziemlich anstrengend war die Augen offen zuhalten, schloss ich sie wieder und alles war wieder schwarz. Das Schwarz hielt aber nicht lange, denn plötzlich sah ich @Emily Shields vor mir und wie sie tanzt. Es wirkte wie eine Erinnerung, doch ich konnte das ganze nicht wirklich ein Ordnen. Sie wirkte dabei viel zu Glücklich. Das Bild verschwand wieder und erneut war alles Dunkel. Ich merkte wie das Gefühl, in einer Wolke zu liegen, nach ließ. Ich hörte lauteren Atem, spürte etwas Hartes im Rücken und was Warmes an meiner Seite. Wo auch immer ich mich befand, es war auf jeden Fall hell. Zu hell, deswegen öffnete ich meine Augen nicht. Im Allgemein hatte ich keine Ahnung was gerade mit mir geschah.
Keuchend kam Chloe im Krankenzimmer an. Sie war tatsächlich den ganzen Weg hierher gerannt. Als sie die Tür aufmachte, war sie der Meinung, dass sie alleine im Krankenzimmer sein würde, doch so war es nicht, denn es war wohl schon jemand da. Leviathan schien ein ärztlicher Notfall gehabt zu haben und… anscheinend hat ihm jemand geholfen. Wer war denn die Frau? Verwirrt sah sie die Frau an. Man hatte ihr gar nicht gesagt, dass es eine neue Ärztin gab. „Hallo? Ich bin Chloe Cordalis, eine Ärztin von hier, und Sie sind?“, fragte die Griechin anschließend sehr höflich, aber doch mit dem verwirrten Gesichtsausdruck. Sie schloss nun hinter sich die Tür und trat in das Krankenzimmer hinein, um nicht einfach vor der Tür stehen zu bleiben. Ob die Schwarzhaarige überhaupt ungelegen kam? Immerhin schien gerade Leviathan kaum ansprechbar zu sein. Doch bevor sie nachfragen würde, wollte sie doch lieber noch abwarten, was die Frau zu sagen hatte. Vielleicht würde sie die Griechin ja genauer noch aufklären. Oder auch nicht, dann müsste Chloe wohl doch noch nachfragen.
Kurze Zeit später kam noch ein Patient in Begleitung von Damian herein. Es war wohl Lavinia. „Was ist denn mit ihm passiert?“, fragte Chloe gleich darauf seinen Begleiter. Wenn die Frau bei Leviathan beschäftigt war, dann würde sie sicherlich diesen Fall hier übernehmen. Deshalb wandte sie sich an die Frau. „Ich übernehme den Patienten hier, kümmern Sie sich weiter um Leviathan?“, fragte sie anschließend noch. Danach wandte sie sich wieder ihrem Patienten zu und half ihn auf ein Krankenbett zu legen.
Erst mit Levi, kurz mit Chloe (erwähnt Lavinia und Damian), dann wieder mit Levi
Es sagte mir definitiv zu, dass Levi bei meinen Worten nicht aufmüpfig oder trotzig wurde, sondern eher... in sich zurück sank. Wenn man jemandem schon vor Augen halten musste, wie dämlich die Person sich verhalten hatte, dann konnte man ja wenigstens auf eine passende Reaktion hoffen, die zeigte, dass besagte Person wenigstens auch verstand, was das Problem war. Ich nahm einfach mal an, dass Levi genug Gehirnzellen hatte, um besagtes Problem an der ganzen Sache auch zu erkennen, und das nächste Mal eine etwas weisere Entscheidung treffen würde. Babysitter spielen konnte man bei den Schülern hier ja schlecht, sicherlich hätten nichtmal Erzieher Lust, einen aufmüpfigen (oder dummen) Teenager den ganzen Tag zu verfolgen, damit dieser auch ja nichts bescheuertes anstellte.
Doch ich hatte mir genug Luft gemacht und gesagt was ich sagen wollte und musste, sodass die Behandlung des Engels erst richtig anfangen konnte. Zuerst sträubte sich der Junge zwar, doch schien irgendwas in ihm doch genug Verstand zu haben, dass er sich fügte. „Vielleicht hättest du dir darüber Gedanken machen sollen, bevor du die unbekannte Flüssigkeit getrunken hast“, erwiderte ich mit einem Lächeln auf die abschließende Aussage Levis, das die Prozedur ja grausam klang. Das tat sie, eindeutig, aber dagegen hatte ich nichts. Ganz im Gegenteil: Hoffentlich würde es sich der Teenager ab jetzt zwei- oder dreimal überlegen, was er seinem Körper zumutete. Sogleich begann ich die Behandlung und am Anfang lief alles noch ganz gut, ich konnte mich perfekt konzentrieren und schob das mysteriöse Gesöff regelrecht gen oberen Ausgang in Leviathans Körper, doch ein paar Dinge störten meine Konzentration ein wenig. Der erste Zwischenfall war, dass ich eine SMS bekam und ich den Nachrichtenton deutlich hören konnte, obwohl er aus meiner Tasche kam. Diese hing jedoch an genau dem Stuhl, auf welchem ich gerade saß, weswegen mein Handy nicht allzu weit weg war. Kurz zog ich die Augenbrauen zusammen und fragte mich, wer es wohl war - Deirdre vielleicht? - ehe ich den Gedanken direkt verbannte und mich weiter auf meinen Patienten konzentrierte; gerade wollte bestimmt keiner von uns, dass irgendwas schiefging. Nach ein paar Momenten trat die zweite Störung ein, welche Levi selbst war. Er krümmte sich zusammen und tat so als würde ich ihn gerade umbringen, weswegen es die ganze Sache etwas schwerer machte. Es war zwar nicht optimal, aber ich atmete einmal tief durch und machte einfach so normal weiter, wie ich konnte, ehe nach ein paar weiteren Momenten die unbeliebte Flüssigkeit ihren Weg außerhalb des Körpers Levis fand. Wieder atmete ich einmal durch und wischte mir kurz mit dem rechten Ärmel über die Stirn, ehe ich Levi angrinste, der gerade aussah als hätte er eine anstrengende Geburt hinter sich. Nach ein paar Momenten brachte er ein paar abgehakte Worte über die Lippen, welche mich leicht zum Kichern brachten, während ich ihm die schweißnassen Haare aus dem Gesicht strich. „Ja, du lebst noch!“ Meine Laune war schon viel besser - es fühlte sich doch immer gut an, seine Arbeit getan zu haben. Vor allem wenn man dabei jemanden für seine dummen Taten etwas bestrafen konnte. „Bin gleich wieder da“, fügte ich schnell noch an und nahm den Plastikbehälter in die Hand, da dieser definitiv geleert werden sollte, und niemand sowas sehen wollte. Außerdem musste ich mir meine Hände waschen, da ich Levis Schweiß weder auf meiner Hand, noch auf meinen Klamotten haben wollte. Ich verließ kurz das Krankenzimmer um den Behälter zu leeren und sauberzumachen und anschließend auch meine Hände gründlich zu waschen. Ich hatte eindeutig schon gesehen, dass ein, zwei der Blütenblätter von Levis Kopf gefallen waren, was mir ein gutes Gefühl bei der ganzen Sache gab. Nach ein paar Minuten schon kam ich zurück ins Krankenzimmer, stellte den Behälter auf dem Tisch ab und setzte mich erneut auf den Stuhl vor Levis Bett - ob er sich inzwischen schon mehr erholt hatte? Ich betrachtete das Gänseblümchen, dass schon ordentlich verwelkt noch gerade so an seinem Kopf hing, hielt meine Handfläche daneben und das kleine Ding glitt geräuschlos und sanft auf diese. Mit einem Lächeln hielt ich dem Schwarzhaarigen meine Hand vors Gesicht. „Siehst du? Und schon verabschieden sich die Gänseblümchen.“
Ich wollte gerade weitersprechen, als plötzlich die Tür des Krankenzimmers aufging und ich mich sofort zu dieser drehte. Eine schwarzhaarige Frau stand dort, etwas außer Atem und sie schien verwirrt zu sein, mich hier zu sehen. Bei ihrem Namen und natürlich ihrem Titel ging mir aber sofort ein Licht auf und ich lächelte sie warm an. „Oh, hallo! Ich bin Amélie Cazardieu, auch Ärztin. Ich arbeite noch nicht so lange hier. Freut mich!“ Wirklich ins Gespräch kommen konnten wir nicht, da kurz darauf noch ein paar Leute in das Krankenzimmer platzten. Diesmal aber schien es sich um Schüler zu handeln die ich noch nicht kannte, aber eindeutig Hilfe brauchten. Besorgt zogen sich meine Augenbrauen zusammen als ich sah, wie ein Junge den anderen trug, ehe ich zu Chloe schaute und langsam nickte. „Ja, kein Problem.“ Und mit diesen Worten wandte ich mich wieder Levi zu. Da konnte der Engel ja von Glück sprechen, dass all diese Leute nicht vor oder gar während seiner Behandlung reingeplatzt waren. Bei dem Gedanken musste ich leicht grinsen, während ich Levi wieder anschaute. „Also die Gänseblümchen bist du los. Wie geht's dir? Kannst du ohne den Schluckauf reden?“ Während ich Levi Zeit gab sich noch etwas zu erholen und auszuprobieren, ob er normal sprechen konnte, kramte ich kurz in meiner Tasche nach meinem Handy. Es war sicherlich unhöflich und eventuell unprofessionell von mir, aber ich war doch neugierig, wer mir da geschrieben hatte. Ein wenig enttäuscht war ich schon, dass die Nachricht nicht von meiner Nachbarin war; aber irgendwie brachte Riley mich trotzdem zum lächeln. Ich tippte kurz eine Antwort in mein Smartphone, ehe dieses auch schon wieder in der Tasche verschwand und meine ganze Aufmerksamkeit nun auf dem Engel vor mir lag.
Richtig schwer war der Grünhaarige in Damians Armen nicht. Zum Glück schien die Hohlbirne - und jetzt wusste er es mit Sicherheit - bewusstlos zu sein. Das Gezeter wollte er sich ungerne den ganzen Weg zum Krankenzimmer anhören. Es war schon erstaunlich genug, dass ihm nicht viele Bewohner des Wohnheims über den Weg liefen. Schienen wohl alle entweder noch zu schlafen oder bereits verkatert über dem Frühstück zu sitzen, wo er eigentlich auch hätte sein sollen. Damian wusste jetzt auch gar nicht, ob Helena ihm bereits geantwortet hatte, immerhin war das Malheur dazwischen gekommen. Bereits auf dem Weg zum Krankenzimmer überlegte er sich was er sagen sollte, um so wenig Ärger wie möglich zu bekommen. Mit seinen nackten Füßen tapste er durch die Gänge, bis er endlich vor besagtem Zielort angekommen war. Etwas umständlich konnte er die Tür zum Krankenzimmer öffnen, ehe ihn ein Bild begegnete, mit dem er wahrlich nicht gerechnet hatte. Levi, das Stinktier, war auch zu Besuch auf der Krankenstation. Der blonde Riese zog eine Augenbraue nach oben und kommentierte die Scheußlichkeit Levis vorerst nicht. Er wollte nach dem Ballabend wirklich nicht noch nachtreten, wenn es dem Patienten nicht gut ging. Erst ein wenig später. Mit einem Nicken zu seiner behandelnden Ärztin, wurde er bereits von einer weiteren Ärztin ins Kreuzverhör genommen. »Er hat keine Luft mehr bekommen, ist zum Fenster und dann war ich nicht schnell genug, um ihn aufzufangen. Er hat leider Bekanntschaft mit dem Boden gemacht.«, ratterte er das Geschehene herunter, dass man ihn vorher noch ein wenig aufs Korn genommen hatte, ließ er mal beiläufig unter den Teppich fallen, während er den Grünhaarigen ins Krankenbett legte. »Geblutet hat er nicht.«, fügte er noch hinzu und zeigte der Schwarzhaarigen seine sauberen Hände. »Es war jedenfalls komisch genug, dass er in meinem Bett geschlafen hat. Auf dem Ball war er nämlich nicht, aber vielleicht hat er eine eigene Party im Wohnheim veranstaltet. Keine Ahnung.«, brabbelte er weiter und kam dann doch zu dem Entschluss, dass er die kleine Vorgeschichte erzählen sollte. »Aufgewacht bin ich, als Lavi bereits halb aus dem Bett gefallen ist, hat sich vermutlich da schon den Kopf an dem Stockbett angeschlagen. Ähm..wir haben im selben Bett gepennt und ich hab mir einen kleinen Scherz mit ihm erlaubt. Vielleicht hat das mit dazu beigetragen, dass er so schlecht Luft bekommen hat. Ich glaube nämlich, dass er ein wenig homophob ist.«, gestand er den letzten Teil nur flüsternd, schließlich konnte er nicht mit Sicherheit wissen, dass Lavi wirklich homophob war. Die Chancen dazu standen zwar gut, aber er wollte keine unnötigen Gerüchte streuen und vergewisserte sich, dass Leviathan noch immer ein wenig im Delirium war. Damian war sich absolut nicht sicher, ob der Engel Geheimnisse für sich behalten konnte. »Also wenn Sie mich nicht mehr brauchen, würde ich auch wieder gehen.«, warf der Blondschopf in den Raum, während seine goldenen Irden den Raum nach einem Stück Papier und Stift absuchten. Kurz kritzelte er auf dem Papier und reichte das Stück an die schwarzhaarige Ärztin weiter. »Meine Nummer, wenn Sie noch was brauchen und vielleicht könnten Sie mir ja kurz sagen, ob mit Lavi alles in Ordnung ist?« Damian hoffte es wirklich, zumindest so in Ordnung, wie es bei dem Spinatkopf ging. Ein wenig verkorkst war er ja sowieso, dass würde wohl auf ewig so bleiben und damit verließ er auch wieder das Krankenzimmer.
Amélies Kichern brachte den Engel in eine leicht nervöse Stimmung. Was gab es da überhaupt zu kichern, während sich der Junge gerade die Seele und noch viel mehr aus dem Leib kotzte? „Ja … okay.“, antwortete er und verfolgte mit seinen Blicken den Plastikbehälter, der kurzerhand von Amélie geschnappt und … verschleppt wurde. Jedenfalls war sie für einen nicht ganz so kurzen Moment aus dem Zimmer verschwunden und die Stille, nachdem die Türe hinter ihr zugefallen war, empfand der Engel als seltsam. Irgendwie war es so surreal, dass die lang verschollene Ärztin ihren Weg zurück nach Isola gefunden hatte, um gleich mal einen renitenten Teenager quasi zurück ins Leben zu holen. Sie war schon real, oder? Nicht mehr ganz sicher über seinen Verstand wandte sich der Engel etwas im Bett und zur Seite. Seine Handflächen legte er aufeinander und benützte sie als zusätzliches Kissen unter dem eigentlichen Kissen, seine Beine nach wie vor angewinkelt. Jetzt, wo er den Atem wieder gleichmäßig ausstieß und sein Herz etwas weniger heftig klopfte merkte der Engel erst, wie viel frischer er sich bereits fühlte. Der Klumpen in seinem Magen war verschwunden und mit ihm auch der Schluckauf. Einzig sein Kopf dröhnte noch, aber wenn er so auf der Seite lag ging es eigentlich … eigentlich war es sogar ziemlich gemütlich. Waren die Betten in den Zimmern auch so gemütlich? Zufrieden lächelnd grub der Engel sein Gesicht noch weiter in seine Hände und schloss die Augen. Vielleicht sollte er öfter im Krankenzimmer … schlafen. ZzZzZ Es war nicht lange, höchstens ein paar Minuten, in denen der Schüler behaglich vor sich hin schlummerte. Amélie war zurück in das Krankenzimmer gekommen, ihre Schritte waren zwar leise, doch in dem leichten Schlaf, in dem sich Levi befand, hätte er sogar das Gras wachsen hören können. Langsam öffnete er wieder seine Augen und sah die Ärztin, wie sie den wohl gesäuberten Behälter auf den Tisch abstellte und sich kurzerhand wieder zu ihrem Patienten setzte. „Hallo.“, begrüßte er sie, da er nicht genau wusste, wie lange er tatsächlich gepennt hatte. Zumindest lange genug, um den Gänseblümchen auf seinen Schädel den Garaus zu machen. Der Schwarzhaarige atmete erleichtert aus, als er die verwelkten Blümchen in Amélies Hand erblickte. „Danke.“, sagte er und gerade, als er sein Gegenüber nach einer Kopfschmerztablette fragen wollte, wurde er von Damian mit Lavinia im Schlepptau sowie Chloe Cordalis unterbrochen, die alle recht knapp nacheinander in das Krankenzimmer gestürmt waren. Der Engel schnaufte genervt, als hätte er als einziger das Recht, medizinisch versorgt zu werden. Außerdem hallten die vielen Stimmen in seinem Kopf und verschlimmerten die Kopfschmerzen zunehmend. Von Glück konnte er sprechen, widmete sich Amélie nach wie vor ihren kleinen, dummen Patienten. „Ja, ich glaube … schon.“, -edit- antwortete er langsam und hob leicht verwundert eine Braue, als die Ärztin sich doch nicht mehr nur dem Engel widmete, sondern ihrem Handy. War bestimmt ein Notfall. Als Ärztin war man sicher voll wichtig, vor allem auf einer verkackten Insel wie dieser.Gedankenverloren starrte der Schüler in das leicht nach unten gesenkte Gesicht der Frau, die eifrig etwas in ihr Handy tippte. Er hätte sich so sehr gewünscht, sie unter normalen Umständen wieder zu treffen und nicht in einem halbtoten Zustand und zudem müffelnd. Halbtot hatte er sie zwar auch schon erlebt, aber der Geruch war damals lediglich ein Gemisch aus Blut, Dreck und Angstschweiß gewesen, von dem man hätte sowieso nicht sagen können, ob das von der schwer verwundeten Amélie ausging oder Leviathan, der erstaunlich schnell und reif reagiert und sie weggetragen hatte. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie überlebt hatte. Der Engel merkte nicht, wie ein unbeschwertes Lächeln seine Lippen umspielte, während er nicht von ihren Augen ließ. "Öh..", fast schon ertappt fühlte er sich, als sie dann doch schneller als gedacht (oder hatte er einfach so lange gestarrt?) ihr Handy wieder zurücklegte und den Engel nun ebenfalls ansah. "Alles wieder gut", versicherte er der Ärztin, hievte sich dann im Bett auf und stellte seine nackten Füße am Boden ab. Sicherheitshalber rubbelte er er ein paar Mal seine ohnehin komplett zerstörte Mähne, um die letzten Blütenblätter noch loszuwerden. "Wenn ich noch eine Kopfschmerztablette abstauben könnte, bin ich sicher wie neu geboren.", versuchte er sein Glück breit grinsend und gefolgt von einem lauten, endlich wieder knurrenden Magen. Okay, aber eigentlich ging das jetzt schon ganz schnell. "Wird ja auch Zeit!", freute sich der Schüler und klopfte sich motiviert mit der Faust gegen den Bauch, der nach einer Mahlzeit verlangte. Als wollte er das Signal nicht länger warten lassen hopste der Engel auf und strich sich die Hose etwas glatt. Bei der geringen Aktivität nahm er jedoch seinen Körpergeruch wahr, der ihm verriet, dass vor dem Essen wohl noch etwas anders an der Tagesordnung stehen musste. All zu peinlich war es ihm dann aber doch nicht, sonst hätte er nicht demonstrativ an seiner Achsel gerochen und sich mit einem entschuldigenden Blick an Amélie gewandt. "Du hältst ja echt einiges aus, haha.", lachte er und kratzte sich dezent verlegen am Hinterkopf. Dann überlegte er kurz. "Hast du auch irgendwann so etwas wie eine Pause oder musst du durchackern?", fragte er sie mit schief gelegenem Kopf. Immerhin war es ein gutes Zeichen, dass Chloe Cordalis ebenfalls zum Dienst verdonnert war und sich eine kurze Pause so wohl viel leichter einrichten ließe. Der Engel hatte noch so viele Fragen an Amélie, wollte ihr so vieles erzählen, doch das Krankenzimmer war gewiss nicht der richtige Ort dafür. Vor allem nicht, seitdem auch Lavi in das Zimmer gebracht wurde und sicher nicht erfreut über unsinnige Hintergrundgespräche war. Generell war er ja dafür bekannt, über eigentlich nichts erfreut zu sein.
BREAK wegen Amélies Ausstieg aus dem RPG ...
tbc: Gemeinschaftsbad der Jungs (über: Küche und Mikhails Zimmer)
Zögernd öffnete ich meine Augen und blinzelte viel zu grellem Licht entgegen. Mein Kopf dröhnte viel zu laut und ich kniff meine Lider direkt wieder zusammen. Das ganze Szenario mit dem Aufwachen kam mir vor wie ein dämliches Déjà-vu, aber vielleicht war das Wach werden heute früh nur ein Traum gewesen und jetzt werde ich erst richtig wach. Bis auf den Schmerz fühlte es sich nun nämlich richtiger an. Neben mir lag kein weiterer Körper, wenn ich mit meinen Händen etwas über die Matratze tastete, spürte ich keinen Widerstand. Es musste also ein Traum gewesen sein! Ich startete einen neun Versuch meine Augen zu öffnen. Das Licht war immer noch viel zu hell und so legte ich meinen Arm über mein Gesicht, damit es nicht zu sehr in meinen Augen brannte. Erst jetzt vernahm ich andere Stimmen und genervt seufzte ich. Ich hatte keine Lust auf meine Mitbewohner. Besonders nicht, wenn es Damian war. Doch als ich mich mehr auf die Stimmen konzentrierte, erkannte ich, dass ich sie nicht wirklich erkannte. Von der Erkenntnis getroffen, dass sich in meinem Zimmer fremde Personen befanden, setzte ich mich Ruckartig auf und erkannte dann, dass dies halt gar nicht mein Zimmer war. Ich drehte meinen Kopf zur Seite um mehr von dem Raum sehen zu können, doch starrte dann nur auf einen weißen Vorhang. Gerade wollte ich erleichtert ausatmen, weil ich feststellte, dass dies das Krankenzimmer war, -hier bekomme ich immer mein Desinfektionsmittel her-, doch ich erinnerte mich nicht daran wie ich hier hergekommen war. Mein Kopf schien ein einziges schwarzes Loch zu sein. Der gestrige Abend und die Nacht waren weg und der heutige Morgen war ziemlich verschwommen. Noch konnte ich mir nicht eingestehen, dass das Aufwachen neben Damian nicht nur ein Traum gewesen war. Mein Magen fing an zu rebellieren als ich versucht nach irgendwelchen Erinnerungen, in den tiefen meines Gedächtnisses zugreifen und ich presste meine Lippen zusammen als ich aufstoßen musste. Konnte der Tag eigentlich noch schlimmer werden? “Wäre ich doch bloss bei Mama geblieben...“ murmelte ich leise vor mich hin und wollte mich gerade wieder hinlegen, als ich jemanden am Schreibtisch sitzen sah. Die schwarzen Haare erkannte ich sofort. “Können Sie mehr erzählen, wie ich hier hergekommen bin, Miss Cordalis?“
Mit einem zufriedenen Lächeln nahm ich die Information entgegen, dass Levi nicht nur seine Blümchen los war, sondern auch den lästigen Schluckauf. Vielleicht wäre es besser gewesen die Flüssigeit zu behalten und herauszufinden, was der Schüler seinem Körper überhaupt zugemutet hat, aber dafür war es nun zu spät. Und irgendwie war ich auch nicht in der Laune, in Leviathans Erbrochenem rumzustochern; vielleicht hätte ich Riley dazu genötigt, wäre er gerade hier gewesen. So aber blieb mir das Wissen verwehrt, dafür aber befand sich ein Schüler vor mir, dem es immer besser zu gehen schien - und was mehr konnte ich auch verlangen? Die Farbe kroch zurück in Levis Gesicht und überhaupt schien er mit jeder verstrichenen Sekunde etwas munterer zu werden. Der vorhin noch träge Schüler setzte sich nun endlich wieder auf und an die Bettkannte, und man konnte mir ansehen, wie glücklich ich darüber war, dass es ihm wieder besser ging. Ob man sich jetzt unterhalten konnte? Mein Blick wanderte für eine Sekunde zu Chloe und den anderen Schülern, die Hilfe brauchten, und ich entschied mich dagegen. Das Krankenzimmer war sicherlich kein guter Ort für einen Kaffeeklatsch, wenn sich hier gerade Patienten befanden, die noch Hilfe brauchten.
„Okay“, sagte ich fröhlich, nachdem ich nicht sonderlich lange über Levis Bitte nach einer Kopfschmerztablette nachdenken musste. Immerhin war es nur das, und nicht das Betteln nach einer harten Droge. Ich erhob mich wieder von meinem Stuhl und fragte mich für einen Moment, warum ich mich überhaupt immer wieder hinsetzte, während ich zu einem Schrank ging und eine kleine Packung Tabletten griff, aus welcher ich eine herausnahm. Mit dieser bewaffnet drehte ich mich wieder zu Levi um und ging zu dem Schwarzhaarigen, welcher sich nun auch erhoben hatte und gerade seine Hose etwas glattstrich - aber wirklich helfen tat es seinem Aussehen auch nicht. Da half sicherlich nur eine Dusche und frische Klamotten! „Bitteschön!“ Ich reichte dem Engel die kleine Tablette und grinste ihn an. „Ich hab' hier gerade kein Wasser, aber... eh.“ Ich zuckte mit den Schultern - war ja bestimmt kein Weltuntergang. Zur Not konnte Levi sich ja auch einfach zu einem Badezimmer dafür begeben, oder die Tablette auf seinem Zimmer zu sich nehmen, immerhin war er ja jetzt geheilt und hatte keinen Grund mehr, weiter hier rumzuhocken. Levi fiel scheinbar jetzt erst auf, dass er müffelte, als er unheimlich erotisch an seiner Achsel roch - ich war froh, dass sich kein 16-jähriges Mädchen hier befand die womöglich in den Engel verknallt war, denn das hätte sich damit eventuell ganz schnell erledigt. Mir aber war das fast schon egal, als Ärztin erlebte man so einige eklige Dinge, da war ein 17-Jähriger in seinem natürlichen Habitat noch harmlos. Trotzdem grinste ich ihn bei seinen Worten trotzdem an, ließ meinen Blick jedoch zur Uhr gleiten als er was von einer Pause erwähnte. „Oh! Wie die Zeit fliegt.“ Wenn man Schüler folterte. Aber ganz im Ernst, ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie spät es schon war. Locker griff ich nach meiner Handtasche, die sich noch immer am Stuhl befunden hatte, und hing sie über meine rechte Schulter, ehe ich Levi wieder mit meinem natürlichen, fröhlichen Ausdruck im Gesicht anschaute. „Es ist definitiv Zeit für eine Pause!“ Immerhin hatte ich schon harte Arbeit geleistet, und ich wusste nichtmal, ob ich heute überhaupt im Dienst war. Vielleicht hatte ich ja sogar frei und ich wusste es nicht! Ich sollte wirklich Zuhause mal nach meinem Dienstplan suchen.
Ich spiegelte Levis schiefgelegten Kopf und überlegte kurz, bevor ich weitersprach. Ob meine Worte nun wieder auf taube Ohren treffen würden? Vielleicht war es sinnlos und er wollte es wirklich nicht, aber wenigstens einmal musste ich es noch probieren. Jetzt, wo es Levi wieder gut ging, würde ich sicherlich wenigstens eine eindeutige Antwort bekommen. „Also Levi, willst du in Ruhe irgendwo reden?“ Ich lächelte ihn etwas bittend an; im Moment war ich mir nichtmal sicher, was genau ich sagen wollte, aber andererseits gab es auch so viel zu erzählen. „Nachdem du geduscht hast, meine ich“, fügte ich leise lachend hinzu und wandte meinen Blick nicht von ihm ab.
[Sprung, da Wiedereintritt ins RPG am 17.10.2020] tbc. am nächsten Tag: Raum E2 - Krankenzimmer