Das Krankenzimmer ist in seiner Ausstattung zwar nur sehr schlicht gehalten, dennoch können die Ärzte hier beinahe alles finden, was zu Untersuchungen und Behandlungen erkrankter oder verletzter Schüler benötigt wird, denn die Schränke sind gut befüllt. In einer elektronischen Datenbank, auf die die Ärzte jederzeit Zugriff haben, können sie auf Daten der Schüler, wie Blutbilder, Testergebnisse und Krankheitsgeschichten jederzeit zurückgreifen. Neben dem Bett, das sich zu Untersuchungen und Akutfällen direkt gegenüber dem Schreibtisch befindet gibt es in einer hinteren Ecke noch zwei weitere, die von einem Vorhang abgedeckt werden. Es kann mitunter auch vorkommen, dass erkrankte Schüler hier für ein paar Nächte untergebracht werden, um ein besseres Auge auf sie haben zu können und um Ansteckungen zu vermeiden.
Der Anruf kam unerwartet und riss den Briten aus einem eigentlich so ruhigen Nachmittag. Bis eben gerade konnten die Nachmittage bei der Arbeit nicht schöner für ihn sein. Jetzt allerdings verfluchte er das gesamte Anrufssystem und die Krankenkasse in Großbritannien gleichzeitig. Warum die Krankenkasse in Großbritannien? Weil die auch immer kurz vor Feierabend anriefen, wenn sie denn mal anriefen. Aber das mal weggelassen blieb ihm ja nichts anderes übrig. Und er machte es ja eigentlich gerne, so war es ja nicht. „Na klasse, vom Himmel gefallen.“, wetterte er, während seine Jacke schnell vom Kleiderhaken an der Tür entfernt wurde. Er hoffte inständig, dass er jetzt nicht nur da war um eine kleine Pfütze aus Zellen bestehend vom Boden aufzuwischen. Ein Drache war immerhin schon ein großes Wesen, schwer genug eine Gruppe Panzer unter sich zu begraben, wenn es sein musste. Aber der Absender war ja wirklich der Hammer, ey. „Ein neuer Erzieher.“, meckerte er leise vor sich hin und schaute noch eine Sekunde aus dem Fenster. Er hätte als Absender bei sich „Ein neuer Arzt“ oder „Der Weihnachtsmann“ hinschreiben sollen. Manche Leute! Mit einem schnellen Griff krallte er sich noch seine Tasche und entfloh regelrecht aus dem Schulgebäude zu seinem Auto. Kofferraum auf, Tasche rein, Kofferraum zu. Dann noch schnell einsteigen und mit einem aufheulen des Motors und durchdrehenden Reifen machte sich ein teilweise gestresster Arzt auf den Weg. Die Formel-Riley war auf der Legendären Rennstrecke zwischen Schule und neuem Wohnheim unterwegs. Er hatte immerhin ca. 4 Minuten als Zeit angegeben, das würde er auch einhalten.
Dementsprechend schnell brachte er seinen alten Wagen vor dem Eingang zum Stehen, welcher mit seiner grünen Farbe und dem gefühlten Baujahr aus 1982 nicht gerade sehr gut dazu passte. Wieder einmal packte er Wortlos die Tasche aus dem Kofferraum und machte sich in Marsch-Geschwindigkeit auf den Weg zum Krankenzimmer des Wohnhauses. Dabei ignorierte er die beiden Personen im Parterre (@Luana und @Benedict) bis auf eine kleine Handgeste für ein simples "Hallo" vollkommen. Es gab gerade eh wichtigeres als anständig zu grüßen und ihn interessierte der erste Eindruck sowieso nicht sonderlich. Seine Augen suchten kurz die Schilder ab. „Super.“, gab er von sich und bog in den Gang ein, wo besagtes Zimmer ausgeschildert war. Seine Schritte sollten ihn eigentlich schon früh genug ankündigen, denn sie waren laut. Laut und bestimmend als wolle er erneut in den Irak einmarschieren. Nur diesmal nicht weil die Regierung das wollte, sondern auf eigene Faust. Klack!
Mit Schwung machte der Blondschopf die Tür des Krankenzimmers auf, ließ kurz seine Augen hinter der Sonnenbrille durch den Raum wandern und legte die Arzttasche auf dem Schreibtisch im Zimmer ab, bevor er sich umdrehte. Er fixierte den erwachsenen Mann mit einem kleinen Grinsen. „Riley Constantin, Schul – und Heimarzt.“, er stemmte die Hände an die Hüfte, „Sie müssen der neue Erzieher sein? Sehr erfreut.“, er schaute beide in einem abwechselnden Tempo an. Sie sahen beide nicht sehr gesund aus. So viel sei gesagt. „Also, was ist genau passiert?“, fragte er etwas kritisch und wartete nun auf eine Antwort. Nach einem Genickbruch sah es zumindest schon einmal nicht aus. Aber man wusste ja nie. Er rechnete eigentlich gerade eher damit, nun erstmal wegen seiner Art angefahren zu werden...
Die wievielte Entschuldigung war das nun? Leise seufzend nickt der Schwarzschopf in die Richtung des Mädchens. „Schon okay.“ Und das meinte er wirklich so. Es war einfach eine beschissene Situation gewesen, die hoffentlich nicht nur dank ihm so mies endete. Vielleicht sah er so etwas nach einiger Zeit im Wohnheim nicht mehr so eng und konnte dabei etwas entspannter bleiben. Wer erwartete an seinem ersten richtigen Arbeitstag auch so einen Mist? Wäre Ivy nicht von selbst wieder zur Besinnung gekommen, hätte wer weiß was passieren können. Wenn ein Drache auf dem Wohnheim landete ging das sicher nicht spurlos an diesem vorbei. Ganz zu schweigen davon, wenn andere Kinder verletzt worden wären. Sich in Gedanken selbst ermahnend, schob er das was wäre wenn geblubber endlich beiseite und allmählich besserte sich seine Laune. Es lief bis hierhin alles andere als gut, doch so langsam ging ihm diese dauerhaft gereizte Laune doch etwas auf den Senkel. Und besser wurde es dadurch garantiert nicht. Die Tatsache, dass Ivys Kette nicht mehr auffindbar war, überraschte ihn wenig. Da sie auf seinen Vorschlag dazu jedoch nicht weiter einging, ließ er die Sache einfach auf sich beruhen. Sie würde sich schon selbst darum kümmern, sobald sie für eine neue Kette bereit wäre. Oder auch nicht.
„Hättest mich wenigstens vorwarnen können, bevor du den Winter einläutest“, entgegnete er schließlich, um das Thema zu wechseln. Dabei klang er nun schon viel gelassener, tatsächlich wirkte es fast scherzhaft. In einer anderen Situation wäre der Schnee wirklich ganz schön gewesen. Vielleicht war das ja eine Idee für die nächste Wohnheimparty? Überrascht blinzelte er Ivy an, als diese unerwartet Aufsprang und ihm ein Kühlakku aufs Handgelenk legte. „Danke“, entgegnete er lächelnd und fixierte dabei mit seinem Blick ihr dickes Fußgelenk. „Hüpf hier lieber nicht so rum und bleib brav auf deiner Liege, das passt schon.“ Wie würde das denn aussehen? Er machts sich bequem und die Weißhaarige sitzt daneben auf dem Stuhl. Ein weiterer toller erster Eindruck, den er gern vermeiden würde. Man musste es sich mit den Leuten ja nicht mehr verscherzen als nötig.
Die regelrecht auffliegende Tür zog sofort die Aufmerksamkeit des Blutsaugers auf sich. Es trat ein schlanker, großgewachsener Blonder ein – der Tasche nach zu urteilen der herbeorderte Doc. Trotz des Grinsens machte er einen gestressten Eindruck, was man ihm nach der tollen Nachricht nicht verübeln konnte. „Jacob Chandler. Sorry für die seltsame SMS, mir ist auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen.“ Verlegen lächelnd kratze er sich kurz am Hinterkopf, deutete dann aber auf den geschwollenen Fuß Ivys. „Ihre Verwandlung lief nicht so ganz wie geplant, letztendlich ist sie dann vom Himmel gesegelt. Der größte Schaden konnte sicher abgefangen werden, auf dem Weg hierher hat sie nur etwas gehumpelt.“ Er hoffte wirklich, dass sie sich nicht noch weitere Verletzungen zugezogen hatte. Die Hintergrundgeschichte behielt Jake vorerst für sich, er konnte die Reaktion der Drachendame null einschätzen und wollte es nicht riskieren, sie erneut zu reizen. Vielleicht rückte sie ja von selbst mit der Sprache raus, das würde es auf jeden Fall einfacher machen. Mit dem Kühlakku auf dem Handgelenk erhob er sich schließlich und ging etwas beiseite, um dem Blonden bei der Arbeit nicht unnötig im Weg zu stehen. Er würde ihn später darum bitten, kurz ein Auge darauf zu werfen. Das Mädchen ging im Moment vor.
Zu Ivys Erleichterung schien sich Jacob ein wenig zu entspannen und sie hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie ihn so unglaublich reizte. Mehr als Entschuldigen konnte sie in dieser Situation nun leider auch nicht, aber Jacob nahm ihre Entschuldigung an und alles sollte gut werden. Zumindestens so gut, wie es eben in dieser Situation werden konnte. Sie schämte sich für ihren "Ausbruch" und lächelte etwas verlegen bei seinen Worten, von wegen Eiszeit und so ein Kram. Sie hatte es selbst nicht kommen sehen und sicherlich hatte sie sich in dem Moment keine Verwandlung gewünscht.
Ihr Fuß machte ihr keine Sorgen, es war nur ein wenig geschwollen und es tat fast gar nicht weh. Vielleicht hatte sie aber Glück und musste beim nächsten Sportunterricht nicht mitmachen, das wäre natürlich ein kleines Sahnehäubchen in dieser Situation.
Einen Augenblick schaute sie auf den Boden und seufzte. Sicherlich würde sie nun nicht mehr zeigen, wie traurig sie war. Sie hätte auf der Terrasse einfach verschwinden sollen und ihre Gefühle nicht zeigen sollen, vielleicht hätte das Ganze dann nicht in einem Desaster geendet. Auch wenn sie versuchte Jaden ein wenig aus ihren Gedanken zu verdrängen, war ihr Lächeln deutlich nicht so fröhlich, wie es am Anfang des Besuchs mit Jacob gewesen war. Sie war unter Leute und sie wollte kein Drama mehr. Einfach freundlich und nett bleiben und wenn sie dann alleine war, konnte sie immer noch trauern - in Ruhe hoffentlich, ohne Zwischenfälle. So, das war der Plan!
Kennst du vielleicht jemanden, der mir eine neue Kette machen könnte? warf sie einfach wie aus dem Nichts in den Raum.
Sie saß nun auf der Liege und wippte ein wenig gelassen mit den Beinen und schaute aufs Jacobs Handgelenk. Bevor ihre Schuldgefühle aufkommen konnten, flog die Tür auf und Ivy wäre vor Überraschung fast von der Liege gefallen. Ein großer Blonder Arzt kam in den Raum und nun fühlte sich Ivy noch schlechter, dass er extra wegen ihr herkommen musste. Bestimmt hatte er spannendere Sachen zu tun gehabt. Sie lächelte den Arzt etwas erzwungen an und mit Jacobs Worte schaute sie beschämt auf den Boden.
Normalerweise nutze ich immer eine Kette zum Verwandeln, doch die hatte ich schon lange verloren. Ich hatte die letzte Zeit öfters mal so einen komischen Druck im Körper, doch ich dachte das würde sich von alleine klären. Nun ja. Eine Nachricht hab ich wohl nicht so gut verdauen können und dann habe ich komplett die Kontrolle verloren.
Traurig und verlegen schaute sie auf den Boden. Sie hoffte einfach, dass Riley, wie er sich vorstellte, nicht wegen der Nachricht nachhaken würde. Es war unglaublich schwer die Trauer jetzt grade nicht durchzulassen und sie hatte Angst, dass wenn sie drauf angesprochen würde, einfach direkt wieder in Tränen ausbrechen würde. Das wollte sie auf jeden Fall vermeiden!
Mir gehts gut, aber Jacobs Handgelenk sieht nicht so gut aus. Gab sie zu bedenken, aber sie hatte keine Intention gezeigt, dass sie den Blick vom Boden abwenden würde.
Mh; doch kein Gemeckere wegen seiner etwas schroffen Begrüßung. Gut, die Situation schien wohl so oder so etwas stressiger als ein paar dumme Worte gewesen zu sein. Das zumindest leitete sich der Brite selbst daraus ab. Er war zwar kein Psychologe, aber meistens kam das immer hin. „Kein Problem, ihren Zweck hat sie ja erfüllt.“, entgegnete er in einem verzeihenden Ton und verschränkte nun eher die Arme vor der Brust. Auch wenn er sich im Kopf immer noch etwas darüber aufregte wer bitteschön nicht seinen Namen angibt, wenn er schon einen Arzt anklingelte…aber was solls. Darüber zu philosophieren brachte ihn auch nicht weiter. Der „neue Erzieher“ war eh gerade dabei den Ablauf zu schildern. Da hörte der Blondschopf erstmal in Ruhe zu, während seine Augen immer noch zwischen den beiden Kandidaten hin – und herwanderten. Kaum war er mit seiner Schilderung fertig, setzte die angeblich Patientin auch schon direkt hinten an. Auch wenn er es knuffig fand, dass sie sich gegenseitig die Priorität der Behandlung zuschieben wollten. „Okay, verstehe.“, setzte er etwas mit einer kleinen Stoßatmung an und drehte sich kurz zu seiner Arzttasche herum, die er letzten Endes einfach nur öffnete. „Dann wollen wir mal schauen.“, kündigte er an und nahm sich den einen Hocker im Zimmer, damit er sich vor Ivy auf einer angenehmen Höhe hinsetzen konnte. Seine Mimik entspannte sich und er schaute dem weißhaarigen Mädchen ins Gesicht. Musste zwar etwas merkwürdig mit der Sonnenbrille wirken, aber er vergaß das hin – und wieder selbst. „Also, magst du mir deinen Namen verraten? dann muss ich dich nicht mit irgendwelchen anderen Wörtern ansprechen.“, fragte er erstmal ganz normal um sie in ein Gespräch zu vertiefen. Es war zwar nur ein simpler Vorgang, konnte aber immens viel bewirken. Allerdings gehörte das erwähnen der Vorgehensweise genauso dazu. Leute fühlten sich immer besser, wenn sie wussten was der andere da gerade tat. Besonders wenn sie es verständlich vermittelten. Außer man ist Gynäkologe, dann sollte man das wohl eher sein lassen. Bei dem Gedanken grinste er leicht hinter seiner Brille hervor. „Ich werde mir jetzt den Knöchel anschauen, dafür hebe ich deinen Fuß hier auf mein Bein, alles klar?“, erläuterte er ganz ruhig seinen Plan und setzte ihn auch schon in die Tat um. Natürlich war der Schuh noch dran, den er jetzt ganz gemütlich und ruhig entfernte. „Auch die Socke darüber muss leider weg.“, setzte er nach und schob sie etwas hinunter. Jetzt konnte er sich mit dem Knöchel befassen. Mit ein paar Druckausübungen tastete er das Areal rund um die angebliche Verletzung ab, vorzugsweise im Fokus waren dabei die empfindlichen Gelenkstellen, sowie die sehnen an der hinteren Seite des Fußes. Magie setzte er erst ein, wenn er sich sicher war was er behandeln wollte. Immerhin war seine Medizin nicht ohne. Wobei ein Drachenmädchen dieser wohl etwas länger ausgesetzt werden konnte. „Einfach sagen, wenn es weh tut, ja?“, äußerte er seinen Wunsch während er konzentriert den Fuß begutachtete.
„Sie haben sie wohl aufgefangen, oder?“, fragte er ohne seinen Kopf zu drehen an Jakob gerichtet. Natürlich war ihm seine Verletzung nicht entgangen. Aber „der Neue“ würde das sicherlich noch ein wenig aushalten.
Mit einem leicht skeptischen Blick beobachtete Jacob die Mimik des Mädchens. Sie sah erneut so drein, wie auf der Terrasse vor ihrer Verwandlung. Hatte das Weinen eben die Drachengestalt erweckt oder das Verdrängen davor? Nachdenklich ließ er seinen Oberkörper leicht nach hinten fallen, bis er von der Wand gestoppt wurde. Im Eifer des Gefechts hatte er ganz vergessen, auf die Einzelheiten zu achten – was im Nachhinein betrachtet ziemlich ärgerlich ist. „Wenn dir das Weinen hilft, musst du es nicht verdrängen.“ Sein Blick deutete kurz zu dem Arzt, der es sich auf einem Hocker halbwegs bequem machte. „Er wird kaum seine Schweigepflicht brechen, damit sich andere über dich lustig machen können.“ Und da war es wieder – das nicht vorhandene Taktgefühl. Spitze. Er besaß eindeutig ein Talent dafür, sich in die Scheiße zu reden. „Niemand nimmt es dir übel, dass du gerade nicht fröhlich durch die Gegend springst.“ Konnte er sich damit noch retten? Vermutlich nicht. Etwas entmutigt wurde die Entscheidung gefasst, für die nächsten Minuten die Klappe zu halten und den Blonden seine Arbeit machen zu lassen. Mit dem Blick durch den Raum schweifend ließ er die linke Hand in der Hosentasche verschwinden – so hässlich war die Einrichtung für ein Krankenzimmer nicht mal. Wie das gesamte Wohnheim wirkten die Möbel nicht mehr Taufrisch, doch wer weiß, wie oft verletzte Kinder hier landeten und für Trubel sorgten. Nicht mal zehn Sekunden waren vergangen, da wendete sich Ivy mit einer Frage an ihn. Das war es dann wohl mit dem Vorhaben. „Insgeheim hab ich ja gehofft, dass du auf der Insel so jemanden kennen würdest. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mich außerhalb des Wohnheims genau umzusehen.“ Eigentlich musste er noch immer etwas zu Essen für den nächsten Morgen einkaufen, doch im Notfall musste der Speisesaal eben wieder herhalten. Besser als nichts. Ehe Ivy auf seine Aussage eingehen konnte, war aus der Hosentasche des Vampirs ein leiser Nachrichtenton zu hören – jedoch nicht derselbe, wie bei der Nachricht von Riley. Schnell zog er das Handy heraus und entsperrte das Display. Es grinste ihn ein Foto seiner Adoptivschwester mit Tränen in den Augen und in ein schneeweißes Kleid gehüllt an. Wow, sie ließ sich bei der Hochzeitsplanung wirklich keine Zeit. Mit einem bitteren Beigeschmack tippte er ihr schnell eine kurze Antwort und ließ das Mobilgerät wieder an einem alten Platz verschwinden, darüber musste Jake sich jetzt nicht auch noch den Kopf zerbrechen.
Aufmerksam beobachtete er das Treiben des Arztes, zugegebenermaßen etwas fasziniert von dessen Vorgehensweise. Warum war er nebenbei nicht noch Erzieher? Dann müsste er nicht für jede Kleinigkeit einen vielleicht sehr weiten Weg auf sich nehmen. Dazu stellte er sich nicht ansatzweise so unbeholfen an, wie der Schwarzschopf. Da konnte man sicher noch was von lernen! Bei der sicherlich nett gemeinten Geste des Mädchens musste er sich ein Augenverdrehen kurz verkneifen und schüttelte den Kopf. „Lass dich durchchecken und dann kannst du in dein Zimmer. Willst sicherlich deine Ruhe haben und ich hab alle Zeit der Welt.“ Mit dem verbleibenden Nachmittag konnte man eh nicht mehr viel anstellen, also warum beeilen. Jetzt noch alleine in die Stadt gehen, um dann ziellos durch irgendwelche Geschäfte zu irren konnte man getrost bleiben lassen. Der Arzt tastete noch immer den kleinen Fuß ab und schien noch nicht gefunden zu haben, was er suchte. „Ja, auffangen war mir dann doch lieber, als sie vom Boden abzukratzen.“ Obwohl es im Nachhinein nicht die klügste Idee gewesen war. Lieber hätte er schnell eine weiche Unterlage auftreiben sollen, doch das gestaltete sich auf der Terrasse doch etwas schwer.
Jacob fing an zu reden und Ivy sah ihn ein wenig entrüstet an. Sie war so froh gewesen, dass Riley nicht noch mehr nachfragte und da lud Jacob sie einfach direkt ein zu weinen. Ein wenig perplex und ohne Worte schaute sie darauf, was Riley mit ihrem Fuß anstellte. Ich bin übrigens Ivy. sagte sie nebenbei. Riley war freundlich zu ihr gewesen und ging vorsichtig mit ihr um. Kein Wunder, dass er Arzt geworden ist! Sie nickte ihm zu und lächelte ganz leicht, als er ihr erklärte, wie er nun vorgehen wollte. Nachdem er ihren Schuh auszog musste sie doch ganz leicht zusammenzucken. Es tat vielleicht doch ein wenig weh, wenn man es zu sehr bewegte. Aui machte sie leicht aus Reflex. Jacobs nächste Worte ließen sie wieder zu ihm schauen und sie schaute verwirrt. Warum sollte sich jemand über sie lustig machen? Wer würde so etwas in so einer Situation machen? Waren die Kinder im Wohnheim etwa so grausam? Schockiert musste sie schlucken und lehnte sich ein wenig zurück und schaute an die Decke. Jacobs Worte schwirrten ihr im Kopf herum. Sie wollte nicht weinen. Nicht jetzt und nicht so. Warum hatte er das jetzt unbedingt erwähnen müssen? Frustriert schnaufte sie kurz, aber gab keinen Kommentar dazu von sich.
Ich kenne leider niemanden, der so eine Kette herstellen könnte. Dann muss ich mich wohl nochmal umhören. Sagte sie leise und schnaufte noch mal frustriert.
Bei einer Sache hatte Jacob allerdings Recht: Sie wollte wirklich schnell alleine sein und ihre Ruhe haben, damit sie die ganzen wirren Gedanken in ihrem Kopf ordnen konnte. Was würde passieren, wenn sie alleine war? Würde ihre Trauer sie verschlucken und sie in ein tiefes Loch ziehen? Wie sollte sie denn da wieder rauskommen? Sie war doch nun ganz alleine gewesen. Einen Augenblick lang wurde ihr Gesichtsausdruck schaurig traurig.
...Als sie vom Boden abzukratzen. Hörte sie nur und traurig antwortete sie: Dann hätten jetzt einige keine Probleme mehr.
Erst Sekunden später merkte sie, wie komisch das geklungen haben mag und sie zwang sich ein Lächeln auf. Ich würde wirklich gern auf mein Zimmer.
Freundlich nickte der Brite, als die Weißhaarige ihren Namen kundgab und ihm somit eine etwas persönlicher Ebene des Gespräches ermöglichte. Er würde darauf in jedem Fall zurückgreifen, wenn die Situation es erfordert. Der Fuß schien ihm jedoch nicht den Anschein zu machen großartig gebrochen zu sein. Vielleicht hatte das Mädchen ja noch einmal Glück im Unglück gehabt. Besonders, weil der Erzieher ihn jeder Hinsicht richtig gehandelt hatte. Lediglich seine Kommentare stießen ihm etwas sauer auf. Redegewandtheit war was anderes. Aber wer war er darüber zu richten wie sich andere verhielten? Er wusste selbst gut genug, dass er nicht der charmanteste Gesprächspartner war. „Nicht gerade sehr elegant ausgedrückt, aber im Großen und Ganzen korrekt.“, fügte er deswegen nur ruhig an die Aussage Jakobs hinten an und stoppte kurz bei seiner Arbeit, „Eine Vertrauensperson ist immer eine gute Anlaufstelle. Wenn man es verschließt, dann führt das nur zu ungewollten Nebenwirkungen, Ivy“. Er musste es wissen. Der Irak hatte ihn geprägt und das nicht gerade wenig. Die Sonnenbrille war ein Teil dieser Geschichte.
Aber damit war die ganze Situation noch leider lange nicht vom Tisch. Sie wurde Buchstäblich nur mit einem anderen Gesicht wieder an die Tagesordnung geholt und Riley wünschte sich gerade, die Frage einfach nicht gestellt zu haben. Hinter den Gläsern verdrehten sich die Augen einen kurzen Moment und er seufzte einmal leise in sich hinein...super. Jetzt musste er eingreifen, bevor hier noch irgendwer in die falsche Richtung abdriftete. Ein weiteres Mal stellte er seine Arbeit ein und neigte seinen Kopf dieses Mal so, das er das Gesicht der Weißhaarigen gut betrachten konnte. Ein Lächeln bildete sich leicht auf den Gesichtszügen des Arztes. Wenn man es nicht sogar als kleines Schmunzeln werten konnte. „Weißt du, ich hatte mal nen‘ Kollegen der ähnliches von sich gegeben hatte.“, begann er seinen kleinen Exkurs, während er sicherheitshalber ihren Fuß noch einmal testend nach oben und unten bewegte. „Wollte seine Probleme selbst lösen, niemandem zur Last fallen.“, seine Hand fing ganz abrupt an mit einem weißen Schleier überzogen zu werden, „Zehn Jahre später hab ich ihn das nochmal gefragt…und er sagte mir was für ein Riesen Fehler das gewesen war. Weil er nicht nur sich selbst – und vor allem sich selbst - damit verletzte, sondern auch die Menschen in seiner Umgebung, die ihm gerne geholfen hätten und es dadurch einfach nicht konnten.“. „Das könnte jetzt übrigens etwas kühl werden.“, riss er die Erzählung kurz aus dem Kontext und kommentierte seine folgende Aktion. Danach setzte er die leuchtende Hand am oberen Fuß an, welcher nun ebenfalls mit diesem Schleier verbunden war. Ivy sollte nun ein Kühles Gefühl durchströmen. Fast so, als ob sich Gel auf ihre Haut legen - und gleichmäßig verteilen würde. Wohltuend und beruhigend, während seine Magie die Entzündung im inneren auf ein Minimum reduzierte. Zweimal ging er mit einer sanften Bewegung den Fuß hinunter. Ein kleiner Schmerz würde verbleiben, aber dieser war mit Absicht zurückgelassen worden. Eine kleine Sicherheit, falls der Blondschopf etwas übersehen hatte. In diesem Falle würde sich der Körper selbst noch drum kümmern. „Wie dem auch sei, um die kleine Geschichte zum Abschluss zu bringen. Am Ende war niemandem mit sowas geholfen. Nicht ihm, nicht den Anderen.“, er lächelte sie an, bevor er die, vorher noch an Ivy’s Fuß operierende Hand, in Richtung seiner Arzttasche hielt und ein kleiner Verband daraus hervorschwebte. Dieser setzte sich dann langsam in seiner Hand ab und er begann ihn sehr langsam und fürsorglich aufzurollen. „Wenn du also Hilfe brauchst, dann nimm sie dir. Wenn Leute sie dir von selbst anbieten, umso besser. Gerade hier, wo die Erzieher sich sogar den Arm ausreißen um dich aufzufangen. Mir würde kein besserer Ort einfallen...und gleich kannst du auch wieder los. Der Fuß sollte fast so gut wie neu sein. Ich werde dir nur einen kleinen Verband anlegen, damit der Fuß etwas starr gehalten wird, nichts schlimmes.“. Lief doch eigentlich gar nicht schlecht. Damit hatte er hoffentlich nicht nur das Thema beendet, sondern auch Jakob ein bisschen aus seiner Bredouille geholfen. Wenn nicht, er hatte es versucht. Das rechnete er sich selber an. Jetzt noch schnell die Socken hochziehen, den Schuh darüber. Und fertig war es. „Sie sind der nächste.“, deutete er zu dem Schwarzhaarigen und schaute erwartungsvoll. Die Zimmergeschichte war nicht sein Bier.
Ivys Blick verriet ihm auch ohne weitere Worte, was sie von seiner Aussage hielt. Auch das darauffolgende Schnaufen und die etwas patzige Bemerkung, dass sie niemanden kennt, der so eine Kette herstellen könnte verbesserten den Eindruck nicht. Gut, bei dem Mädchen hatte er definitiv verkackt. Den Tag endgültig in die Kategorie erfolgreich versagt einordnend wendete er den Blick wieder von der Drachendame ab und sah aus dem Fenster. Was würde er jetzt dafür geben, sich einfach in Luft auflösen zu können und dort draußen zu sein. Ein Geist müsste man sein! Aber nein, stattdessen war er nur ein Blutsauger mit einem Talent dafür, sich in die Scheiße zu reden. Oder andere auf dumme Gedanken zu bringen. Hatte er sich gerade verhört? Sie sagte, dann hätte wenigstens niemand mehr Probleme? Diese Entwickelung war ja ganz hervorragend. Doch bevor Jake die Chance hatte, das eh schon gestorbene Gespräch wieder aus dem Grab zu zerren und erneut zu ermorden erhob Riley das Wort. Etwas erleichtert ließ er die Hand wieder in die Hosentasche sinken und lauschte den Worten des Arztes, die in dieser Situation tausendmal weiser gewählt waren als die seinen. Versuchte er etwa gerade, ihn aus dem Schlamassel zu ziehen?
Nachdem Ivy den Schuh wieder anhatte, wendete sich der Blondschopf nun an ihn. Das Kühlakku zur Seite legend krempelte er seinen Hemdärmel etwas nach oben, sodass man es einfacher hatte, sich die Verletzung anzusehen. Noch darüber grübelnd, was er nun mit dem Mädchen anstellte ließ sich Jake neben ihr auf dem Bett nieder. Hier hatte sie noch keine Freunde, wenn man von ihrer vorherigen Aussage ausging – also auch niemanden, der sie abholen würde. „Willst du noch kurz warten? Dann bringe ich dich gleich auf dein Zimmer.“ Selbst wenn er so eine Vorahnung hatte, dass sie ihn nicht noch länger als nötig ertragen will, bot er ihr diese Möglichkeit an. „Es sei denn, du willst wirklich lieber alleine sein.“ - was wesentlich wahrscheinlicher war. Trotz alledem war ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass sie nun alleine in ihr Zimmer geht und sich auf dem Bett die Augen ausheult. Hoffentlich würden sich wenigstens ihre Zimmergenossinnen um sie kümmern. Nach einem kurzen Augenblick der Stille entschloss Jacob sich schließlich doch dazu, das zu sagen, was ihm die letzten Minuten immer wieder durch den Kopf ging. „Wenn sonst noch etwas ist, kannst du auch gerne anrufen. Oder wir sprechen morgen noch mal, wenn ich mich nicht mehr ganz so geschickt anstelle.“ In seiner Stimme schwang etwas Selbstironie mit und er hoffte wirklich, dass die Weißhaarige ihm das Ganze nicht allzu übel nahm. Immerhin musste sie ihn noch einige Jahre ertragen und das würde wesentlich anstrengender werden, wenn sie sich immer nur aus dem Weg gingen.
Ivy hatte sich gewünscht, dass sie ihre Worte doch lieber nicht laut gesagt hätte. Einerseits, weil sie es vielleicht gar nicht so wirklich ernst gemeint hatte, andererseits, weil die beiden nun von ihr denken könnten, dass sie vielleicht wirklich eine richtige Therapie brauchen würde. Und dem war nicht so. Sie wollte erstmal alleine mit dem Gedanken klar kommen, dass sie einen sehr geliebten Menschen verloren hatte und wenn sie es nach einiger Zeit immer noch nicht überwunden hat, dann würde sie sich schon jemanden suchen.
Sie nickte auf Rileys Worte nur ein wenig und versuchte gar nicht weiter darauf einzugehen. Die Geschichte war bestimmt eh gerade eben erst erfunden und wirklich aufmuntern tat sie sie nicht. Sie hatte kaum Freunde und Jacob und Riley waren Erwachsene. Es war deren Job und sie hatte sowieso nicht das Gefühl, dass, gerade Jacob, sich über ihre Anwesenheit freute. Also würde sie einfach alleine sein. Sie schloss die Augen, als sie seine kühle Hand spürte und es fühlte sich so angenehm an. Als würde fast der ganze Schmerz sich in Luft auflösen. Riley verband ihren Fuß und sie streckte ihm die Hand aus. Vielen Dank für Ihre Hilfe, aber ich denke, ich werde mich nun verabschieden. Dann drehte sie sich zu Jacob und lächelte ihn leicht an. Danke für die Rettung und nochmal tut mir leid für dieses ganze Drama und Ihre Verletzung. Sie hoppste von der Liege und probierte kurz ihren Fuß ein wenig aus. Er schien absolut keine Probleme zu machen, also sah sie etwas fröhlicher in die Runde. Danke ich finde den Weg schon alleine. Einen schönen Resttag noch! Sagte sie freundlich und wandte sich dann zur Tür ab.
Sie trat aus der Tür und schloss sie wieder hinter sich, sodass Riley und Jacob nun alleine waren. Sie seufzte einmal kurz und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch schon Augenblicke später spürte sie die Tränen in ihren Augen und bevor sie noch jemand sehen würde suchte sie schnell das Weite.
Das Mädchen war behandelt und somit war es schon einmal eine Verletzung weniger, welche hier gerade auf dem Programm stand. Einerseits eine gute - anderseits auch wieder eine zwiespältige Situation. Denn Riley hatte es nach ihren Aussagen direkt im Gefühl gehabt. So richtig überzeugt war die Kleine nicht gewesen. Verständlich und auch wieder nicht. Denn er hatte nicht das Gefühl hier komplett im Bilde zu sein. Irgendetwas fehlte im Bild von Ivy, was ihm ein vollständiges Verstehen der Situation unmöglich machte. Das einzige was der Blondschopf sich erschließen konnte: Es ging um eine Kette und um Probleme. Aber das allein reichte bei weitem nicht aus, um eine zuverlässige Prognose zu machen. Aber er sagte nichts. Vorerst. Es hing alles davon ab, ob diese Begebenheit nochmal auf ihn zurückkommen könnte. Und bei dem Wege wie Jakob mit der Situation umging, konnte es das durchaus noch tun. Feinfühligkeit war etwas anderes. Doch erstmal wollte der Brite das noch abwarten. Es gab gerade wichtigeres als sowas. Zum Beispiel die Hand vor seinen Augen.
Riley schaute sich mit einem Handgriff an Jakobs Arm die Verletzung einmal genauer an. Ein Vampir also, das spürte er bei der bloßen Berührung. Aber noch war das eher eine Hintergrundinformation. Vorsichtig wendete er den Arm, schaute sich die Rötungen auf der Haut an und begann sofort, dieses Mal aber ohne Vorwarnung den Knöchel abzutasten. „Keine Ursache Ivy. Und komm gut nach Hause.“, verabschiedete er das Mädchen und wandte sich sogleich dem Schwarzhaarigen zu, als die Tür ins Schloss fiel. „Sie ist keine gute Schauspielerin.“, erwähnte der Arzt in einem etwas trockenen Ton und richtete seinen Blick auf die Augen des Erziehers, was durch die Sonnenbrille vermutlich etwas anklagend wirkte. Der Rest seines Gesichtes sollte jedoch die Ernsthaftigkeit der Thematik gegenüber hervorheben. „Also kann es gut möglich sein, dass die Geschichte noch ein paar Wellen schlagen wird. Sie sollten ab und zu nochmal nach ihr schauen.“. Mehr wollte er dazu nicht sagen. Er war nicht hier um Jakob seinen Job zu erklären. Er fände das auch nicht gut, wenn er plötzlich anfangen würde ihm medizinische Ratschläge zu verpassen. Langsam ließ er den Arm des Erziehers wieder los. Es war nichts Schlimmes. Zumindest nichts, was ein bisschen Magie nicht wieder lösen konnte. „Gut, wie es aussieht haben Sie auch nur eine kleine Prellung davongetragen. Spontane Überlastung, Überdehnung der Muskeln. Sollte nicht gerade das schlimmste sein. Allerdings tut es für so eine minimale Verletzung verdammt weh, das sagt mir ihr Gesicht.“, er grinste beim Richten seiner Sonnenbrille einen kurzen Moment. Seine Diagnose wollte er vor dem Erzieher schließlich nicht geheim halten. „Haben sie eigentlich eine Allergie gegen irgendwelche Sorten von Heilmagie?“, durchdrang seine Stimme in fragendem Ton erneut den Raum, „Ansonsten würde ich nun einfach das gleiche wie bei Ivy anwenden. Kühl, schnell und schmerzlos.“, klang wie ein Werbespot, wie ihm gerade auffiel. Vielleicht hätte er damals in die Werbebranche gehen sollen. Sowas wie: Riley's Arztpraxis. Schnell! Cool! Schmerzlos! Damit auch sie ohne Probleme ihr Leben genießen können. Obwohl…nein. Das klang bescheuert. Klang wie eine dieser Werbungen für spontanen Harndrang im Abendfernsehen…er grinste.