Die große Terrasse des Yanega-Anwesens ist zum weitläufigen Garten ausgerichtet und bietet einen herrlichen Blick auf diesen und den angrenzenden Wald. Weht eine sanfte Brise, so wird die Terrasse in einen Geruch von Bäumen und vielen, blühenden Blumen gehüllt und wirkt besonders einladend. Der Platz strahlt meist eine wahrlich idyllische Ruhe aus. Er kann allerdings von jedem Bewohner genutzt werden, sei es um Mahlzeiten im Freien zu verspeisen, Hausaufgaben zu erledigen, oder mit Freunden in lauen Sommernächten Karten zu spielen oder sich sonstigen Aktivitäten zu widmen. Durch die Überdachung sind nicht nur die Bewohner, sondern auch die Tische und Stühle, sowie der elegante Holzboden vor Regen geschützt.
Mit seiner Vermutung lag der Blondschopf wohl richtig. Wäre ziemlich peinlich gewesen, wenn er nicht richtig gelegen hätte. Zumal waren die bunten Haarsträhnen schon Indiz genug, dass Helena wohl aus Frankreich stammte und der Nachname tat sein weiteres. Insofern sich das Mischwesen jetzt richtig daran erinnerte. Was er natürlich jetzt schlecht fragen konnte, ohne sich doch ein wenig zu blamieren. Dafür schien Helena gerne über ihre Herkunft zu sprechen, man konnte sogar ein wenig Stolz in ihrer Stimme hören. Sie schon wohl zu der Sorte zu gehören, die stolz waren aus Frankreich zu kommen. Es war auch nichts Verwerfliches daran. Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge. Helena schien auch gerne ein wenig mehr von ihrer Heimat zu erzählen, ganz im Gegensatz zu Damian selbst. Wobei er eigentlich gar nicht daran gedacht hatte, einfach aus dem Nähkästchen zu plaudern.
Genau wie Damian kam auch die Blondine aus der Hauptstadt Frankreichs. Seine Geografie Kenntnisse reichten gerade noch so weit, dass er auch ohne ihr weiteres Zutun sagen konnte, dass Paris die Hauptstadt Frankreichs war. »Du kommst also aus der Stadt der Liebe.«, grinste der Italiener und wackelte wieder einmal mit seinen Augenbrauen. Vermutlich hatte sie schon so manche Herzen in der Stadt der Liebe gebrochen. Helena war nun wirklich nicht zu verachten und wahnsinnig lustig, wovon sich der Blondschopf bereits selbst überzeugen konnte. Damian konnte es auch irgendwie verstehen, dass einem der Eiffelturm nicht mehr so recht in den Bann ziehen konnte, wenn man ihn vermutlich die meiste Zeit zu Gesicht bekam. »Also ich finde den Eiffelturm schon irgendwie spektakulär.«, sinnierte der Italiener vor sich hin und dachte an die Zeit in Frankreich zurück. Es war eine wirklich schöne Zeit gewesen. Natürlich konnte man nicht alle Winkel und Gassen kennen, die Stadt war ja auch nicht gerade klein. Ein kurzes Lachen drang aus seiner Kehle, als sie das Essen preiste, irgendwie schien Helena große Stücke aufs Essen zu halten. Schließlich wurde er bereits von ihr gefragt, was es denn zum Frühstück gab. Ein Mädchen mit gesundem Appetit war nicht so einfach zu finden. »Aber Froschschenkel stelle ich mir nicht so glorreich vor.«, gab der Italiener von sich und verzog sein Gesicht. Das war genauso ein Thema wie zuvor der Proteinaustausch.
»Ich muss auch gestehen, dass ich die Stadt auch nicht auswendig kenne. Aber so ein paar Seitenstraßen die nur Insider wissen, könnte ich dir empfehlen.«, zwinkerte der Blondschopf Helena zu. Vermutlich wurde er, wenn er die ganzen Jahre weiterhin in Rom gewohnt hätte, doch jede Straße und jeden Ort auswendig kennen. Schließlich war er auch nicht mehr der Jüngst. »Meine Heimat ist schon in Ordnung. Aber vermutlich bin ich nicht der typische stolze Italiener. Verrat' mich bloß nicht.«, grinste der Blondschopf in Helenas Richtung. Jetzt hatte er ihr doch tatsächlich ein Geheimnis verraten, aber darauf wäre sie wohl noch selbst gestoßen. Schließlich waren seine Haare nicht in den Landesfarben gefärbt, würde auch ziemlich dumm aussehen. Fand er Rom denn spektakulär? Als Kind auf alle Fälle. Er war auch schon viel zu lange nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Vielleicht sollte er einen Besuch in Rom auf seine To-Do-Liste schreiben. »Na ich glaube für Außenstehende ist es sicher spektakulärer als für diejenigen, die dort aufgewachsen sind. Aber Italien sollte man auf alle Fälle mal einen Besuch abstatten. Das Essen ist auch super, ebenso der Alkohol hab' ich mir zumindest sagen lassen.«, beantwortete er ihre Frage. Italienisches Essen war wirklich einsame Spitze. »Warst du schon einmal in Italien?«, stellte Damian an Helena gewandt seine Frage. Von Frankreich nach Italien war zwar nicht unbedingt ein Katzensprung aber auf alle Fälle machbar.
Es entlockte der Blondine ein verlegenes Lächeln als er die Betonung auf die Stadt der Liebe richtete. Achja, da war ja was. Paris hatte ja immer den Ruf eine besondere Stadt der Liebe zu sein. Warum, das konnte selbst sie nicht beantworten. Für sie waren es eher andere Orte gewesen, welchen sie diese Beschreibung hätte zukommen lassen. Aber im generellen Volksmund hatte sich Frankreich eben breitflächiger etabliert. Aber ob das die ganzen Touristen rechtfertigte, war wohl zu bezweifeln. Andererseits war es doch etwas, wonach alle immer suchten. Die „wahre“ Liebe. Eine die sie zumindest noch nicht entdeckt hatte, woran auch immer es liegen mochte. Zu einem großen Teil, da war sie sich vollkommen sicher, lag es auch an ihr selbst. Auch wenn der Gedanke das Ego nicht gerade förderte. Dennoch, sie driftete schon wieder gedanklich ab und schubste sich demzufolge wieder in Richtung des Gesprächs mit dem Italiener. Das die Wahrzeichen Frankreichs bei ihm wohl hoch im Kurs lagen, erfüllte sie als Französin natürlich mit Stolz, obgleich sie sich innerlich auch gleich wieder bewusst wurde, warum das wohl so sein mochte. Immerhin hatte er den Turm nicht immer vor der Nase gehabt. Natürlich könnte der Blondschopf nun auch die Architektonische Leistung des Planers meinen, aber das schien eher unwahrscheinlich. Nicht, weil sie Damian das nicht zutraute, sondern eher, weil es nicht ins Gespräch passte. Als sie das mit den Froschschenkeln allerdings aus seinem Munde vernahm. Lachte sie los. Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Das ausgerechnet Froschschenkel erwähnt wurden. „Wieso? Hast du etwa Angst, sie würden dir weghüpfen?“, stocherte sie schelmisch nach und ein intrigantes Grinsen zierte die Lippen der Französin. „Dabei gibt es so viel was du in dieser Küche nicht gesehen hast…“, setzte sie in einem finsteren Ton an und linste, so wie schon einmal, unter ihrem Sommerhut in Damians Richtung. Dabei war das gar nicht mal so gelogen. Schnecken zum Beispiel. Eine Delikatesse, wenn sie denn richtig zubereiten waren. Zusammen mit dieser Buttersoße und dem Brot und…fokussieren Helena! Über das essen konnte sie auch später noch sinnieren, wenn ihre Begleitung gegangen war oder beide sich getrennt hatten. Wenn er sich aber gut anstellte, dann würde sie ihn mal mit so einer Spezialität quälen. Nur, um seine Reaktion voll und ganz genießen zu können!
Doch fiese Gedanken hin oder her, das waren alles Spekulationen. Alle davon abhängig wie es heute noch laufen würde. Jetzt gerade war es Helenas Frage nach seiner Heimat die der Blondschopf zu beantworten versuchte. Sie lachte kurz und leise auf als Damian sich als nicht so ganz heimatliebendes Wesen outete und sie darum bat, dass nicht anderen zu verraten. Sie kommentierte das mit einem unschuldigen und süßen Lächeln, während sie ganz frech mit den Achseln zuckte. „Mal sehen, Damian.“, sprach sie nur kurz und ließ ihn dann weiter erzählen um ihn nicht aus seinem Redefluss zu reißen. In diesem Fall musste er ihr wohl einfach vertrauen. Was bei seiner korrupten Komplizin wohl sicherlich auch ein gewisses Maß an Risiko bedeutete. Das kriminelle Leben war schon hart.
Andererseits, wenn sie einen Reiseführer für Italien bräuchte, dann wäre es unklug ihn jetzt zu verraten. Also sollte sie die Infos wohl erst einmal für sich behalten. Für späteren Gebrauch, versteht sich. Ausschlaggebend für diesen Gemütswechsel war sicherlich nicht die Betonung des guten Essens und dem Alkohol. Wobei einer Helena dort natürlich nur Wein im Kopf herumschwirrte. Italienischer Wein welcher nicht aus dem Supermarkt kam. Sie würde morden für eine solche Flasche! In ihrer Lebenszeit hatte sie sich allerdings auch mit dem französischen, edlen Tropfen zufriedengegeben. „Nein, ich war noch nie in Italien.“, kam erstmal eine kurze Negierung und die blauen Augen hefteten sich nach einer kleinen Abweichung wieder an die seinen. „Wir wollten mal in den Urlaub.“, begann sie leicht nostalgisch zu erzählen, „Also ich und meine Eltern. Aber es wurde dann doch irgendwie immer Spanien.“. Leicht lächelnd wandte sie ihren Blick ab und ließ ihren Blick über die Landschaft streifen während das nette Lächeln kurz aus ihren Gesichtsmuskeln entwich. „Italien wäre wohl irgendwann auf unserer Liste gelandet…“, warf sie noch nach, unterbrach sich aber selbst und kehrte mit ihrem Kopf wieder zu Damian zurück. „Aber das heißt ja nicht, das ich es nicht hier irgendwann nachholen kann.“, prustete die Französin enthusiastisch hinaus und ihr Finger deutete auf den Blondschopf neben sich. „Immerhin habe ich jetzt einen guten Reiseführer der mir ein paar Geheimtipps näherbringen kann, sollte man dorthin gehen.“. Ein aufforderndes Grinsen schmückte Helenas Lippen bei dieser Aussage und ließ es beinahe so wirken, als ob es bereits beschlossene Sache war. In der Tat klang die Idee in ihrem Kopf gar nicht mal so dumm. Nur ob er wirklich irgendwann wirklich mit ihr dorthin fahren würde, oder dort zu Besuch war, wenn sie es war, stellte sich als fraglich heraus. Außerdem wusste die Engelin nicht, ob sie diese Insel jemals verlassen durfte. Die Zukunft würde es wohl zeigen, dachte sich die Blondine etwas unsicher. „Ein Problem bezüglich spezieller Speisen wirst du mit mir auf jeden Fall nicht bekommen.“, steuerte sie noch nachträglich bei um ihre Reisetauglichkeit zu betonen, „Außer du unterziehst mich einer Nudelwoche, dann jage ich dich damit.“, die Pariserin grinste und machte eine selbstsichere Pose. „Und ich bin gut im Nudelwerfen! Lass dir das gesagt sein!“. Das altbekannte Lächeln schmückte nun wieder in voller Ausprägung ihr Gesicht. Aber was wollte Helena schon dagegen machen. Der Gedanke, einen Damian zu sehen während er vor ihren Wurfkünsten Reisaus nimmt war halt einfach göttlich.
Na immerhin war der Italiener für ein paar Lacher gut, was ihm selbst wieder ein Grinsen ins Gesicht zauberte. Er brachte andere Leute gerne zum Lachen, wobei er sicher kein geborener Witzeerzähler war, aber er kannte andere Mittel und Wege seine Mitmenschen zum Lachen zu bringen, wie man sehr gut an Helena erkennen konnte. Angst? Davon konnte die Blondine nur träumen. Ein Bianchi hatte vor nichts und niemanden Angst, auch nicht vor Froschschenkeln, ganz sicher nicht vor Froschschenkeln. Damian machte wegwerfende Handbewegung um seine Feststellung zu untermauern »Pffff...ich und Angst, da musst du früher aufstehen.« Ihre nächste Aussage sollte wohl verheißungsvoll sein, wie sie da unter ihrem Sommerhut hervorlugte. Damian war sich nicht sicher, ob er diese anderen Dinge, die es in der französischen Küche noch gab, sehen wollen würde geschweige denn Essen. Damians Gedanken kreisten um die französischen Gerichte und blieben bei einer schockierenden Eingebung stehen. Dementsprechend sah auch sein Gesichtsausdruck aus. Von Ekel geprägt. »Kann es sein, dass die französische Küche auch noch Schnecken zu bieten hat?«, fragte der Blondschopf beinahe ein wenig ängstlich, der Ekel war noch immer nicht von seinem Gesicht gewichen, wenn er nur an diese Weichtiere dachte. Niemals würde er ein solches Ding in den Mund nehmen. Nur über seine Leiche. Das Getier hatte nicht umsonst seinen Lebensraum in Gärten. So eine Schnecke hatte nichts auf einem Teller verloren. Genauso wenig wie die Froschschenkel. Das war irgendwie abartig. Schon beim bloßen Gedanken daran schüttelte es den Bianchi. Er konnte gar nichts gegen dagegen unternehmen, außer diese Vorstellung beiseiteschieben, damit das Frühstück nicht wieder den Weg retour fand. War sicher kein schöner Anblick und würde nur Helena dazu verleiten ebenfalls ihren Mageninhalt preis zu geben. Also lenkte er seine Gedanken auf pinke Elefanten. Das funktionierte immer, wenn man sich ablenken wollte.
Da kam ihm die schwammige Aussage der Blondine gerade recht. Es war doch zum Mäuse melken, aber was hatte der Italiener von einer korrupten Komplizin zu erwarten? Natürlich würde sie nur auf die passende Gelegenheit warten, um mit dieser Information an die Öffentlichkeit zu treten oder den Bianchi anderweitig zu erpressen. Ihr zweiter Vorname war nicht umsonst korrupt. Trotz allem war sie immer noch seine Komplizin und auch Damian hatte etwas gegen das Mädchen in der Hand. Sie musste sich also gut überlegen, ob sie den Blondschopf ans Messer lieferte und sein Geheimnis ausplauderte. Der Italiener musste einfach ein wenig Vertrauen gegenüber Helena mitbringen. So funktionierte eine Partnerschaft.
Die Bestätigung, dass die Französin noch nie in Italien war, kam auf dem Fuße und war dementsprechend nicht überraschend. Aber immerhin war Italien bereits als Reiseziel ins Auge gefasst worden, verlor aber gegen das Urlaubsziel Spanien. Welch‘ tragisches Schicksal. Ein wenig Nostalgie schwang in der Stimme Helenas mit und ließ Damian aufhorchen. Seine bernsteinfarbenen Irden hefteten sich an Helenas Gesicht, welches jedoch wieder mit einem Lächeln geziert wurde. Aus Frauen sollte man(n) schlau werden. Dieses Unterfangen hatte Damian bereits aufgegeben. »Italien wird dir auf alle Fälle nicht weglaufen.«, grinste er ihr entgegen und strich sich kurz durch seine blonde Mähne, ehe Helena so mir nichts dir nichts losprustete und mit dem Finger auf ihn zeigte. Ein wenig perplex schaute er ihr entgegen, bis die Französin die Situation erklärte. Wenn er es richtig verstand, dann wurde er hier als Reiseführer missbraucht. Mit so einer bodenlosen Frechheit hatte der Blondschopf nun wirklich nicht gerechnet. Sie war nur auf seine Geheimtipps aus. Damian wusste nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Nach kurzem Zögern machte er seinem Zorn Luft »Unerhört. Das hätte ich niemals von dir gedacht. Du willst mich nur wegen meinen Geheimtipps. Ich bin schockiert.«, gespielt theatralisch griff er sich an die Brust, eine Schmierenkomödie war nichts dagegen, ehe sich wieder das altbekannte Grinsen auf seine Züge schlich. Und spätestens jetzt sollte es seiner Gesprächspartnerin klar sein, wenn es nicht bereits von Anfang an klar war, dass er das alles nicht so meinte. Bei Hel war er allerdings guter Dinge, dass er sich ein wenig aus dem Fenster lehnen konnte, da sie auf einer Wellenlänge lagen, was solche Späße anging. Und dann vermieste sie ihm auch noch seine Nudelwoche. Dabei war er bereits in Gedanken alle möglichen Nudelgerichte durchgegangen, die man Essen konnte. So machte das Ganze keinen Spaß und diesem Unmut musste er mit einem lauten Seufzen kundtun. »Aber…ich hab‘ mich so auf die Nudelwoche gefreut.«, gab er von sich und zog einen Schmollmund. Wieso war diese Person so gemein. Das hatte der Blondschopf nicht verdient und auch nicht, dass Helena ihn mit Nudeln bewerfen würde. Essen sollte man schließlich nicht verschwenden, dennoch stellte er sich das Bild von Helena mit diversen Nudeln ziemlich lustig vor, wie sie sich im Weitwurf versuchte. Natürlich wäre Damian als Sportler viel schneller und würde ihren Attacken mit Bravour ausweichen können. Aber das konnte sie selbst herausfinden, wenn es soweit war.
Sie hatte keinen Zweifel daran, das Italien ihrer Wenigkeit nicht weglaufen würde. Dabei hatte der Italiener neben ihr schon einmal Recht. Immerhin wäre es ungewöhnlich, wenn eine Landmasse sich plötzlich immer nur von ihrer Wenigkeit entfernen würde. Also war es schon einmal nicht mehr der Rede wert. Das Einzige, was im Bereich des Möglichen lag wäre, das sich die gesamte Bevölkerung des Landes vor ihr verstecken würde. Aber diesen Aufwand würde wohl nicht einmal Gott betreiben. Da wäre es günstiger und effektiver, sie einfach dort zu behalten wo sie gerade war. Moment mal, darum ging es doch eigentlich gar nicht. Sie war schon wieder einmal mehr von einem anderen Thema beeinflusst worden, als sie es im Endeffekt wollte. Heute war es wirklich irgendwie schlimm. Hing vermutlich mit dem Umzug zusammen. „Nein, das wird es bestimmt nicht“, gab sie als kurze Rückmeldung von sich um das Thema der Reisen irgendwie schnell hinter sich zu bringen. Die Herkunftsfrage war, in diesem Aspekt, wohl eindeutig nicht die beste Idee der Blondine gewesen. Leider.
Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass sie die Geheimtipps von Damian wissen wollte. Zum einen um auf andere Gedanken zu kommen und zum anderen, weil es ein Interessanter und lustiger Gedanke war. Einer der Freude verbreitete und sie mit neuem Elan erfüllte. Vor allem das Lachen dabei tat unglaublich gut und war wie Balsam für ihre Seele. Zum anderen war das theatralische Schauspiel von ihrem Klassenkameraden ein wirklich willkommener Anblick für sie. Ihr Amüsement war eindeutig bis über beide Lippenspitzen zu erkennen. Insbesondere die zweite Enttäuschung, welche sie dem Italiener präsentierte, machte es hart für sie diese Mimik aufrecht zu erhalten und nicht direkt wieder in ihr amüsiertes Lächeln - wenn nicht sogar Lachen zu verfallen. „Ich weiß eben genau was ich will…“, gab sie nur gespielt provokant zurück, „…und das sind nun einmal deine Geheimtipps und nicht so viele Nudeln.". Dabei gab sie sich ebenfalls alle Mühen so zu wirken, als ob es wirklich das einzige auf der Welt wäre, was im Moment interessant war. Ein Versuch der vor allem von ihren Handgesten am Effektivsten getragen wurde. Übermäßige Übertreibungen waren im Moment schließlich die Spezialität beider Parteien gewesen und das würde wohl auch noch weiterhin so bleiben. Ein Ende war in jedem Falle nicht in Sicht, oder absehbar. „Aber vielleicht lasse ich mich dann ja doch noch überreden.“, machte die Pariserin einen Rückzieher und lehnte sich zurück an die Lehne ihrer Bank. „Immerhin muss ich doch irgendwo einsehen, dass das doch sehr gemein war und das wollte ich wie gesagt nicht.“. Dann folgte ein Seufzer als ob die Französin nicht wissen würde, wie sie Damian ihre Entschuldigung wirklich verklickern sollte. Dabei grübelte sie im Kopf gerade darüber wie man eine Konversation weiter aufbauen könnte.
Nicht das erste Mal, das Helena da drüber nachdachte. Es war nur die Tatsache, dass man sich kaum kannte und die Themen bis auf das kennenlernen sehr begrenzt waren. Hier schlug der Nachteil an, dass sie sich in ihrer Schulzeit nicht wirklich miteinander beschäftigt hatten. Eigentlich untypisch für sie, da sie doch sonst immer jedem Jungen hinterherrannte um einfach jeden einmal kennengelernt zu haben. „Sag mal…“, unterbrach sie jetzt die Stille, „…wie sieht es eigentlich in deinem Zimmer aus. Ich kenne nur mein eigenes.“. Das würde ihre Wenigkeit wirklich einmal interessieren. Außerdem, wann hatte sie mal die Gelegenheit in ein Jungenzimmer zu schauen? In naher Zukunft wohl nicht, so der Gedanke der jungen Dame. „Würde mich einfach mal interessieren, ob man da Unterschiede gemacht hat.“. Sie lehnte mich wieder nach vorne. So konnte man sich in diesem Falle aber auch noch einmal die Beine vertreten, ohne weit weg zu müssen. Den Speisesaal, so entsann sich Helena an den Anfang ihres Gespräches, musste man wohl nicht mehr besuchen.
Konnte man ihr Gespräch eigentlich noch als wirklich ernst gemeintes Gespräch betrachten? Wohl eher nicht. Solange niemand diese Unterhaltung störte, würde es wohl unter Team Korrupt bleiben, was vermutlich auch das Beste für alle Beteiligten war. Zu vielen Peinlichkeiten und Fettnäpfchen wollte sich der Italiener lieber nicht hingeben. Zwar war ihm bewusst, dass es sich wohl nicht auf Dauer vermeiden lassen würde, aber man musste es nicht gleich herausfordern. Helena würde sicher bei besagter Person für die Erpressung sorgen und Damian für die Einschüchterung in anderer Hinsicht. Seine Gedanken gingen ein wenig auf Wanderschaft in eine gefährliche Richtung. Da kam ihm die Ablenkung durch das blondhaarige Fräulein gerade recht. Sie profilierte sich gerade damit, dass sie genau wisse, was sie wollen würde. Dem konnte der Blondschopf wohl nicht widersprechen. Schließlich hatte sie schon oft genug ihren Standpunkt vertreten, wobei sie sich immer mal wieder in eine beliebige Richtung lenken ließ, wenn sie es denn selbst wollte. Immerhin wusste der Italiener woran er bei ihr war, wenn es denn einmal auf eine Italienreise hinauslaufen würde. Geheimtipps mit einer Brise Nudelgerichte. Italien hatte natürlich wesentlich mehr zu bieten als nur diverse Nudelgerichte. Schließlich gab es auch noch Pizza, Antipasti, Fisch und das wichtiges Eis und andere diverse leckere Süßspeisen. Ach, das ließ sein Herz ein wenig höher schlagen, natürlich auch Helenas Einsehen, dass es wirklich gemein war, was sie über die Nudelwoche gesprochen hatte. »Einsicht ist der beste Weg zur Besserung, das scheinst du immerhin zu wissen. Aber ich würde dich ja auch nicht zu etwas zwingen, was du nicht willst. Darum würde ich vorschlagen, dass wir das Essen ganz gut variieren können.«, lenkte nun auch Damian mit einem schiefen Grinsen ein. Er würde sicher selbst keine ganze Woche nur mit Nudelgerichten zubringen. Dafür gab es einfach genügend Auswahl und er wollte sich auf keinen Fall die Aussicht jemals wieder Nudeln zu essen mit einer kompletten Nudelwoche versauen.
Das Thema Reisen und Nudeln war wohl mit der nächsten Aussage von Helena beendet. Die Französin schien ebenfalls ziemlich neugierig zu sein, wobei sich Damian bislang noch keine wirklichen Gedanken darüber gemacht hatte, wie denn die Mädchenzimmer von Innen aussahen. Er hatte am frühen Morgen wahrlich andere Probleme zu bestreiten. Und es würde sich garantiert früher oder später herausfinden lassen. »Oho, du gehst aber ganz schön ran, was?«, grinste der Blondschopf und zwinkerte der Blondine zu. Diesen Kommentar konnte er sich einfach nicht verkneifen, auch wenn er vermutlich mehr als unangebracht war. »Wir können gerne einen Abstecher in mein Zimmer machen, dann kannst du deine Vergleiche anstellen und mir im Gegenzug verraten ob dein Zimmer anders ist, außer du ziehst es vor mir ebenfalls dein Zimmer zu zeigen.«, gab der Gelbäugige mit wackelnden Augenbrauen von sich. Seine Zimmerkameraden würden vermutlich zu dieser Zeit ebenfalls nicht im Zimmer sein, zumindest Lavi würde sich wohl nicht im Zimmer aufhalten. Frauenbesuch war sicher auch gegen seine Regeln, auch wenn er diese noch nicht weiter ausgeführt hatte. Damian hatte ihm auch wirklich keine Zeit dazu gegeben und ihn nur noch mehr auf die Palme gebracht mit seinen Aussagen. Die Regeln waren ja auch beknackt und irgendwann würde das auch noch der Spinatkopf einsehen. Doch darüber konnte er sich auch noch später Gedanken machen. Darum erhob er sich von der Bank, streckte sich einmal genüsslich durch und wandte sich dann wieder an Helena. Er streckte der Blondine seine Hand hin und fragte »Wollen wir, Mylady?« Immerhin musste er doch in seiner zugedachten Rolle des Schmierentheaters bleiben.
Ihr Blick legte sich etwas schief als der Blonde neben ihr noch der Meinung war, dass Einsicht der beste Weg zur Besserung sei. Natürlich war sie das, aber manchmal half es auch einfach seinen Dickschädel durchzudrücken. Nicht, dass die junge Dame das vorgehabt hätte. Es schwirrte ihr lediglich irgendwo im Hinterkopf herum. Ein kleiner, rebellischer Gedanke könnte man sagen und keinesfalls so wirklich ernst zu nehmen. Zumindest schien der Italien Urlaub letzten Endes doch noch in Trockenen Tüchern zu sein. Keine Ablehnung, es war ein Kompromiss, welcher das variieren des Speiseplans beinhaltete und mit einem leichten Nicken und zufriedenen Blick von der Französin angenommen wurde. Es war schon hart mit einem anderen zu verhandeln, wenn doch beide aus so einem Land der Leckereien stammten. Zumindest in diesem Moment ging es friedlich über die Bühne. „Da bin ich ja beruhigt. Ich verspreche auch nicht zu meckern und keine schlechte Laune über den Urlaub hinweg zu verbreiten.“, erwiderte die Blondine und grinste zurück in das Gesicht ihres Klassenkameraden. Das einzige was jetzt noch fehlte war ein Reisebüro und eine dieser schnulzigen Romanzen. Innerlich grinste sie über den Gedanken.
Und damit diese schlechte Romanze auch wirklich in Gang kam, war die Frage nach dem Zimmer doch wirklich berechtigt…nicht. Etwas peinlich berührt wandte die Engelin ihren Blick von Damian ab, als ihr selber auffiel, wie falsch man das eigentlich hätte verstehen können. Das Zwinkern der Blondschopfes war außerdem ebenfalls mehr als eindeutig gewesen. Nicht dass es sie wirklich aus der Bahn warf, aber sie schwankte ein bisschen in ihrer selbstsicheren Art. „Also…das…ehm…“, versuchte sie eine Antwort zu formulieren und suchte nach den richtigen Worten. „Jetzt wo der Urlaub geplant ist, muss ja schließlich auch der Rest stimmen.“, begründete sie sich dann selber in sehr überzeugendem Ton und verschränkte die Arme vor der Brust. Den Fakt verbergend das im inneren der Französin gerade so einiges drunter und drüber ging. Wäre ihre Mutter jetzt anwesend, so hätte sie vermutlich den schelmischen Kommentar mit den Hormonen einfach frei hinausposaunt. Das hätte sie sich in keinem Falle entgehen lassen. Nicht in so einem Moment. Um diesem Kopfkino und der Möglichkeit, Damian könnte auf die gleiche Idee kommen, zu entrinnen, richtete sie innerhalb weniger Sekunden ihre blauen Augen wieder auf sein Gesicht aus. Angriffsfläche verringern, das war das Motto der Pariserin in diesem Moment. Aber allein schon eine Sekunde danach wünschte sie sich das Gegenteil. Wenn er doch nur aufhören könnte mit den Augenbrauen zu wackeln! Es kam in gewisser Weise so lächerlich, wie überzeugend rüber und egal wie sie es versuchte, die Blondine kam einfach nicht darauf klar. Warum allerdings, das wusste sie selbst nicht. Es wirkte süß und irgendwie…egal! Innerlich schüttelte die junge Dame erstmal solche Gedanken aus dem Kopf! Es war in jedem Fall nicht gerade eine leichte Aufgabe für sie. „Auf jedem Fall werde ich dir mein Zimmer zeigen!“, entgegnete sie letzten Endes als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Sie wusste zwar nicht wie die anderen Mädels das hier handhaben würden, aber naja. „Ich habe schließlich keine übertriebenen Geheimnisse in meinem Zimmer.“. Zumindest hoffte sie das. Nein, ihre Kleidung war Ordnungsgemäß verpackt und somit außerhalb der Sichtweite von Besuchern. Außerdem hatte Damian bestimmt schon einmal allerhand Kleidung dieser Art gesehen. Ist ja nicht so, als würde es im Kaufhaus nicht auch einfach rumhängen. Was ihre Mitbewohnerinnen angeht…die hatten halt einfach Pech. Außerdem bezweifelte sie das die beiden, so jung wie sie aussahen, überhaupt an sowas dachten. Falls sie jemals auf die Idee kommen würden das ein Junge das Zimmer betrat. Sie grinste ein bisschen als sie sich diese symbolische „Ihhhh“-Aussage ausmalte, welches wohl jedes Geschlecht einmal in der Pubertät vor dem jeweils anderen hatte. Oder sie demontierten wieder die Kissen der Betten, das konnte auch sein. „Falls ich doch etwas dort rumliegen habe, behalt es für dich und tu so, als hättest du nichts gesehen.“, nun zwinkerte Helena zurück in sein Gesicht. Rache! Pure und befriedigende Rache! Falls es funktionieren würde.
Dennoch galt es nun sich auf den Weg in die privaten Gemächer zu machen. Mit einer gespielten Geste und im ersten Moment auch ohne großartige darüber nachzudenken, erwiderte sie die Aktion und legte dabei ihre zarte Hand beinahe gesteuert in die seine. „Aber selbstverständlich, mein Herr.“, erwiderte sie noch und versuchte dabei doch das Kribbeln in ihrer Hand zu ignorieren. Immerhin hatte sie so einen nahen Kontakt noch nicht mit Damian gehabt. Im Großen und Ganzen war es nichts Besonderes. Aber wenn man ihren Bekanntheitsgrad betrachtete, sie machten Sprünge, große Sprünge! Ohne von Sachen wie Alkohol beeinflusst zu sein! Davon aber ließ sie sich, äußerlich betrachtet, nicht das geringste anmerken, nahm es einfach hin und stand letzten Endes auch auf. Mit einem gekonnten Schwung war ihre Handtasche über ihre linke Schulter gehängt und sie war abmarschbereit. „Dann mal los, ich folge ihnen.“.
Gerade jetzt fiel ihr der Kommentar einer ihrer Lehrer in der Schule ein, während die beiden sich auf den Weg machten. Als er mit erhobener Stimme an der Tafel stand und sagte: “In der siebten Klasse können sie sich nicht leiden und in der achten siehst du sie irgendwo knutschend in der Ecke stehen.“. Wie Recht er hatte...und ein Grinsen breitete sich ungewollt in ihrem Gesicht aus während sie neben dem Blondschopf die Gänge entlang wanderte.
Die frische Nachtluft tat ihr sichtlich gut. Mit trägen Schritten, vom Rennen nur einen Teil, schleppte sie sich auf die hölzernde Veranda der Terasse und setzte sich am Ende dieser hin. Mit einem dumpfen Stoß trafen sich ihr Po, die Flasche und die hölzernde Veranda aufeinander. Die gläserne Flasche mit dem Whiskey hob die rosahaarige in die Höhe und schüttelte sie in einer kreisförmigen Bewegung. DIe braune Flüssigkeit, die im Grunde einem Eistee ähnelte lief gleichmäßig den Bewegungen nach machte erst dann halt als Momoi die Flasche ansetzte und sich einen weiteren kräftig, gezwungenen Schluck in die Kehle schob. Ob sie nun wirklich all dies hier wollte, wusste sie nicht mehr. Ob es nun an der Menge Alkohol lag, welchen sie nun wohl reichlich in ihr trug, oder der panische Ausdruck ihrerseits als die Menschen in Massen um sie herum waren oder die Reaktion Luanas auf ihre Art? Sie deutete nichts davon als reine Schuldzuweisung. Im Endeffekt liegt es ganz allein an Momoi.
Sie erinnerte sich. Diesen Himmel sah sie schon zum zweiten Mal in dieser Form. Kurz nach ihrer Anreise im japanischen Wohnheim. Es war dem hier ziemlich ähnlich. Nur weit aus älter und nicht so modern. Sie saß wie jetzt, auf einer Veranda und schaute teilnahmslos in den bewölkten Nachthimmel. Immer wieder schienen die Sterne durch und der Mond beleuchtete die großen Wolken, so dass sie aussahen wie Laternen. Es beruhigte sie wohl in gewisser Art und Weise. Alles war dort neu für sie gewesen. Die Sorge und die gefühlsvolle Art um sie herum. Es wirkte unglaublich fremd. Bisher war sie doch nichts anderes als ein Versuchsobjekt. Ein wohl ziemlich erfolgreiches. Nicht um Sonst wurde sie als ein Meisterwerk bezeichnet - ein Objekt das nur einem Nutzen dienen sollte. Nach ausführlichen Berichten und Aufzeichnungen, welche sie Jahre nach ihrer Befreiung zu Gesicht bekam war einfach alles erklärt worden. Man suchte Kinder aus deutschfremden Ländern heraus und ließ an ihnen Experimente durchführen um die Kriegstreiberen des dritten Reiches voranzubringen. Mythen, Sagen und Legenden waren die Grundlage dieser Experimente gewesen. Sich stützend auf mächtige Fabelwesen wie Drachen, Basiliken, Hypogreifen, untoten Soldaten und und und, begann man damit auf verschiedenste Art und Weise ihnen ihre eigene Form zu entreißen.
Oft dachte sie nach. Darüber wieso es ihr gelungen war ihre menschliche Gestalt zurück zu erlangen. War es die Willenskraft oder Verzweiflung? Sie seufzte und nahm die nun sich leerende Flasche wieder an den rötlichen Mund. Das Leben erschien ihr wohl einfach zu lang um sich weiter darüber im Moment Gedanken zu machen. Der brennende Whiskey füllte ihre Kehle und erst als sich der gute Tropfen seinem Ende näherte, schloss Momoi die Augen und überdachte einiges. In all den Jahren gab es niemanden der ihr wirklich nah kam. Niemand der versuchte sie zu mögen oder sie gar zu lieben? Doch was war Liebe? Sie dachte kurz daran wie sie Luana abgeschleckt hatte. Könnte man sowas als eine Art von Kuss bezeichnen? Sie wurde dezent rot als sie daran denken wollte. Sie streckte ihre Zunge heraus und leckte sie die Hand ab. Diese hob sie in die Luft und starrte sie an. "Ich bin verrü.. verrückt.", lallte sie nun wirklich und freute sich darüber. Sie war ein seltsames Mädchen mit einer noch seltsameren Vergangenheit. Vielleicht war ihr Körper immun gegen die Alterung, doch ihre Psyche? War es denn so sicher, dass sie nicht in einen Status des Wahnsinns fiel?
Trotz des pausenlosen Kopfzerbrechens auf dem Weg zur Terrasse bekam Jacob noch immer keine gescheite Formulierung auf die Reihe. Alles klang entweder viel zu heftig, oder als wäre das keine große Sache und vollkommen egal. „Es tut mir leid, aber dein Freund wurde beim Angriff der Werwölfe offenbar zu ihrem kleinen Nachtisch“, wäre definitiv nicht für die Öffentlichkeit geeignet. Auch, wenn es die Situation wohl am besten beschreiben würde. „Leider muss ich dir mitteilen, dass er sich nie von dir verabschieden wird“, klingt auch nicht besser. Man konnte es missverstehen und es dazu noch viel zu kitschig. Oder war Kitsch grade das, was so ein junges Mädchen brauchte? Entnervt seufzend öffnete der Lockenkopf die Tür zum Außenbereich. Das konnte doch nicht so schwer sein. Wie machen das denn die ganzen Notärzte, wenn ihnen der Patient unter den Händen wegstirbt? Die hatten es ja noch schwerer, immerhin waren sie zum Teil am Sterben der Person schuld. Zumindest, wenn sie nicht alles gegeben haben – was hoffentlich nicht oft vorkommt. Trotz allem ist es nur schwer vorstellbar, dass das ohne weiteres an dieser Berufsgruppe vorbeizieht. Leider kannte Jake niemanden in dieser Branche, sonst hätte er schnell um einen Rat gebeten. Da musste er nun alleine durch, da sein Kollege sich ebenfalls als nicht Hilfreich herausstellte. An der frischen Luft angekommen, schweiften die goldfarbenen Augen zunächst über die nähere Umgebung. Zwar konnte der neue Erzieher schon auf seiner kleinen Führung durch das Wohnheim kurz auf die Terrasse sehen, doch war es bei Tageslicht noch einmal ein ganz anderer Anblick. Bis auf das Zwitschern einiger Vögel war es mucksmäuschenstill und eine leichte Brise ließ Grashalme und die Blätter der Bäume sanft hin und her wippen. Wie lange es wohl noch so bleiben würde? Nachdem Jake noch einen kurzen Blick auf die Uhr seines Handys geworfen hatte, ließ er sich auf einem der Gartenstühle nieder. Lange würde @Ivy sicherlich nicht mehr auf sich warten lassen. Doch wenn man sich schon mal im Freien aufhielt, konnte man das direkt nutzen. Während der Vampir sich mit der rechten Hand die Schachtel Zigaretten und das Feuerzeug aus der Jackentasche angelte, zog er mit der linken den Aschenbecher vom Tisch etwas näher heran. Er sah noch relativ unbenutzt aus, doch das würde sich bald ändern. Den Blick kurz auf die Tür richtend, steckte sich Jake einen der Glimmstängel in den Mund und verfrachtete den Rest wieder in seine Jackentasche. Genau in diesem Moment kam ihm die zündende Idee. Vielleicht musste man Ivy gar nicht direkt sagen, dass Jaiden gestorben ist. Vielleicht würde schon eine kleine Andeutung reichen und sie kommt von alleine darauf? Nun musste er sich nur noch schnell überlegen, wie man das am einfachsten ausdrücken konnte. Vielleicht etwas, das sagt, Jaiden wacht nun von einem anderen Ort aus über sie? Wäre zwar etwas Klischeehaft, klingt aber weit weniger schlimm als all die anderen Formulierungen, die ihm schon in den Sinn kamen. Mit einem groben Plan im Hinterkopf entzündet Jake das Feuerzeug und hält es für einen kurzen Augenblick an das andere Ende der Zigarette, bis diese zu Qualmen beginnt. Den ersten Zug nehmend, lehnt er sich entspannt zurück und wartet nun auf das Eintreffen des unwissenden Mädchens.
Ivy war der unangenehmen Situation mit Travis schnell ausgewichen und der Unterricht war einfach fortgefahren. Sie hatte nicht mehr wirklich mitgemacht und es dauerte gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis der Unterricht endlich vorbei war, doch dann bekam sie die freudige Nachricht von Jacob. Endlich würde sie wissen, wo Jaden steckte. Vielleicht hatte er sie auch einfach nicht erreichen können? Vielleicht wollte er aber auch gar nichts mehr von ihr wissen? Sie seufzte, während sie sich auf dem Weg zum Treffpunkt machte. Sie war sich sicher, dass Jacob ihr nur frohe Botschaften bringen würde. Sie konnte sich einfach beim besten Willen nicht vorstellen, dass etwas Schlimmes passiert wäre. Eine logische Erklärung würde nun folgen, warum Jaden nicht in Verbindung treten konnte und dann würde sie einfach wieder versuchen mit ihm in Verbindung zu kommen und dann würde alles wieder gut werden. Mit fröhlicher Miene kam sie auf die Terrasse und Jacob war am rauchen. Hallo! Entschuldigung für die Verspätung! Sie kam auf Jacob zu und lächelte. Rauchen ist aber ungesund. sagte sie dann in einem eher besorgtem Ton, als dass sie das hätte Böse gemeint. Und? fragte sie freudig aufgeregt. Was ist mit Jaden?
Selbst nach einer gefühlten Ewigkeit fehlte von Ivy noch immer jede Spur. Der Blick auf die noch kaum aufgebrachte Zigarette zeigte ihm aber deutlich, dass es sich eben nur so anfühlte. Irgendetwas musste er doch noch tun können, bevor das Mädchen hier eintraf. Den Rauch zur Seite pustend, sah er in Richtung Terrassentür. Kein Schüler weit und breit - abgesehen von denen, die sich mit Tyrus im Foyer aufhielten. Ob die Zeit reichen würde, dass er noch einmal kurz verschwand? Warum eigentlich nicht. Einen vorerst letzten Zug der Zigarette nehmend, befestigte er sie in einer Vertiefung des Aschenbechers, damit sie noch weiter glühen konnte. Lange wäre er ja nicht weg. Eiligen Schrittes betrat er wieder das Wohnheim und machte einen Abstecher in den Speisesaal. Dort trieb er zunächst einen Kaffee für sich selbst auf. Nach einem kurzen Gespräch mit der Küchendame bereitete sie ihm für Ivy noch einen leckeren Früchtetee zu. Mit zwei Tassen bewaffnet, machte sich der Vampir wieder auf den Rückweg. Ob sie nun schon auf ihn warten würde? Doch noch immer waren keine weiteren Schülerstimmen zu hören. Ein leises Seufzen entglitt ihm, er hasste diese Situation. Es war fast so, als würde er nur darauf warten, einem kleinen Mädchen das Herz zu brechen. Keine tolle Vorstellung. Warum war ausgerechnet er auf der Party? Hätte da nicht noch ein anderer Erzieher sein müssen? Immerhin ist er dort nur durch Zufall aufgekreuzt, doch das war ein anderes Thema. Vielleicht sprach er das bei Gelegenheit mal an. Die Terrassentür erreichend sah sich der Erzieher kurz nach einer sich nähernden Gestalt um – erneut ohne Erfolg. Mit dem Fuß schob er die Terrassentür auf und balancierte die zwei Tassen zum Tisch hinüber, wo sie sicher abgestellt wurden. Zu seiner Freude glühte die Zigarette noch immer munter vor sich hin, sodass sie direkt wieder in seinen Mund wanderte. Genau in dem Moment, in dem er es sich wieder gemütlich machte, öffnete sich die Tür. Zu Jakes Bedauern war Ivy offenbar bester Laune und hatte einen tollen Schultag hinter sich. Was ein Dreck, ging ihm durch den Kopf. Dennoch schenkte er dem Mädchen ein Lächeln. Sie entschuldigte sich sogleich für ihre Verspätung, die Bemerkung über das Rauchen wurde gekonnt ignoriert. „Setz dich doch erst mal.“ Mit einer kleinen Geste deutete er auf den freien Stuhl, vor dem die noch unberührte Teetasse auf dem Tisch stand. Währenddessen nahm er den letzten Zug und drückte den noch glühenden Stummel in den Aschenbecher, bis der Rauch verschwand. „Ich hab mit einem Kollegen gesprochen, der Jaden kannte. Er konnte mir sagen, was mit ihm passiert ist.“ Er machte eine kurze Pause und musterte das Mädchen. „Ihr standet euch wirklich sehr nah, oder?“ Doch es würde auf Dauer nichts bringen, um den heißen Brei zu reden. Jacob griff nach der Tasse Kaffee und setzte sie an seinen Lippen an. Nach einigen Schlucken senkte er sie wieder und stellte sie auf den Ausgangspunkt zurück. Nun hieß es, Augen zu und durch. „Es tut mir wirklich leid, dir das mitteilen zu müssen. Jaden kam bei dem Angriff ums Leben. Er hat dich also nicht gewollt ignoriert.“ Aufmerksam musterte er das Mädchen und versuchte, ihre nächste Reaktion voraus zu sehen. Würde sie in Tränen ausbrechen, laut protestieren oder es stillschweigend hinnehmen? Letzteres wäre anhand der Beziehung zwischen den beiden eher unwahrscheinlich. So bereitete er sich in Gedanken auf ein paar unschöne nächste Minuten vor.