Teilnehmer: Ivy Rhodes, Mikhail Wolkov Startort: Die große Wiese im Park Zeitpunkt: 10. Mai 2015, später Nachmittag bis Abend Beschreibung: Nach einigen zufälligen Begegnungen, die in beidseitiger Sympathie endeten, begeben sich Ivy und Mike auf ein geplantes Rendezvous im Park. Die Stimmung ist heiter und es fliegen sogar einige Fünkchen, bevor die Lage eine unerwartete böse Wendung nimmt. Der Konflikt schaukelt sich hoch, bis die vermeintlichen Turbeltauben sich als Werwolf und Drache gegenüber stehen und der Topf endgültig überkocht.
Ivy hatte irgendwann total das Zeitgefühl verloren. Waren es Minuten oder Stunden gewesen? Wahrscheinlich nur ein paar Minuten. Sie hatte ihren Kopf auf ihre Knie gelegt und dabei darauf geachtet, dass sowohl das Handy, als auch das Sandwich sicher in ihren Händen waren. Vor Erschöpfung fielen ihr immer wieder die Augen zu, doch sie versuchte krampfhaft wach zu bleiben. Was wenn Mike kommen würde und einfach wortlos sein Handy nehmen würde, weil er noch so sauer auf sie gewesen war? Nach einer Weile jedoch hatte sie den Kampf eindeutig verloren und war langsam aber sicher eingeschlafen. Sie hatte nichts geträumt, es war alles einfach nur schwarz und leer und besonders kalt. Die Kälte lag wahrscheinlich einfach an ihrer richtigen Umgebung.
Doch plötzlich spürte sie eine Wärme an ihren Schultern und eine Stimme flüsterte etwas. Langsam hob sie ihren Kopf und sah Mikes Gesicht vor sich. In der Dämmerung konnte sie seine glasigen Augen sehen und sie musste schlucken. Ihre Schminke war ein wenig verwischt vom weinen und ihre Augen sahen müde und erschöpft aus. Mike? fragte sie einen Moment unglaubwürdig und fing dann an zu lächeln. Ich hab das Sandwich für dich aufbewahrt, ich hoffe es schmeckt dir noch! Sagte sie leise und wusste nicht, ob sie fröhlich sein sollte oder nicht. Was würde Mike sagen? Würde er ihr vorwerfen, dass sie ihn verletzt hatte? Würde er vielleicht gar nicht mehr mit ihr reden wollen? Vorsichtig hielt sie ihm das Sandwich hin und dann auch sein Handy. Ich hab dein Handy gefunden. sagte sie leise und schaute kurz zur Seite. Dann konnte sie nicht mehr an sich halten und die Worte sprudelten einfach so aus ihr heraus. Mike, es tut mir so unglaublich Leid. Ich weiß gar nicht wie es dazu kommen konnte. Ich habe die Kontrolle verloren und konnte es einfach nicht verhindern. Dann sah sie ihn besorgt an. Geht es dir gut? Ich hab dich getroffen und dein Jaulen hat mich wieder zurückgeholt. Ich hoffe dir geht es gut. Hab ich dir wehgetan? Ich war so dumm, bitte verzeih mir. Ich werde dich gesund pflegen, wenn ich dir wehgetan habe. Jeden Tag mach ich dir Sandwiches und Suppe und kümmer mich um dich und... es schien so, als würde sie gar nicht mehr aufhören zu reden. Dann sah sie ihn traurig an. Bitte hass mich nicht, ich will dich nicht verlieren.
Ivy schien mindestens so überrascht darüber zu sein, dass Mike zurückgenommen war, wie er überrascht darüber war, dass sie immer noch hier saß. Ihr Lächeln traf ihn wie aus dem Nichts. Mit einer wütenden Standpauke hatte er zwar auch nicht gerechnet, doch mit Wiedersehensfreude irgendwie auch nicht. Dann wiederum wusste er sowieso nicht, was er erwartet hatte, weil er nicht ahnen konnte, Ivy hier vorzufinden. Er nahm den Moment und seine und ihre Gefühle also einfach so wie sie kamen. „Danke“, brachte er mit brüchiger Stimme, jedoch nun etwas lauter, hervor. Sein Hals war trocken und rau, doch er traute sich nicht, sich zu räuspern. Er nahm erst sein Handy an sich, versicherte sich allerdings nicht über dessen Zustand. Im Moment war es ihm egal, ob der Bildschirm zersprungen oder das Gerät gar einen Totalschaden erlitten hatte. Damit konnte er sich später noch beschäftigen. Schließlich griff er nach dem Sandwich, das zwar schon bessere Tage gesehen hatte, jedoch nicht auseinanderfiel und definitiv noch genießbar war. Mike würde es auch essen, wenn es mit Dreck überzogen wäre. Er hatte einen Mordshunger, doch in erster Linie Ivy zuliebe. Immerhin hatte sie das Sandwich für ihn aufbewahrt. Bevor er hineinbeißen konnte, begannen allerdings die Worte nur so aus Ivy herauszusprudeln. Sie entschuldigte sich wieder und wieder und schwor ihm Suppen und Sandwiches bis ans Lebensende zuzubereiten, als Wiedergutmachung. Wäre die Situation nicht so ernst, hätte Mike sich ein Lachen vermutlich nicht verkneifen können. Sie war so süß, wenn sie überdreht war. Doch er hatte auch das Gefühl, dass sie die Lage für sich selbst überdramatisierte. Wenn sie so weitermachte, würde sie hyperventilieren und das wollte er auf keinen Fall. Ja, ihr Konflikt war passiert und er war nicht schön gewesen. Aber es tat ihnen beiden leid und sie hatten im Affekt gehandelt. Also rutschte er rüber, sodass er Ivy gegenübersaß und legte das Sandwich erst einmal ab. Er würde die 3-Sekunden-Regel einfach auf drei Minuten erweitern. Dann umschloss er Ivys Gesicht mit seinen Händen. Ihre Haut fühlte sich so kalt an unter seinen Fingerspitzen, dass er für einen Moment besorgt die Augenbrauen zusammenschob. „Atme erstmal tief durch, okay? Mir geht’s gut. Du hast mir nicht wehgetan, egal, wie sehr es danach aussah, das schwör‘ ich.“ Er sah ihr tief in die goldenen Augen. Wann war er so mutig geworden? Vielleicht flossen wegen des Kampfs noch Stresshormone durch seine Venen. „Und guck mich nicht so traurig an. Wie kann ich jemanden hassen, der stundenlang mit einem Sandwich auf mich gewartet hat, nachdem ich einfach abgehauen bin? Was mir übrigens… wirklich leidtut.“ Er biss sich auf die Unterlippe und schaute kurz zur Seite. Dann senkte er die Hände wieder, was unweigerlich dazu führte, dass sein Blick zu Ivys Wunde wanderte. Hoffentlich bekam sie keine Narbe auf der Wange! Er nahm das Sandwich, pustete einmal und teilte es in der Mitte durch, um Ivy eine Hälfte anzureichen. „Hier. Wir verpassen das Abendessen.“ Er inhalierte seine Hälfte fast augenblicklich. Es schmeckte etwas aufgeweicht, aber das störte ihn nicht. Er konnte die Liebe darin noch mehr herausschmecken, als bei ihrem Picknick.
Für einen Augenblick sah Ivy Mike an und konnte nicht deuten, ob er sein Danke auch wirklich so meinte. Seine Stimme klang so rau, vielleicht war er doch noch sauer auf sie und nahm es nur widerwillig an? Sorge machte sich breiter und sie versuchte sich selbst zu beruhigen. Erst einmal abwarten, was er sagt, Ivy. Sprach sie quasi zu sich selbst. Es machte sie doch deutlich glücklicher, dass er das Sandwich nahm, als sie gedacht hatte. Eigentlich hatte es nicht so viel Sinn gemacht es aufzubewahren, vielleicht schmeckte es gar nicht mehr, doch Mike wollte es noch und das erfüllte sie mit Freude. Sie überreichte ihm sein Sandwich und sein Handy. Dann rückte er plötzlich so, dass sie sich gegenüber saßen und seine Hände berührten ihr Gesicht. Sie waren angenehm warm, genauso wie seine Jacke, die sie über den Schultern hatte. Sein Blick erwärmte sie noch mehr und sie wurde etwas rot. So tief hatten sie sich noch nie in die Augen geschaut und deshalb färbten sich ihre Wangen ein wenig rötlich. Seine Augen hatten Ivy schon immer fasziniert, da sie verschiedene Farben hatten, doch nun schauten die Augen zurück und sie fühlte sich für einen Augenblick so, als wäre sie in einer anderen Welt. Ich... ich bin froh, dass ich dir nicht wehgetan habe. Sie lächelte leicht und bei seinen nächsten Worte konnte sie nicht anders, als ihn quasi anzustrahlen. Sie hatte sich solche Sorgen gemacht, dass er sie hassen würde und nun verneinte er dies einfach. Sie war so erleichtert gewesen. Du bist ja wiedergekommen, also zählt das nicht. Sie streckte ihm die Zunge raus und grinste. Das Sandwich hat allerdings auch schon bessere Ta... bevor sie ihren Satz zuende sprach, hatte er es bereits geteilt und seine Hälfte gegessen. Sie lächelte ihn sanft an. Ich hoffe es schmeckt trotzdem. Sie biss langsam und mit einem Dauergrinsen im Gesicht in ihre Hälfte rein. Das Date hatte so gut angefangen und hatte so einen katastrophalen Mittelteil gehabt, doch dieses Ende war dennoch eines der Besten. Sie hatte ein Sandwich, einen gutaussehenden Kerl bei sich und seine wirklich gut riechende Jacke um ihre Schultern. Sie beugte sich vor und gab Mike einen schüchternen kurzen Kuss auf die Wange. Danach setzte sie sich wieder normal hin und biss mit hochrotem Kopf in ihr Sandwich.
Der Tag hatte sich wirklich noch irgendwie zum Guten gewendet. Ivy strahlte heller als der Mond, der allmählich die Sonne ablöste und — ohne sentimental werden zu wollen — Mike würde ihr Gesicht gern länger zwischen seinen Fingern halten und es einfach nur ansehen. Aber das wäre komisch. Oder vielleicht auch nicht… er war sich nicht sicher, denn es war schließlich immer noch ein Date. Wenn auch ein Date, mit einem missglückten Mittelteil und einer langen Werbeunterbrechung. Aber er wollte letztlich nicht riskieren, dass die Stimmung zwischen ihnen merkwürdig wurde, also nahm er lieber wieder etwas Abstand von Ivy. Zumal er auch noch die Hälfte seines Sandwichs essen musste, damit es nicht völlig von der Feuchte aufweichte. „Schmeckt fast besser als vorher“, lächelte er, nachdem er seinen Teil verputzt hatte. Vielleicht hätte Mike doch behaupten sollen, dass Ivy ihn verletzt hätte, um eine lebenslange Sandwich-Versorgung zu bekommen. Die Vorstellung klang durchaus verlockend, sollte aber wohl besser eine Fantasie bleiben. Aus mehr Gründen, als er an einer Hand abzählen konnte. Während er noch kopfmäßig bei dem Sandwich war und dabei gedanklich etwas abgedriftet war, bemerkte er erst gar nicht, dass Ivy sich nach vorn lehnte. Mike blinzelte ein paar Mal, um sich wieder ins hier und jetzt zurück zu rufen und erstarrte, als Ivy ihm ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Wange drückte. Für andere Gleichaltrige war das wahrscheinlich nichts Besonderes, doch für den Werwolf war das das Epitom eines gelungenen Dates. Was konnte er mehr erwarten? Mike schluckte und unterdrückte das Bedürfnis, sich die Hände vors Gesicht zu halten, um seine rötlich gefärbten Wangen zu kaschieren. Er warf Ivy einen kurzen, verlegenen Blick zu und lächelte schließlich selig vor sich hin, während er seine Hand auf ihren Handrücken schob. Sein Herz pochte so stark, dass es beinahe mehr wehtat als jegliche Treffer, die er im Kampf kassiert hatte. „Irgendwann will ich dich wieder als Drachen sehen, wenn wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel wollen“, sagte er nach einer etwas längeren Pause und schmunzelte. „Ich hatte gar keine Zeit, dich richtig anzuschauen.“ Kein Wunder, wenn man herumjagte, wie von der Tarantel gestochen. Allerdings erinnerte Mike sich noch daran, wie beeindruckend Ivys Drachengestalt ihm erschienen war. Allein schon die Größe. Er würde sie gern einmal ablichten, wenn sich die Gelegenheit bot.
Ivy musste einfach lächeln, als er meinte, dass das Sandwich fast besser als vorher geschmeckt hatte. Es war auch immer hin nicht nur irgendein Sandwich gewesen. Sie hatte es mit Liebe vorbereitet und es hatte den katastrophalen Mittelteil ihres Dates unbeschadet überlebt. Somit war es quasi schon ein Symbol der Rettung! Naja ein wenig übertrieben vielleicht, aber es fühlte sich dennoch so an. Hatte sie Mike gerade wirklich einen Kuss auf die Wange gegeben? Sie wusste nicht genau woher sie den Mut zusammen genommen hatte und noch, wann sie überhaupt auf die Idee gekommen war. Doch bevor sie sich überlegen konnte, ob es Mike vielleicht gefallen würde oder doch nicht, hatte sie es einfach schon getan. Nun saß sie da mit hochrotem Kopf und ihr Herz schlug so schnell, dass sie sich sicher war, dass Mike es vielleicht sogar schon hören konnte. Verlegen sah sie zu ihm rüber, um zu erkennen, welche Reaktion er zeigte. Er wurde ebenfalls ein wenig verlegen und Ivy musste grinsen. Er war einfach zu süß gewesen. Schüchtern sah sie wieder weg und spürte dann seine angenehm Warme Hand auf ihrer kalten. Ihr Herz schlug noch stärker und für einen kurzen Augenblick hielt sie die Luft an aus Freude. Er hatte sie nicht abgewiesen und zusätzlich hatte er auch noch ihre Hand genommen. Was für ein triumphales Ende! Oder war das Date überhaupt zuende? Sie saßen eine Zeit lang so und Ivy wünschte sich, dass sie noch länger so sitzen bleiben könnten. Sie genoss Mikes Nähe und seine Berührungen. Das sie für einige Momente einfach gar nichts gesagt hatten störte Ivy auch nicht, es war immer hin keine unangenehme Stille gewesen.
Ivy sah zu Mike rüber und grinste. Wenn ich das unter Kontrolle kriege können wir das gerne mal machen. Dann könnte ich mit dir auch mal eine Runde fliegen! Das macht bestimmt Spaß! sagte sie fröhlich und schaute einen Augenblick in den Himmel. Sie hatte es so sehr vermisst einfach nur im Himmel zu sein und von dort aus alles zu beobachten. Sie flog einfach viel zu gerne, doch nun hatte sie keine Kontrolle mehr über sich und wenn sie diese wiederbekam, hatte sie einfach keine Kondition mehr um so lange in Drachengestalt zu bleiben. Vor ihr lag noch so viel Arbeit.
Die Stimmung war ganz anders als zu Beginn ihres Dates. Mike hatte sich nervös gefühlt und seine Anspannung nach außen hin durchscheinen lassen, da war er sich sicher. Bestimmt hatte er Ivy mit seiner Nervosität ebenfalls verunsichert. Zwar war er nun nicht tiefenentspannt, doch die Aufregung hatte sich fast vollkommen gelegt. Sie hatten einander ihre schlimmste Seite offenbart und diese Erkenntnis beruhigte ihn irgendwie. Es fühlte sich fast so an, als hätten sie sich nackt gesehen. Keine Geheimnisse mehr. Na ja, da war noch die Sache mit seinem Fluch, aber dieses kleine Detail beschäftigte ihn gerade eher weniger. Er nahm einfach den Moment auf – Ivys weiche Hand unter seiner Handfläche, ihr heftig pochendes Herz und die verlegene Röte auf ihren Wangen. Und diesen Moment konnte ihm sein Fluch nicht kaputt machen. „Ich besorge uns zur Sicherheit schon mal einen Fallschirm“, entgegnete er und lachte leise über die Vorstellung, wie sie gemeinsam strampelnd in der Luft hingen. Der Gedanke, in die Luft abzuheben, schüchterte ihn ein. Er mochte seinen festen Boden unter den Füßen. Aber wenn Ivy ihn zu einem Rundflug einlud, konnte er kaum nein sagen. Doch wie lange es dauern würde, bis sie ihre Verwandlung unter Kontrolle hatte? Das konnte er unmöglich einschätzen. Immerhin konnte Mike nicht einmal sagen, wie lange es bei ihm noch dauern würde, bis er sich kontrollieren konnte. „Nein, Spaß. Ich freu mich drauf“, schloss er ab und lächelte Ivy bewusst an. Sein Blick ruhte für einige Sekunden auf ihr, bevor er wieder in die Landschaft schaute. Es wurde immer dunkler und bald würde die Sonne vollständig verschwunden sein. Für ihn kein Problem; er konnte sich im Dunkeln ganz gut orientieren und würde sie schon zurück zum Wohnheim lotsen. Mike strich mit dem Daumen sachte über Ivys Hand. „Ist dir kalt? Wir müssen bald zurück, bevor es auffällt“, seufzte er, hatte jedoch keine Absicht aufzustehen. Würde man sie so spät zusammen das Wohnheim betreten sehen, würden in Windeseile Gerüchte kursieren. Normalerweise interessierte es Mike nicht, wer welche Halbwahrheiten über ihn fabrizierte, weil es sowieso schnell in Vergessenheit geriet. Bei Ivy war es aber sicher etwas anderes. Er wartete dennoch erst ihre Stellungnahme ab. Vielleicht hatte sie es ja auch nicht eilig unbemerkt zurück ins Wohnheim zu kommen.
Ivy hatte ein wenig darüber nachgedacht, wie viel sie noch üben musste, um mit Mike mal so einen Ausflug zu starten und es frustrierte sie schon, dass sie noch so lange brauchte. Doch sie war zuversichtlich, dass sie bestimmt sich noch einmal mit Mike treffen würde. Es lief heute bei weitem nicht alles nach Plan, aber am Ende zählte nur der Ausgang und sie hatten so einiges miteinander erlebt. Nicht jeder konnte von sich seinen Freunden behaupten, dass sie schon mal gegeneinander gekämpft hatten. Zwar klang das im ersten Moment sicherlich nicht gut, doch im Endeffekt schweißte es sie doch nur noch näher zusammen. Ivy spürte Mikes Aufregung und sie war sich sicher, dass er ihre auch spüren konnte. Allerdings war es keine unangenehme Stimmung, weshalb diese Anspannung Ivy gar nichts ausmachte. Innerlich wollte sie immer noch in die Luft springen vor Freude, dass Mikes Hand nun auf ihrer lag. Es war zwar an sich nur eine Kleinigkeit gewesen, doch für Ivy bedeutete dies schon eine Menge. Sie grinste Mike an und kicherte. Besser ist das! sagte sie fröhlich und schaute kurz zu Boden. Ich freu mich auch schon darauf! Du wirst bestimmt staunen, wie schön es dort oben ist! Sagte sie aufgeregt zu ihm. Sie liebte den Himmel und wenn sie könnte, würde sie ihre ganze Freiheit nur dort verbringen, doch nun schon seit über einem Jahr konnte sie dies gar nicht mehr erleben und der Weg bis zu ihrer alten Kondition würde sehr hart werden. Sie begegnete Mikes Blick, der einige Momente auf sie ruhte und sie sah ihn ebenfalls verlegen an, danach richtete sie den Blick ebenfalls auf die Landschaft und ihre Wangen wurden noch ein Tick röter. Schon allein der Blick brachte sie in Verlegenheit. Bei seinen nächsten Worten rückte Ivy ein wenig näher an Mike, sodass ihre Schultern sich leicht berührten. Der Boden war zwar kalt, doch sie hatte immer noch Mikes Jacke um die Schultern und Mike an sich war auch angenehm warm. Sie wollte diesen Augenblick eigentlich gar nicht unterbrechen. Sie lächelte ihn an. Also mir ist nicht kalt. sagte sie leise und sah ihn dann aber besorgt an. Ist dir etwa kalt? Möchtest du deine Jacke zurück? Dann sah sie wieder in die Ferne. Sie würde Mikes Jacke nur ungern wieder abgegeben, im Gegenteil sie hatte schon überlegt, wie sie sie einfach unbemerkt mit auf ihr Zimmer nehmen würde, einfach nur, damit sie Mike möglichst bald wiedersehen konnte, weil er vielleicht unbedingt seine Jacke brauchte. Von mir aus können wir noch hier bleiben. Ich denke wenn es dunkel wird, haben wir eh noch viel bessere Chancen unbemerkt ins Wohnheim zu kommen. Dann sah sie Mike verlegen an. Außerdem finde ich es mit dir hier sehr schön. Sagte sie schüchtern.
Ivys Vorfreude war schon ein wenig ansteckend, das musste Mike zugeben. Er war neugierig, wie die Welt von oben aussah. Zwar war er schon einmal mit einem Flugzeug geflogen, doch er war damals nicht in der Stimmung gewesen, die Aussicht zu bestaunen. Das musste dringend nachgeholt werden und wieso nicht vom Rücken eines Drachen aus? Außerdem konnte nicht jeder von sich behaupten, auf einem Drachen geflogen zu sein. Es wäre eine krasse Geschichte, mit der er nicht nur prahlen könnte, sondern eine, die ihn mit Ivy verband. Genau wie ihr Kampf, nur auf eine positivere und weniger schmerzhafte Art und Weise. Er bemerkte, dass Ivy näher an ihn heranrutschte. Sie saßen quasi Schulter an Schulter, sodass Mike ziemlich sicher war, dass seine Körperwärme auf die Blauhaarige übergehen musste. Leider war er kein menschliches Lagerfeuer. Sein Körper war nur wenige Grad wärmer, als der eines Normalsterblichen und früher oder später würde Ivy trotzdem beginnen zu frieren. Doch er schenkte ihrer Aussage vorerst Glauben. Immerhin waren sie im Mai und die Sonne war gerade erst untergegangen. Da erlitt noch niemand Frostbeulen. Auf ihre Frage hin, schüttelte er nachdrücklich den Kopf. „Mir ist nie kalt. Wir haben das wohl irgendwie im Blut. Behalt die Jacke solange du willst“, entgegnete er sanft. Dann dachte er kurz daran zurück, wie er von dem eisigen Atem eingehüllt worden war. Das war das erste Mal gewesen, dass ihm in seiner verwandelten Gestalt etwas frostig um die Schnauze geworden war und allein dafür hatte er Respekt vor Ivys Kräften. Sie sagte, dass sie gern bleiben würde und überraschte Mike damit ein wenig. Sie saß schon seit Stunden hier und wollte trotzdem noch sitzen bleiben? Etwa wegen ihm? Ein seltsames, ungewohntes Gefühl ließ seinen Bauch kribbeln und seine Hände noch etwas wärmer und beinahe etwas klamm werden. „D-Dann können wir noch hierbleiben.“ Mehr brachte er gerade nicht über die Lippen, ohne Gefahr zu laufen, erneut zu stottern. Vielleicht musste er auch gar nicht viel sagen. Worte hatten schließlich erst dazu geführt, dass sie sich gestritten hatten. Er atmete leise aus und neigte den Kopf leicht in Ivys Richtung und lehnte sich vorsichtig an. Wäre er größer, könnte sie ihren Kopf auf seine Schulter legen… hätte, hätte, Fahrradkette. Man musste damit arbeiten, was man hatte. „Wir müssen das wiederholen. Ohne den Mittelteil, nur das hier. Und vielleicht die Sandwiches. Sag ja“, schmunzelte er und schloss für einen Moment die Augen, um nur Ivys Atmung und ihren süßen Duft wahrzunehmen.
Ivy freute sich schon darauf, wenn sie gemeinsam die Welt von oben sehen konnten und bemerkten, wie klein sie alle eigentlich nur waren. Man fühlte sich einfach so frei Himmel und sie hoffte, dass Mike genauso fühlen würde wie sie, wenn sie es tatsächlich einmal geschafft hatten in den Himmel zu fliegen. Viele fürchteten sich vor der Höhe, doch Ivy würde sicher sein, dass Mike auf ihrem Rücken keinerlei Gefahr drohte. Es würde nicht wieder so passieren, wie bei Jaden, dass ein Vogel ihre Kette klaute und sie einfach vom Himmel fielen, immer hin hatte sie dann die Verwandlung auch ohne Kette drauf. So einer Gefahr würde sie niemandem mehr aussetzen. So lange ich will...? Sie grinste ihn an und kicherte leicht. Natürlich würde sie die Jacke sofort wieder hergeben, wenn Mike sie brauchte, doch wenn er einfach nichts sagte dann... naja ups? Naja du bist immer warm und ich bin immer kalt. Sie kicherte. Was das doch für eine Ironie war, sie waren wie Feuer und Eis. Verwundert schaute sie Mike kurz an, als sie bemerkte, dass er seinen Kopf an sie lehnte, doch dann lächelte sie nur sanft und lehnte sich auch ein wenig an ihn heran. Fröhlich grinste sie und schloss zufrieden die Augen. Ich mach dir so viele Sandwiches wie du willst. So viele dass du platzt. Sie flüsterte es mehr oder weniger ihm zu und drehte den Kopf ein wenig, sodass ihre Lippen seinen Kopf berührten und sie an seinen weichen Haaren riechen konnte. Von mir aus könnte es jeden Tag so sein. Flüsterte sie weiter und ihre Wangen wurden rot. Ihr Herz klopfte laut und Mikes Wärme umhüllte sie, sodass sie sich so unglaublich geborgen und sicher fühlte. Ihr Bauch kribbelte und sie schloss wieder die Augen, um den Moment einfach richtig zu genießen.