Das Krankenzimmer ist im Gegensatz zu jenem im Schulgebäude mit mehreren Betten ausgestattet, die es also erlauben, dass erkrankte Heimbewohner im Notfall auch hier übernachten können, um andere nicht anzustecken. Der Raum befindet sich am Ende des Flurs; er ist sehr lichtdurchflutet, gross und geräumig. In den Computern sind alle wichtigen Daten der Schüler, wie Blutbilder, Testergebnisse, Krankheitsgeschichten, etc. eingetragen, zu denen nur die Ärztinnen Zugriff haben. Im Schrank befinden sich alle wichtigen Utensilien, die eine Ärztin zur Behandlung ihrer Patienten braucht. Ausser zwei Schreibtischen, die sich noch zusätzlich in der anderen Hälfte, gegenüber der Betten befinden, sind dort auch einige nützliche Dinge wie eine Waage und ein EKG Gerät vorhanden.
Ja, leider nahm der Junge ihren Vorschlag sogar ernst. Er hielt es wohl auch für besser, nun "nach Hause" zu gehen/fliegen und hielt sich auch nicht damit zurück, ihr nocheinmal unter die Nase zu reiben, dass sie ja nichts für ihn gekocht hatte. Nachdem die Insel fast untergegangen und sie fast gestorben war. Doch Amélie erwiderte das Lächeln des Engels nur und nahm ihm seine Worte auch keineswegs übel. "Kein Problem", erwiderte sie nur auf seine Dank hin, dass er hier hatte schlafen können. In Gedanken jedoch stellte sie sich schon vor, wie er fast nackt durch die Lüfte flog um zum Waisenhaus zu kommen. Ob er wohl einfach so im Vordereingang reinspazierte und einen Scheiß darauf gab, was die anderen Schüler dachten? Lustig wäre es ja, Amélie wäre zu gern mitgeflogen. Stattdessen stand sie mit verschränkten Armen, jedoch einem Lächeln auf den Lippen dort hinter Levi und sah ihm dabei zu, wie er weg flog. "Bis bald", murmelte die Ärztin leise und fragte sich erneut, was es mit den schwarzen Schwingen auf sich hatte. Nunja, ein ander Mal. Ihre Worte hatte er auch längst nichtmehr mitbekommen, dafür war er schon zu weit weg und Amy sah ihm so lange hinterher, bis er nurnoch ein kleiner Fleck am Himmel war. Seufzend schloss sie das Fenster, während ihr etwas auf dem Boden liegendes auffiel. Einmal kurz gebückt und schon hielt die Rosahaarige eine schwarze Feder zwischen ihren zierlichen Fingern und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger eine Weile hin und her, gedankenverlorend darauf schauend. Mit einem Seufzer legte sie das kleine Andenken auf einen Schrank und ging zurück in ihr Zimmer, um sich was anderes anzuziehen. Der Tag war zwar fast schon vorbei, aber irgendwas musste Amélie doch noch machen können, um das Gefühl zu vertreiben, den ganzen Tag vergeudet zu haben. Während sie sich anzog, fiel ihr siedend heiß etwas ein und die Bewegungen der Ärztin wurden um einiges schneller, hektischer. "Das hab ich ganz vergessen! Ich muss doch auch in's Waisenhaus!" Fertig eingekleidet huschte der Engel erneut ins Badezimmer um sich noch etwas frisch zu machen, Zähne zu putzen und alles nötige herzurichten, ehe sie auch schon auf die Haustür zusteuerte. "Toll, Levi und ich hätten eigentlich zusammen fliegen können. Dann hätte ich vielleicht sogar einen Punkt auf der Liste schon abgehakt!" Stimmt, die Liste. In den vergangenen Stunden hatte sie keinen Gedanken mehr an diese verschwendet, aber dringend war es ja auch nicht. Immerhin wollte sie noch eine Weile hier bleiben. Kurz sah Amy noch an ihre Füße und fragte sich, ob die Schuhe während des Fluges abfallen würden, ließ es dann jedoch auf einen Versuch ankommen. Laufen und sogar rennen konnte sie mit solchem Schuhwerk, aber fliegen hatte sie noch nicht oft damit ausprobiert. "Nadann los!" Lächelnd trat Amy aus ihrer Wohnung, schloss diese brav ab und verließ nun auch das Gebäude. Ein kurzer Blick galt ihrem Auto, welches sie ständig daran erinnerte, dass sie nicht damit fahren konnte. Das Grinsen wich einem unzufriedenen Gesichtsausdruck, doch ihre Laune wurde dadurch keineswegs getrübt. Amélie breitete ihre leuchtend weißen Flügel aus und genoss das Gefühl richtig, da es sich nach einer Zeit schon fast so anfühlte, als würden sie eingequetscht werden. Im Himmel musste man sie ja wenigstens nicht verstecken, doch auf solch einer Insel... eigentlich auch nicht, oder? Ohne weiter darüber nachzudenken flog Amy los und dachte auch nichtmehr an ihre Schuhe, da das Gefühl durch die Luft zu gleiten einfach alles andere in den Schatten stellte. Und es ging auch noch schnell! Nach wenigen Minuten war sie schon beim Waisenhaus angekommen und landete sicher auf ihren Füßen, die Flügel waren schon ein paar Meter über dem Boden wieder verschwunden. Gemächlichen Schrittes betrat die Frau das Gebäude, denn obgleich gestern eine Schlacht getobt hatte, rechnete sie nicht mit einem Andrang vor dem Krankenzimmer. Und genau so war es dann auch, Amélie sollte es wohl mal mit Hellsehen versuchen. Gemütlich betrat sie das Zimmer, atmete einmal tief durch und setzte sich dann auf den Stuhl am Tisch, welcher vor dem Fenster stand, nachdem sie dieses auch geöffnet hatte. Ihre Füße legte sie einfach auf den Tisch drauf und die Arme verschränkte sie hinter dem Kopf, eine angezündete Zigarette hatte sie schon im Mund, und hoffte einfach, dass das offene Fenster reichen würde, damit sie nicht das gesamte Zimmer zuqualmte. Doch die Zigarette musste jetzt einfach sein.
Es war zwar schon später Nachmittag, aber die Sonne schien immer noch so kräftig, als wäre sie eben erst aufgestanden. Dass sie sich jedoch bereits auf dem Heimweg befand, ignorierte der Motorradfahrer. Er sauste frivol die halbleere Straße entlang mit Ziel Waisenhaus. Ein paar wenige Spuren des gestrigen Tages begegneten ihm noch, das das Gröbste war bereits beseitigt. Auch als er am Waisenhaus ankam, konnte man mit einem zugekniffenen Auge meinen, es wäre nie etwas passiert. Auf den ersten Blick schien alles gut, daher überlegte Bernardo, ob er gleich wieder umdrehen sollte oder er einfach durch die Gänge schlendern sollte. Ersteres würde einer Vergeudung der Hinfahrt bedeuten und der Rückfahrt sowieso. Bernardo war nicht hierhergekommen, um sich die Fassade reinzuziehen. Das Motorrad stellte er auf einen der Plätze vor dem Haupteingang ab und legte seinen Helm in den Beiwagen. Die Tüten von der Bäckerei nahm er mit und zog sogar ein Brötchen heraus, welches er sich auf der Stelle in den Mund schob. Genüsslich kauend betrat er das Waisenhaus. Beunruhigende Geräusche waren absolut nicht zu vernehmen. Es wirkte wirklich wie ein normales Waisenhaus. Aus der Ferne des Ganges im Erdgeschoss drangen Stimmen. Nachdem Bernardo nach der Quelle suchte, bemerkte er, dass es sich um den Speisesaal handelte, wo die jungen Dinger saßen und miteinander tratschten. Über ihm mussten die Schlafzimmer der Schüler liegen. Alle einzeln abzulaufen, war Unsinn. Sicher gab es dafür Verwaltungspersonal oder derartiges, welches hier für Ordnung sorgte. Was ihn allerdings wirklich überraschte, dass es ein eigenes Krankenzimmer hier gab. Man konnte nicht sagen, dass er es unlogisch fand, allerdings hätte er nicht damit gerechnet gehabt. In der Schule war eines, das wusste er genau. Aber das Gebäude befand sich recht weit entfernt. Wenn er so darüber nachdachte, wurde ihm immer klarer, wie sinnvoll ein Krankenzimmer im Waisenhaus doch war. Immerhin lebten hier Wesen, bei denen es häufiger zu gesundheitlichen Komplikationen kam und so eine Ärztin war eh mehr als nur eine Bandagenbinderin. Bernardo interessierte sich dafür, wie es mit der Kundschaft der hiesigen Ärztin aussah. Sicherlich würde sie noch Kinder zur Behandlung haben. Ganz glimpflich werden nicht alle davon gekommen sein, dachte er sich. Also klopfte er an der Tür und öffnete sie auch sofort. Tatsächlich war jemand anwesend, allerdings fehlten die erwarteten Patienten. Stattdessen hatte es sich die Dame, welche er für die Ärztin hielt, am Fenster bequem gemacht und zog an ihrer Zigarette. Das verleitete doch glatt, sich dazuzugesellen. „Hi“, begrüßte er sie erst mal, ehe er auf sie zuschritt und schon in der Hosentasche kramte. Seinen Bäckerbeutel legte er auf dem Tisch ab in möglichst sicherer Entfernung von ihren Füßen und öffnete das nächste Fenster. „Bernardo mein Name. Ich hoffe, du hast nichts gegen, wenn ich mich dazugeselle?“ Ohne wirklich auf eine Antwort zu warten, zog er aus seiner Tasche seine ganz eigenen Zigaretten und kurz darauf auch ein Feuerzeug. Das würde jetzt nicht so eine ungesunde Aktion werden wie ihre, dennoch wollte er das offene Fenster gleich nutzen, damit der Rauch abziehen konnte. Es war für einen Patienten sicherlich just angenehmer, wenn es drinnen auch wie nach einem Behandlungszimmer roch und nicht wie nach einer Räucherkammer.
Winterevent-Outfit: Tannengrüner Wollpullover mit hohem Rundkragen, darüber ein rot-schwarzes Holzfäller-Karohemd mit den obersten beiden Knöpfen offen und die Ärmel bis über die Oberarme hochgekrempelt. Braune Holzfällerhose mit dunklem Gürtel und Hosenträgern, die sich am Rücken kreuzen. Schwarze Winterstiefel mit kurzem Schaft. Auf dem Kopf eine tannengrüne Wollmütze mit ein Mal umgekrempelten Rand, sodass die Ohren frei sind. Und zu guter letzt im Gesicht ein rauschiger, schwarzer, kurzer Vollbart. Also voll der Holzfäller-Look.
Eine Weile saß Amélie einsam und alleine in dem Krankenzimmer rum, zog ab und zu an ihrer Zigarette und pustete den Rauch genüsslich wieder aus, während ihr Blick die ganze Zeit aus dem geöffneten Fenster gerichtet war und einen zufälligen Punkt am Himmel fixierte. Langsam wurde es schon wieder dunkel und die jung aussehende Frau verfluchte sich immer mehr dafür, absolut garnichts von diesem Tag gehabt zu haben, und mit Sicherheit auch nichtsmehr zu bekommen. Doch wirklich übel nehmen konnte sie es sich selbst auch nicht, immerhin hatte ihr Körper einiges an Arbeit gehabt, um wieder voll funktionsfähig zu werden und sich auszuruhen, also verschob die Dame ihre Spaß-Pläne einfach auf den nächsten Tag - welche noch geschmiedet werden mussten. So weit sie es gerade wusste stand morgen auch keine Schicht im Waisenhaus an, wo sie stundenlang hier herumsitzen musste, ohne, dass etwas passierte. Dennoch würde sie vielleicht einmal vorbeischauen, nur um zu sehen ob sich eine Schlange an plötzlich erkrankten oder verletzten Kindern vor dem Zimmer gebildet hatte. Doch wenn Amy so an Levi dachte, bezweifelte sie, dass die Schüler hier wirklich so sehr auf Ärzte angewiesen waren, es gab sicher noch einige mehr mit Heilfähigkeiten, zum Beispiel die ganzen Kinder die in der Heilgruppe eingeteilt waren. Gerade absolut in ihren Gedanken versunken schreckte die Cazardieu auch entsprechend zusammen, als es plötzlich an der Tür klopfte und jemand diese auch sogleich öffnete, ohne auf eine Antwort zu warten. Da Amélie mit dem Rücken zur Tür saß und auch nicht das Bedürfnis hatte, sich nun umzudrehen, lehnte sie sich einfach im Stuhl zurück und auch den Kopf, so weit, dass sie den Eindringling erkennen konnte - wenn auch verkehrt herum. Ihre Sicht war zwar nicht die beste, doch auch so konnte sie sehr gut erkennen, dass der soeben eingetretene Mann recht groß war und eine sehr gute Statur vorzuweisen hatte. Er begrüßte sie mit einem knappen "Hi", doch die Ärztin selbst gab noch nichts von sich, da sie zu sehr damit beschäftigt war ihn in dieser Position zu mustern und die Balance auf ihrem Stuhl zu halten. Der Fremde kam jedoch gleich näher, sodass Amélie sich wieder ordentlich hinsetzen konnt und auch schnell die Füße vom Tisch nahm, nachdem er eine Tüte auf diesem abgestellt hatte. Die Zigarette in ihrer Hand hatte sie fast vergessen, ehe auch der Weißhaarige sich eine aus der Tasche zog. "Klar, komm doch herein", sagte sie und verdrehte dabei die Augen, legte jedoch ein Lächeln auf, da diese Aussage keineswegs böse gemeint war. Als er seinen Namen nannte, klingelte in ihrem Kopf jedoch leise ein Glöckchen, doch Amy brauchte eine Weile, um herauszufinden, was diese zu bedeuten hatte. "Bernardo..", murmelte sie leise während sie in ihren Gedanken kramte, was ihr an ihm so bekannt vorkam, ehe ihr dann auch schon das bekannte Licht aufging. "Bernardo! Wusste ich doch, dass ich die Stimme kenne. Na, dann kann ich dieser ja nun auch ein Gesicht zuordnen. Ich bin Amélie." Na, ob er sich wohl noch daran erinnerte, mit wem er am vorigen Abend noch so alles per Headset gesprochen hatte, wie diese Personen hießen und sich anhörten? Die Rosahaarige erwartete eigentlich nichts von ihm, vielleicht hatte er ja auch irgendwas auf den Kopf bekommen, man wusste ja nie. Ruhig blies sie den letzten Rauch aus ihren Lungen und drückte den rest der Zigarette dann in einen Aschenbecher, welchen sie nebenbei aus einer Schreibtisch-Schublade geholt hatte. Der Duft, welcher aus der Tüte kam - welche offensichtlich von einem Bäcker war - erreichte nun auch ihre Nase und diese leitete es wohl an ihren Magen weiter. Leicht genervt schloss Amy kurz die Augen, während sie ihren linken Ellbogen auf der Armlehne des Stuhls abstützte und ihre Wange wiederrum an der linken Faust. Anscheinend brauchte ihr Körper nur einen kleinen Anstoß, um zu merken, dass ihm doch etwas Nahrung fehlte und er diese nun auch haben wollte. "Tja, Pech gehabt, jetzt gibt's nichts." Amélie hob die Lider und betrachtete Bernardos Gesicht, hatte natürlich wieder den freundlichen Ausdruck im Gesicht. "Was treibt dich denn her?" Ob sie ihn auch fragen sollte, wie es gestern noch gelaufen war? Nunja, anscheinend gut, immerhin lebte er und die Wölfe waren auch weg. Wo lag eigentlich das Headset rum, was ihr anvertraut wurde? Ach, war ja auch egal.
Seine Augenbrauen stürzten in die Höhe, als sie so enthusiastisch auf seinen Namen reagierte. Aber im selben Moment klingelte es auch bei ihm. Der Hüne ging ihren Namen nochmal in Gedanken durch und war sich ganz sicher, dass es sich um jene Person handelte, mit welcher er bereits am letzten Abend per Headset geredet hatte. Der Dritte im Bunde war Kibou gewesen, das wusste er noch. Und die einzige Dame hieß Amélie – weiter wusste er nicht. Allerdings konnte Bernardo nicht behaupten, die Stimme zuordnen zu können, wie sie es wohl tat. Um ehrlich zu sein, konnte er sich gar nicht mal mehr dran erinnern; aber der Name war hängengeblieben. „Ah, Amélie, genau, du hattest dich um die Heiler gekümmert gehabt, nicht?“ Er nickte. „Stimmt, wir hatten miteinander per Headset geredet.“ Und da fiel ihm auch wieder der Schlamassel ein. „Ach und verzeih mir, dass ich plötzlich nicht mehr erreichbar war. Technische Probleme hatten mich von meinem Auftrag abgehalten und dann kam auch noch so ein Flohfänger bei mir vorbei, der nichts anderes im Sinn hatte, als mich zu nerven und … ach …“ Er seufzte. Es war wirklich ein nervenaufreibendes Erlebnis gewesen. „Egal, vergessen wir das.“ Erst mal musste wieder ein Zug genommen und ein qualmender Schwaden ausgestoßen werden. Für den Moment musterte er den Ausblick durch das offene Fenster und verlor sich sachte in der Leere. Wäre Amélies nächste Frage nicht, hätte die Stille wohl noch etwas gedauert. Ihre Frage war berechtigt, deswegen muckte er auch nicht und antwortete schneller, als einem lieb sein konnte. Ihre freundliche Mimik strahlte etwas ausgesprochen Sympathisches aus, welches ihrem gegenüber, egal, wer es auch sein mochte, sicher nie das Reden schwer machte. „Um ehrlich zu sein, bin ich relativ zufällig hierhergekommen. Ich hatte es zuerst nicht geplant gehabt, hatte mich dann aber doch dafür entschieden, mal nach dem Rechten zu schauen. Ich bin gestern zu nahezu nichts mehr gekommen. Und die schlechten Gewissensanträge wollte ich auch nicht annehmen, von daher bin ich kurzerhand hierhergekommen. Sieht auch ganz ordentlich aus. Ich hätte schlimmeres erwartet und vor allem dachte ich, du hättest hier mehr zu tun.“ Wieder zog er an seiner Zigarette, ließ die abgebrannte Spitze über dem Aschenbecher abtropfen und wandte sich dann wieder Amélie zu. „Scheinbar haben die Biester keine halben Sachen gemacht: Entweder ganz tot oder gar nicht. Oder habe ich den großen Patientenansturm schon verpasst?“ Für zwei kurze Momente gab er sich die Blöße, seine gegenüber mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie wirkte nicht wie eine Dame, die in der Lage war, sich zu genieren und überhaupt konnte man darüber diskutieren, wie viel Dame in ihr steckte. Auf ihn wirkte sie jung, aber das konnte in diesem Haus eh trügen. Solange sie sich nicht als seine mögliche Großmutter entpuppte, würde er aber alles mit Fassung tragen können. Amélie. Nochmal nahm er sich ihren Namen zu Herzen. Man würde sich vielleicht noch öfter sehen, wenn sie für das Waisenhaus bzw. sogar für die Schule als Ärztin einsprang. Sie gehörte zu dem Personal, welches sich zum Auftrag gemacht hatte, sich um die Schüler zu kümmern und dazu gehörten die Lehrer nun mal auch. Bernardo betrachtete sie also sofort als Arbeitskollegen und der Beruf des Arztes war ihm eh nicht fremd, wo er doch selbst schon in der Medizin tätig war, auch wenn das bereits viele Jahre zurücklag.
Winterevent-Outfit: Tannengrüner Wollpullover mit hohem Rundkragen, darüber ein rot-schwarzes Holzfäller-Karohemd mit den obersten beiden Knöpfen offen und die Ärmel bis über die Oberarme hochgekrempelt. Braune Holzfällerhose mit dunklem Gürtel und Hosenträgern, die sich am Rücken kreuzen. Schwarze Winterstiefel mit kurzem Schaft. Auf dem Kopf eine tannengrüne Wollmütze mit ein Mal umgekrempelten Rand, sodass die Ohren frei sind. Und zu guter letzt im Gesicht ein rauschiger, schwarzer, kurzer Vollbart. Also voll der Holzfäller-Look.
"Ja, die Heiler...", murmelte Amélie leicht säuerlich und fixierte erneut einen beliebigen Punkt am Himmel, während sie aus dem Fenster schaute. Ihren Sinn als Gruppenleiterin hatte die Rosahaarige ja mal sowas von verfehlt, bei dem Gedanken daran, wie unnütz sie war, zog sich ihr Magen geradezu zusammen. Ob es wohl welche gab, die ihr dies übel nahmen? Sicherlich. Zwar konnte die Ärztin nichts dafür, dass sie fast von dem Werwolf zerfleischt worden war, dennoch gab sie sich die Schuld daran, nicht wirklich hatte helfen können. Eigentlich hatte sie doch garnichs gemacht, kein bisschen! Doch bevor die Frau sich nun wieder furchtbar darüber aufregte, dass sie hier ohnehin nichts verloren hatte und die Schüler auch alleine sehr gut zurecht kamen, verbannte sie diese Gedanken einfach aus ihrem Kopf. Irgendwann würde man sie schon brauchen. "Um ehrlich zu sein hab' ich nichtmal gemerkt, dass du nichtmehr erreichtbar warst." Ein schiefes Grinsen schlich sich auf die Lippen der Cazardieu, während sie ihren linken Arm wieder von der Lehne nahm und sich Bernardo zuwandte, ihm in sein Gesicht sah. "War wahrscheinlich zu der Zeit, als ich halb im sterben lag." Ah, jetzt wusste sie es wieder. Das Headset lag immernoch in diesem einen Jungenzimmer, doch würde sie allein dieses wohl nicht wieder finden. Es schien jedoch so, als hatten auch die Gruppenleiter alle mit etwas zu kämpfen gehabt - wie es wohl mit dem dritten im Bunde aussah? Von ihm gehört hatte Amy auch nichtsmehr, na hoffentlich ging es ihm gut. Aber wenn man schon ein Gruppenleiter der Verteidigungstruppe war, war man sicherlich auch hart im Nehmen und nicht so einfach unterzukriegen. Als Bernardo auf ihre Frage antwortete und erzählte, was ihn nun hierher geschlagen hatte, hing sie förmlich an seinen Lippen und schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. Ehrlich gesagt beobachtete sie wirklich seine Lippen, wie sie sich verformten um Wörter zu bilden, ehe sie sich dann wieder schlossen und Amélie kurz in ihrem Kopf zusammenfassen musste, was er gesagt hatte. "Dann hab' ich den Ansturm anscheinend auch verpasst." Leise lachte die Ärztin begleitend zu dieser Aussage und wandte ihren Blick erneut aus dem Fenster. "Ich bin noch nicht so lange hier, meine Schicht hat erst eben begonnen. Zudem glaube ich, dass es hier einige Schüler gibt, die sich - und anderen - sehr gut selbst helfen können." Ihr Blick schwenkte wieder zu Bernardo, und sie fragte sich, bis wo sie ihm überhaupt gehen würde, wenn sie aufstand. Allerdings wäre es ihr sicherlich peinlich, wenn sie es dann tat, weswegen die Rosahaarige einfach sitzen blieb - ach wenn ihr stehen im Moment irgendwie besser gepasst hätte. "Aber im Notfall bin ich ja noch da." Doch wie lange? Wenn sie hier tage-, vielleicht sogar wochenlang nichts zutun bekäme, würde sie sich einen anderen Job suchen müssen - einfach nur, damit sie sich nicht zu Tode langweilte. Wie viele andere Ärztinnen es wohl noch gab? Vielleicht hatten diese ja im Moment etwas zutun. Den aufkommenden Neid erstickte Amélie direkt, indem sie sich einfach ablenkte und Bernardo anfing zu mustern. Das er ein Engel war, hatte sie direkt gespürt, was ihm selbstverständlich sofort Pluspunkte einbrachte. Das mehr oder weniger weiße Haar schloss jedoch nicht auf irgendein Alter, immerhin hatte sie ja auch keine graue oder weiße Haarpracht. Der Körper... konnte man darüber überhaupt streiten? Das, was man sah, glich einem Adonis - sicherlich hatte er in seiner Wohnung ein ganzes Harem an jungen, hübschen Frauen sitzen. Oh ja, so waren sie doch alle. "Du bist ein Lehrer, richtig? Was unterrichtest du denn so?"
Na, da liegt doch was in der Luft. An ihrer Stimme und der Art, wie sie ihm antwortete, erkannte Bernardo einen Grund zum munkeln. Aber er wollte nicht einhaken, sondern ließ ihr ihren Freiraum. Immerhin war Amélie eindeutig noch nicht am Ende. Dass sie nicht mal mitbekommen hatte, das von Bernardo nichts mehr per Headset zu hören war, erleichterte ihn nicht unbedingt. Andererseits hieß das, dass er keinen Einsatz verpasst hatte, weil die Nachrichten nicht zu ihm durchdrangen. Wobei … Bernardo kam kurz ins Stocken beim Denken. Er meinte, dass da doch ein Moment gewesen wäre, wo man bei ihm nach Unterstützung gefragt hätte und er sogar wen abgeschickt hätte. Vielleicht meinte Amélie ja auch erst die Zeit nach dieser Anfrage. Danach musste also alles besser verlaufen sein – wenn man das so sagen konnte. Nur die Sache mit dem im Sterben liegen war nicht so einfach aufzunehmen. Er stutzte – keine Frage. Dabei sah sie doch quicklebendig aus, wenn ihn seine Augen nicht betrogen. Es machte sogar den Eindruck, dass sie ziemlich gelangweilt war und es noch weiterhin wäre, wäre er nicht gekommen. Ein Plausch am frühen Abend war unterhaltsam und schützte vor dummen Gedanken des Egos. Bernardos Brauen zuckten wieder, als er vernahm, dass dies Amélies erste Schicht war. Dann war sie wohl noch frischer auf dieser Insel als er. Solch eine Person so früh zu sehen, hätte er nicht erwartet gehabt. Wann war er denn angekommen? Erst am gestrigen Tag hatte ihn das Schiff samt Gefährt am Hafen abgesetzt gehabt. Seit dem gab es ein paar Vertretungsstunden, ein Spaziergang mit einer eitle Blinden und der vermeidliche Kampf gegen das behaarte Böse. Danach wurde geschlafen, renoviert und mit Schulärztinnen gequatscht. Mehr stand in seinem neuen Lebenslauf noch nicht. Ein Klacks im Gegenzug zu der Zeit, die davor lag und doch … und doch war hier schon eine Person, die noch weniger Zeit auf Isola verbracht hatte als er. Das war eine Menge Drumherum für gar nichts. „Ja, das mit den Schülern ist mir auch schon aufgefallen. Ich hatte zwar keine Heiler in meiner Gruppe gehabt – wen wundert’s -, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Kinder hier sich nicht nur in Katzen verwandeln und mit Schwertern herumfuchteln können.“ Nochmal nahm er einen kräftigen Zug, dann war seine Zigarette auch schon am Ende. Nicht, dass sie so kurz war, aber jedes Mal war es ein großer Bissen, den er aussaugte. Drum drückte er das letzte Glimmen im Aschenbecher aus und nahm sich ebenfalls einen Stuhl, um sich an den Tisch zu setzen. Die Füße blieben vom Tisch, nur einen von beiden legte er auf dem Knie des anderen Beines ab; einzig sein Ellbogen kam auf den Tisch. Wozu brauchte eine Schule Ärzte, wenn die Schüler diese Rolle selbst wunderbar übernehmen konnten? Warum brauchte eine Schule Lehrer, wenn manche Schüler alt genug waren, um in der Lage zu sein, selbst zu unterrichten? Eine Frage hebelte die andere aus. Wenn Bernardo darüber nachdachte, dass es hier Schüler gab, die älter waren als ein normaler Mensch werden konnte, fragte er sich, warum diese überhaupt hier waren. Man musste von ihnen annehmen, dass sie in all den Jahren nicht in der Lage waren, sich ein gewisses Maß Wissen anzueignen; und wer schickte sie dann eigentlich an diese Schule? „Amélie …“ Es kam nicht oft vor, aber Bernardo wusste tatsächlich nicht mehr, was er grade sagen wollte bzw. hätte sagen wollen. Da kam es ihm mehr als gelegen, dass sie ihn danach fragte, ob er Lehrer war und was er unterrichtete. „Richtig, ich unterrichte hier, aber auch erst seit gestern. Meine persönliche erste Schicht liegt schon hinter mir.“ Bis eben hatte er noch mehr zum Fenster rausgeschaut, nun blickte er aber aus Höflichkeit zum Gespräch wieder zu Amélie. „Grundsätzlich bin ich Vertretungslehrer. Allein an meinem ersten Tag hatte ich nur Vertretungsstunden hintereinander. Es wäre sogar fast soweit gekommen, dass ich einen Klassenlehrer bei seinem ersten Gemeinschaftsunterricht vertreten musste, aber glücklicherweise kam er dann doch noch: Shinichi hieß er.“ Bernardo erinnerte sich an das Gesicht des Knaben zurück. Er hatte ein junges Erscheinungsbild gehabt, wirkte nicht so wie der langjährig erfahrene Lehrer. Dafür aber strahlte er Sympathie aus, sicher ein Mann, der gut mit dem jungen Volk umgehen konnte bzw. sich in sie hineinversetzen konnte. „Aber das mal beiseitegelassen, hab‘ ich Inselkunde und Mathematik fest im Plan.“ Er nickte, schaute sie an. Eine Sekunde war Ruhe, dann wurde es ihm zu viel und machte seinen Mund wieder auf. „Und bei dir?“ Wonach fragte er? „Ich mein, mit Unterricht wirst du wohl nicht viel zu tun haben, aber wie kam’s, dass du Ärztin wurdest?“
Winterevent-Outfit: Tannengrüner Wollpullover mit hohem Rundkragen, darüber ein rot-schwarzes Holzfäller-Karohemd mit den obersten beiden Knöpfen offen und die Ärmel bis über die Oberarme hochgekrempelt. Braune Holzfällerhose mit dunklem Gürtel und Hosenträgern, die sich am Rücken kreuzen. Schwarze Winterstiefel mit kurzem Schaft. Auf dem Kopf eine tannengrüne Wollmütze mit ein Mal umgekrempelten Rand, sodass die Ohren frei sind. Und zu guter letzt im Gesicht ein rauschiger, schwarzer, kurzer Vollbart. Also voll der Holzfäller-Look.
Seit wann zählte Schwertkampf denn nichtmehr als eine ernstzunehmende Kampfeskunst? Vielleicht sollte ja mal jemand eine Klinge an die Kehle des gutaussehenden Mannes halten, eventuell würde er seine Meinung dann ändern. Oder er hatte es einfach völlig anders gemeint und Amélie fasste es nur so auf, weil sie selbst ab und zu mit einem Schwert "rumfuchtelte" und sich ein klein wenig beleidigt fühlte. Jedoch nicht so sehr, dass sie es ihm nun übel nehmen würde. Doch im Großen und Ganzen hatte der Mann recht, auch wenn die Ärztin selbst noch nicht allzu viele Schüler kennengelernt und mit noch wenigeren wirklich gesprochen hatte, gab es hier sicherlich so einige, die das normale Alter eines Schülers übersteigen und sicherlich auch beeindruckende Fähigkeiten hatten. Doch irgendwie konnte Amélie diese Kreaturen ein klein wenig verstehen, wenn sie so an sich selbst dachte. Immerhin möchte man, wenn man schon ein ewiges Leben hat, auch vieles erleben und nicht immer den gleichen Kram machen. Bisher hatte die Rosahaarige nur von dieser Schule gehört, welche besondere Wesen beherbergte und das war sicherlich eine Erfahrung wert. Nunja, und auf Unterrichten hatte dann bestimmt auch nicht jeder Lust, also meldeten sie sich einfach als Schüler an. Natürlich gab es auch die "normaleren" Kinder hier, im Alter um die 16, die von ihren Familien hergeschickt wurden, oder auch garkeine mehr hatten und dies als letzte Zuflucht sahen. Innerlich schüttelte die Cazardieu ihren Kopf um diese Gedanken zu vertreiben, im Grunde war es ja auch egal, was die Schüler hierher bewegte und warum sie Schüler und keine Lehrer waren. Solange das Personal hier noch seinen Aufgaben nachgehen konnte. Amy beobachtete den Lehrer dabei, wie er seine Zigarette ausdrückte und sich einen Stuhl an den Tisch zog, um sich ebenfalls zu setzen. Als er auf seinen fünf Buchstaben saß, ließ Amélie es sich nicht nehmen, ihn nocheinmal zu mustern, auch wenn es wohl völlig offensichtlich war und er es gut sehen konnte, aber an so einer Gestalt konnte man sich halt nicht so schnell sattsehen. Wie er wohl nackt aussah? Erneut wurde sie aus ihren Gedanken gerissen - was gerade mit Sicherheit das beste war - als der Weißhaarige ihren Namen aussprach, danach jedoch verstummte. Leicht verwirrt zog sie ihre Augenbrauen zusammen und sah ihn an, was wollte er denn? Und warum musste sie gerade an einen total schlechten Kitschfilm denken? Schnell wurde jedoch auf eine ihrer Fragen geantwortet, undzwar die zu seinem Unterricht und natürlich klebte die Rosahaarige wieder an seinen Lippen. "Inselkunde? Hast du dich dafür denn schon genug über die Insel informiert?" Begleitet von einem sanften Lächeln sprach sie diese Worte aus, sah Bernardo dabei simultan in die Augen. Da er erst seit gestern hier zu sein schien - zumindest erst zu unterrichten - war er noch nicht sehr lange hier, weswegen man denken könnte, dass dieses Fach ihm wohl auch nicht liegen würde. Doch es gab sicherlich genug Möglichkeiten um sich schon vorab Wissen anzueignen, und wer weiß, vielleicht war er ja auch schon vorher auf der Insel gewesen. Bei der Frage zu ihrer Laufbahn stutzte sie allerdings kurz, ja wo sollte sie denn da anfangen? Einige Momente sah sie nachdenklich nach draußen, ehe sie den Mund wieder öffnete. "Wie es kam... also das ist schon echt lange her." Genau genommen einige Jahrhunderte. "Angefangen hat es wohl damit, dass ich mich immer um die kleinen Wehwehchen meiner Freunde gekümmert hab und schon immer eine recht.. fürsorgliche Person war. Zumindest bei allen Leuten außer mir." Kurz lachte sie verlegen, das war wohl ihre größte Schwäche - sie konnte einfach nicht auf sich selbs achten. "Und dann... kam einfach eines zum anderen. Als ich auf die Erde kam hab ich mir hier auch viel Wissen angeeignet und in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet, studiert, alles was man so machen kann. Und dann bin ich halt hierhin gekommen, rein theoretisch könnte ich auch Heilkunde unterrichten, aber... das Unterrichten liegt mir nicht so." Amélie konnte sich einfach nicht in der Rolle einer Lehrerin sehen, wie sie stundenlang vor etlichen Kindern rumstand und ihnen versuchte, etwas beizubringen. Nein, nein, außerdem war sie dafür wohl auch nicht.... ja, wie nannte man es. Sie war dafür nicht ernst genug. Wahrscheinlich würde sie mit den Kindern irgendwas lustiges machen, anstatt ihnen trocken irgendwas beizubringen. Nachdenklich kramte Amy ihr Smartphone aus einer Tasche und lächelte Bernardo zuckersüß an. "Krieg ich deine Handynummer? Für den Notfall.~" Wenn ihr zum Beispiel langweilig war.
Eins musste er ihr ja lassen, sie wusste, was es bedeutete, jemanden anzuschauen, wenn man miteinander redete. Es gab Spezialisten, die Löcher in die Luft starrten, während sie ihren Monolog herunterratterten bzw. wenn andere dies taten. Amélie allerdings hing an ihm mit größter Höflichkeit, als würde sich der Höllenschlund unter ihr öffnen, wenn sie es mal nicht tat. Bernardo war wohl auch einer der besagten Spezialisten. Wie unhöflich von ihm also gegenüber der Dame – sollte sie eine sein -, wenn er ihr nicht mal dieselbe Achtung entgegenbrachte, wie sie ihm. Aber wo er wieder bei der Frage um die Dame war: Sicher machte sie sich nicht viel aus dieser Achtung. „Sagen wir so, mir sind ein paar Unterlagen zugekommen, die mir bei meinen Recherchen hilfreich waren. Natürlich hatte ich mich im Voraus bereits belesen.“ War wohl ein kritisches Fach. Oder keiner wusste wirklich, was alles hintern, unter oder in dieser Insel steckte, wodurch sie für jeden einzelnen zu einem riesigen Geheimnis wurde. Aber warum musste man auch schon Bescheid wissen über den Ort, den man bewohnte. Als Amélie dann dazu ansetzte, Bernardos Frage nach ihrer medizinischen Herkunft zu beantworten, wollte er es ihr gleichtun und an ihren Lippen so wie ihren Augen – ihrer gesamten Mimik – haften bleiben. Eine Geschichte wie ihre war eine altbekannte. Bernardo hatte selbst schon Jungen und Mädchen getroffen gehabt, die gerade in schwersten Zeiten der Geschichtsschreibung einen außergewöhnlichen Drang dazu entwickelten, Kranken helfen zu wollen bzw. Hilfsbedürftigen eine Stütze zu sein. So entstanden Ärzte, deren Traum es war, Leben zu retten. Und die meisten vernachlässigten sich selbst dabei. Viele arbeiteten und arbeiteten und irgendwann waren sie dann so abgebrannt, dass kein grünes Pflänzlein mehr auf ihrem Aschehaufen blühen konnte. Burnout. In einer Zeit, als es dieses psychische Phänomen noch nicht gab, als die Pest viel Schlimmeres anrichtete, lernte Bernardo einen solchen Knaben kennen, welcher eine ähnliche Jugendentwicklung vorzuweisen hatte wie Amélie. Seine Mutter war ein Opfer der Epidemie geworden und litt lange sehr qualvoll. Der Junge war beherzt dabei, ihr zu helfen, wollte aber auch anderen helfen. Für alle riss er sich förmlich den Arsch auf, auch wenn er nichts wirklich erreichte. Er konnte es ihnen maximal etwas erträglicher machen, denn das medizinische Know-how fehlte ihm – und das wusste er. Daher war es sein Ziel gewesen, an dieser Unfähigkeit etwas zu ändern. Albert Troyat war sein Name. Er überlegte die Pest, doch seine Mutter verlor er. Warum er lebte, obwohl er sich so rührend um sie kümmerte, man mochte meinen, die Krankheit würde auf ihn überspringen, klärte sich erst Jahre später und damit viel zu spät. Albert gehörte zu den wenigen Menschen, die immun gegen die Pest waren. Mit ihrer Hilfe hätte man erfolgreich gegen die Krankheit vorgehen können. Allerdings war der Stand der medizinischen Möglichkeiten noch lange nicht so weit. Es würde noch länger dauern, als Bernardo es herausfand, dass man in Laboren dazu fähig war, brauchbare Ergebnisse zu produzieren. Aber wie gesagt, unabhängig von dem Verlust blieb er seinem Traum standhaft. Sein Ehrgeiz war nur noch stärker, für seine Mutter so vielen Menschen wie möglich künftig helfen zu können. Was sie erlebte, sollte niemand sonst mehr erleben müssen. Aus den Erinnerungen riss ihn die Frage nach seiner Handynummer. Bernardo nickte erst nur, ehe er reger wurde und seine Nummer auch nannte. Im Gegenzug erwartete er natürlich ihre und teilte es ihr auch mit. Was ihn allerdings jüngst ins Interesse huschte und das wollte er nicht vor ihr geheim halten: „Warum bist du auf die Erde gekommen?“ Es war interessant, welche Wege die verschiedenen Engel eingeschlagen haben. Viele dachten, jeder Engel wäre so wie man selbst, das dachte Bernardo auch einst, bis er entdeckte, wie verschieden seine Rasse doch sein kann und dass er nur zu einer esoterischen Gruppe eines ganz speziellen Dogmas gehörte. Gott …
Winterevent-Outfit: Tannengrüner Wollpullover mit hohem Rundkragen, darüber ein rot-schwarzes Holzfäller-Karohemd mit den obersten beiden Knöpfen offen und die Ärmel bis über die Oberarme hochgekrempelt. Braune Holzfällerhose mit dunklem Gürtel und Hosenträgern, die sich am Rücken kreuzen. Schwarze Winterstiefel mit kurzem Schaft. Auf dem Kopf eine tannengrüne Wollmütze mit ein Mal umgekrempelten Rand, sodass die Ohren frei sind. Und zu guter letzt im Gesicht ein rauschiger, schwarzer, kurzer Vollbart. Also voll der Holzfäller-Look.
Amélie nickte nur brav als Bernardo davon erzählte, dass er sich ja vorher schon über die Insel für seinen Unterricht informiert hatte. Natürlich erwartete man soetwas ohnehin von ihm und im Grunde war es der Rosahaarigen auch egal, da sie bei diesen Stunden ja eh nicht anwesend war und sich von seinen Worten berieseln lassen musste. Ob sie sich wohl auch mal über die Insel informieren sollte? Mit Sicherheit gab es einige Interessante Dinge herauszufinden, vor allem wenn man an den Angriff der vergangenen Nacht zurückdachte, denn diese Werwölfe kamen sicher nicht zufällig gerade hier in die Stadt, bei solch einem Mond. Innerlich nickte die Ärztin, irgendwann würde sie sich mal einen Inselkundelehrer schnappen und ihn zu besagter Insel befragen, doch nicht jetzt. Vielleicht gab es ja auch Schüler, welche mehr über diesen Ort wussten als anderes, es war durchaus nicht auszuschließen. Vielleicht ja sogar Levi..? Immerhin war er der einzige Schüler mit welchem sie bisher wirklich Kontakt geknüpft hatte, da wäre es ja praktisch, wenn er sie auch zu diesem Thema volltexten konnte. Was er wohl gerade machte? Und warum wurde sie das Gefühl nicht los, dass er ein totaler Weiberheld war und momentan bestimmt etwas mit irgendeinem Mädchen machte? "Kann dir doch egal sein." Und mit diesen Gedanken wandte sie sich wieder an Bernardo und sah ihn an, da nun schon seit einigen Momenten Stille herrschte und anscheinend jeder der beiden seinen eigenen Gedanken nachgehangen hatte, nachdem er ihr seine Handynummer gegeben hatte. Wow, schon ihr zweiter Handykontakt hier. Nicht überall war es Amélie so relativ leicht gefallen, neue Leute kennenzulernen. Der Weißhaarige unterbrach das Schweigen der beiden schlussendlich, weswegen Amy ihm auch ein klein wenig dankbar war. Seine Frage jedoch war... natürlich, sie war berechtigt, aber wie sollte der Engel darauf antworten, ohne ihre ganze Geschichte preiszugeben? Denn so sympathisch der Mann vor ihr auch war, so wollte sie ihn nun wirklich nicht mit ihrem Kram zulabern. "Warum ich... nunja. Ähm.." Hektisch überlegte Amélie wie sie das alles in ein, zwei Sätzen unterbringen konnte, ohne das ganze Drama wieder aufleben zu lassen. "Ich wurde hergeschickt, um jemanden... zu finden. Ja. Mir wurde dieser Auftrag gegeben, da ich diese Person zu dem Zeitpunkt am besten gekannt habe. Das ist aber schon einige Jahrhunderte her, inzwischen komme ich immer mal wieder für ein paar Jahre auf die Erde, vergesse aber auch mein richtiges Zuhause nicht." Gedankenverloren sah sie aus dem immernoch geöffneten Fenster, obwohl es schon relativ dunkel geworden war und das Licht in dem Raum an war. Nicht, dass sie nachher noch von tausenden von Mücken angegriffen wurde, oder gegen Spinnen kämpfen musste. "Oh." Das hatte sie ganz vergessen. Bernardo hatte ihr seine Handynummer gegeben, doch Amy hatte es total verschwitzt, ihm auch ihre Nummer zu geben. Nein, wie unhöflich. Grinsend nannte sie ihm nun auch ihre Nummer, damit ja auch alle schön gleichberechtigt waren und keiner hier zu kurz kam. Wieder drifteten ihre Gedanken zu dem Schwarzhaarigen Jungen mit der weißen Strähne ab, während sie erneut aus dem Fenster starrte. Ob sie ihn wohl stören sollte? Ja, das war eine gute Idee! Fröhlich tippte sie auf dem Touchscreen herum, ehe die Sms auch schon abgeschickt war und sie sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Es wäre zu lustig, wenn er gerade etwas wichtiges tat und dabei gestört werden würde, doch das dumme daran war, dass Amélie sein Gesicht nicht sehen konnte. Ihr Blick wanderte zu einer Uhr und ein wenig erschrack die Frau. "Huch. Es ist ja schon... richtig spät." Dabei war sie doch noch garnicht so lange hier, oder? Wow. Die Cazardieu sah dem Lehrer leicht grinsend ins Gesicht. "Müsstest du nicht langsam ins Bett?" Ein leichtes Kichern konnte sie sich nicht verkneifen.