Im Gegensatz zu den Gängen im ersten und zweiten Stockwerk sind die Gänge im Erdgeschoss sehr breit und bieten viel Platz. Erst vor kurzem wurde das Parterre des Waisenhauses renoviert, wodurch er einen neuen Boden, eine neue Treppe und sogar neue Möbel erhielt. Hier und da haben einige Bänke, gepflegte Pflanzen und andere dekorative Gegenstände ihren Platz gefunden. An den Wänden hängen viele abstrakte Bilder; direkt neben der automatischen Eingangstür befinden sich an der Wand Bilder der drei Erzieher samt Informationen.
Neugierig schlenderte Saki durch die Gänge des Waisenhauses und blickte sich um. Es war hier sehr schön eingerichtet und sie hatte auf dem Weg einige Leute gesehen. Aber irgendwie kam sie sich dabei ziemlich blöd vor sie einfach anzusprechen. An ihrer alten Schule ist ihr sowas viel einfacher gefallen. Vielleicht lag es daran, weil sie dort in einer vertrauten Umgebung gewesen war. Hier war sie einfach nur die "Neue". Machte sich nun etwa doch Heimweh in ihr breit? Bei diesem Gedanken musste sie schmunzeln. Nein... sie würde niemals wieder nach Hause zu ihren Eltern wollen. Das kam nicht in Frage... Da sprach sie lieber irgendwelche Fremden an mit der Gefahr, dass sie für bekloppt abgestempelt werden würde. Etwas verrückt war sie sowieso schon immer gewesen, das war nichts neues.
Nachdem sie in Gedanken versunken durch die verschiedenen Gänge ging, kam sie in einem großen Raum an. Es sah so aus wie ein Treppenhaus, aber irgendwie war es ziemlich leer. Jedenfalls sah sie hier niemanden. Saki seufzte... Anscheinend gab es hier einen Treffpunkt von dem sie nichts wusste. Deshalb setzte sie sich auf eine Stufe und holte ihr Handy heraus. Dabei blickte sie lange auf das Display. Ihr blieb nichts anderes übrig... Sie musste diese SMS schreiben. Deshalb begann sie zu tippen:
Hey, vielleicht hast du es schon selbst bemerkt, aber ich bin abgehauen. Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. Ich hoffe du bist nicht sauer auf mich... Irgendwann werde ich dir alles erklären, aber hier wo ich jetzt bin bin ich glücklich. Jedenfalls werde ich dir regelmäßig schreiben. Saki ♥
Diese SMS schickte sie an ihre beste Freundin Hotaru ab und es war seltsamerweise ein gutes Gefühl.
Nachdem ich nun wieder relativ munter war und auch wieder die für mich typischen Klamotten an hatte, sprich meinen Creeper-Hoodie, meine grüne Hotpants, grüne Socken und grün-weiße Turnschuhe, lief ich ein Weilchen planlos durch's Waisenhaus. Ich hatte ja überlegt es mir auf der Terrasse gemütlich zu machen, doch die Schaukel dort war schon von einem Pärchen belegt. Im Parterre entdeckte ich dann ein Mädchen, ganz allein auf der Treppe sitzend und auf dem Handy tippend. Sie schien neu hier zu sein, zumindest hatte ich sie hier noch nie gesehen. Dann wurde es wohl mal Zeit sie kennen zu lernen. Schließlich kannte sie hier ja wahrscheinlich auch niemanden. Lächelnd lief ich auf sie zu und blieb vor ihr stehen. "Guten Tag. Ich bin Lisanna." begrüßte ich sie freunlich und stellte mich vor. "Du bist neu hier oder? Ich hab dich hier noch nie gesehen." fragte ich neugierig während ich sie etwas musterte. Schwarz. Abgesehen von ihrer Haarfarbe war alles an ihr schwarz. Wen ich raten müsste würde ich auf Gothic tippen. Und ich hätte wahrscheinlich auch recht damit. "Soll ich dich vielleicht etwas rumführen?" fragte ich sie lächelnd. Mal sehn, vielleicht würde sie ja meine erste Freundin hier werden.
Eine ganze Weile starrte Saki noch auf ihr Handy und hoffte irgendwie, dass Hotaru zurück schreiben würde. Doch leider kam keine Antwort. Ob sie nun sauer auf Saki war? Verständlich wäre es jedenfalls. Sie selbst wäre ebenfalls sauer gewesen. Kurz darauf hörte sie jedoch Schritte, nicht weit entfernt, die Saki's Aufmerksamkeit auf sich zogen. Es war ein Mädchen und bei genauerer Betrachtung fiel Saki auf, dass sie fast ausschließlich grüne Kleidung trug. Schien wohl ihre Lieblingsfarbe zu sein. Aber diese Farbe stand ihr auch irgendwie und sie machte einen freundlichen Eindruck. Sie packte ihr Handy in ihre Handtasche und überlegte sich, ob sie das Mädchen einfach mal ansprechen sollte, doch da kam diese auch schon auf Saki zu und begrüßte sie. Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus und sie antwortete:"Ja, ich bin erst vor ein paar Stunden hier angekommen.", sie stand auf, nahm die Hand des Mädchens welches sich zuvor als Lisanna vorgestellt hatte und schüttelte sie. Für eine Japanerin eine seltsame Marotte, aber sie schüttelte nunmal gerne zur Begrüßung Hände. Das hatte irgendwie was persönliches. "Mein Name ist Saki Yokino.", stellte sie sich dann selbst vor und ließ Lisanna's Hand wieder los. Doch ihr Lächeln verschwand und ihre Miene wurde leicht verschwörerisch,"Bist du auch eine... Gestaltenwandlerin?", fuhr sie im Flüsterton fort und musterte Lisanna aufmerksam. Ihr wurde zwar versichert, dass hier außergewöhnliche Jugendliche lebten, aber Saki konnte es erst so richtig glauben, wenn sie es mit eigenen Augen gesehen hatte. Es wäre einfach zu cool endlich mal eine Gleichgesinnte zu treffen.
Als Lisanna sie dann fragte, ob sie Saki in der Schule herumführen dürfte, lachte sie wieder und rief erfreut:"Sehr gerne!"
Es war endlich so weit. Nach etwas mehr als fünf Jahren auf dieser Insel durfte sich der Jinouga von seinen bisherigen Aufpassern und Erziehern verabschieden. Irgendwie erfüllte es ihn mit Stolz. Es war ein langer und steiniger Weg gewesen. Als er hier nach Isola kam war er nichts weiter als ein Tier. Von Instinkten getrieben und von Wut auf all jene erfüllt, welche ihn aus der Einsamkeit der Natur entrissen hatten. Doch all dies lag in der Vergangenheit. Endlich vertraute man seinen Fortschritten so sehr, dass er unter andere Leute gehen konnte. Personen die sich vielleicht sogar keinen Meter für ihn interessierten. Ein aufregender Gedanke. "...210...", murmelte Jin leise, als er durch die Türen des Waisenhaus schritt und in der Parterre zum stehen kam. Hinter sich zog er einen relativ großen Koffer her und mit der anderen Hand hielt er ein zerknülltes Papier in der Hand. Da er darauf bestanden hatte alleine hier her zu kommen und sich auch alleine zurecht zu finden, hatte man ihm wenigstens noch diesen Zettel mitgegeben. Dieser hatte ihn von seinem bisherigen Lebensort in den nördlichen Randbezirken der Stadt hier geführt. Nicht, dass er diesen Zettel gebraucht hätte. Den Weg hier her war er ohnehin in seiner Tiergestalt gekommen. Er kannte den Weg...seine Erinnerung und seine Nase hatten ihn auch völlig ohne dieses Papier hier her gebracht. Seine Zimmernummer war nun der einzige Grund wieso er das Papier in Händen hielt. Der Blick des Halbwesens wanderte durch die große Halle und blieb kurz darauf bei zwei Mädchen hängen. Sie schienen sich zu unterhalten. Nichts wo sich der junge Mann einmischen wollte. Dies war immerhin mehr als unhöflich. Außerdem war ihm in diesem Moment nicht danach sich zu unterhalten. Er war zwar ab und zu schon mal hier gewesen, aber niemals alleine. Zum ersten mal seit seiner Ankunft stand er hier im Waisenhaus - seinem zukünftigen Zuhause - und war dabei...frei. Frei zu tun und zu lassen was er wollte. "...Endlich...", flüsterte Jin leise als er die Augen schloss und einmal tief durch die Nase einatmete. Jedes mal wenn er hier war, stand er unter einer gewissen Anspannung. Doch dieses mal war er endlich tiefen entspannt. Die Gerüche des Waisenhauses fluteten den Geruchssinn des Halbwesens und drohten ihn schon binnen weniger Sekunden völlig in ihren Bann zu ziehen. Die vielen Fremden Gerüche auf die er sich nun konzentrieren konnte waren überwältigend. Neue Personen...neue Räume...eine völlig neue Umgebung. Jin konnte es kaum erwarten zu sehen was ihn nun alles in seinem neuen Leben erwarten würde. Nach einigen Augenblicken erklang wieder das Geräusch seines rollenden Koffers, als Jin zielstrebig auf eine nahe Couch zuging. Als er auf dieser Platz nahm, steckte er den Zettel wieder in eine der Taschen seines Kimonos und schloss erneut die Augen um die neue Einwirkung dieses Ortes voll und ganz in sich aufnehmen zu können. Das Gefühl von Freiheit...genau das hatte ihm nun seit fünf Jahren gefehlt.
Mist. Wie konnte nur so schnell die Zeit vergehen? Eigentlich wollte ich nur kurz etwas nachlesen bevor ich mich mit Evangeline treffen wollte, aber anscheinend war ich so vertieft, dass ich einfach die Zeit vergessen hatte und als ich am Treffpunkt ankam, war sie natürlich schon weg. War ihr ja auch nicht zu verdenken. Wer wusste schon wie lange sie da gewartet hatte und ich bin einfach nicht aufgetaucht. Auf jeden Fall sollte ich mich nochmal bei ihr Entschuldigen, denn das war wirklich keine Absicht und ich hoffte sie war jetzt nicht sauer. Etwas frustriert über meine unpünktliche Art machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Meine Schulsachen konnte ich da lassen und die Uniform konnte ich auch endlich ausziehen. Mit der Tasche über der Schulter und den Büchern in der Hand hastete ich ins Wohnheim. Allerdings kam ich nicht sonderlich weit. Vielleicht hätte ich mal nach vorne gucken sollen, anstatt meinen Blick am Boden haften zu lassen. Mit einem dumpfen Geräusch lief ich in jemanden rein und fand mich im nächsten Augenblick auf dem Boden sitzend wieder. Damit hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Ich blinzelte den jungen Mann ein paar Mal überrascht an, bevor ich hastig meinen Rock glatt strich. So was Blödes. Der Tag wurde ja immer besser. „Ähm, E-Entschuldige, das war keine Absicht. Ich hab nur…“, während ich mir eine Entschuldigung zusammenstotterte versuchte ich meine Bücher und die herumliegenden Blätter einzusammeln, „..Ich hab nicht richtig aufgepasst. Ist alles in Ordnung?“, Ich rappelte mich wieder auf und sah ihn lächelnd an, allerdings ein wenig unsicher, weil ich ihn noch nicht gesehen hatte und nicht wusste was für ein Typ er war. Zwar waren mir bis jetzt nur relativ harmlose Typen untergekommen, aber es war ja nur eine Frage der Zeit bis sie hier mal einen etwas aufbrausenden Typen begegnete. „Ich bin Candice.“ Wenn er neu hier war, hatte er vielleicht nicht unbedingt den erstbesten Eindruck von mir, aber ändern konnte ich das schließlich auch nicht mehr, also warum nicht gleich einfach einen neuen Kontakt knüpfen? Ich hielt ihm meine Rechte Hand hin und balancierte mit meiner linken die Bücher und Blätter. Wenn er meine Hand nicht gleich nehmen würde, müsste ich sie zurückziehen, ansonsten würde mir wieder alles auf den Boden durchrutschen.
Während Saki darauf wartete, dass die Besichtigungstour bald beginnen würde, bemerkte sie zwei junge Leute. Ein Mädchen und ein Junge. Die beiden mussten gerade erst hier aufgetaucht sein, denn bevor Lisanna sie angesprochen hatte, war Saki noch alleine hier. Sie war wohl zu aufgeregt gewesen endlich jemanden kennen gelernt zu haben, dass sie den Jungen und das Mädchen nicht bemerkt hatte. Die beiden gaben ein ziemlich gutes Pärchen ab und es sah beinahe so aus, als würden sie jeden Moment Händchen halten. Da Saki ziemlich kontaktfreudig war, ging sie einfach zu ihnen und lächelte sie an. "Hallo! Ich bin Saki!", sagte sie fröhlich und blickte die beiden abwechselnd an. Eigentlich würde sie ihnen nun die Hände schütteln, aber sie wollte die beiden beim Händchen halten nicht stören,"Entschuldigung das ich euch störe, aber ihr seid das erste Pärchen das ich hier im Waisenhaus sehe und ich finde, das ihr echt toll zusammen passt! Wie schön, dass es auch hier anscheinend die große Liebe gibt!" Ja, Saki war ziemlich aufdringlich, aber so war sie nunmal. Besonders schlimm war es, wenn sie im Umkreis niemanden kannte. Es wäre ziemlich schlimm für sie alleine zu sein. Je mehr Leute sie also kannte, desto geringer war die Chance in diesem Waisenhaus zu vereinsamen. Dann musterte sie die beiden etwas genauer und wollte schließlich wissen:"Was seid ihr eigentlich? Vampire? Magier? Oder vielleicht sogar Gestaltenwandler?"
Einige weitere Augenblicke lang saß Jin schweigend und mit entspannt geschlossenen Augen auf der Couch und ließ all die neuen Reize auf sich einwirken. Er war sich ziemlich sicher, dass es ihm hier gefallen würde. Immerhin wurde er fünf Jahre lang darauf vorbereitet hier - und vor allen Dingen im Allgemeinen - zurecht zu kommen. Außerdem war es ja nicht so, dass er hier niemanden kannte. Shiina lebte ja auch hier im Waisenhaus. Alle Anderen waren bestimmt genau so nett wie sie es war. Dass es auch hier ein paar schwarze Schafe gab, hatte das Halbwesen nicht wirklich auf dem Schirm. Wortlos öffnete Jin nach einiger Zeit wieder die Augen und erhob sich wieder von der gemütlichen Couch. Er konnte ja nicht den ganzen Tag hier herum sitzen. Als erstes sollte er sich wohl aufmachen und sein Zimmer finden. Um ein letztes mal seine Zimmernummer nachzuprüfen, kramte Jin den zerknüllten Zettel aus seiner Tasche und warf einen Blick auf diesen. Obwohl er fest dazu entschlossen war nun endlich hier Fuß zu fassen, kam er jedoch nicht weit. Gerade als er nach seinem Koffer griff und zur nächstbesten Treppe gehen wollte, lief er in aller Geistesabwesenheit doch tatsächlich in eine Fremde Person hinein, woraufhin diese sogar zu Boden fiel. Während Jin weiter wie eine eins Stand, beobachtete er fragend wie das Mädchen dort unten sich entschuldigte und ihre Bücher und Blätter aufsammelte. Auf die Idee ihr zu helfen kam das naive Halbwesen gar nicht. Immerhin wollte er sie nicht beleidigen in dem er ihr nun vor den Händen herum fummelte. "...Ja. Hast du dir weh getan? Ich habe auf dieses Papier hier gesehen und nicht aufgepasst wo ich hingehe. Dafür möchte ich mich entschuldigen...", erklärte Jin die Situation mit gelassener Stimme als er einmal kurz zu dem Papier in seiner linken Hand blickte und dieses wieder in eine der beiden Taschen seines Kimonos steckte. Die Unsicherheit in ihrem Gesicht erkannte das Halbwesen nicht, weshalb er ihr Lächeln mit einem - für ihn sehr typischen -offenherzigem Lächeln erwiderte. Als sich das Mädchen kurz darauf vorstellte und ihm die Hand entgegenstreckte, blickte Jin diese erst ein paar Augenblicke fragen an. Sie schien Probleme damit zu haben ihre ganzen Bücher und Blätter in ihrem Arm zu halten. Ob es nicht besser wäre erst ein mal dafür zu sorgen, dass nichts weiter mehr auf den Boden fallen würde? Jin verstand Candice Verhalten zwar nicht, wollte diese freundliche Geste jedoch auch nicht ablehnen, weshalb er ihr die Hand ebenfalls entgegenstreckte. "...Ich heiße Ji-", in dem Moment in dem die Hände der Beiden sich beinahe schon zur Begrüßung berührten, kam ein weiteres Mädchen dazu und sprach ganz begeistert, davon dass Candice und er ein tolles Pärchen abgaben. Überrascht von dem Mädchen, welche sich kurz davor als Saki vorgestellt hatte, zog Jin seine Hand erst ein mal zurück und sah diese in Gedanken versunken an. Sprach Saki gerade wirklich von Candice und ihm? Wie kam sie darauf, dass es sich bei den Beiden um ein Pärchen handelte? Und wieso sollten sie gut zusammen passen? Jin machte keine Anstalten um ihr die wahre Sachlage zu erklären und konzentrierte sich stattdessen darauf zu verstehen wie ein einfaches Händeschütteln eine derartige Schlussfolgerung zulassen konnte. Als Candice damit anfing Saki zu erklären, dass sie sich geirrt hatte, senkte Jin seine Hand langsam wieder und betrachtete die Beiden wortlos. Zwei äußerst merkwürdige Personen. Aber er war wohl kaum normaler. Irgendwie...gefiel ihm das. "Ich bin ein Jinouga...", erklärte das Halbwesen anschließend um auf Sakis letzte Frage zurück zu kommen. Der fragende Gesichtsausdruck des jungen Mannes war daraufhin wieder verschwunden und seinem gelassenen als auch offenherzigem Lächeln gewichen. Er war es durch die letzten Jahre so sehr gewohnt, dass jeder wusste was ein Jinouga war, dass er anscheinend gar nicht mal mehr damit rechnete, dass es defakto leider nur recht wenige Menschen auf der Welt gab, die mit diesem Wissen prahlen konnten. "Dein Geruch ist neu...du bist auch neu hier, habe ich Recht?...", fragte Jin nun an Saki gerichtet. Jin war schon einige male mit seinen Erziehern hier gewesen. Immer zu genau den Zeiten in denen sich hier sonst niemand aufhielt. Candice Geruch hatte das Halbwesen schon paar mal aufgeschnappt als er hier herum geführt wurde. Jener von Saki war ihm jedoch völlig fremd. Etwas, was ihn sehr freute. Dann war er ja vielleicht doch nicht der einzige hier, der heute seinen ersten Tag hatte. Zumindest seinen ersten Tag in Freiheit.
Als plötzlich eine weitere Mädchenstimme los plapperte, zog ich schnell meine Hand wieder zurück. Zum einen, um die Zettel aufzufangen, die beinahe wieder herunter gefallen wären und zum anderen, weil dieses Mädchen etwas Merkwürdiges faselte. Ich und der Junge ein Paar? Normalerweise hätte mich so eine komische Deutung nicht wirklich gestört, aber heute, jetzt gerade, spürte ich, wie ich ein wenig rosa im Gesicht wurde. Hallooo? Was ist denn nur mit mir los? Wie kam dieses Mädchen überhaupt auf so eine schwachsinnige Idee. Bei dem Abstand den der Junge und ich hatten, hätte man sich doch denken können, dass wir uns lediglich die Hände schütteln wollten. Zur Begrüßung, nichts weiter. „Ich und…er??“, ich schaute das Mädchen fragend an und dann zu dem Jungen, der sich als Jinouga vorstellte. „Nein, nein. Er und ich…ähm ne, da ist nichts.“, ich wusste nicht warum ich so herumstotterte und mir nicht einfach irgendein witziger Spruch einfiel. Stattdessen schaute ich verlegen weg und stopfte einfach alle Zettel und Bücher in meine Tasche. Anscheinend brauchte ich bald mal eine Pause und musste endlich aus der Schuluniform raus. Vielleicht ging es mir in meinen eigenen Klamotten besser. Plötzlich fiel mir die Erklärung ein und ich wusste endlich, wieso ich so schlapp drauf war. Hunger! Ich hatte Hunger. Wann es wohl endlich was zu essen geben würde? Zum Glück wusste ich nun was los war und konnte das Problem ganz einfach lösen. Ich lächelte das Mädchen an, die anscheinend auch neu war und stellte mich ihr ebenfalls vor. „Ich bin Candice und du bist...?“ Auf ihre Frage nach dem Wesen ging ich erstmal nicht ein, vielleicht hatte ich Glück und sie fragte nicht noch einmal nach und es interessierte sie eigentlich nicht sonderlich, sondern wollte nur ein Gespräch anfangen. Ich wollte nicht unbedingt jedem auf die Nase binden was ich war. Dämonen hatten irgendwie immer was negatives an sich und da ich bis jetzt keinen anderen Dämonen getroffen habe, bestätigte mich das irgendwie. Schließlich würde wahrscheinlich kein böser Dämon hier angenommen werden, nur die guten, die mit denen man etwas anfangen konnte, bei denen man noch Hoffnungen auf das Gute hatte. Nun ja, wie gesagt, ich bin hier noch keinem anderen Dämon begegnet. „Zwei Neuankömmlinge also! Was genau führt euch denn hier her? Irgendwelche spannenden Geschichten die ihr erzählen könnt?“ Ja, meine Neugier war wieder geweckt, jetzt wo ich wusste, dass heute anscheinend ein Tag war, an dem gleich mehrere Neulinge ankamen. Schließlich war ich auch noch nicht so lange hier und konnte gut nachvollziehen wie es ist neu an dieser Anstalt zu sein.
Das Mädchen stritt sofort ab, dass sie und der Junge etwas hätten weshalb Saki nun betrübt drein schaute und sagte:"Oh man... schade... Ich dachte ihr wärt zusammen."
Sollte Saki dieser Irrtum peinlich sein? Nein, es war ihr keineswegs peinlich. Sie hatte sich nur geirrt, was war schon dabei? Und außerdem... "Was nicht ist, kann ja noch werden.", plapperte sie ihren Gedanken laut aus. Sie kicherte und zwinkerte dem Mädchen aufmunternt zu. Saki hatte nämlich eine riesen Spaß daran andere miteinander zu verkuppeln, aber sie selbst hatte noch nie wirklich Glück in der Liebe gehabt, weshalb sie es mittlerweile aufgegeben hatte. Wenn sie zu doof für eine Beziehung war, dann sollten wenigstens die anderen Freude daran haben.
Der Junge hatte nichts zu Saki's Äußerung gesagt und beantwortete nur Saki's Frage, welches Wesen er war.
"Jinouga? Was ist das?", wollte sie daraufhin wissen. Klang irgendwie nach Nougat. Vielleicht war er sowas wie ein Schokoladenmonster oder ähnliches. Das Mädchen verriet anschließend auch ihren Namen. Sie hieß Candice und dies erinnerte Saki an Kandis Zucker. Waren alle hier nach süßem Essen und Gewürzen benannt worden? Sie dachte nach und da fiel ihr Lisanna ein. Nein, es war anscheinend nicht der Fall.
"Canidice, ein sehr schöner Name.", sagte Saki daraufhin,"Mein Name ist Saki Yokino."
Sie verbeugte sich leicht und blickte dann wieder alle anwesenden freundlich an.
Plötzlich meinte der Typ, dass Saki's Geruch neu wäre, weshalb sie ihn schockiert anblickte und am liebsten einen Schritt zurück ging. Sie hatte doch heute erst geduscht! Lag es daran, weil sie Koffer tragen musste und geschwitzt hatte? Oh man... wie peinlich..., dachte sie nur und lächelte verlegen.
"Ähm ja... ich bin neu.", antwortete sie knapp. Eigentlich hätte sie noch gefragt, wer ebenfalls neu hier war, aber Saki war momentan ziemlich peinlich berührt und würde gerne direkt in ihr Zimmer rennen. Das käme jedoch nun auch ziemlich blöd.
Zum Glück schob Candice das Thema mit dem Geruch beiseite und fragte den Nougat Typen und Saki wo sie her kämen und ob sie irgendwelche spannenden Geschichten zu erzählen hätten.
"Du bist also auch neu?", fragte sie daraufhin den Typen. Dann sah sie zu Candice und beantwortete ihre Frage:"Ich komme aus Kyoto und naja... eigentlich habe ich keine spannenden Geschichten zu erzählen." Sie lachte verlegen auf und blickte in die Runde. Vorerst wollte sie niemandem erzählen wie und warum sie hierher gekommen war, da sie große Angst hatte wieder zu ihren Eltern zurück zu müssen.
"Aber du hast mir noch garnicht verraten was für ein Wesen du bist.", hakte sie freundlich nach,"Oder ist das ein Geheimnis?"
Sakis Andeutung, dass sie anscheinend immer noch der Meinung war, dass Candice und Jin gut zusammen passen würden, verstand das Halbwesen nicht wirklich. Sie schien sehr überzeugt davon zu sein, dass die Beiden ein traumhaftes Paar abgeben würden. Er selbst verstand jedoch nicht wirklich wieso. Auf der einen Seite war Saki, welche das eine sagte und auf der anderen war Candice, welche ziemlich eindeutig nicht ihrer Meinung zu sein schien. Zumindest deutete der junge Mann das so. Die ganze Situation verirrte ihn. Auf wen sollte er denn nun hören? Bevor er sich darüber jedoch den Kopf zerbrechen konnte, wurde er glücklicherweise von Sakis Frage was denn ein Jinouga sei abgelenkt. Es war erst dieser Moment in dem Jin sich wieder daran erinnerte, dass es kein Wunder war wenn man nichts von seiner Spezies wusste. "...Oh? Tut mir Leid, ich habe vergessen, dass man nicht mehr viel von uns weiß. Wir sind eigentlich schon seit Jahrhunderten ausgestorben, weißt du?...", trotz dessen, dass diese Aussage eigentlich sehr traurig war, lächelte der junge Mann weiterhin zufrieden. Es gab für ihn keinen Grund deprimierende Stimmung zu verbreiten. Er vermisste seine Familie zwar, jedoch hatte er sich inzwischen daran gewöhnt. "...Wir sind eine Art Halbwesen. Eine sehr exotische Mischung aus Wolf, Bär und Drache. Ich würde es euch ja zeigen aber wir sind relativ groß...ich würde hier sicher einige dinge beschädigen...", erklärte Jin mit ruhiger Stimme und lachte gegen Ende ein wenig in sich hinein. Ja...es wäre sicher eine sehr schlechte Idee sich hier zu verwandeln. Es wäre wohl am besten wenn er sich nicht in unnötige Probleme katapultiert. Geschweige denn direkt am ersten Tag seiner offiziellen Ankunft. Dass seine Aussage über Sakis Geruch das Mädchen sehr verunsicherte bemerkte Jin nicht. Für ihn war es ganz normal Leute am Geruch zu erkennen, sodass es ihm nie in den Kopf kommen würde, dass manche Leute derartige Dinge als unangenehm empfanden konnten. Seine Erzieher hatten ihn zwar öfter gesagt, dass er nicht ganz so offen damit sein wollte, aber auch nach fünf Jahren konnte man ihm das nicht abgewöhnen. Von daher war es nicht verwunderlich, dass Jin die Blondine einfach weiter anlächelte. "...Geschichten...?", wiederholte das Halbwesen einmal leise für sich. Nun, es gab nichts all zu interessantes oder spannendes über sein Leben hier auf der Insel zu erzählen. Wobei alleine der Fakt, dass er praktisch gesehen schon länger hier auf der Insel war als die Beiden anderen, durchaus erwähnt werden konnte. Zusammen mit seiner ganzen Geschichte, wenn man genauer darüber nachdachte. Denn dies waren wohl genau die Sorte spannender Geschichten nach denen Candice gefragt hatte. Doch zu aller erst hörte Jin ohnehin Saki zu, welche vor ihm das Wort ergriffen hatte. "Kyoto...das ist eine Stadt in Japan, richtig? Da komme ich ursprünglich auch her...", merkte das Halbwesen an und lachte wieder ein mal leise. Konnte man in diesem Fall davon sprechen, dass die Beiden die gleiche Nationalität inne hatten? Vermutlich...zumindest wenn man über die Jahrhunderte hinweg sah, die wohl zwischen den Geburtsjahren von Saki und Jin lagen. "...Ich weiß nicht ob das eine spannende Geschichte ist, Candice...aber ich bin eigentlich schon seit fünf Jahren hier auf der Insel. Aber ich war ziemlich verwildert und deshalb musste man mir viele Sachen beibringen...deshalb fange ich erst jetzt hier mit der Schule an...", Erklärte Jin mit seiner gewohnten Entspannung und tat so als wäre dies eine kaum nennenswerte Information gewesen. Immerhin empfand er sein bisheriges Leben hier nicht gerade als spannend. Anstrengend oder nervenaufreibend vielleicht. Aber spannend?...so weit würde er persönlich nun ja nicht gehen.
