Ich lebe etwas abgeschottet von den anderen Häusern. Einzig und allein des Zweckes, um dem ganzen Tumult und der Masse zu entfliehen. Ich bin nicht wirklich gerne unter Menschen und ziehe mich lieber vor ihnen zurück. Außerdem machen meine unzähligen Macken es umso schwieriger. Doch dies ist in diesem Falle irrelevant und steuert nicht dazu bei, meinen Sitz zu erläutern.
Wie schon erwähnt, besitze ich ein recht kleines Häuschen, abgeschieden von der Masse, anderen Häusern und auch dem Wald. Das liegt einfach an meiner Vorsicht. Ich lebe in einer Art Bibliothek. So hatte ich noch vor, sie durchzulesen, wenn sich die Zeit finden sollte. Ich besitze ein Erd- und Obergeschoss. Oben befindet sich allerdings nichts weiteres, außer eine weitere Ansammlung von Büchern und einem Fenster, um nach draußen zu schauen. Unten habe ich meinen Schreibtisch, an welchem ich die meiste Zeit verbringe, sowie die Küche, welche vom Hauptteil getrennt steht. Zwei Esstische befinden sich ebenfalls m großen Raum. Auf der linken Seite befindet sich mein Schlafbereich, welcher - so wie die Küche auch - vom Hauptteil durch eine kleine Holztrennwand abgetrennt ist. Dort befindet sich auch ebenso ein großer Schrank für meine Klamotten und das Bad. Nicht sehr groß, aber ausreichend für mich. Ein Waschbecken, eine Badewanne und die Möglichkeit zu duschen. Baden ziehe ich jedoch vor. Ach ja und natürlich die Toilette.
Normalerweise meide ich Wohnbereiche, die mit Holz ausgestattet sind. Doch da mir keine andere Möglichkeit blieb, meide ich so nun das Feuer und eigne mir lediglich das Licht von draußen oder eine Lampe zur Hilfe. So hab ich auch sehr selten warmes Essen auf dem Tisch, den der Herd in meiner Küche wird normalerweise mit Feuer betrieben. Und obwohl ich nicht immer die Zeit dazu habe, beziehungsweise haben werden, werde ich mich dennoch darum kümmern, frühmöglich alles einmal durchzuputzen. Ich strebe nicht sehr gerne danach, alles wirklich neu zu besitzen. Lieber habe ich es schlicht und altmodisch.
Draußen habe ich einen kleinen Garten, indem ich Gemüse und Kräuter angepflanzt habe. So wie ich die Blumen liebe, besitze ich auch einen großen Teil im Garten, um welchen ich mich stets kümmere. Im Gegensatz zu der Nahrung, waren diese allerdings schon geplanzt gewesen. So habe ich sie übernommen und achte stets auf sie, um sie wachsen und gedeihen zu lassen.
Es grenzte doch schon an einer Selbstverständlichkeit, dass ich ihm ebenfalls geholfen hatte. Immerhin hatte er das auch bei mir getan. Daher stellte ich das gar nicht in Frage oder so. Auch erinnerte ich mich daran, dass wir uns - ja, wir wollten uns eigentlich erst heute Abend treffen. ”Hm~ ja, eigentlich schon“, erwiderte ich, erklärte daraufhin aber auch, warum ich schon zu Hause war, ”aber anstatt, dass ich den Unterricht schmiss, wurde jemand anderes dafür eingeteilt. Deswegen war ich schon zu Hause.” Dann wäre dieses Unwissen nun auch in Wissen umgewandelt, nicht? Fielen mir jetzt auch erst wieder seine Katzenohren auf, über welche sich Liam strich. So beobachtete ich sie einen Moment, ehe ich ihm wieder ins Gesicht sah, etwas blinzelte. Mir war zwar schon bewusst gewesen, was er war… aber, ich wunderte mich noch immer darüber, dass meine Allergie und Angst darüber noch nicht hervorgetreten waren. War es vielleicht deshalb, weil er auch… ein Mensch war? Irgendwie verwirrte mich das ein wenig. Aber nur ein bisschen.
”Irgendetwas?”, wiederholte ich leise und überlegte einen Augenblick. Was hätten wir also machen können? Es gab immerhin vieles. Aber… ich war mir natürlich auch nicht sicher, ob es in seiner Interesse sein würde. Immerhin wollte ich nicht irgendetwas machen, was ihm vielleicht nicht gefallen würde. Schließlich würde ich schon wollen, dass es uns beide Spaß machte. Vielleicht Karten spielen? - ich war zu altmodisch. ”…egal was…”, murmelte ich leise und schaute einen Moment an die Decke, ehe ich wieder zu Liam blickte. Mein Alter? Ich hatte es ihm gesagt gehabt, ja. Aber eigentlich indirekt. ”Alt…”, meinte ich daher erneut sagend, lächelte aber etwas, ”…für einen Engel, aber…” Aber nein. Ich kam nicht weiter dazu, den Satz auszusprechen, obwohl ich vorgezogen hatte, ihm klar zu machen, dass ein Aussehen dort bis an die 24 Jahre reichen sollte. Aber ich spürte schon die Lippen Liams auf meinen, wodurch ich die Augen weitete und nicht damit gerechnet hatte. Ich fühlte mich ja schon irgendwie etwas überrumpelt deswegen. Zumal seine Hand an mein, uhm… Hemd herumfummelte, was mich noch zusätzlich leicht irritierte. Wenn er so weitermachen würde, würde mein Herz in wenigen Sekunden nicht mehr da verankert sein, wo es zu sein hatte! Und obwohl sich meine Augen allmählich beruhigten und kleiner wurden, hinderte mich das nicht daran, die eigenen Hände zu heben. Während ich die eine auf seine Hand am Hemd dirigierte, wanderte die andere in meinen Nacken, um diese zu fassen. Und ehe mir der peinliche Moment passierte, wie Liam merken würde, dass mein Herz schneller schlug, als normal, zog ich sie sanft von dort weg, hielt sie aber bestimmend noch immer in meiner. Diejenige, welche im Nacken lag, ließ ich dort. Doch ich erholte mir etwas Abstand zu ihm und schaute verlegen hinab auf seine Brust, was das beruhigen dadurch natürlich auch nicht verbesserte. Und wenn das schon alles nicht genug gewesen wäre, kam mein Gesicht einer Tomate auch gleich. Aber das störte mich nun auch nicht weiter. Abwechslung. Ich… lachte leicht, ”…d-damit… d-du hast mich… uhm… ü-über-überrascht“, ich war gänzlich neben mir, drückte seine Hand auch leicht und schaute vorsichtig zu ihm auf. Trotz der gesamten Tatsache glaubte ich noch immer seine weichen Lippen auf meinen zu spüren und seinen Duft in der Nase zu riechen. Es war irgendwie wie… Balsam oder so. Mein Gesicht zierte aber auch ein schmales lächeln. ”Dieses Mal war es aber kein Yoghurt… oder?”, ich kicherte etwas und empfand es als angenehm. Auch wenn es so plötzlich kam.
"Tschuldige.", meinte ich, ohne es so zu meinen. Ich würde es wohl jedesmal tun, vermutlich....~
Wie? Ich durfte ihn nicht weiter befummeln? Das nahm ich jetzt aber als persönliche Abfuhr. Und überhaupt, ich sollte das wilde Rumgeknutsche lassen. Würde das jemand mit mir machen, ich wäre sicher verstört. Und wünschte mir meine Ehre zurück. Naja, not. "Kein Joghurt, nein.", murmelte ich und fuhr mir mit meinem Finger ein wenig homoerotisch über den Mund, leckte über meine Oberlippe und unterdrückte ein leichtes Grinsen, bevor ich mich sitzend abwand, um das Badezimmer weiter zu inspizieren. Und jetzt?
Ich bekam plötzliche Panik. Fluchtangst. Klaustrophobie. Das Bad war nicht besonders groß. "Ist die Heizung an?"Besaß Gilli überhaupt eine Heizung? Ich lockerte meinen eh nicht besonders geschlossenen Hemdkragen und lächelte aber wieder - beunruhigen wollte ich auch nicht, auch wenn ich sehr beunruhigend war. Mein Hirn brauste ein wenig, mir fielen immer weniger Sachen ein, die ich ihn fragen konnte, oder mit denen ich mit ihm drüber hätte reden können, entschied aber, das Schweigen mit den richtigen Personen auch ganz angenehm war, lehnte mich ein bisschen weniger entspannt zurück und versuchte zwanghaft meine Zwänge zu unterdrücken.
"Tschuldige. Falls ich dich dauernd das Selbe frage.", meinte ich ein wenig unbeholfen und schüttelte meinen Kopf, weil ich mir doch ein wenig doof vorkam. Er konnte sich alles über mich merken, während ich alles vergaß. "...Oder falls ich dir irgendwann mal eine Geschichte zwei oder dreimal erzählen sollte." Dazu neigte ich ja auch, hin und wieder. Vorsichtig setzte ich mich auf meine Unterschenkel und wiegte mich vor und zurück, sichtlich ahnungslos und nervös. "Du hast grad keine Schmerztabletten in Reichweite, oder?" Verschwiegen wir mal eben meine Neigung dazu, in Abhängigkeit zu etwas zu geraten. Meine Ticks, meine Nervosität, meine innerliche Zerbrochenheit, meine offensichtliche Persönlichkeitsstörung. Plötzlich war es nicht mehr die Frage, ob ich Gilbert aushalten könnte. Eher die, ob ich nicht ihm auf die Nerven fallen würde.
Ich lächelte immernoch nervös und fragte mich, ob es so eine gute Idee war, sich an ihn ranmachen. Jetzt war es zu spät. Wenn er sich wirklich als die Persönlichkeit herausstellte, für die ich ihn hielt, würde ihm nun jegliche Ablehnung das Herz brechen. Endlich. Endlich wurde ich ruhiger, konnte wieder meine Fassung bewahren. Das Problem war nun, dass auf Gilberts Schoß wiederfand. Und sogleich mich fragte, ob er auf kleine Miezekatzen gut zu sprechen kam. Wenn nicht, hatten wir gerade ein Problem. Cheesus.
Uhm… vielleicht doch nicht so angenehm. Es war doch nicht seine… - ich fühlte mich… - ich wusste auch nicht… - ich seufzte und mein lächeln verschwand auch wieder unter einem verwirrten Gesichtsausdruck. Doch erneut wurde warm im Gesicht, als ich ihn so beobachtete, als er das mit dem Yoghurt bestätigte. Schaute deswegen auch etwas beschämend hinunter auf meine Beine. Wanderten meine Brauen jedoch schnell wieder hinauf und ich fragte mich: wie kam er bitte nun darauf? ”Heizung?”, natürlich besaß ich eine, diese war jedoch aus, ”sie ist nicht in betrieb“, erklärte ich und schaute zu dieser mickrigen, welche dort unter dem Fenster hockte und regelrecht danach schrie, angemacht zu werden. Irgendwie hatte ich die Vermutung, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Vielleicht war das, was passiert war… - Ausrutscher? Ich lauschte ihm schweigend. Und umso mehr er sprach, umso mehr Sorgen machte ich mir. Allein auch die Tatsache, dass er begann, sich vor und zurück zu bewegen. ”…liam?”, meine Sorge wurde größer. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich war einfach so. Menschen, die mir wichtig waren - um die machte ich mir einfach Sorgen, weil es mein inneres einfach wollte. So etwas konnte ich bis dato noch nie steuern. Und irgendwie wollte ich es auch gar nicht. Es war eigentlich okay so. Vielleicht hin und wieder etwas behindernd, aber besser, als gefühlskalt zu sein. ”Hast du Schmerzen? Ich hab welche, du musst mir nur sagen, was dir wehtut. Dann hol ich sofort etwas.“ Und obwohl ich mich noch weiter mit jenem unterhalten wollte - ich aber auch WUSSTE, dass er irgendetwas mit einer Katze zutun hatte… ich glaubte, dass mir jeden Moment das Herz stehen blieb.
Plötzlich entwickelte ich Panik in mir und ich merkte, wie mein Körper sich versteifte, regelrecht zu kochen anfing. Ganz unschön und widerlich. Ich glaubte zu merken, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich und ich am liebsten geschrieen hätte, um klar zu machen, dass ich gerade die Angst mit Löffel gefressen hatte. Ich wollte das Tier von mir stoßen, wollte es viele Meter von mir weghaben. So weit wie nur möglich. Ich glaubte, dass mein Hals austrocknete, meine Knochen zu bröckeln anfing und mir der Kopf platzte. Und doch war mir bewusst, dass dieses Tier… es war nicht einfach ein Tier… es war Liam. Ich konnte nicht… Mit einer Hand hielt ich mir krampfhaft die Augen zu, während ich mir die andere regelrecht ins Bein krallte, nicht darauf achtend, dass ich mir dadurch nicht vielleicht selber Schaden zufügte. …b-beruhig dich… es… es ist Liam”, presste ich mir zwingend durch die Zähne und versuchte mich damit wieder abzuregen. Und ich wollte ihn nicht einfach so durch die Gegend “werfen”. Ich hatte einen fürchterlichen Druck auf den Schultern. …b-bitte… t-tu mir… ni-nichts, flehte ich erstickend. Auch wenn ich nicht wusste, ob er mich verstand oder auch nicht. Ich äußerte das, was ich zu äußern hatte. Es kostete mich eine Heiden Überwindung nicht doch zu schreien. Doch ich wollte versuchen stark zu sein. Ich wollte ihm zeigen, dass auch in mir ein Mann steckte! Nicht, dass ich nur die Heulsuse war! - und doch war die Angst und der Versuch diese zu unterdrücken zu groß, sodass ich es schaffte, mich durch meine Hose zu verletzen - die Hose an sich war nicht allzu dick - und zur Seite auf den kalten Boden fiel und darum kämpfte, einen klaren Gedanken zu fassen und meine Atmung wieder geregelt zu bekommen.
Das war ja jetzt wirklich keine Absicht gewesen. Also, auf Gilbert's Schoß zu landen. "Alles okay?", wollte ich fragen. Aber kein Wort kam aus meinem Mund. Stattdessen flitzte ich auf den nächsten Schrank, beobachtete nervös die Situation von diesem erhöhten Punkt aus. Dass er so reagierte hatte ich auch nicht erwartet.
Wir hatten ja offensichtlich beide eine nicht gerade zu beneidende Psyche. Wenn man als Katze seufzen konnte, so tat ich es gerade. Und jetzt? Flüchten? Ich fand eigentlich, es wäre eine gute Idee. Aber auch ein wenig asozial. Ich verwandelte mich mit aller Kraft zurück und blieb oben auf dem knarrenden Schrank sitzen, weil mich immernoch schockierte, was mit Gilli gerade abging. Und darum war es auch sicherer, ihn aus der Ferne zu betrachten. "Alles klar, Gilli?", fragte ich erneut, "ich wollte dich nicht erschrecken." Obwohl er das wahrscheinlich wusste. Vorsichtig rutschte von dem Badezimmerschränkchen runter und kam wieder auf den Boden, dort angekommen sah ich, wie Gilli immernoch zitternd einfach rumlag. Und sehen konnte er auch nichts. Ich schüttelte die restlichen Katzenhaare von mir runter und ging in die Hocke, nahm die Hand von seinen Augen. "Schau, ich bin wieder ein Mensch.", sagte ich doch vorsichtiger, als es eigentlich nötig war. "Du hast Angst vor Katzen, hm?" Man musste kein Professor sein, um das herauszufinden. Ich streichelte ihm sanft über die Schulter, wischte mir angestrengt, kurz über die Stirn, sah ihn besorgt an.
"Ist es besser, wenn ich verschwinde?", fragte ich dann, nicht ohne ihn aufzuheben und aus dem Bad herauszugeleiten. Und jetzt? Am besten, auf einen Stuhl, oder so. Ich verschloss die Badezimmertür sorgfältig, während ich ihn rausstützte, sah mich erneut in dem Häuschen um und sah das weiche Sofa, auf dem ich vorhin nicht allzulange geschlafen hatte, geleitete den wohl sehr geschockten Gilbert dort hin. Ich vermutete, Abstand wäre nun ganz sinnvoll.
Beim Sofa angekommen, drückte ich ihn in die Kissen und setzte mich für eine Weile neben ihn, entschied, ich brauchte nun ein wenig Abstand. Um nachzudenken. Über so alles. Darüber, ob ich wirklich Gefühle für AJ hatte, wenn ich doch hier bei Gilbert rumgammelte.
"Ich gehe.", bestimmte ich, stand auf und sah Gilbert sanft und besorgt an. Ob ich ihn alleine lassen konnte? "Wir sehen uns heute Abend. Erhol dich.", ich strich ihm die Haare zur Seite, gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, ziemlich unschuldig, im Gegensatz zu dem stürmischen Gefummel von vorhin, für das ich mich langsam schämte und lächelte ihn an. "Tschüss." Anstatt so einfach aus der Tür zu gehen, wie jeder normale Mensch das tun würde, stieg ich auf einen Stuhl, hangelte mich zum Fenster hinaus und schloss es wieder. Nachdem ich vom Dach gerutscht und wieder auf den Füßen gelandet war, schlenderte ich los, wahrscheinlich in meine Wohnung. Oder irgendwo anders hin, um mich Ablenken zu können. Davon, dass ich bloß ein kleines, verwirrtes Kätzchen war.
Ich war noch nie jemand der unbedingt wollte, dass er im Mittelpunkt stand. Es bedeutete für mich einfach den totalen Egoisten zu spielen. Und das wollte ich doch nicht, verflucht! Aber was sollte ich machen, wenn ich so empfindlich auf manches war? Es war so wie es war. Und irgendwie wollte ich das auch am liebsten wieder ändern. Ich fühlte mich im ganzen so komplett falsch und bangte damit, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, in der “Hölle” zu bleiben. Denn mit meinem Verhalten schadete ich nicht nur mir, sondern auch andere - wie auch immer. Es war aber durchaus nervig und suboptimal. Und doch wusste ich, dass er mich nicht erschrecken wollte. Woher konnte Liam auch wissen, dass ich eine Phobie gegenüber… Katzen hatte. Mir war bewusst gewesen, dass er eine war, aber mein inneres brachte es nicht über sich, dem ganzen Stand zuhalten. Meine innerliche Angst war einfach zu groß. Ich verfluchte sie.
Und doch kniff ich für einige Zeit die Augen zusammen, ehe ich sie wieder vorsichtig öffnete, um vor mich auf die Kacheln der Wanne zu starren, ehe mein müder Blick zu Liam hinaufwanderte. Er war wieder ein Mensch… ja. Tatsächlich. War das ein Traum? Nein, dass war es garantiert nicht. Ich schämte mich dafür. So rutschte mein Sehbild auch wieder auf die Kacheln vor mir, als er mich wegen der Katzensache fragte. Vermutlich brauchte ich nicht einmal antworten. Garantiert hatte er seine Antwort selber schon erdacht. Waren wir doch mal ehrlich: ich war eine verkümmerte, kleine Seele, die lieber hätte da bleiben sollen, wo sie nicht mit solchen Dingen rechnen müsste. Und nein, ich wollte verflucht noch mal nicht, dass er ging! Aber Zwang war noch niemals etwas gewesen, was ich groß schrieb. Es war Liams Entscheidung. Ich hatte mich da nicht einzumischen. Normalerweise konnte er sich die Frage doch eigentlich selber beantworten. Wieder kam ich mir unglaublich peinlich vor, wenn ich daran dachte, was ich ihm in der Quelle an den Kopf geworfen hatte. Aber warum sagte ich es ihm nicht erneut? Warum bekam ich nicht erneut die Klappe auf und stellte mich strickt dagegen, dass er ginge? - weil ich es nicht konnte. Gilbert, verfluche dich.
Nachdem er so gütig war und mich auf das Sofa verfrachtet hatte, hatte ich mich automatisch schon zur Seite gelegt und starrte schweigend vor mich her. Und ich sagte bereits, es war seine Entscheidung. Er sollte für sich entscheiden. Und er entschied sich, was ich nicht beeinflussen konnte, wollte, ich wusste es nicht. Trotz dieser Tatsache sprach er von heute Abend. Doch irgendwie… - ich würde ihm nicht böse sein, wenn er nicht wiederkam. Vielleicht wäre es auch besser gewesen. Verließ mich auch nur ein stilles seufzen, als ich die Lippen des Schwarzhaarigen auf meiner Wange spürte. Und einige Minuten später war er verschwunden.
Während meiner gesamten Schweigezeit und nur der Starrerei nach vorne, kam es mir gänzlich vor wie eine Ewigkeit. Doch nur vorsichtig setzte ich mich wieder auf und schaute noch immer leer vor mich hin. Realisierte jetzt erst, dass Liam schon einige Zeit weg war. Ich fühlte mich so schäbig wie noch nie. Wie durchgekaut und ausgespuckt. Vermutlich hätte ich ihm von meiner Phobie erzählen sollen, anstatt dann so etwas abzuliefern. Mir war in diesem Moment auch nicht mal bewusst, wo mir der Kopf stand. Doch zu allererst erhob ich mich wacklig vom Sofa und ging zurück ins Bad, wo ich mein Bein etwas versorgte. Das sich dort noch Katzenhaare befanden, tat ich unbewusst übersehen. Zu sehr war ich damit beschäftigt, einen klaren Kopf zu bekommen. Nachdem das auch passiert war, schlenderte ich zurück. Durch das große Zimmer hinüber in die Küche, wo ich mir einen weiteren, nun wesentlich stärkeren Kaffee machte, welchen ich dann auch sofort trank. Und doch brachte mir das genauso wenig. Denn selbst meine leichte Zitterpartie war noch da und schien auch nicht so schnell verschwinden zu wollen. Des weiteren wäre es wohl durchaus sinnvoll gewesen, dass ich mich erstmal wieder sammelte. Und irgendwie wollte ich das nicht hier. Ich musste dringend etwas in meinem Leben ändern. Ich musste VIELES in meinem Leben ändern. Das erste wäre wohl, dass ich langsam aufhörte, wie ein Teenager an Liam zu denken. Das war doch total bescheuert! Wütend über mich selber, schmiss ich die Tasse in das Spülbecken - ohne sie kaputt zu machen - und ging wieder zu meinen Klamotten, um diese anzuziehen, meine Zigaretten zu holen und schweigend mein Heim zu verlassen. Was ich mir genau dabei dachte, war mir selber nicht bewusst. Aber was ich durchaus wusste - aber viel zu spät - war die Tatsache, dass ich im Grunde eigentlich nur wieder vor meinen Ängsten davon rannte. Und so konnte ich doch nicht zeigen, dass ich ein Mann war. Memme traf es da wohl doch besser. Doch jetzt, in diesem Augenblick sehnte ich mich mehr denn je wieder nach zu Hause und nach Alistor…
War ich jetzt der Arsch? Weil ich zu Gilbert ging und gerade eben noch AJ die Abfuhr erteilt hatte? Eigentlich sollte es mir egal sein; es waren ihre Gefühle, die fehlgeleitet waren..sie hatte immer gesagt, Lehrer und Schüler Beziehung ginge nicht, sie ha..
Nein, so konnte ich nicht denken. Es passte nicht zu mir, stellte ich fest, und damit gleichzeitig auch, wie sympathisch ich mir trotz allem war: Ich badete mich lieber in Selbstzweifel und schlechtem Gewissen als wirklich alles auf sie zu schieben. Andererseits; was konnte sie denn auch für ihre Gefühle? Gefühle waren offensichtlich total random ausgepickt und gewählt, auf die Person gerichtet, auf die Amor seinen Pfeil schoss und oft so schnell wieder weg, dass man sie kaum fassen konnte.
Ich überlegte, wie ich ihr gegenübertreten konnte, während ich den schmalen Weg zu Gilbert Haus schlenderte. Wie ich mich verhalten sollte. Wie nur. Eine Erleichterung war es, dass ich sie im Unterricht laut neuem Stundenplan nie zu Gesicht bekam; das erleichterte die Situation für mich ungemein. Mein Blick würde wahrscheinlich doch nur zu ihr wandern, und vermutlich würde meine Neutralität sie verletzen. Die Neutralität,die ich in dieser Situation bräuchte, um das Gesicht zu wahren.
Ziemlich locker war ich über den Gartenzaun gesprungen und tappte nun den Steinweg durch Gilbert's Vorgarten entlang, zum Haus, blieb stehen, wollte schon auf's Dach klettern; überlegte es mir dann glücklicherweise anders und klopfte. Als ich keine Antwort bekam, lief ich ans nächste Fenster. Niemand da? Auch dort klopfte ich, seufzte.
Offensichtlich: Gilli hatte auch noch etwas anderes zu tun, als sich mit mir abzugeben. Wie frustrierend. Dort, wo ich stand ließ ich mich fallen, holte meinen Türschlüssel raus und fing an, mit diesem zu spielen. Nach einer Zeit strich ich mir an den Haaren herum, um nochmal zu prüfen, ob sie richtig saßen. Als ich an mir runterschaute, strich ich auch nochmal über das frische Shirt, fuhr über die Löcher der Jeans, die ich mir gerade vorhin angezogen hatte und schloss die Jacke. Nach einigem Spielen am Reissverschluss stöhnte ich auf und legte meinen Kopf nach hinten, an die Hauswand.
Ob wir wieder normal miteinander reden konnten, irgendwann? Ich wünschte es mir.
CF: Mangetsu No York / Einkaufsstraße / Die Straße
Auf dem gesamten Weg hatte ich mir noch immer Gedanken um Misus Worte gemacht und kam zu dem Entschluss, dass sie vollkommen recht hatte. Ich steuerte immer nur zu, Ratschläge an andere zu verteilen, anstatt mir selber damit zu helfen. Einfach des Grundes wegen, weil ich andere wichtiger fand, als mich selber. Ich wollte einfach nicht egoistisch sein und doch schien ich mich mit meinem Ich unwissend so zu verhalten. Das war wirklich bitter und schmeckte mir ganz und gar nicht. Ausschließlich gutes. Ich wollte ausschließlich gutes tun. Anderen helfen und sie aufheitern. Dabei vergaß ich wiederum meine eigenen persönlichen Probleme. War es so auch kein Wunder, dass ich mir selber nicht aus dem selbst gegrabenen Loch helfen konnte. Vermutlich hatte ich mich schon selber eingebuddelt. Das war wirklich unschön und bitter. Aber ich hatte Angst davor, schon bestehendes, woran ich mich gewöhnt hatte, zu verändern und nicht damit klar zu kommen. Das bereitete mir unangenehme Gänsehaut. Eigentlich wollte ich nichts in meinem Leben ändern. Ich mochte es eigentlich so, wie es war. Aber es behinderte mich wohl zu sehr, als das ich damit hätte weiter herumlaufen können. Allein der Tatsache wegen, dass ich mir wieder viel zu viele Gedanken machte, jagte mir schon wieder die Tränen in die Augen, sodass ich mich in eine Seitengasse abschied und dort an eine der Wände lehnte. Den Atem versuchend dadurch zu ersticken, indem ich mir die Hand vor den Mund hielt. Hier war niemand und mich würde auch keiner sehen, wenn ich mich für einen gewissen Moment dazu brachte, meinen Tränen - wieder mal - freien Gang zu lassen. Außerdem sollte man sich danach doch wohl besser fühlen… oder?
Mittlerweile waren meine Augen so gut wie rot und mir dröhnte der Kopf. Irgendwie fühlte sich alles um meine Augen so an, als seien sie angeschwollen. Niederschlagend darüber, seufzte ich, ehe ich den restlichen Weg zu meinem Haus nahm. Die Tüte hielt ich noch immer dicht bei mir an den Oberkörper gepresst und hatte wieder die Blicke der anderen kassieren können. Das nächste Mal würde ich heulen, wenn ich zu Hause war. Ich brauchte einen Kaffee.
Wieder seufzte ich etwas, musterte den Weg vor mir und schob allmählich das kleine Gartentor auf, um es hinter mir auch wieder zu schließen. Morgen würde ich die Saat einpflanzen. Mhmh. Und noch immer war ich in meinen Gedanken, ehe ich kurz vor meiner Haustür war und schließlich auch einen Schatten so. Daher wanderte mein Blick auf aufwärts, wo ich Liam erblickte. ”L-liam…” Ich war durchaus verwundert. War es schon so spät? Ach du Schreck! Ich hatte bestimmt die ganze Zeit mit dem Weg und meinem Heulen verbracht, dass mir die Zeit nun gänzlich abhanden gekommen war. Ich wollte doch noch kochen… Ich kramte meinen Schlüssel raus, welcher mir jedoch vor Nervosität zu Boden fiel. ”. . .!!!”, schnell bückte ich mich danach, griff ihn auf und schloss - verstreut wie ich war - die Tür auf. ”Komm rein“, meinte ich sofort und trat ein. Hoffentlich beruhigten sich meine Augen so schnell wieder! Ich wollte nicht, dass er schon wieder die Gilbert-Memme vor sich hatte.
So dachte ich noch weiter über AJ nach, und es machte mich immer deprimierter. Was war aus 'beste Freunde' geworden? Wie konnte so etwas so schnell passieren, so schnell dass man es gar nicht merkt? Oder hat es sich über lange Zeit gezogen? So war ich wohl blind gewesen. Und das ärgerte mich. War ich dermaßen Egozentriker? Das konnte nicht sein, oder?
Erschrocken blickte ich auf, als ich Schritte hörte. Offensichtlich, sie waren leicht und vorsichtig, hörte sich nach Gilbert an..und tatsächlich, als ich aufschaute, stand er vor seiner Tür und schaute mich an, sagte meinen Namen. Ähnlich perplex antwortete ich "Gilli!" und rappelte mich auf, während er in sein Haus stürmte, als würde er verfolgt, nicht ohne mich vorher noch reinzubitten. Ich klopfte meine Klamotten ab und folgte ihm rein in die Bude, schloss die Tür hinter uns.
Es war nicht so, dass ich die roten Augen nicht gesehen hatte, aber ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen; ich selbst heulte nicht ..oft. Also, eigentlich, so gar nicht. Mit 12 zuletzt? Das war so eine vage Vermutung. Jedenfalls; es musste sicher etwas Schlimmes passiert sein...; und wenn, so würde er es doch sagen, oder? Aber ich hatte Gilbert vor mir. Man konnte nie wissen, was ihn bedrückte und ob er es einem sagte. [So viel konnte ich schon einschätzen.]
Jedenfalls, so stand ich also im Haus und fühlte mich ein bisschen Fehl am Platz, da ich nicht wusste, wo ich mich hinbewegen sollte. "Tut mir leid, dass ich schon so früh hier bin. Ich wusste nichts mit mir anzufangen und dachte, womöglich geht's dir auch so.." Das waren aber blöde Vermutungen. Hörte sich an, als hielte ich ihn für hobbylos.
Ich strich mir über die Haare und bereute es so gleich; ich fühlte förmlich, wie sie wieder aus der Form sprangen und total verstrubbelten. Ich seufzte, nahm mir einen Stuhl und hockte mich an den Tisch. "Alles okay, bei dir?", fragte ich dann doch, weil ich die geröteten Augen nicht ignorieren konnte, genauso wenig wie sein Karnickel-haftes Verhalten,auch wenn das womöglich die Norm bei ihm war.
Mir fiel auf, wie schrecklich das war. Ich ärgerte mich furchtbar darüber, dass jemand mich sehr gerne mochte; und auf der anderen Seite hatte Gilbert vielleicht viel gravierendere Probleme. Ich schämte mich, buwah. Und jetzt nervte ich ihn auch noch. Nervös zwirbelte ich an meinen Haaren, die jetzt eh verloren waren und wagte mich nicht, weiterzureden.
Sofort schüttelte ich den Kopf, während ich noch dabei war, meine Schuhe und auch meinen Mantel auszuziehen. Sorgfältig landete alles an seinen Platz, ehe ich hinüber in die Küche ging, um die Sachen dort auch abzustellen. ”Ist schon in Ordnung“, meinte ich nun, versuchend ihn zu beruhigen… oder so. Ich war nur etwas einkaufen“, stimmte ja auch irgendwie, nicht? Kurz darauf packte ich nun auch die Sachen aus und legte die gesamten Saatpäckchen an die Seite. Während ich die Geräusche hinter mir - durch Liam verursachend - mitbekam, holte ich die passenden Utensilien hervor, um mich dann auch daran zu machen, schon einmal das Gemüse zu waschen. Doch seine Frage wollte und konnte ich nicht überhören, sodass ich leicht über meine Schulter schaute. Mir schmerzten die Augen. ”…ja“, ich lächelte, wenn auch etwas steif, wandte mich dann aber wieder an das Gemüse, ”auf dem Markt sind mir nur zu viele Gewürze ins Auge gestiegen. Unglaublich, wie viele sie haben.” Ich war doof. Innerlich seufzte ich auch etwas darüber, wollte jedoch verhindern, Liam nicht SCHON wieder damit voll zusülzen. Außerdem waren mir die Worte von Misu noch immer im Ohr geblieben. Ich wollte mich ändern. Und doch hätte ich jetzt gerne jemanden gehabt, der mich von hinten stützte. Nicht, dass ich noch umkippte oder so. Mich gar irgendwo anrammelte, nur weil ich mich falsch bewegte. ”Eigentlich wollte ich mit dem essen ja fertig sein, wenn du kommst, uhm. Ich hoffe es stört dich nicht, wenn ich das schnell mache“, ablenken, ”ich hoffe, du magst Gemüsepfanne mit Reis.” Denn ich mochte es. Wäre schön, wenn wir das gemein hätten. Gemüse mochte er ja sowieso, dass wusste ich noch. Schließlich war er Vegetarier! Und jetzt fühlte ich mich SCHON WIEDER wie ein fieberhafter Teenager. Dabei dachte ich stets, ich sei erwachsen, hmpf.
"Auf dem Markt, also?" Ich wollte schon wieder seufzen, als ich merkte, dass er mich anlog. Es war doch irgendwas offensichtlich NICHT in Ordnung. Aber ihn jetzt zum Reden drängen..nein. Es war seine Sache; und wenn er nicht wollte/konnte, war das auch okay. Ich würde wohl später noch einmal nachfragen, vermutlich war es jetzt auch einfach nicht an der Zeit, Trübsal zu blasen. Vorsichtig stand ich vom Stuhl auf und ging zu ihm, Richtung Küche, sah ihm neugierig über die Schulter. "Du wolltest Essen machen?", ich musste leicht grinsen, auch wenn das heißen müsste, dass ich wohl für heute keine Ideen mehr hatte, was wir unternehmen konten. Shit. Aber an sich war ich froh, darüber, dass er...dass er das jetzt vorbereitet hatte. Das machten nicht viele für einen, oder? Ein wenig hatte ich meine Sorgen vergessen, schob Gilbert ein wenig zur Seite und besah mir das Gemüse, nickte, auch wenn nicht ganz auf seine Frage, sondern einfach nur so, und meinte, anstatt zu antworten: "Ich möchte helfen." Mich kribbelte es in den Fingern, Gemüse zu schneiden!
Okay. Dazu bedarf es eine längere Erklärung...; Oder nein, sie war eigentlich ziemlich kurz: Jegliches hantieren mit Messern fand ich unglaublich befriedigend. S&M Fetischisten waren wohl nichts gegen mich. Aber wenigstens verpackte ich meine Mordlust hinter einer relativ normalen Ansage, auch wenn meine Augen wohl beängstigend glitzern mussten. Ob er es alleine machen wollte? So, als Geste mir gegenüber? Dann störte ich wohl bei den Vorbereitungen. Gemeinsam kochen fand ich jedoch besser, als wenn er sich die Arbeit machen musste und ich nur faul auf dem Platz gammelte. "Da hast du schönes Gemüse ausgesucht.", stellte ich fest und nahm eine Paprika, drückte den Stiel vorsichtig rein und zog ihn dann, mit dem Fruchtfleisch heraus. Nach kurzem Umschauen fand ich ein Brett, legte ihn darauf und brauchte nur noch das Messer. "Wo sind die Messer?", fragte ich aufgeregt und sah Gilbert gespannt an.