Ich lebe etwas abgeschottet von den anderen Häusern. Einzig und allein des Zweckes, um dem ganzen Tumult und der Masse zu entfliehen. Ich bin nicht wirklich gerne unter Menschen und ziehe mich lieber vor ihnen zurück. Außerdem machen meine unzähligen Macken es umso schwieriger. Doch dies ist in diesem Falle irrelevant und steuert nicht dazu bei, meinen Sitz zu erläutern.
Wie schon erwähnt, besitze ich ein recht kleines Häuschen, abgeschieden von der Masse, anderen Häusern und auch dem Wald. Das liegt einfach an meiner Vorsicht. Ich lebe in einer Art Bibliothek. So hatte ich noch vor, sie durchzulesen, wenn sich die Zeit finden sollte. Ich besitze ein Erd- und Obergeschoss. Oben befindet sich allerdings nichts weiteres, außer eine weitere Ansammlung von Büchern und einem Fenster, um nach draußen zu schauen. Unten habe ich meinen Schreibtisch, an welchem ich die meiste Zeit verbringe, sowie die Küche, welche vom Hauptteil getrennt steht. Zwei Esstische befinden sich ebenfalls m großen Raum. Auf der linken Seite befindet sich mein Schlafbereich, welcher - so wie die Küche auch - vom Hauptteil durch eine kleine Holztrennwand abgetrennt ist. Dort befindet sich auch ebenso ein großer Schrank für meine Klamotten und das Bad. Nicht sehr groß, aber ausreichend für mich. Ein Waschbecken, eine Badewanne und die Möglichkeit zu duschen. Baden ziehe ich jedoch vor. Ach ja und natürlich die Toilette.
Normalerweise meide ich Wohnbereiche, die mit Holz ausgestattet sind. Doch da mir keine andere Möglichkeit blieb, meide ich so nun das Feuer und eigne mir lediglich das Licht von draußen oder eine Lampe zur Hilfe. So hab ich auch sehr selten warmes Essen auf dem Tisch, den der Herd in meiner Küche wird normalerweise mit Feuer betrieben. Und obwohl ich nicht immer die Zeit dazu habe, beziehungsweise haben werden, werde ich mich dennoch darum kümmern, frühmöglich alles einmal durchzuputzen. Ich strebe nicht sehr gerne danach, alles wirklich neu zu besitzen. Lieber habe ich es schlicht und altmodisch.
Draußen habe ich einen kleinen Garten, indem ich Gemüse und Kräuter angepflanzt habe. So wie ich die Blumen liebe, besitze ich auch einen großen Teil im Garten, um welchen ich mich stets kümmere. Im Gegensatz zu der Nahrung, waren diese allerdings schon geplanzt gewesen. So habe ich sie übernommen und achte stets auf sie, um sie wachsen und gedeihen zu lassen.
Er wusste…? Er wusste nicht, warum er… - innerlich seufzte ich etwas enttäuschend darüber. Es war niemals gut, sich irgendwie so kleine Hoffnungen zu machen oder so. Aber… was hatte man den für einen Grund, wenn man zu jemanden kam? Einfach, um mal eben ins Haus… uhm “einzubrechen”, Unordnung zu schaffen und wieder zu verschwinden? Das stimmte mich nicht wirklich aufheiternd. Ich war irgendwie deutlich enttäuscht darüber. Hatte mir irgendwie erhofft, dass er mich besuchen kommen wollte. Und dieses Mal… es wäre das gleiche gewesen. Vielleicht nur mit dem Unterschied, dass er die Unordnung wieder herrichten wollte. ”…oh… uhm… ach so…” Für einen Augenblick schaute ich traurig hinunter auf den Boden und dachte darüber nach, wie naiv ich oft war und mir Hoffnungen rauskramte, wo ich sie nicht hätte haben sollen. Manchmal hasste ich mich deutlich dafür. Sehr deutlich sogar. Und dann wünschte ich mir, nie irgendwie wieder… auf… - nicht wieder diese Chance bekommen zu haben, hier… auf der Erde erneut mein... uhm… Leben zu fristen. Ich hasste mich.
Während sich Liam erhob, kümmerte ich mich sowohl um die Tasse und den daraus gelaufenem Inhalt, indem ich in eine Schublade griff, um Tücher herauszufischen. Das Flüssige aufgewischt, fanden die Tücher auch ihren Platz im Mülleimer, welcher neben dem Tisch stand. Den Stuhl an der Lehne gepackt, erhob ich mich schweigend und stellte auch den Stuhl wieder richtig hin, während die Tasse auch wieder ihren Platz fand, sowie meine Lesebrille auf dem Tisch. Kümmerte ich mich auch gleich um meine Zettel, welche deutlich durcheinander gekommen waren, während ich hin und wieder hinüber zu Liam blickte, welcher kurz darauf auch zu sprechen anfing. Ich überspielte meine Naivität und meine Gedanken, kümmerte mich weiter um die Blätter. ”Ja… ich sagte doch, dass ich gerne lese“, murmelte ich leise und musste deswegen auch sogar etwas lächeln, ehe ich schwach zu ihm hinüberschaute.
Haha. Kurz nachdem ich es auch schon ausgesprochen hatte, sah ich an Gilli, dass das offensichtlich die falsche Antwort war.~ Ihm gefiel wohl dann ein Psychopat besser, als jemand, der einfach nur..neugierig war. Und von...allem möglichen gelenkt. Ich seufzte. Just in dem Moment klingelte mein Handy, aber ich ignorierte es, ein paar Minuten darauf hörte es schon auf. Nur eine SMS, also. Die konnte ich auch später lesen. Ich wollte ein 'Tut mir leid' rausquetschen, auch wenn ich nicht wusste, für was. Ich wusste nichtmal, warum er jetzt traurig war. Weil ich mich nicht als Psychopat, der ihn stalkte, preisgab? Wahrscheinlich, haha.
Ich schwieg, als er dann davontippelte, um die Tasse wieder aufzuräumen...das hätte ich wohl eher tun sollen, als Eindringling. Aber auf den Gedanken war ich gar nicht erst gekommen. Nicht, dass ich das nicht hätte tun wollen....aber wahrscheinlich wäre in meiner Bude so eine Tasse erstmal ein paar weitere Minuten rumgelägen, während mein Hirn gerattert hätte, was zu tun wäre. Ziemlich schrecklich, war das mit mir.
Darum traute ich mich auch nicht, weiter die Bücher anzufassen. Ich fühlte mich so unordentlich und schmuddelig, gegenüber dem ordentlichen und sauberen Gilbert. Ja, genau. Wenn ich mich so umsah...ich hatte doch ein riesiges Chaos verbreitet, und es war gänzlich verschwunden? Bei mir wäre das noch Tage so geblieben. Ich seufzte, lautlos. Also, vielleicht sollte ich so langsam ein wenig etwas an mir ändern. Und erwachsener werden. Dabei hatte ich mich eine zeitlang richtig erwachsen gefunden. Jetzt, wo Gilli auch kurz beschäftigt war, schaute ich auf mein Handy, sah die SMS. Ich überlegte, ob ich was zurückschreiben sollte, entschied mich dann dagegen. Alisha sollte dem Unterricht folgen. Und ich als vorbildlicher Lehrer sollte das unterstützen.
Ich schaute nicht nach hinten, als Gilli die Worte aussprach, die, dass er gerne las. Nur ein leichtes Grinsen huschte mir über's Gesicht, während ich weiter die Buchrücken betrachtete, erst als ein paar Blätter raschelten, drehte ich mich um, kam auf ihn zu. "Ich les' auch ganz gern.", meinte ich, lächelnd. Wir hatten ja endlich was gemeinsam. Das war wirklich ein Grund, sich zu freuen, denn je mehr ich ihn kennenlernte, desto mehr merkte ich, dass wir grundauf verschieden war. Ob es die Zeit [er war ja, wie er selbst sagte, alt~] oder auch nur der Charakter war, der uns so zu Gegensätzen machte, wäre eine Frage wert, eine, die ich mich nicht zu stellen trauen würde. "Hast du ein Lieblingsbuch?",fragte ich, als ich mich an den Stuhl vorlehnte, mir mit einer Hand über mein Haar fuhr, diese dann wieder auf der Lehne absetzte.
Vermutlich würden jetzt die Unterschiede wieder losgehen: Obwohl. Ich las gerne Trivialliteratur, konnte aber auch mit klassischen Sachen was anfangen. Aber vielleicht las Gilli eher lieber über Geschichte, die das Hauptthema am Buch darstellte, und ich gerne..ich las gerne Bücher aus einer anderen Zeit. ~ Aber möglichst, ohne geschichtliches Hintergrundwissen, dass mir hin und wieder fernlag.
Italienische und Deutsche Geschichte? Ja, damit konnte ich noch was anfangen. Alles andere...? Es ging.
”Ich weiß“, murmelte ich leise und schaute wieder auf, ”das weiß ich Liam. Ich weiß auch, dass du Vegetarier bist…” Ja, ich hatte es mir genau gemerkt. Von ihm wieder zu meinem Tisch geschaut, packte ich den Zettelstapel weg. Weg in eine Schublade, wo sie nicht erneut durcheinander gebracht werden konnten. Ebenso kümmerte ich mich auch um einige andere Dinge. ”Das hast du mir erzählt… als wir bei dir waren… weißt du noch?“, ich hörte mich ja fast so an, als sei das schon eine Ewigkeit her. Dabei waren es vielleicht gerade mal einige Stunden. Merkwürdig. ”Und… uhm… Sport machst du… auch gerne.” Jetzt wurde es mir schon irgendwie unangenehm, dass ich mir alles so gemerkt hatte. So zupfte ich kurz an einem Stift, ehe ich alle Materialien zusammen suchte, um sie rüber zu einem Schrank zu bringen und dort in einer Schublade zu verstauen. Und einige Minuten blieb ich dort auch stehen. Wusste nicht, ob ich wirklich so einiges hätte erzählen sollen. Na ja, bei Freunden machte… oder konnte man das doch machen, oder nicht? Mir unbewusst an die Schulter gegriffen, behielt ich diese einige Sekunden dort. Dort, wo er mich verletzt hatte. Aber ich war nicht böse oder dergleichen. Nein. Es war okay. Außerdem hatte sich Liam dafür entschuldigt gehabt. Also war das vollkommen in Ordnung.
Erst nachdem ich mich wieder ansatzweise gefangen hatte, ließ ich die Hand sinken, machte kehrt und ging wieder zu ihm zurück, um nun auch das bisschen, was dort für mich unwollend lag, wegzuräumen. ”Ein Lieblingsbuch?“, wiederholte ich nachdenklich fragend und stützte mich schließlich kurz am Tisch ab, ehe ich weiter in den Raum ging, um nachzudenken. ”Hmm… das ist eine schwierige Frage… weißt du?”, meinte ich, verschränkte etwas die Arme ineinander und blickte mit einem halben, irgendwie traurigem Lächeln zu ihm. Doch wanderte mein Blick leicht gen Boden und ich überlegte erneut mit einem seichten Funken in den Augen, was ich hätte Antworten sollen. ”Ich lese viel… und… da gibt es durchaus mehr Bücher, die ich mag. Ich lese viel über die Geschichte. Aber auch Bücher über Pianisten und dergleichen. Nichts, was die heutige Jugend sonderlich interessieren würde, denke ich“, ich war deutlich stecken geblieben. Die Hände wieder sinken lassend, schritt ich hinüber zu einem der Schränkchen - neben meiner großen Standuhr - und hob den Deckel an, wo ein kleiner CD Spieler zum Vorschein kam. Tat ich mich auch sogleich daran, diesen anzuschalten und die darin liegende CD zum Spielen zu bringen. Nun gut, vielleicht hatte ich ja doch etwas neumodernes. Aber nur etwas kleines. ”Weißt du… ich neige mehr zu… uhm… untypischen Dingen, denke ich“, ich war anders, deutlich anders. Erklang im nächsten Moment auch eine dünne, sanfte Melodie und schon bald mit einer weichen Stimme begleitet, ”klassische Musik beruhigt mich“, murmelte ich und blickte über meine Schulter zu ihm, verzog etwas das Gesicht und zwang mir wieder ein Lächeln ab, ”…sie hilft mir irgendwie… über gewisse Dinge hinwegzukommen… uhm… ja“ Nun vom Spieler Abstand genommen, ging ich wieder hinüber zu ihm. Anstatt aber direkt im Sichtkontakt auf ihn zuzugehen, ging ich so, dass ich schlussendlich hinter ihm stand. ”Ich hoffe, sie stört dich nicht“, murmelte ich leise, legte kurz darauf auch meine Arme um seine Schultern. Nur einen Augenblick wollte ich… ich wollte es nur einen Augenblick. Nur ein mal. Und ich merkte, wie warm mir wieder wurde. So schloss ich kurz darauf auch die Augen und legte meinen Kopf sanft neben seinen auf meinen Arm ab. ”…nur kurz… bitte… dann… auch nie wieder…”, wusste ich immerhin nicht, wie er reagieren mochte. Ich wollte nur einmal in den Genuss kommen, jemanden… zu umarmen. Nur wissen… wie das war. Wie es sich anfühlte.
Verunsichert blickte ich ihm erst nach, schaute dann zurück, auf den Tisch, ein wenig beschämt, dass er sich das hatte merken können. Ich erzählte niemandem gerne doppelt Sachen über mich, oder die ich erlebte. Das war mir furchtbar unangenehm. "Stimmt.", sagte ich leise. Was konnte man auch sonst dazu sagen? 'Du hast aber gut aufgepasst?' Wenn ich schon stalkte durfte er sich ja wohl auch alles über mich merken...auch wenn ich nicht wissen konnte, ob das an einem ausgezeichneten Gedächtnis oder an einem... geringen Interesse an meiner Person lag.
Ich hörte ihm zu, ohne zu ihm zu schauen, starrte auf den Tisch, um ihm genau zuhören zu können und bewegte mich kein Stück. Auf seinen Einwand wand ich ein[..]: "Aber das ist generell doch immer so, dass die neuen Generationen kaum etwas mit den alten anfangen könne. Obwohl, es gibt Ausnahmen." ...wand ich erneut ein. Wand.
Ich wan...drehte mich nocheinmal zu ihm um, um zu sehen, wie er...was zur Hölle..? Oh. Einen CD Player rauskramte. Ich war direkt überrascht, dass es kein uralter Plattenspieler war. Dabei mochte ich Plattenspieler. Die Musik ertönte, eine Stimme erklang...ich tat mir schwer, nicht zu lachen. Nicht, um ihn auszulachen. Ich fand...keine Ahnung, wie ich es ausdrücken konnte..~ Ich fand es ziemlich...süß? Ich verkniff mir auch das kleinste Grinsen - er sollte sich nicht dumm vorkommen, mir etwas zu erzählen, nur weil ich über so vieles lachen musste - wand mich nicht um und hörte mir einfach das Lied an. "Ich kenne es.", sagte ich. Nicht, dass ich es umbedingt liebte. Auch in meinem Musikrepatoire fand sich klassische Musik..hauptsache, sie war ohne Gesang. Denn Opernarien mochten schön sein, waren für mich aber nur in geringen Mengen auszuhalten. "Weihnachten, in der Kirche." Ich wollte keine Hoffnungen schüren, dass ich mich besonders damit auskennen würde. Über gewisse Dinge..~ Ich fragte nicht nach.
Ich fragte einfach nicht nach. Ich hoffte, ihm war das angenehm. Ich hoffte, er erwartete das nicht. Aber nachfragen? Nie. Man musste mir Dinge schon erzählen, wenn man sie erzählen wollte, ohne ein ewiges Spiel daraus zu machen. Aber wahrscheinlich war das auch nicht seine Absicht. Und es war nicht meine Absicht, Desinteresse zu zeigen, nein, auch keine Gleichgültigkeit. Ich nickte - was er sehen würde, oder auch nicht - sagte dazu weiter nichts. Ich war mir auch sicher, dass die kurze Zeit, die wir uns kannten, nicht dazu ausreichte, sich schon alles zu erzählen. Das...das war einfach..man erzählte sich einfach noch nicht so früh, einfach alles. Sowas brauchte Zeit.
So hing ich auch diesen Gedanken nach, ohne ihn zu bemerken, wie er einfach näher kam. Ich fing mich, spürte den letzten Schritt und hörte sein Flüstern wie durch Nebel hindurch, bevor ich auch schon seine Körper..wärme an mir spüren konnte.
Meine Reaktion war...auf keinen Fall die Idealste. Zuerst rückte ich ungefähr einen Zentimeter nach vorne, was reichte, um gegen den Tisch zu stoßen, der leise schepperte. Mein Oberschenkel knallte gegen den Stuhl, worauf ich ihn mit schmerzender Hand rieb. Anstatt in der Position zu bleiben, die mir Gilli gegeben hatte, drehte ich mich ruckartig um und starrte ihn an, nicht gerade freundlich.
Es lag weder an dem, was er getan hatte, nur daran..wie er es getan hatte. Ich war nicht gefasst gewesen, und da man sich als... das, was ich gewesen war, niemals überraschen lassen durfte, war meine Reaktion umso stärker. Mein Herz pochte vor Aufregung bis zum Anschlag, während ich spürte, dass meine Krallen sich als Rückhalt an dem Tisch festhielten [lange würde es der Tisch in meiner Nähe auch nicht mehr aushalten....], beruhigte mich dann wieder, halbwegs. "..ch..Ich..", begann ich. Wäre dumm, wenn er mein gesamtes Verhalten nun auf sich beziehen würde. "Niemand sollte mich so einfach berühren, ohne dass ich es merke.", sagte ich und fühlte den Schweiß fast von meiner Stirn tropfen, nur sinnbildlich natürlich. Mein Hand krallte sich fest an meine Brust, um mein klopfendes Herz zu beruhigen, ich spürte warmes Blut an meiner Brust, erschrocken löste ich meine Hand, wurde endgültig wieder ein wenig ruhiger. Mit meinem Blick fixierte ich immernoch, eher unbewusst Gilbert, bevor ich mit bitterem Unterton sprach: "Und diese Musik hilft über vieles hinwegzukommen?" Denn dann sollte ich mir wohl überlegen, mir auch eine Scheibe anzuschaffen.
Egal, wie gesund und normal ich aussehen konnte, wie ausgeglichen ich manchmal auf andere wirkte, wie erwachsen und doch verspielt ich sein konnte, über manches kam auch ich nicht weg. Aber es war nicht an der Zeit, vor allem nicht der geeigneteste Moment, davon zu erzählen. Wohl oder übel musste ich feststellen, dass Gilbert zwar schreckhafter war, aber meine Reaktionen um einiges schlimmer waren. Was besser war? War doch offensichtlich. "..W-warn mich das nächste Mal..", ich tat einen tiefen Atemzug, bevor ich auch die andere Hand vom Tisch löste, mich wieder ein wenig aufrichtete, "..ich komme nicht immer mit Berührungen klar.", vorsichtig lächelte ich.
Geil. Das hört sich an, als wärst du der totale Gefühlskrüppel.
Mit meiner Tat löste ich das… vollkommen verkehrte aus. Nicht nur, dass ich ihn dermaßen erschreckte, nein, wegen mir verletzte er sich auch noch. Das ging mir so sauer über die Leber, dass es sich schon unangenehm hineinfraß. Und durch seinen Blick wurde mir schnell bewusst, dass es eine durchaus… dumme Idee war. Unbeholfen über die ganze Sache, hatte ich meine Hände natürlich wieder zu mir genommen, klemmte sie mir nun regelrecht um den Bauch und wandte beschämend den Blick vom Anderen ab. Es war mir so unglaublich… peinlich und… unangenehm. In der Tat… es würde das erste und letzte Mal sein, dass ich so etwas tat. Daher musste sich Liam auch keine Gedanken mehr darum machen. Ich war in meinem Verhalten einfach… zu schnell. Und zu unvorsichtig. Vielleicht hätte ich auch wissen sollen, dass er so reagieren würde. Es tat mir weh… das ich ihm… uhm, weh tat. Außerdem machte mich sein Blick wieder unsicher… mein Zustand war… fürchterlich. Ich sagte ja bereits… ich hasste mich selber.
Betrübt darüber die Brauen zusammen geschoben, seufzte ich innerlich recht bitter darüber und konnte mich selber nicht verstehen. Und trotz, dass ich ihn nicht ansah, horchte ich seinen Worten. Bekam auch bestätigt, dass er es nicht schlau war. Was bildete ich mir eigentlich ein? Oh… er fand es nicht schlau, wenn ihn einfach so jemand umarmte. Uhm… trotzdem hielt ich daran fest. Ich würde es nicht mehr machen. Darüber musste er sich keine Gedanken mehr machen. Und auch, wenn es nur wenige Sekunden waren… sie machten mich dennoch glücklich. Einmal… und nie wieder. Ja. Vorsichtig zu ihm geschielt, bemerkte ich, dass er sich in seinem Oberteil festkrallte. Wieder blickte ich wo anders hin. Machte mir Vorwürfe. Womöglich hätte ich ihn fast aus dem Konzept gebracht. Ach nein… das hatte ich schon. Und das in einem… ganz falschen Timing. Auch der Frage gelauscht - ich seufzte nur etwas, schielte an die Seite und dachte über mein Missgeschick nach. So glaubte ich nicht, dass es nun der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, dass mit einem “ja” zu unterstützen und womöglich noch dabei zu lächeln. Den das hätte überhaupt nicht gepasst.
”…keine Sorge…”, ich fühlte mich falsch an, wollte einfach nur umfallen und tot liegen bleiben, ”…ich werde es nicht mehr tun.” Denn dies sollte doch das einzige Mal sein. ”Es war ein Fehler von mir, verzeih“, obwohl ich natürlich versuchte, ruhig zu klingen, merkte ich jedoch, wie innerlich alles so unangenehm zu brodeln anfing und sich regelrecht staute. Nein. Ich wollte keine Mimose sein… aber was sollte ich schon tun? ”I-… ich geh Pflaster holen“, meinte ich nun eher etwas hektisch wirkend, schritt hinüber zum Player, welchen ich sofort ausmachte, den Deckel vom Schränkchen wieder hinunter tat und rüber ins Bad ging, um dort nach eben jenem zu suchen, was ich holen wollte, während ich mich innerlich immer wieder verfluchte und beschimpfte, indem was ich getan hatte. Vielleicht war ich auch wirklich eine Gefahr in der Nähe anderer… weil ich, nun. Weil ich so war, wie ich war. Das ganze grenzte doch schon an Selbstmitleid… wie tief war ich eigentlich gesunken? ”Au!”, die Hektik hinterließ seine Spuren und ich musterte den kleinen Schnitt am Finger, welcher mir gleich einladend etwas Blut präsentierte. Mich wiederum verließ wieder ein drückendes seufzen. Ich war doch nicht mehr normal…
Und er verstand es natürlich völlig ablehnend. Ich seufzte auf. Gilbert war wirklich niemand, der leicht war. Es war eine heiden Arbeit, ihn nicht zu verletzen und es war auch eine heiden Arbeit, darauf aufzupassen, dass er sich nicht verletzte... Ich folgte eher lustlos seinem Auf..schrei..? Und fand ihn in einem Badezimmer, kurz davor, loszuschimpfen, dass er nicht alles einfach so auf die Kante nehmen sollte, dass er sich nicht..schlechter machen sollte, als er war, dass er sich nicht einzubilden brauchte, jeder hasste..oder auch nur, dass ich ihn nicht leiden konnte. Ich war kurz davor, lies es aber doch. Wer war ich schon, ihm Vorwürfe machen zu wollen.
Ich nahm seine Hand, vorsichtig und bedächtig wie bei einem kleinen Kind, hielt sie unter den Wasserstrahl. "Du hast ein Talent.", murmelte ich und sah mich im Badezimmer um ...hier. Pflaster. Ich nahm mir ein kleines, trocknete vorsichtig, nachdem die Wunde durch das Wasser gesäubert wurde, den Finger ab und verklebte die Wunde mit dem Pflaster, sah zu ihm auf und hob beide Augenbrauen, seine Hand noch haltend.
Ohne verletzend zu sein: Gilbert war eine unglaubliche Bürder. Er war ein ungeschickter Tollpatsch, mit inneren und äußeren Verletzungen, von denen man von Zeit zu Zeit immer mehr mitbekam. Er schien nicht nur ein wenig Verhaltensgestört und Ich-Bezogen, nein, das ganze nahm auch noch authistische Züge an. Gosh. Er konnte kaum auf sich selbst aufpassen, und alles schien ihn aus dem Konzept zu bringen.
Und ich fragte mich ernsthaft: Wollte ich mir so eine Bürde auflasten? Musternd schaute ich ihn an, blickte lange in seine Augen. Es irritierte mich, dass dieser Pechvogel größer war als ich, immernoch. Es gab so viel, was so ...was einen an Gilbert stören könnte. Ich seufzte ein weiteres Mal, als ich ihn so anblickte [das war ihm sicher unangenehm], bevor ich mein Hemd aufknöpfte.
Oh, das durfte er jetzt aber nicht falsch verstehen. Ich zog es, soweit genug Knöpfe geöffnet waren, aus, ließ es auf den Boden fallen und setzte mich auf..ehm...einen Badewannenrand, zeigte auf meine Brust. "Ich glaube, du bist dran, mit Verarzten.", meinte ich und schaute ihn aufmerksam, abwartend, ohne zu Lächeln, an.
Es gab allerdings auch einiges, was reizvoll an ihm war.. man musste wohl nur ein wenig Geduld besitzen. Hoffte ich.
Und wieder überraschte er mich aufs neue. Eigentlich ging ich davon aus, dass er ging. Einfach so. Ich wäre ihm auch nicht böse gewesen deswegen. Würde es sogar verstehen. Irgendwie. Irgendwo. Und doch blieb er hier und steuerte meinen Finger geradewegs unter den Wasserstrahl, welchen ich schweigend musterte, dann aber leicht zu Liam schielte, als dieser sprach. Wieder zum Wasser geblickt - ich sagte nichts darauf. Wusste selber, dass ich… ja, kein Talent war. Jedenfalls nicht in allem. Und das war halt eines meiner talentfreien Probleme. Selbst das verarzten meines Fingers musterte ich aufmerksam, beobachtete ihn auch dabei, bis ich selber die Hand wieder zurückzog. Auch wenn ich es stets die ganze Zeit hätte so lassen wollen. Und während ich ihn so ansah, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass ich nicht alles auf die Karten setzen sollte. Ich wusste schlussendlich nicht mal, was ich mir eigentlich erhoffte. Ob ich mir überhaupt etwas erhoffte. Vielleicht… ja, vielleicht war eine Freundschaft auch durchaus mehr wert, als alles andere. Zuvor war es das schließlich auch immer… nun, wenn man Freunde hatte. Nicht? Ich hatte nur Alistor. Meinen geliebten Bruder. Ein Bruder und Freund zugleich. Niemals hatte ich mich irgendwie darüber beschwert, dass ich nicht auch so viele Freunde hatte, wie andere. Ich gab mich damit zufrieden. Stellte keine Anforderungen oder dergleichen. Lediglich ließ ich mich schikanieren. Ja. Wunderbar, nicht?
Den Blick etwas abgewandt, schielte ich kurz darauf wieder zu ihm und beobachtetet Liam dabei, wie er sein Oberteil öffnete. Und nein. Dieses Mal wollte ich mich beherrschen. Ich hatte schon viel zu viel… Schlamassel preisgegeben - auch wenn dies nun nichts mehr daran ändern würde. Wäre es immerhin nicht das erste mal gewesen. Nein. Mich nach seinem Oberteil gebückt, hob ich es auf, um es wenigstens über den Handtuchhalter zu legen. Kurz darauf öffnete ich ein kleines Schränkchen und suchte die passenden Sachen raus. Nur ein kleiner Lappen. Die Tür wieder geschlossen, wandte ich mich sofort ans Waschbecken, um auf lauwarmes Wasser zu warten, um das Tuch darin zu tränken. Daraufhin drehte ich mich auch wieder zu Liam um, ging in die Knie und stützte mich mit der anderen Hand auf dem Rand ab, ehe ich vorsichtig anfing, seine kleinen Wunden zu säubern.
Ich ließ mir die Wunde verarzten, spürte ein leichtes Ziehen in der Brust, was nur darauf hindeutete, dass mein Körper sich gerade regenerierte. Bei Tiermenschen, so sagte man zumindest bei meiner speziellen...'Rasse', dass wir uns so schnell regenerierten, weil wir nicht in unserer Originalform herumliefen; dem Tier. Ich hielt das für Quatsch. Ich war doch genauso Mensch wie Katze, oder? Diese ..existentiellen Gedanken beiseiteschiebend beobachtete ich Gilli, wie er die Wunde säuberte, merkte ich sogleich, dass die Wunden verschwanden. Das ging immer schnell. "Danke.", meinte ich und nahm ihm den Lappen aus der Hand, und deutete auf meine Brust, "ist schon wieder in Ordnung."
Ich wollte nicht extra auf plötzliche Tuchfühlung gehen, aber ich fürchtete, Gilbert würde es mir ernsthaft übel nehmen, wenn sich nichts an der momentanen Situation besserte. So rutschte mir ein "Du kannst dein Hemd ja auch ausziehen." ziemlich plötzlich raus. Und diesmal konnte ich mir kein Grinsen verkneifen. Stopp. Was laberte ich da? Meine Lippen wurden zu einem schmalen Strich, als ich mich zu Gilbert runterneigte und eine Hand an seinen Hals legte. "Ich darf doch, oder?", fragte ich, obwohl es mich nie interessierte, ob ich durfte. Mhm. Ich rutschte zu Gilli auf den Boden, nachdem meine Lippen seine vorsichtig gestreift hatten. Und jetzt? Ich legte los, was ihm aufgrund der vorigen Erlebnisse sicher ein wenig random vorkam. Und jetzt musste ich nur darauf hoffen, dass er nicht so viel gegen Berührungen hatte wie ich. Aber ich dachte mir, es wäre ihm recht. War es ihm doch...oder? Ich stoppte, schaute ihn an. Oh wow, ich hatte keinen Plan. Es schien mir unpassend, jetzt was zu sagen. Hatte er nun Angst? Wusste er nicht, was er sagen sollte? Buwahr.
Ich war nicht darüber informiert, dass sich andere Wesen wesentlich schneller heilten, als meine Spezies. Ja. Ich konnte mich zwar auch heilen, war ich doch ein Engel, aber ich nutzte diese Fähigkeit durchaus nicht für mich. Sondern für andere. Und so hätte ich es eigentlich auch bei Liam angewandt, wenn er mir nicht den Lappen aus der Hand genommen hätte und ich dadurch etwas perplex wurde. Schließlich war mir auch aufgefallen, dass er - vermutlich durch die Wunden - etwas zusammen zuckte. Das hatte ich ja durchaus auch immer. Umso verblüffter war ich natürlich, dass seine Wunden schon wieder… verschwunden waren. Entfuhr mich auch nur ein überraschtes ”oh…” Damit hatte ich auch die Möglichkeit, vom vorigen abzulenken. Es tat womöglich einfach gut. Nicht nur mir, sondern auch ihm. Ja. Bestimmt. Aber als ihm der Spruch rausrutschte. Ich blinzelte etwas, bemerkte aber auch sein grinsen, was ich zwar etwas zögernd, aber mit einem lächeln erwiderte. Ja. Es war schon wieder etwas angenehmer. Die Luft hatte sich beruhigt und war nicht mehr allzu stickig. Ich wollte mir nun nicht wieder anmerken lassen, dass mich so etwas… na ja, dass mich so etwas wieder in die Werd-rot-Zone brachte. Dieses Mal versuchte ich standhaft zu bleiben und dachte dabei dann einfach schnell an etwas unspektakuläres. Wie… wie… wie meine Kaffeemaschine. Ja. Neutral. Nicht wirklich dazu berufen, mich rot werden zu lassen. Genau das richtige. Doch verwirrte es mich im nächsten Moment etwas, dass er seine Hand an meinen Hals legte, zu welchen ich etwas schielte. Also zu seinem Arm. ”…was“, erwiderte ich leise auf seine Frage hin und schaute wieder zu Liam. Doch bevor ich überhaupt dazu kam, die Frage richtig zu stellen. Und doch. Meine Röte kehrte wieder zurück und legte sich nur sanft auf meine Wangen. Auch wenn ich versucht hätte, sie wegzudenken, es wäre mir unter Garantie nicht gelungen. Aber… nun, so war es nun mal. So war mein Leben. So war ich. So musste man es wohl oder übel akzeptieren. Und… ich lächelte. Verlegen natürlich. ”…”, eigentlich wollte ich mich für den Patzer noch einmal entschuldigen, glaubte aber, dass ich es damit erst mal sein lassen sollte. Das konnte ich auch später noch erwähnen. Lieber setzte ich mich erstmal richtig hin und überlegte mir irgendetwas anderes, ”…danke“, flutschte mir halt das heraus. Allerdings gab ich auch gleich Antwort darauf, wofür es stehen sollte, indem ich meine Hand hob, an wessen Finger das Pflaster war. Ich war mir seit dem Vorfall vorhin nicht sicher, ob es gut wäre, den Anfang zu machen. Denn… auch wenn ich ein paar kleine Dinge von Liam wusste, so kannte ich ihn nicht wie meine Westentasche. ”…du hast weiche Lippen“, ja~ das… ehem… flutschte mir ebenfalls heraus und ich sah ihn kurz blinzelnd an, ehe ich leicht lächelte und mir die Hand an den Hinterkopf hielt. Ich fühlte mich durchaus lockerer. Lockerer und entspannter. Nun ja, durchaus war es eine Sache für sich, so etwas zu erwähnen, aber ich dachte… na ja, ich dachte eigentlich nicht. Es flutschte schließlich einfach so heraus. Aber nun war es mir durchaus nicht mehr so peinlich, wie sonst. Ich fand es doch irgendwie… okay. Denn dazu lächelte ich schließlich. Herzlich und warm. Und das war schon eine Sache für sich.
Ich musste schmunzeln, als ich so auf dem Badezimmerboden saß und Gilli betrachtete. 'Danke' war wohl die unüblichste Erwiderung, wenn ich jemanden küsste. Oder hatte das nicht schonmal jemand gesagt....? Ich bannte den Gedanken aus meinem Hirn. Es war keine Zeit, jetzt an jemand anderes zu denken. Ebenso verlegen wie Gilli selbst fuhr ich mir vorsichtig über die Stelle, wo ich mich soeben selbst verletzt hatte, senkte meine Lider. "Danke.", murmelte ich ebenfalls, kurz bevor ich wieder aufschaute und lächeln musste.
Wenn es nicht Gilli wäre, würde ich schon längst wild mit ihm rummachen. Aber ich hielt mich zurück. Einmal wollte ich ihn nicht einschüchtern, ein anderes Mal wollte ich nichts überstürzen. Ganz locker sein. Ich hatte alle Zeit der Welt, hm? "Wir wollten uns ja eigentlich erst heute abend treffen.", bemerkte ich und grinste leicht, bevor ich mir über meine Haare und meine Katzenohren strich. Dass sie ausgetreten waren hatte ich jetzt gar nicht bemerkt. Ich setzte mich ein wenig gespannt an, legte den Waschlappen gefaltet auf den Badewannenrand und legte den Kopf ein wenig in die Schieflage, bevor ich die Augenbrauen hob, den Kopf wieder in die Ausgangsposition legte, hm.
"Lass uns irgendwas tun.", meinte ich. Irgendwas war ein weiter Definitionsbogen, wir konnten also alles tun. "Also,was du willst." Das war nett von mir. Ich war nur nervös, bemerkte ich. Meine gottverdammte Fresse, was war ich denn dauernd nervös? Hatte ich irgendwie Hormonstörungen? Sicher nicht, das hatte man mit 15. Oder so. "Und wie alt bist du nochmal?", fragte ich. Hatte ich es vergessen, hatte er es mir gesagt? Mein Hirn war wie ein Sieb. Ha, okay, ich war doch für sinnlos rummachen. Dann war meine Klappe wenigstens zu.
Ich überlegte, kurz, bevor ich näher rückte, Gilli's Kopf zu mir zog und meine Lippen auf seine legte, meine Hand in seinen Nacken wanderte, und, jahh. Keine Ahnung, ob es das war, was Gilli wollte. Rhm. Ich fing an, sein Hemd zu betatschen. Stopp, Liam. Das reichte. Huh, ich hörte nicht auf. Oh Gott.