Ein grosser, in einer Glaskuppel geschützter Garten stellt sich insbesondere für den Heilkundeunterricht zur Verfügung. Neben dem alltäglichen Grünzeug finden sich hier sogar längst vergessene Kräuter, die von hoher Seltenheit und kaum bekannt sind. Zu hinterst stehen 10 Tische und dazugehörige Stühle auf denen man arbeiten kann. Außerdem blühen hier auch die buntesten Blumen, die ebenso selten anzutreffen sind.
Ich lächelte zurück, als er mich anlächelte und mir dazu gratulierte, das ich selber ein Arschloch sei. War mal was anders, als das nette Mädchen von Nebenan und ich konnte damit leben. Mir war egal, was er von mir hielt. Ich legte allgemein nicht wirklich viel Wert drauf, was andere von mir dachten. “Sag mal, wie kommst du eigentlich darauf, dass ich glaube du seist Mason?” Ausdruckslos sah ich ihn an. Ich hatte es wirklich kein einziges Mal behauptet gehabt. Vielleicht gedacht aber nie laut aus gesprochen, also wie kam er auf so einen mist und wehe er kommt mir jetzt mit Gedankenlesen oder so! Erleichtert atmete ich aus, als er es sich endlich aufrichtet und ergriff sofort meine Chance. Bevor er mich noch irgendwie aufhalten könnte, huschte ich an ihm vorbei und ging wieder in die Mitte vom Garten, blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. Ich mochte, nein, ich wollte diese Nähe nicht. Sie verunsicherte mich und ich musste stark bleiben. “Es geht dich nichts an, was ich vorhabe wenn ich ihn finde.” Das er mit seiner Aussage einen Wundenpunkt getroffen hatte, versteckte ich. Keine Ahnung was ich machen will wenn ich ihn finde und eigentlich weiß ich auch gar nicht warum ich ihn suche. Wahrscheinlich ist es einfach nur Dummheit und Naivität. “Aber ihm eine reinzuhauen klingt sehr verlockend.", lächelnd drehte ich mich zu ihm um und lies mich zurück auf den Boden fallen, was zwar ein bisschen an meinem Hintern weh tat aber egal. “Hast du noch irgendwelche Fragen?” Ich sah zu Cruel rüber und hatte wirklich vor seine Fragen zu beantworten, da ich müde geworden war. Wütend und stur sein macht müde. Wütend und stur mit Cruel zu sein macht noch müderer. Langsam legte ich mich nach hinten auf den Rücken und hoffte er wurde auch wieder ruhiger werden. "Und du weißt wirklich gar nichts über dein vorheriges Leben?" Ich kramte aus meiner Tasche wieder die Kaugummipackung raus und musste entsetzt feststellen, das sie leer war. "Oh man..." murmelte ich und legte meinen Arm auf die Stirn. Die leere Packung zerknüllte ich in meiner Faust und lies es dann neben mir auf den Boden fallen, natürlich würde ich sie später wieder aufheben.
Ihr Lächeln hatte irgenwas Vertrautes an sich, und mir machte das Gefühl, etwas zu kennen, aber nichts darüber zu wissen, woher und warum, ein wenig Angst. Ich schluckte kurz und hörte sie dann fragen, wie ich darauf kam, dass sie mich für Mason Blue hielt. "Willst du mich verarschen?", fragte ich und zog die Brauen hoch, musste bitter lachen, bevor ich langsam sprach: "Seit dem ersten Moment, in dem du mich erblickt hast, haften deine Augen wie Kleber an meinem Gesicht und Körper.", ein selbstgefälliges Lächeln danach blieb mir im Gesicht hängen, doch ich wurde wieder ernst, "Denkst du etwa, ich merke es nicht, wie du mich jedes Mal aufs neue musterst, und dass dein Gesicht jedes Mal verrät, dass du etwas entdeckt hast, dass du zu kennen glaubst, wenn du mich anblickst? Und dann taucht plötzlich 'Mason Blue' - soll er in Frieden ruhen - immer wieder auf, egal ob es darum geht, was du sagst oder was man mir für Nachrichten schickt; Und du bist nun überzeugt, darauf kann ich mir keinen Reim machen?" Meine Augen suchten in ihrem Gesicht den Moment, in dem sie sich ertappt fühlen musste, doch sie wich mir aus und wandte mir erneut den Rücken zu. Energisch lief ich ihr nach und starrte auf ihren Rücken. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn sie ihn fand? Wer fragte denn mich? Was würde ich tun, wenn ich wusste, wer ich gewesen war? Ich holte noch mal mein Handy raus, betrachtete die Fotos eingäng und ließ dann den Display dunkel werden, um mein eigenes Gesicht in diesem spiegeln zu sehen. Wenn man allein nach meinem Gesicht ging, war es nicht so unglaubwürdig, dass wir ein und dieselbe Person waren. Wenn man danach ging,dass er Sänger war und in einer Band gespielt hatte und ich Gitarre spielen konnte, ohne zu wissen warum. Danach, dass man als Arbeit zum Todesengel verpflichtet, geradezu gezwungen wurde, nachdem man sich umgebracht hatte. Ich seufzte auf. Das durfte doch nicht wahr sein. "Oder willst du mir etwas anderes erzählen?", fragte ich in Bezug darauf, dass sie ganz sicher ihn in mir finden zu glaubte. "Ja, ich hab eine Frage. Wenn du ihn triffst und er ganz anders wäre, was dann?" Die Chance stand nicht mehr schlecht, dass das der Fall war. Allerdings konnte ich auch nicht wissen, ob nicht Mason 'auch' ein Arschloch gewesen war.
Ich sah sie von oben herab an und wartete auf ihre Reaktion, aber da Stehen mir zu nervig war, setzte ich mich gemächlich neben sie auf den Boden, legte mich zurück und sah in den Himmel. "Kein Stück; ich kann mich nichtmal an die Gesichter meiner Eltern erinnern." Das mochte für einige schlimm sein, aber mir war es so ziemlich egal: Was ich niemals gekannt hatte, konnte ich niemals vermissen.
"Hm, ja." Ich machte eine Pause, da ich nicht wirklich wusste was ich sagen sollte. "Doch, du hast recht. Ich halte die für Mason, nein... ich denke du warst vor deinem Tod Mason. Allein schon eure Stimmen, es ist ein und die Selbe." Mein Blick haftete irgendwo an der Glaskuppel über uns, dann schloss ich meine Augen und versuchte mich an Mason zu erinnern. Es ist das erste mal seid langem, das ich zurück blickte. Bisher hatte ich es immer vermieden gehabt an ihn zu denken, da es zu sehr weh tat. Langsam öffnete ich meine Lieder wieder und ich seufzte. "Ich glaube nicht, das ich so sehr falsch mit meiner Vermutung liege. Einfach alles in mir sagt, dass du er bist." Keine Ahnung warum ich nun so offen über alles redete. Vielleicht weil ich auch endlich Antworten wollte, weil ich aus dem Kräutergarten wohl eh nicht sobald raus kam und er nicht locker lassen würde. Mason war auch immer sehr hartnäckig gewesen. "Was dann wäre?" Wiederholte ich seine Frage und musste schmunzeln. "Dann ist er halt anders. Glaub mir, ich bin nicht so naiv und suche ihn, in der Hoffnung, wieder mit ihm zusammen zukommen oder so. Dann ist er halt nicht mehr der Mason, den ich mal heiraten wollte. Entweder komme ich mit ihm klar oder nicht. Ich suche ihn nur, um ihn zu fragen, warum er mich alleine gelassen hat. Klingt doof, was?" Bei den letzten Sätzen wurde meine Stimme brüchig und in meinen Augen sammelten sich Tränen, doch ich wollte nicht weinen, also hielt ich sie zurück. So beiläufig, wie es nur ging rieb ich mir meine Augen. "Oh und wenn er keine plausible Ausrede dafür hat, dann wird er noch mal sterben. Können Engel überhaupt sterben?" Als er mir erzählte, er könne sich noch nicht mal an das Gesicht seiner Eltern erinnern, musste ich schwer Schlucken. "Das ist natürlich bitter." Aber hey, ich kann mich an meine Eltern auch nicht erinnern, weil ich sie nie kennen gelernt habe, das wollte ich noch hinzufügen, verkniff es mir aber, weil es doch eher unpassend war. "Was ist mit mir? Kommt dir an mir irgendwas bekannt vor?" Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah ihn an. "Meine blonden Haare? Die braunen Augen? Vielleicht meine Stimme?" Ich hielt meine Hand mit dem Verlobungsring um meinen Ringfinger, hoch. "Vielleicht ja der Ring."
Dann kannten wir uns also? Dann war sie meine Verlobte gewesen? Ich hatte mich verlobt, allein das in meinen Kopf zu bekommen war verdammt gewöhnungsbedürftig. Dann musste ich, diese Frau vor mir, verdammt geliebt haben, nahm ich an. Aber so besonders schien sie mir nicht wirklich; und ich kam auf keinen Fall auf den Gedanken, jetzt zu diesem Zustand zurückzukommen. Das Problem bei der Sache war allerdings nicht, wer ich gewesen war. Auch nicht, was passiert war. Das Problem bei der Sache war, dass ich, je mehr ich erfahren würde, auch mehr Erinnerungen zurückerlangen würde. Das würde mein Dasein als Mensch sowie als Engel komplett beenden. Was danach kam, wusste man nicht; und niemand konnte es auch nur erahnen. "Verstehe.", meinte ich, ohne mir groß Gedanken zu machen, was ich sagen könnte, denn gerade rang die Neugier und der Selbstschutz mit sich. Aber die Neugier siegte, denn was für ein Leben besaß ich jetzt, das ich beschützen wollte? Eins auf einer Schule für Wesen? Die Insel war toll, die Freiheit war toll, selbst dass ich einfach aus dem Himmel gebannt wurde - selbst das war mir mehr als angenehm. Ich mochte meinen Kumpel Levi und mochte es auch, wie der Rest hier drauf war. Nicht, dass ich mich an den Namen irgendeiner Person hier erinnern konnte. Und jetzt? Sie wollte eine Antwort; und die konnte ich ihr schlecht geben. Ich konnte nichteinmal hundertpro sicher sein, dass es nun stimmte, auch wenn mich plötzlich ein ungutes Gefühl beschlich, unzwar, dass sie Recht hatte. "Ich weiss nicht, ob allein mein Aussehen und die Stimme dazu reichen, sagen zu können, dass wir dieselbe Person sind.", meinte ich dann; ich konnte nichtmal vergleichen, ob wir am selben Tag gestorben/wiedergeboren waren, weil Engel über solche Daten nicht verfügen konnten, also zum Beispiel den Tag ihrer Wiedergeburt erfuhren. Meine Gesicht drehte sich für einen kurzen Moment zu mir, dann wandte ich meine Augen wieder auf den überdachten Himmel über mir. Ein plötzlicher Schmerz fuhr mir in den Kopf und für einen Moment hatte ich das Gefühl, als würden herabregnende Federn meine Sicht vernebeln. "Was bleibst du noch hier und lässt dich vermöbeln?", die Stimme war härter und direkter, als ich eine Stimme je sprechen hören hatte; und, oh mein Gott, das musste meine Stimme sein. Ich fuhr fort: "Lass uns weggehen, einfach abhauen. Kein Schwein wird merken, wenn du weg bist. Aber wir werden ein tolles Leben führen, und ich sorge für dich. Klingt doof, was?" Während ich meine Stimme reden hörte, sah ich ein Lächeln, ein Gesicht, das näher kam. Ich schloss die Augen erschrocken, doch der Film spielte gnadenlos in meinem Gesicht ab; in einem Zeitraffer sah ich vor mir, wie zwei Hände sich hielten, die eine Hand zu einem Mädchen mit langen Haaren gehörte, das einen Koffer trug, dann wieder ihr bahnbrechendes Lächeln, doch ihr Gesicht erkannte ich nicht. Der Federregen verstummte und ich sah mich in der Realität wieder, die grün und frisch strahlte, ganz anders als die vernebelte Sicht geradeeben.
Was zur Hölle war das gewesen? "Klingt nicht doof.", brachte ich schließlich raus, als Antwort auf ihre und meine Frage. Plötzlich zog sich mein Brustkorb schmerzend zusammen, als hätte ich noch ein Herz, das dort schlägt. "Schätze, mein letztes Stündlein hat als Engel geschlagen.", gab ich schließlich zu, und schwieg für ein paar Sekunden, "Also verschwinden können sie, aber keine Ahnung, ob das Sterben ist." Dafür, dass ich diesem Vielleicht-Tod soeben durch meine erste Erinnerung näher gerückt war, war ich erstaunlich ruhig geblieben. "Es geht.", erwiderte ich auf ihr Statement, ob es bitter war, "Erinnerst du dich denn an Mason's Eltern?" Verdammte Neugier. Ich würde mich selbst in den Ruin treiben. Genervt von mir selbst seufzte ich auf und riss ein wenig Gras aus. "Für mich siehst du aus wie jedes 0815 Mädchen auch.", erklärte ich, "Aber ich kann mich eben an die Zeit erinnern, als ich dich hätte ins Totenreich überführen können und es nicht getan habe." Ich zögerte kurz, bevor ich die nächsten Worte sprach: "Du warst auf Drogen, darum hast du es vermutlich in dem Moment für einen Traum gehalten, als wir miteinander sprachen, aber du sagtest, dass du mich kennst." Und sie hatte geweint. Auch bei dem Versuch es zu verdrängen, scheiterte ich: Die Erinnerungen in meiner Zeit als Engel waren zu klar, als dass ich irgendetwas tun konnte, um es zu vergessen, "Als wir hier zuerst miteinander sprachen hatte ich keine Ahnung, doch auf den zweiten Blick hatte ich dich erkannt. Und ignoriert."
Ich sah nun den Ring an und hob eine Braue: "Der Klunker ist echt nicht zu übersehen." Wollte Mason..oder ich damit mein Revier makieren? Ich rollte mit den Augen. Langsam aber sicher wurden die Zweifel weniger.
Ich hob meinen Oberkörper an, stütze ich mich auf meinen Unterarmen auf und sah zu ihm runter. Hatte er gerade selber zugegeben, das er Mason sei? Mehr mals blinzelte ich und wusste nicht was ich dazu sagen sollte. „Dann werde ich mir demnächst mal einen Mordplan zurecht legen.“, meinte ich nur scherzhaft. Auch wenn ich Antworten gewollt hatte, ging mir das gerade zu schnell. Zwar hatte ich schon seid mehreren Tagen die Vermutung das er Mason ist aber ich war noch nicht dazu gekommen mir zu überlegen, wie ich darauf reagieren soll, falls es sich bestätigte. Langsam wendete ich meinen Blick wieder von ihm ab und legte mich wieder zurück auf dem Rücken, ins grüne Gras. „Seine Eltern…“ Ich musste nicht überlegen, machte aber trotzdem eine kurze Pause. „Ja, ich erinnere mich an sie aber ich hab sie auch nur zwei mal getroffen gehabt. Sie waren ganz nett, doch ich hatte sie nie wirklich kennengelernt gehabt. So weit ich weiß, waren sie ziemlich reich und steckten auch viel mühe in seine gute Erziehung, auch wenn das wohl ziemlich daneben ging. Er hatte sich nie über sie beklagt gehabt“ Das letzte mal als ich sie gesehen hatte, war auf der Beerdigung. Sie hatten mir wirklich Leid getan, doch ich war nicht zu ihnen Gegangen, da ich selber gar nicht da gewesen war. Ich hatte mich feige etwas abseits vom Friedhof versteckt gehabt und von weitem aus zugesehen. „Wie jedes 0815 Mädchen?“ Ich musste Lachen. „Das ist nun hart." Naja, so sehr traf es mich nicht aber welches Mädchen hört schon gerne, das sie wie jede andere aussah? Wohl keine. „Achja, die Drogen- und Alkoholzeit.“ Leise seufzte ich und versuchte mich zurück zu erinnern, vergeblich. Es gab aber auch nicht viel an was ich mich erinnern könnte. Die Tage liefen alle gleich ab: Aufgewacht, gemerkt das ich in der Realität bin und nach der nächsten Flasche gegriffen. Erbärmlich aber wahr. „Und warum hast du es nicht getan? Du kannst mir jetzt schlecht erzählen, dass du Mitleid mit einem Drogenabhängigen Mädel hattest, welches in einem zugedröhnet Zustand zu dir meinte, das sie dich kennt.“ Ich erinnerte mich wirklich nicht, was auch nicht sonderlich verwunderlich war. „Ignoriert? Ohja, mich aus nem zweiten Stock zuschmeißen ist wirklich eine hohe Kunst des Ignorieren.“ Lächelnd verdrehte ich die Augen, auch wenn das Erlebnis ziemlich Grauenhaft war. „Ja, er ist eigentlich nicht mein Geschmack aber Mason wollte, das niemand auf den Gedanken kommt, ich sei zu haben. Jeder sollte sofort sehen, das ich ihm gehörte.“ Ich nahm meine Hand wieder runter. „Eifersucht stand immer ganz oben auf unserer Top-Ten-Liste der Streitthemen.“ Wieder seufzte ich und kratzte mich am Kopf, wahrscheinlich haben sich dort schon zig Ameisen eingenistet. Da mir diese Vorstellung ganz und gar nicht gefiel, setzte mich auf und öffnete meinen Dutt, fuhr mir gefühlte zwanzig mal durch die Haare und schüttelte sie immer wieder aus, wobei sie höchstwahrscheinlich auch in Cruels Gesicht schwangen. Nachdem ich mich wieder besser fühlte, setzte ich mich in den Schneidersitz und rupfte irgendein Kräuter raus, betrachtete es näher. „Kann sich kein Engel an die Zeit davor erinnern?“, fragte ich ihn dann. „Warum können sie sich nicht erinnern? Und was passiert wenn ihr euch wieder erinnert?“ Solange ich auf seine Antwort wartete, nahm ich das Kraut aus einander und lies dann zurück auf die Erde fallen, als mir etwas bewusst wurde. Wenn er Mason ist und das ist er, wir konnten schon längst das ‘wenn’ weglassen. Cruel ist Mason. Ich hab ihn gefunden und er erinnert sich nicht. Also würde ich auch keine Antwort auf meine Frage bekommen. Was mache ich nun? “Weißt du, eigentlich hatte ich nie wirklich daran geglaubt gehabt Mason zu finden aber ich habe es mir zu meiner Lebensaufgabe gemacht, weil ich einen Grund brauchte um weiter zumachen, um einen Grund zuhaben, mir nicht den nächste, größeren Holzsplitter in die Brust zu rammen, weil ich ziemlich schiss vor dem Tod habe und ich brauchte eine Ausrede für mich selber, warum ich das alles mache.” Ich wendete meinen Blick von ihm ab und sah auf den Boden, nur kurz und dann wieder zu ihm. “Und nun…? Wenn du Mason bist, -und wir brauchen eigentlich gar nicht mehr so tun, als gäbe es da noch Zweifel-, dann habe ich mein Ziel reicht aber mein Leben macht es trotzdem nicht heile.” Ich ging nicht wirklich davon aus, das er mir nun sagt was ich tun soll, das musste ich schon selber heraus finden und ihm ging es wohl gerade nicht besser.
Ich spürte geradezu, dass sie auf diese Situation nicht einmal vorbereitet war. Aber ich sagte nichts, um es ihr leichter zu machen, da ich selbst noch mit mir rang. Außerdem wollte ich etwas über Mason erfahren; auch wenn die Gefahr, dass mit jedem Wort ein Teil der Erinnerungen zurückkommen konnte, blieb. Ihre braunen Augen waren hin und wieder so dunkel, dass ich gar nicht recht wusste, ob sie mich anschaute oder irgendwen anders - also schaute ich demonstrativ weg, nach oben. "Viel Spaß.", meinte ich in Hinsicht auf den Mordplan. Engel waren einfach nicht so leicht umzubringen, schätzte ich. Außer, jemand Bestimmtes wollte es. "Du kanntest seine Eltern, aber hast sie nur zweimal gesehen? Und das, obwohl ihr verlobt wart und er nichts an ihnen zu mäkeln hatte?" Der Junge war ein reines Wunder. Immer mehr fühlte ich, dass er ein einziges Rätsel war, und fragte mich, ob Sky überhaupt einen Krümel über diesen Kerl gewusst hatte. Sie hätte doch irgendwie ahnen müssen, dass er sich umbrachte? Plötzlicher Selbstmord war nichts unnormales, aber wenn sie so eng waren, dass sie sich schon so früh verlobten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie gar nichts wissen konnte. Aber seine Erziehung, die daneben ging....hing es an seinem Charakter? War ja geradezu die Kombination aus Pfeil und Ausrufezeichen in meine Richtung. Autsch. "Wie jedes Andere halt. Du bist hübsch und schlank, wie jeder hier. Würde gerne wissen, ob es auf Isola auch moppelige Mädchen gibt, aber da sucht man, glaube ich, vergeblich." Dass es sie wirklich traf, konnte ich mir nicht vorstellen. Wenn man schon gut aussah, dann hatte man nicht unbedingt ein Minimalbewusstsein. Drogen und Alkoholzeit? Dann hatten wir wohl alles durchgemacht, was zu einem stereotypischen schwere-Kinder-Leben gehörte. "Es gab vermutlich überhaupt keinen Grund, wieso ich dich am Leben gelassen habe. Irgendwie hatte ich mich erschreckt, und bevor ich mich versah, war der Moment vorrüber, in dem du hättest sterben sollen." Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber wer wollte die Wahrheit denn hören? Nieeemand. Und besonders ich nicht. "Die auf Erden wandelnden Leichen müssen ein wenig aufgeweckt werden, meinst du nicht auch? Du warst so blass, das war die einzige Möglichkeit." Klar, sie war Vampir. Ich erwartete, dass sie den Witz checkte.
Ihr Gerede über Mason war gerade zu unheimlich, sodass ich sie ganz und gar nicht einschätzen konnte. Das, was ich wusste, war, dass Mason und ich mit jedem Wort über ihn mehr zu einer Person verschmolzen - das aber auch gar nicht sein konnte. Selbst wenn ich seine Art 'Wiedergeburt' war, so war diese Sache doch komplexer: Ich hatte nie die Eltern gehabt, die ihn so oder so erzogen, und niemals die Erinnerungen, die mich so oder so prägten. "Eifersüchtiger Idiot.", meinte ich nur. Klar, Revier markieren und so; aber seit ich Engel war, war mir keine begegnet, die es in irgendeiner Weise wert wäre. So sah's aus. Ich betrachtete sie beim Haare richten und fragte mich für einen Augenblick, ob es nicht wehtat, sich durch solche langen Haare zu fahren - ohne Bürste. Aber sie waren weich und sehr glatt, sodass keine Hexen entstanden, wie mir schien, und ich fragte nicht, wie es sich mit solchem Haar lebte. Irgendwie würde das nicht so ganz passen, hatte ich im Gefühl. Die ausgerissenen Kräuter schmiss ich in ihre Richtung, erneut ohne sie zu treffen und antwortete unnachgiebig: "Woher soll ich das wissen?" Doch dann, allmählich, fing ich doch an, über die Sache zu sprechen: "Insgesamt weiss ich es im Prinzip nicht; aber mein Freund Levi zum Beispiel - der war schon immer Engel. Er kam so einfach auf die Welt und kann sich daher auch an alles erinnern. Ich hatte hier schonmal ein Engelmädchen getroffen, und soweit ich weiss, hatte sie nicht wirklich Ahnung von ihrer Vergangenheit - wusste aber auch nicht, warum. Alisha, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe, ist gestorben - und Engel geworden, wusste aber noch alles. Ich aber habe Suizid begangen und wurde Todesengel. Und die Todesengel, welche ich kannte, hatten keine Ahnung von ihrer Vergangenheit. Vielleicht ist das auch ein Schutzmechanismus, damit sie, wenn sie sich erinnerten, warum sie sich umbrachten und darum im Himmel verweilten, sich nicht selbst in den Arsch beißen konnten, für die Kleinigkeit, weswegen sie sich töteten." Ich ließ bewusst den Teil aus, der erklären würde, was passierte. Denn erneut, ich wusste es eigentlich nicht wirklich. Man verschwand einfach. Wohin wusste keiner. "Das ist...ehrlich.", erwiderte ich nur auf Sky's Erklärung hin. Was sollte man dazu sagen? Im allgemeinen war es so, dass diejenigen, die zurückgelassen wurden, doch immer an irgendetwas klammerten, um nicht daran kaputt zu gehen. Sie ging knallhart davon aus, dass es stimmte; dass Mason ich war und ich Mason. Doch ich schüttelte den Kopf, stand auf und klopfte meine Sachen ab. Ein paar Schritte lief ich zur Tür und brach meinen Arm mit einem Ruck durch, so fest, dass er blutete. Während ich die Glassplitter aus meiner Hand zog, erklärte ich ihr: "Ich muss dich enttäuschen, aber ich bin nicht Mason. Wir sind niemals dieselbe Person; und das ist etwas, das kann man nur allzu logisch erklären. Selbst wenn ich ihn vor meinem Tod verkörpert habe, so war das etwas ganz anderes. Wir haben nichts gemeinsam; denn ich könnte diesen Idiot niemals verstehen, wie er jämmerlich sein Leben aufgibt, das kostbarer ist, als jeder auf dieser Insel. Ich bin nicht er und er ist nicht ich; und deine Suche ist damit auch nicht beendet, schätze ich. Nun, zumindest weisst du nun, wie du aus dem Gewächshaus rauskommst", erklärte ich und öffnete die abgeschlossene Tür von außen, indem ich durch die zerbrochene Scheibe griff. "Ich geh dann mal - du weißt schon - Unterricht. Und damit ließ ich sie allein und ärgerte mich gnadenlos - über Mason - mich selbst.
Die überraschende Unterbrechung des Sportunterrichtes kam Eleanor nur gelegen. Viel tat sich nicht, weshalb sie Akako nur kurz zu nickte, bevor sie zurück in die Umkleide huschte, um sich dort die lästige Uniform anzulegen, ehe sie samt ihrer Tasche den Platz verließ. Irgendwie zog sich der Tag so furchtbar hin, normalerweise rauschte er an ihr vorbei wie dumpfe Hintergrundgeräusche, doch heute wirkte er zäh, gar zäher als Kautschuk. Nur genervt und müde schleppte sich die junge Frau in den Kräutergarten – sie brauchte Ruhe, etwas Zeit für sich um die aufkeimenden Erinnerungen zu verdrängen. Schweigend ließ sie sich inmitten der Pflanzen und Kräuter auf den Hosenboden fallen, kramte in ihrer Tasche und fischte ein altes Bild ihrer ehemaligen Crew heraus. Doch sie waren weitaus mehr als das; es waren ihre Freunde gewesen, welche sie nicht beschützen konnte und die Art des Higurashi, welchen sie eben kennengelernt hatte, erinnerte sie doch sehr an diese. Ich möchte euch nicht vergessen und trotzdem will ich mich von der Vergangenheit lösen. Ich bin hier für ein neues Leben ohne Verfolgung. Die roten Augen schweiften umher. Die Idylle war angenehm, was vermutlich daran lag, dass keine Klasse hier war, jedoch hatten die Blumen eine beruhigende Wirkung auf die freiheitliebende Kitsune, weshalb folgender Entschluss schnell und ebenso leicht gefasst war. Ein matter Schimmer legte sich über ihre Okulare, als sie aus ihrer Tasche eine Schere fischte und diese einen Moment lang betrachtete. Auf nimmer wiedersehen mein altes Ich… Eleanor zögerte einen Wimpernschlag lang, löste sich jedoch aus ihrer Starre mit einem Seufzen, bevor ihre linke Hand ihre Haare zu einem Zopf sammelte und die rechte die Schere ansetzte. Es dauerte nur wenige Sekunden bis sie sich von ihren langen Haaren verabschiedet hatte. Es tat ihr weniger weh, als sie es erwartet hatte, irgendwo war es doch erleichternd, auch wenn das Bild ihres Freundes noch immer ein Stechen in ihrer Brust hervorrief, vermochte sie die Tränen zurück zu halten, besser als vor einem Jahr noch. Früher hatte es schwer auf ihr gelastet, sie hatte mit dem Leben abgeschlossen gehabt, bis sie schließlich auftauchten. Wenngleich sie so viele liebende Menschen, so viele Jahre verloren hatte, war sie froh zu Leben – für sie. Ihr Tod hätte das Opfer ihrer Leben nutzlos gemacht und das wollte die junge Stride nicht. „Danke..“, murmelte die Kitsune mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen, während der Blick die abgeschnittenen Haare in ihrer linken Hand fixierten. Das kitzelnde Grass an ihren Beinen, war nur ein sanftes Streicheln, welches sie nur dumpf wahrnahm.
Da wäre er, raus aus den vier Wänden des Arbeitsgebäudes. Warum er dort nicht sein musste, durfte oder konnte, war eine andere Geschichte. Was in diesem Moment zählte, war, wo er sich in der Gegenwart befand – und zwar zwischen Vergangenheit und Zukunft. Um die Angabe noch genauer zu beschreiben, könnte man den Kräutergarten der Schule hinzufügen. Heilkundeunterricht hatte er bisher noch nicht vertreten oder gar pflichtgemäß gegeben. Es war ein Fach, welches man gut einem Mediziner anvertrauen konnte und doch, wäre ein menschlicher sicher ungeeignet. Heilkunde, das roch nach Heilpraktiken – etwas, was außerhalb der menschlichen Anwendungsformen liegt. Zumindest ging Bernardo davon aus, wenn er bedachte, auf was für einer Art Schule er sich befand. Den Lehrplan für das Fach hatte er noch nicht lesen können, von daher konnte er sich ebenso gut irren. Unbeirrbar war dagegen sein Gang zum Kräutergarten. Die Glaskuppel war ihm bereits die letzten Male aufgefallen und er hatte sich fest vorgenommen gehabt, in einer freien Stunde dort vorbeizuschauen. Diese freie Stunde war nun gekommen und da ihn nichts anderes bedrängte, war es umso klarer, dass er nun hier war. Aber genug der Aufenthaltserklärungen. Bernardo empfand das Innere des Gartens sehr angenehm. Die wild verstreute Vielfalt ließ ihre Schönheit wortwörtlich erblühen. Schönheit … hm … Schönheit war bekanntlich vergänglich. Die Äußere sicherlich. Doch Innere blieb solange erhalten, wie man sich treu blieb. Äußerer Schönheit konnte man untreu werden und sich ihrer entledigen oder sie eben nur … abändern. Dasselbe dachte sich wohl auch das kleine Häufchen weiblichen Fleisches, welches Bernardo plötzlich aufgabelte. In der rechten Hand steckte eine Schere an zwei Fingern und in der linken glänzte ein ganzes Bund frisch geernteter … Haare? Na, das kleine Ding würde doch nichts Dummes anstellen – oder? Bernardos Schritt wurde zwar nicht großartig schneller, man sah ihm aber in seinen Gesichtszügen die Hast an. „Hey, Kleine, was wird denn das, wenn’s fertig ist?“ Als er ihr Gesicht sehen konnte, wurde das Misstrauen nur stärker. Glück und Freude sahen anders aus.
Winterevent-Outfit: Tannengrüner Wollpullover mit hohem Rundkragen, darüber ein rot-schwarzes Holzfäller-Karohemd mit den obersten beiden Knöpfen offen und die Ärmel bis über die Oberarme hochgekrempelt. Braune Holzfällerhose mit dunklem Gürtel und Hosenträgern, die sich am Rücken kreuzen. Schwarze Winterstiefel mit kurzem Schaft. Auf dem Kopf eine tannengrüne Wollmütze mit ein Mal umgekrempelten Rand, sodass die Ohren frei sind. Und zu guter letzt im Gesicht ein rauschiger, schwarzer, kurzer Vollbart. Also voll der Holzfäller-Look.
Soviel zum Thema Ruhe. Kaum hatte sich Eleanor von ihrer langen Haarpracht verabschiedet und schwelgte in der eigenen Gedankenwelt, kam irgendwer in die gläserne Kuppel. Auf seine Worte hin, wurde ihr Lächeln nur eine Spur breiter, sonst nichts. Sie war lange genug hier, um zu wissen, um wessen tiefes Stimmlein es sich hier handelte; Bernardo. Ihr verträumter Blick hing noch immer an den abgeschnittenen Haaren, während ihr ein Seufzen entfuhr und sie sich schließlich doch dazu rang zu ihm zu sehen. „Ein Neuanfang. Nichts weiter“, antwortete sie seelenruhig, bevor ihre Faust in binnen von Sekunden in Flammen gehüllt war. Wegwerfen wollte sie den Zopf nicht und behalten sowieso nicht, weshalb sie sich für die für sie einfachste Variante entschied: sie verbrennen. Die Schwere verschwand nebenbei zurück in ihrer Tasche, offenbar hatte es den Anschein erweckt, als würde sie sich das stumpfe Ding in den Hals oder sonst wohin rammen wollen. „Kein Grund zur Sorge“, lächelte die Britin und stand auf, bevor sie die flammende Faust öffnete, um die letzten Strähnen zu beobachten, wie sie in ihrer eigenen Hand ihr Ende fanden. Das wars, schloss sie ein letztes Mal ab, die Flammen erstickend und das letzte Flämmlein ausblasend, legten sich die roten Augen auf den Hünen. Der Grund für seine Anwesenheit war schleierhaft, wahrscheinlich hatte er eine Klasse erwartet, die unterrichtet wurde – aber das konnte ihr gleich sein. Sein Anblick bescherte der Stride eher ein flaues Gefühl im Magen, nicht weil er eklig aussah, sondern das Gefühl, dass er ihr bekannt vorkam. Doch, wenn sie zurückdachte, erschien es ihr eher unglaubwürdig, immerhin hatte sie zu einem anderen Zeitpunkt gelebt als er, außer er war so alt, wie sein Haar weiß war…