Nicht viele Schülerinnen und Schüler der Shima no Koji sind sich der Existenz des Pavillons am Rande des Sportplatzes bewusst. Vorhalten kann man das fehlende Wissen darüber jedoch niemanden, muss man sich doch erstmal durch reichlich Gebüsch hindurchkämpfen, um den ... doch recht unspektakulären Pavillon zu finden. Am heutigen Abend hat sich aber wohl jeemand dazu erbarmt, auch dem hölzernen Etwas ein paar Lichterketten umzuhängen und so kann es der ein oder anderen Person vielleicht auch von Weitem doch ins Auge fallen. Viel zu tun oder zu sehen gibt es hier allerdings nicht. Aber wer weiß schon, welche Geschichten hier heute noch geschrieben werden?
Ivy war aus dem Saal gelaufen und war direkt Richtung des Sportplatzes gegangen. Sie wäre am liebsten im Boden versunken, wie peinlich war denn ihr letzter Auftritt bitte? Wie konnte sie Mike nur so komisch angrinsen, der dachte jetzt wahrscheinlich, sie wäre schon betrunken gewesen und wahrscheinlich würde er jetzt eh nicht mehr kommen. Auf dem Weg nach draußen hatte sie tatsächlich noch ein volles Sektglas in die Hand bekommen und nahm es nun mit zum Sportplatz. Eigentlich wollte sie nichts mehr trinken, doch nun war sie so nervös gewesen. Nicht nur, dass sie mit Mike reden würde, hatte sie auch noch, dummerweise, einen seiner Freunde quasi eingeweiht. Vielleicht würde Mike sauer werden, weil sie sich in seine Angelegenheiten eingemischt hatte? Unsicher lief sie einfach gerade aus und fand sich dann schließlich an einem wunderschönen Pavillon wieder. Ihre Schritte wurden langsamer und sie blieb im Pavillon stehen und stellte sich ans Geländer und schaute quasi hinaus. Vorsichtig nahm sie einen Schluck von dem frischen Sekt und spürte direkt das Prickeln. Sie hatte schon einiges getrunken und vertragen tat sie auch nicht sonderlich viel. Hoffentlich würde das alles noch gut ausgehen... Sicherheitshalber holte sie schnell ihr Handy heraus und schrieb Mike noch eine SMS. Sie wollte ihn auf keinen Fall hetzten, doch sie hatte ihm schließlich auf seine SMS gar nicht geantwortet, da sie dann schon auf dem Ball war und es irgendwie schon für ein festes Treffen angesehen hatte. Nun im Nachhinein könnte Mike auch denken, dass sie doch nicht mehr wollte, weil sie eben nicht geantwortet hatte. Deshalb nur eine nette kurze SMS, die Mike hoffentlich gut aufnahm. Nun stand sie dort einfach nur und wartete nervös.
Ihm war seine Freundschaft zu Ivy zu viel wert, um direkt wieder auf dem Absatz kehrt zu machen, als er die Sporthalle verließ. Obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte dieses Gespräch zu führen, marschierte Mike zielstrebig über den Sportplatz in Richtung… ja, in Richtung was eigentlich? Der ursprüngliche Plan war gewesen, sich irgendwo draußen zu treffen, doch er konnte Ivy nirgends entdecken. Allerdings war er sich sicher, dass sie denselben Ausgang genommen hatte wie er. Außerdem lag ihr Geruch noch klar und deutlich in der Luft. Mit etwas Konzentration hätte Mike der Duftnote folgen können, doch er wollte Ivy nicht auflauern wie ein Spürhund. Einige Meter vom Ballsaal entfernt, blieb er stehen, trank einen Schluck des Weißweins und warf einen Blick auf sein Handy. Aha! Ivy hatte ihm eine Nachricht geschrieben, als er mit nervtötenden Katzen und rutschenden Hosen beschäftigt gewesen war. Die Nachricht spiegelte überhaupt nicht die abwertende Haltung wider, die Ivy ihm seit einiger Zeit gezeigt hatte. Im Gegenteil wirkte die SMS heiter und der Smiley am Ende sogar ein wenig kokett. Was soll ich darauf antworten? Bevor ihm die richtigen Worte eingefallen wären, wäre Ivy das Warten wahrscheinlich satt geworden. Daher steckte Mike sein Handy wieder ein und setzte seinen Weg zum Pavillon fort. Ohne Ivys nachklingenden Geruch hätte er den Pavillon vermutlich gar nicht gefunden. Die Konstruktion war wirklich gut hinter einer Reihe Buschwerk versteckt. Allein die Lichter ließen überhaupt darauf schließen, dass dieser Bereich des Sportplatzes betretbar war. Seinen Wein in der einen Hand balancierend und das Gebüsch mit der anderen Hand zur Seite drückend, bahnte Mike sich seinen Weg zum Pavillon. Die Musik war hier nur noch als dumpfes, rhythmisches Pochen wahrzunehmen. Es war selbst für Mikes exzellentes Gehör unmöglich zu bestimmen, welches Lied spielte. Nicht, dass es ihn gerade interessierte. Seine Aufmerksamkeit lag auf Ivy und auf Ivy allein. Schweigend wanderten seine Augen über das lange, märchenhafte Kleid. Es war ein Kontrastprogramm zu Lydias kurzem Kleid. Doch obwohl Ivy in dieser Hinsicht wenig Haut zeigte, hatte ihre Garderobe ihren eigenen Charme. Mike konnte jedenfalls nicht sagen, welches Kleid ihm besser gefiel. Beide waren absolute Hingucker auf ihre eigene Art und Weise. Schließlich hallten seine Schritte dumpf über den Holzboden des Pavillons. „Ivy… hi“, fing er an. Er wusste nicht, wie er mit ihr reden sollte. War sie wütend auf ihn? Was wollte sie ihm sagen? Wollte sie sich entschuldigen oder ihre Freundschaft ein für alle Mal beenden? Die Möglichkeiten waren endlos und brachten Mikes Kopf beinahe zum Schwirren. Er trank einen weiteren Schluck Wein, um die Nerven zu beruhigen und wartete darauf, dass Ivy das Wort ergriff. Alles, was ihm jetzt über die Lippen kommen würde, wäre überflüssig, dumm und höchstwahrscheinlich unpassend. Auch, wenn er den Drang dazu hatte, die Stille mit seiner nervtötenden Stimme zu füllen, biss er sich auf die Unterlippe und zwang sich ausnahmsweise zur Ruhe.
Ivy hatte ihre SMS getippt und schaute auf den Smiley. War der nicht doch ein wenig zu riskant? Immer hin wollte sie Mike nicht verschrecken! Sie schüttelte den Kopf, nein das konnte sie doch nicht machen! Aus Reflex drückte sie jedoch anstatt auf "Zurück" einfach auf "Absenden". Ihre Augen wurden groß und sie fluchte. Oh Gott bitte nicht! Sie ließ kurz den Kopf hängen und ihre Gedanken schwirrten ein wenig herum. Was wenn Mike gar nicht kommen würde? Und was wenn doch? Wie sollte sie anfangen? Wie sollte sie ihn dazu bringen, dass er ihr verzeihen würde? Nervös spielte sie an ihrem Sektglas herum und trank einen Schluck. Zum Glück war das Glas noch voll gewesen, denn dann hatte sie wenigstens ein wenig mehr übrig, um ihre Nervosität zu unterdrücken. Sie starrte auf ihr Handy und wartete auf eine Antwort von Mike. Wenn er denn überhaupt noch antworten würde. Sie seufzte leicht und hielt ihre kleine Tasche fest. Sie hatte, symbolisch für ihren letzten gemeinsamen Ausflug ein Sandwich gemacht. Natürlich war es gut eingepackt und mit Liebe gemacht. Bei dem Gedanken an ihren Ausflug musste sie schmunzeln. Es hatte so katastrophal angefangen, doch am Ende war doch alles wieder gut gewesen und der Abend endete wunderschön. Ob sie Mike nun wirklich das Sandwich geben würde, wusste sie noch nicht genau. Vielleicht war es auch einfach eine dämliche Geste und Mike würde das kitschig und dumm finden, gerade weil es auf dem Ball ja genug Snacks und Essen gab. Plötzlich hörte sie hinter sich dumpfe Schritte auf dem Holz und eine bekannte Stimme. Als sie sich umdrehte, erblickte sie Mike und sie strahlte ihn fröhlich an. Mike! Du bist hier! Für einen kurzen Moment wollte sie ihn kurz zur Begrüßung umarmen, doch sie hielt in ihrer Bewegung inne und schaute nervös zu Boden. Ich... ich weiß, dass wir momentan nicht so einen guten Kontakt zueinander haben, und das lag natürlich hauptsächlich an mir. Sie zögerte und traute sich kaum Mike in die Augen zu schauen. So ein Mist, dabei wollte sie doch so stark wirken! Unsicher trank sie einen Schluck Sekt und schaute Mike dann an. Ich war die letzte Zeit nicht ich selbst. fing sie an und seufzte. Wie sollte sie das erklären, dass es auch Sinn ergab? Ich... ich... sie schaute kurz zu Boden und seufzte wieder. Anstatt richtig mit dem Tod von Jaden klar zu kommen, hab ich es einfach verdrängt und alle, die mir wichtig waren von mir gestoßen, in der Angst... Sie schluckte und ihre Augen wurden glasig und schnell bildeten sich ein paar Tränen. ...dass ich euch auch verlieren könnte. sagte sie mit vor Trauer und Angst zitternder Stimme. Warum musste sie alles immer so dramatisch machen? Schnell versuchte sie sich die Tränen abzuwischen und schaute dabei kurz zu Boden, dann schaute sie Mike lächelnd an. Tut mir leid. sagte sie kurz und lächelte weiter. Sie wollte nicht einen auf Mitleid machen oder sonstiges. Sie wollte einfach nur, dass Mike ihr verzieh und sie wieder Freunde werden konnten. Doch das war total dämlich von mir und ich habe wirklich lange gebraucht um es einzusehen. Sie sah Mike fest an. Ich wollte heute mir dir reden und dich um Verzeihung bitten. Ich habe mich dumm verhalten und möchte das wirklich wieder gut machen. Sie zögerte, doch dann kam sie Mike ein Schritt näher und sah ihm tief in die Augen. Du bist mir wirklich wichtig, und ich möchte dich nicht verlieren. Ihre Stimme klang ernst, doch irgendwie wirkten sie auch ein wenig bedeutungsvoller. Ivy selbst wusste nicht genau, ob sie Mike mehr als nur als Freund haben wollte, doch in dem Moment spielte das gar keine Rolle. Nervös wartete sie auf Mikes Reaktion und ihre Wangen färbten sich vor Verlegenheit etwas rot.
Er hatte wirklich jedes erdenkliche Szenario vor Augen gehabt: Eine völlig gleichgültige Ivy, die ihm weiterhin die kalte Schulter zeigte. Eine kratzbürstige Ivy, die ihn mit ihren Worten förmlich zerriss. Sogar eine weinende Ivy hatten seine Gedanken aus irgendeinem Grund produziert. Doch eine strahlend lächelnde Blauhaarige war unter all den verschiedenen Versionen irgendwie nicht dabei gewesen. Er hatte ihr Lächeln so lange nicht mehr gesehen, dass Mike womöglich dachte sie hatte verlernt zu lächeln. Aber da hatte er sich wohl geirrt. Obwohl Ivys Lächeln rasch von Nervosität eingenommen wurde, die letztlich auch auf Mike abfärbte, empfand er die Situation als viel weniger unheilvoll. Wenn sie ihn so enthusiastisch begrüßte, musste sie doch noch irgendwelche positiven Gefühle ihm gegenüber empfinden, oder? Seine Lippen krümmten sich ebenfalls zu einem Lächeln und er schwenkte sein Weinglas leicht in ihre Richtung, beinahe als wollte er ihr zuprosten. „Klar, wir waren verabredet“, erwiderte er und sein Lächeln wurde kurz etwas breiter. Dass er mehrmals daran gedacht hatte, nicht zu kommen und die Nachrichten zu ignorieren, musste Mike ja nicht raushängen lassen. Letztlich wäre er wohl so oder so aufgekreuzt, egal wie viel Schiss er auch hätte. Als Ivy begann zu sprechen, wollte Mike ihr bereits nach dem ersten Satz ins Wort fallen und ihr widersprechen. Es stimmte, dass Ivy ihn mit Ablehnung gestraft hatte, ohne jemals zu erklären wieso und weshalb. Das änderte aber nichts an seinem eigenen Fehlverhalten. Er hätte auf sie zugehen, mit ihr sprechen können. Schließlich wusste er, was sie gerade durchmachte. Die Erfahrung, jemanden zu verlieren, den man liebte, hatte Mike ebenfalls am eigenen Leib gemacht. Trotzdem hatte er geschwiegen, seine Zeit mit den Jungs vertrödelt und sich nicht nur einmal den Verstand neblig getrunken. Die Schuld lag keinesfalls nur bei Ivy—dennoch schwieg er in diesem Moment und ließ das Mädchen einfach reden. Dabei lehnte er sich gegen das Gelände, um der steifen Atmosphäre etwas Lockerheit zu geben. Hin und wieder nahm er einen Schluck von dem Wein und ließ den Blick abwechselnd zwischen Ivy und dem Boden seines Glases wandern. So sehr er auch versuchte ruhig und gefasst zu bleiben, es funktionierte nur bedingt. Sein Herz fing an zu rasen, als Ivy ihm ihre Entschuldigung vortrug. Es war das allererste Mal, dass sich jemand in dieser gefühlsbetonten Art bei ihm entschuldigte und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Zwar hatte er Ivy bereits ein Mal getröstet, damals auf der Wiese, doch die Situation war nun eine andere. Nun wusste er, dass ihre Erinnerungen permanent waren. Die falschen Worte seinerseits würden für immer in ihrem Gedächtnis bleiben.
Nervös befeuchtete er sich die Lippen, bevor er sprach. „Ich hab mich genauso dumm verhalten. Wenn du dich entschuldigst, muss ich mich auch entschuldigen. Ich wusste, dass es dir scheiße geht, wegen Jaden und allem, aber ich hab nicht mal versucht mit dir zu reden. Das war einfach richtig beschissen von mir… tut mir leid.“ Er atmete tief durch und richtete sich scheinbar konzentriert die Frisur, um dem Blickkontakt mit Ivy aus dem Weg zu gehen. Er konnte dieses Gespräch nicht führen und dabei in ihre aufrichtigen, goldenen Augen schauen. „Ich bin nicht sauer auf dich. War ich nie, werde ich wahrscheinlich auch nie sein. Dass du plötzlich so… abweisend warst, war uncool. Aber ich kann’s verstehen, wirklich. Wenn man jemanden verliert, will man keine Freunde mehr haben. Man will halt keinen mehr haben, außer diese eine Person, die für immer weg ist. Stimmt’s oder hab ich recht? Ich hätte mich genauso verhalten wie du, wenn ich damals Freunde gehabt hätte. Na ja, egal, jedenfalls… lange Rede, kurzer Sinn: Mir tut’s auch leid, ich bin nicht böse… lass uns einfach wieder Freunde sein, dumme Witze machen und durchgeweichte Sandwiches essen, okay?“ Sein Grinsen wirkte ein wenig unsicher, als wüsste er nicht, ob sein Angebot bei Ivy Anklang finden würde. Vielleicht bekäme sie das Gefühl, dass er alles auf die leichte Schulter nahm? Es stimmte, dass ihre Distanziertheit ihm zugesetzt hatte. Immerhin war sie eine seiner besten Freunde und ein wichtiger Bestandteil seines Lebens. Andererseits sah er keinen Sinn darin, die beleidigte Leberwurst zu spielen. „Auf unsere Freundschaft, der nichts mehr dazwischen kommt. Und wer’s versucht, wird vermöbelt.“ Als wollte er Ivy die Entscheidung abnehmen, ließ er sein Glas gegen ihres klirren und trank den letzten Rest des Weins in einem langen Zug.
Ivy wartete Nervös auf seine Reaktion und währenddessen kamen ihr immer wieder verschiedene Szenarien in den Kopf, wie Mike reagieren könnte. Einerseits könnte er unglaublich wütend auf sie sein und gar nichts mehr von ihr wissen wollen, andererseits froh darüber sein, dass sie wieder zu Sinnen gekommen ist und alles wäre gut. Wer weiß, vielleicht würde er sich vor Wut wieder in einen Werwolf verwandeln? Bei dem Gedanken wurde ihr ganz mulmig. In den letzten Wochen hatte sie es geschafft durch ihre Null-Bock-Stimmung diese unkontrollierten Verwandlungen abzuschalten, doch nun? Innerlich schüttelte sie schnell den Kopf. Nein, niemals würde sie Mikhail wieder wehtun wollen. Klar hatte sie den Tod von Jaden noch nicht ganz verarbeitet, doch Jacobs Worte hatten bei ihr Anklang gefunden und sie hatte nun eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge, nicht mehr so verbissen. Doch wie sah Mike nun die ganze Sache? Zu ihrer Verwunderung, hatte er sie recht freundlich und fröhlich begrüßt, was sie anders erwartet hätte. Allein diese Tatsache brachte ihre schlechten Gedanken eher in den Hintergrund, aber die Nervosität, einfach in Mikes Nähe zu sein, verstärkte sich trotzdem.
Sie war während ihrer Entschuldigung wieder so emotional gewesen, dass sie glaubte, Mike könnte von so einem Verhalten bereits genervt sein und allein deshalb schon nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, doch seine Antwort überraschte sie ganz und gar. Für einen kurzen Augenblick war ihr Mund vor Überraschung nach unten geklappt, doch das änderte sich schnell in ein strahlend fröhliches Lächeln. Wie konnte sie nur so schlecht von Mike gedacht haben? Seine Reaktion zeigte ihr nur noch mehr, dass Mike einfach ein wunderbarer Freund war und die Freundschaft mit ihm so real und ernst war, wie sie es sich immer gewünscht hatte.
Immer noch strahlend lächeln schüttelte sie den Kopf auf seine Worte hin. Ich denke das hätte sowieso nichts gebracht, ich war so verbohrt und bescheuert gewesen.... du musst dich wirklich für gar nichts entschuldigen! Sie grinste ihn an und nahm vor Freude einen Schluck Sekt. Ich hätte auch keine große Motivation gehabt auf jemanden zu zugehen, der einen so behandelt hat. Gab sie dann zu und nickte nur leicht. Sie schämte sich immer noch für ihr Verhalten und wollte sich am liebsten noch 50 Mal entschuldigen, doch sie glaubte, dann hätte Mike sie wahrscheinlich erwürgt oder so etwas in der Art. Auf seine weiteren Worte antwortete sie etwas ernster und ehrlich. Ja ich wollte einfach mit niemandem Kontakt haben... Ich wollte einfach am liebsten den ganzen Tag nur im Bett verbringen und von Jaden träumen, denn da schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Sie seufzte, dann strahlte sie Mike wieder fröhlich an. Doch nun bedauer ich, die Zeit so verschwendet zu haben, anstatt mit meinen richtigen Freunden zu reden zu lachen und einfach nur Zeit mit ihnen zu verbringen! Bei seinen nächsten Worten mit dem Sandwich zuckte sie zusammen und musste auf einmal anfangen zu lachen. Ich weiß ja, dass du durchgeweichte Sandwiches magst, aber wenn du willst... Langsam zog sie aus ihrer Tasche das Sandwich, was sie im Notfall gemacht hatte, quasi aus Verzweiflung, falls Mike ihr nicht verzeihen würde. Es war sauber in einer durchsichtigen Plastiktüte verpackt, sodass es noch sehr frisch wirkte. Sie hielt es ihm vorsichtig hin und schaute verlegen zu Boden. Ich wusste nicht, ob du es annehmen würdest, oder vielleicht ist dir der Gedanke auch ein wenig zu kitschig, doch ich musste mich einfach an unser Date erinnern, dass zwar einen katastrophalen Mittelteil hatte, doch das Ende war doch schön. Selbst wenn er jetzt gerade keinen Hunger hatte, konnte er das Sandwich in der Tüte gut bis morgen früh zum Frühstück einfach aufbewahren. Erst einige Momente später bemerkte sie, dass sie Date gesagt hatte und ihre Wangen verfärbten sich rot vor Verlegenheit. Sie merkte, dass sie immer wieder etwas romantische Gefühle für Mike empfand, doch seine nächsten Worte dumpften ihre Gefühle etwas ab. Mike schien es nur auf der Freundschaftlichen Ebene halten zu wollen und fürs Erste war Ivy das auch mehr als genug, auch wenn es einen kleinen enttäuschten Nachgeschmack für sie hatte. Sie lächelte dennoch fröhlich, einfach weil nun alles wieder gut war, und stieß mit Mike an. Vermöbeln können wir ja gut. Auf uns! kicherte sie leise und trank ihr, fast noch volles, Sektglas ebenfalls in einem Zug leer, so wie es Mike getan hatte. Was - vielleicht ein Fehler gewesen war, denn nun spürte Ivy doch den Alkohol sehr deutlich. Die ganze Zeit war sie leicht fröhlich angetrunken gewesen, doch nun hatte sie anscheinend eine kleine Grenze überschritten. Ihr wurde auf einmal deutlich wärmer und legte deshalb ihre Haare nach hinten, sodass ihr Dekolleté nun doch sichtbarer wurde. Um sich den Alkohol nicht anmerken zu lassen, hielt sie sich mit einer Hand am Geländer fest. Du siehst echt gut aus, vielleicht ist mir deshalb so heiß. witzelte sie und der Alkohol hatte schon ihr Schamgefühl ein wenig weggewischt, weshalb sie auch nicht verlegen oder peinlich berührt ihre Aussage überdachte. Sie grinste Mike an.
Mike konnte seinen Augen nicht trauen, als Ivy ein Sandwich aus ihrer Tasche zog. Die Geste war zu perfekt, um wahr zu sein. Er konnte nicht glauben, dass sie sich an ihre erste Verabredung zurückerinnert und ein Sandwich zubereitet hatte. Mit offenstehendem Mund nahm er den Snack entgegen. „Oh mein Gott. Du. Bist. Die. Beste“, sagte er und betonte dabei jedes einzelne Wort. Der überraschte Ausdruck verwandelte sich schnell in ein Grinsen, als er die Plastikfolie abzog und einen großen Bissen von dem Sandwich nahm. Der Geschmack hatte etwas Nostalgisches und weckte bittersüße Gefühle und Erinnerungen. Das Date kam Mike endlos weit weg vor. Seitdem war viel passiert, ihre Beziehung hatte sich gewandelt und eine komplizierte Form angenommen. Er wusste nicht, was er für Ivy empfand. Ging es über Freundschaft hinaus? Im Moment konnte er diese Frage nicht beantworten. Er war einfach nur glücklich über ihre Versöhnung und das handgemachte Sandwich, das er in mehreren Bissen vernichtete.
Der Abend hatte eine gute Wendung für den Werwolf genommen. Seine Bedenken über das Gespräch waren wie weggefegt und er freute sich auf den weiteren Verlauf des Balls. Was als nächstes auf dem Programm stand, wusste er zwar nicht, doch er würde bestimmt seinen Spaß haben. Er setzte sich als Ziel, mehr Alkohol in seinen Körper zu befördern. Denn bisher glänzte er noch mit ziemlicher Nüchternheit. In Gedanken bei seinem nächsten Drink, brachten ihn Ivys Worte etwas aus dem Konzept. „Huh?“ Verdutzt sah er sie einige Sekunden fragend an. Meinte sie ihre Aussage wirklich ernst? Ihrem Grinsen nach zu urteilen, musste sie sich einen leicht angetrunkenen Scherz mit ihm erlauben. So urteilte Mike zumindest über die Situation, als er sein leeres Weinglas auf dem Geländer des Pavillons abstellte und Ivy schließlich ihr Sektglas abnahm. „Wir geben uns heute auf jeden Fall die Kante, aber noch nicht jetzt. Außerdem hab ich heute schon ein Date.“ Schief grinsend stellte er ihr leeres Glas zu seinem. Auf ihre Aussage ging er bewusst nicht weiter ein und wandte auch den Blick von ihrem Ausschnitt ab. Er sah Ivy als gute Freundin, aber wenn sie ihren Körper so demonstrativ in Szene setzte… wie konnte er dann nicht hingucken? Jedes männliche Wesen hätte wahrscheinlich instinktiv dasselbe getan. Daher versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Willst du heute eigentlich noch mit Lydia reden? Ich glaub sie macht das alles noch mehr fertig als mich. Ihr beiden seid doch eigentlich echt gute Freunde, oder nicht?“ Er schwang sich auf das Geländer und ließ die Beine baumeln. Mike wollte sich nicht in Ivys und Lydias Freundschaft einmischen, aber er war auf jeden Fall bereit, Ivy einen Schubs zu geben, falls sie einen brauchen sollte. Immerhin zählte er beide Mädchen zu seinen Freundinnen und wollte nicht, dass sie weiterhin unnötig Streit hatten.
Seine Reaktion auf das Sandwich war wirklich alles. Fröhlich reichte sie es ihm und er biss auch schon direkt rein. So wie es aussah, schmeckte es ihm gut und Ivy grinste erleichtert. Dich kriegt man aber leicht zufrieden gestellt. Grinste sie spielerisch und schaute dann kurz zu Boden, als Mike ihr das Sektglas abnahm und wegstellte. Hatte sie wirklich schon so viel getrunken, dass Mike das mitbekam? Komisch, aber eigentlich fühlte sie sich doch total super! Das klingt super! Ach du meinst dein Date mit... ? Eigentlich wollte sie Levi sagen, doch plötzlich fing Mike an über Lydia zu reden und ihr Lächeln schwächte etwas ab. Vielleicht war er doch mit Lydia verabredet und wollte am liebsten direkt wieder zu ihr zurück. Leicht seufzte sie. Mit Lydia wollte ich morgen reden. Ich hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass so schnell alles wieder gut werden würde, deshalb wollte ich nicht alles auf einmal machen. Sie lächelte Mike unsicher an und sah dann wieder zu Boden. Sie wusste genau, die Frage kam ein wenig komisch rüber, doch sie war zu angetrunken, um sich zusammen zu reißen und außerdem war sie auch zu neugierig. Es wäre sicherlich besser einfach gerade heraus zu fragen, anstatt immer mit dem Gedanken herum zu spielen und hinterher entstehen vielleicht Missverständnisse. Du und Lydia... lief da oder läuft da was zwischen euch? fragte sie dann einfach und ihr Blick war weiter zu Boden gerichtet. Sie hoffte einfach, er würde ehrlich mit ihr sein. Ich hoffe Lydia wird auch weiterhin meine Freundin bleiben. Sagte sie dann leise und zweifelte noch ein wenig daran. Wie würde sie reagieren, wenn wirklich was zwischen ihnen passiert war? Würde das die Dynamik der Freundschaft der Drei irgendwie verändern? Würde es sie verändern? Sie seufzte wieder leicht. Mike hatte ihr schnell verziehen, weshalb sie eigentlich ziemlich zuversichtlich war, was Lydia anging, doch irgendwie hing da noch ein kleiner Schatten über die Sache. Lydia würde sie bestimmt verstehen und wenn nicht würde sich Ivy schon noch eine coole Entschuldigung ausdenken, sodass Lydia gar keine andere Wahl hatte, als ihr zu verzeihen!
Hohe Ansprüche hatte der Werwolf wirklich nicht. Zumindest nicht, was Essen betraf. Er dehnte die Drei-Sekunden-Regel auch gern mal auf einen unbestimmten Zeitrahmen. Allerdings gebührte der Grund dafür, dass er gerade so glücklich aus der Wäsche schaute, hauptsächlich Ivys mitgebrachtem Imbiss. „Deine Sandwiches sind halt einfach der Hammer“, schmatzte er und musste sich dabei konzentrieren, keine Flecken auf sein sauberes Hemd zu bekommen. „Levi!“, beendete Mike ihren Satz prompt und ohne wirklich darüber nachzudenken. Da er Ivy und seinen Kumpel schon zusammen gesehen hatte, wusste sie wahrscheinlich auch, dass die beiden Herren heute ohne weibliche Begleitung waren. Bestimmt hatte Levi ihr trauriges Schicksal ausgeplaudert. Mike runzelte die Stirn, als Ivy erklärte sie wollte erst morgen mit Lydia reden. Es war ihre Freundschaft und er wollte sich als Außenstehender nicht einmischen. Doch sein loses Mundwerk kooperierte bei dem Plan nicht so ganz. „Ich finde du solltest heute mit ihr reden. Sonst denkt sie die ganze Zeit, du wärst noch sauer auf sie. Das würde ihr bestimmt den Ball kaputt machen.“ Nachdem er seinen ungefragten Senf dazugegeben hatte, wedelte er eilig mit der Hand vor seinem Gesicht. „Ist nur meine Meinung.“ Damit das Thema für ihn abgehakt. Er konnte Ivy schließlich nicht dazu zwingen und das wollte er auch gar nicht. Dieses Gespräch musste schon hart genug für sie gewesen sein. Er wollte sich nicht ausmalen, wie schwer ein zweites auf ihren Schultern wiegen musste. Ivys Frage war… nicht überraschend. Aber trotzdem unangenehm für Mike. Er wusste selbst nicht, in was er sich da verstrickt hatte und wie es um seine Gefühle stand. Es dauerte einen Moment bis er antwortete. „Lydia und ich, wir sind nur befreundet. Ich weiß nicht mal, ob wir wirklich befreundet sind. Sie erinnert sich ja nicht an mich und hätt‘ ich sie heute nicht zufällig getroffen, hätt‘ ich mich hier auch nicht zu ihr gestellt. Ich meine, ich mag sie. Sie ist cool. Und ich wäre gern mit ihr befreundet. Aber es ist kompliziert“, sagte er und hoffte, dass es nicht nach einer Rechtfertigung klang. Mike wollte Ivy nur die Situation schildern, so nüchtern wie möglich. „Stört’s dich, wenn ich mit ihr rede? Ich will mich auch nicht… zwischen euch drängen oder so.“ Er zuckte unsicher mit den Schultern und schaute zur Seite. Ivy und Lydia waren immerhin gute Freunde und nun kam er und nahm beider Zeit in Anspruch. Freundschaften waren so kompliziert…
Da die Luft ein wenig mit Anspannung gefüllt war, entschied Mike sich dazu, die Stimmung wieder aufzulockern. Solche ernsten Gespräche gehörten doch eigentlich nicht auf einen Ball! „Ey, hast du Lust was Dummes zu machen?“, grinste er und zog sich an den Holzbalken über ihm hoch, sodass er auf dem Seitengeländer stand und auf Ivy herunterblickte. „Von hier sehen wir nicht, wenn sie den Grill anschmeißen.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter und er hoffte, dass Ivy seinen Gedanken verstand. Ansonsten müsste er ihn eben erklären.
Ivy freute sich immer, wenn sie andere Leute glücklich machen konnte, und das ihr Sandwich so geil war, machte sie deutlich fröhlicher, als sie es erwartet hätte. Nicht, dass ich jetzt jeden Tag eins für dich machen muss. scherzte sie leicht und kicherte daraufhin. Ivy staunte nicht schlecht, wie schnell Mike ihren angefangenen Satz zu Ende gebracht hatte. Levi war also doch sein Date gewesen und nicht Lydia. Irgendwie spürte sie schon eine große Erleichterung. Sie grinste und erinnerte sich an das Gespräch mit Levi. Er war Team Ivy, was das nun heißen mochte war klar, aber das hieß auch, dass Levi nun dachte, dass Ivy auf Mike stand und das sollte Mike auf keinen Fall erfahren. Sie musste sich da noch irgendetwas ausdenken. Sie hörte Mike zu und nickte nur nachdenklich. Eigentlich wollte sie heute nicht versuchen alles gleichzeitig zu klären, sonst würde es sicherlich schief gehen, außerdem schien sie irgendwie trotzdem noch ein wenig eifersüchtig auf Lydia zu sein, weshalb sie etwas gehemmt wurde mit ihr zu reden. Ja mal sehen, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, mach ich das vielleicht. sagte sie nur dazu und schaute dann zu Boden, während Mike ihre Frage beantwortete. Es ist kompliziert... wiederholte sie nur leise die Worte von Mike und wirkte ziemlich nachdenklich. Er hatte recht, auch wenn Ivy eigentlich nicht der Typ für verzwickte komplizierte Dinge war. Sie mochte es eigentlich eher direkt, offen und unkompliziert. Eigentlich wollte sie mit Ja antworten, doch aus ihrem Mund kam etwas anderes. Sie lächelte und winkte mit der Hand ab. Ach was. Du darfst doch reden oder befreundet sein mit wem du willst. sagte sie schließlich freundlich. Sie wollte ihm nichts vorschreiben und sie würde es sowieso nicht können. Eher würde ihre Freundschaft nur darunter leiden und das wollte Ivy auf jeden Fall vermeiden, gerade jetzt, wo sie gerade eben erst wieder zusammen gefunden hatten.
Interessiert sah sie Mike an und grinste abenteuerlich. Egal was er vorhatte, sie war für jeden Spaß zu haben. Was Dummes klingt immer gut! stimmte sie mit ein und wusste direkt, worauf er hinauswollte. Sie zog ihre Schuhe aus und ließ sie einfach liegen und fing dann auf aufs Geländer zu klettern. Etwas wackelig war es schon, doch sie hatte keine Angst. Sie sprang leicht ab und hielt sich am Dach fest. Es war nicht gerade einfach sich dort festzuhalten, weshalb sie schnell versuch sich hochzuziehen und dabei blieb ihr Kleid am Holz hängen, sodass mit einem lauten RATSCH Ivy zwar oben war, doch ihr Kleid total ruiniert. Etwas traurig schaute sie auf das Kleid. Levi hatte wenigstens nur einen kleinen Riss an einer unbedeutenden Stelle gemacht, doch nun war ein Riss an der Seite von oben bis ganz nach unten zu sehen. Wenn man nicht genau hinsah konnte man sogar denken, dass es so gewollt war mit dem Schlitz und sie so mehr Haut zeigen konnte. Na toll. Erst tritt Levi auf mein Kleid und nun mach ich es selber noch kaputt. Sagte sie etwas genervt, doch irgendwie lächelte sie trotzdem. Es war immer hin nur ein Kleid, und solange sie nicht nackt vor irgendwem stand war es zwar schade wegen dem Kleid, doch sie wollte sich den Abend nicht ruinieren lassen. Sie setzte sich aufs Dach und posierte aus Spaß etwas, sodass sie ihr Bein angewinkelt hatte und nun aus dem Schlitz herausguckte. Fast so, als wäre es gewollt. Versuchte sie sich selbst was Gutes einzureden und lachte Mike an. Wenn sie nicht so angetrunken wäre, wäre es ihr vielleicht ein wenig unangenehm gewesen, dass der Schlitz doch relativ weit hoch führte, doch der Alkohol hatte ihre Hemmschwelle gesenkt und außerdem war es ja eh schon fast dunkel.