Nicht viele Schülerinnen und Schüler der Shima no Koji sind sich der Existenz des Pavillons am Rande des Sportplatzes bewusst. Vorhalten kann man das fehlende Wissen darüber jedoch niemanden, muss man sich doch erstmal durch reichlich Gebüsch hindurchkämpfen, um den ... doch recht unspektakulären Pavillon zu finden. Am heutigen Abend hat sich aber wohl jeemand dazu erbarmt, auch dem hölzernen Etwas ein paar Lichterketten umzuhängen und so kann es der ein oder anderen Person vielleicht auch von Weitem doch ins Auge fallen. Viel zu tun oder zu sehen gibt es hier allerdings nicht. Aber wer weiß schon, welche Geschichten hier heute noch geschrieben werden?
Mike war froh, dass Ivy mit seinem freundschaftlichen Kontakt zu Lydia keine Probleme hatte. Er wüsste auch überhaupt nicht, wie er anderenfalls reagieren sollte. Eigentlich ließ er sich nichts vorschreiben und in seiner Freiheit eingrenzen, aber vielleicht hätte er für Ivy auch eine Ausnahme gemacht. Sie (und ihre phänomenalen Sandwiches) hatten sich schließlich einen Platz nahe seinem Herz erschlichen. Da Ivy ihn jedoch glücklicherweise erst gar nicht vor die Wahl stellte, musste er sich darüber auch keine Gedanken machen. Dankbar lächelte er sie an und atmete erleichtert, aber kaum hörbar aus. „Okay, cool… danke. Ich hab auch nichts dagegen, wenn du mit Levi befreundet bist. Solange ihr nicht über mich lästert, wenn ich nicht dabei bin“, grinste Mike und gluckste amüsiert. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass es ihn glücklich machen würde, wenn seine Freunde sich untereinander ebenfalls gut verstanden. Allen voran, weil Mike die Möglichkeit, mehr als null Freunde zu haben, nie in Erwägung gezogen hatte. Und selbst heute wachte er manchmal auf und fürchtete sich davor, dass Levi, Ivy und Dami — seine besten Freunde — ihn vergessen hatten.
Ivy schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn prompt entledigte sie sich ihrer Schuhe und schloss sich seiner hirnrissigen Aktion an. Mike hatte damit gerechnet, dass er etwas Überzeugungsarbeit hätte an den Tag legen müssen, aber eigentlich hätte er erwarten sollen, dass Ivy für dumme Ideen immer zu haben war. „Woah woah—warte mal“, meldete er sich zu Wort, als sie ohne Ankündigung auf das Geländer kletterte und sich mit einem waghalsigen Sprung nach oben zog. Mike hatte nicht einmal die Gelegenheit gehabt, Ivy aufzuhalten, da war es schon geschehen. Der Werwolf hörte nur das unheilvolle Reißen von Stoff und kurz darauf die Bestätigung, dass das Outfit der Blauhaarigen in Mitleidenschaft gezogen worden war. Mit einer agilen Bewegung zog Mike sich ebenfalls nach oben und landete ohne Kollateralschaden auf dem Pavillondach. Wenn er eins war, dann flink und geschickt. Wahrscheinlich würde er bei Parkour eine gute Figur abgeben. Als er Ivy dabei erblickte, wie sie den tiefen Riss in Szene setzte, konnte er nicht anders, als laut zu lachen. Er hielt eine Hand vor seinen Mund und versuchte das Lachen zu unterdrücken, doch es wollte nicht gelingen. „Oh Gott, sorry— ich… ich lach dich nicht aus. Ich kann nur nicht glauben, dass das grade wirklich passiert ist. Der Ball hat noch nicht mal richtig angefangen und dein Kleid ist komplett im Arsch.“ Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und ließ sich neben Ivy plumpsen. Grinsend musterte er den Schlitz. „Gib mir später nicht die Schuld dafür, wenn man dir unter… ins Kleid gucken kann. Ich wollte dir nämlich eigentlich hochhelfen, damit das nicht passiert.“ Mike hob die Augenbrauen und gleichzeitig ein Stück des gerissenen Stoffs mit den Fingerspitzen an. Er spürte, wie seine Wangen zunehmend etwas wärmer wurden. Vielleicht wegen des Alkohols, den er heute auf leeren Magen getrunken hatte, vielleicht wegen der Haut, die Ivy unfreiwillig zeigte. Oder vielleicht hatte ihn das Klettern nur so sehr angestrengt. Wer wusste das schon? Immer noch leise in sich hinein kichernd, ließ er den Blick schweifen. „Guck, von hier sieht man faaast den Grill“, meinte er und deutete in die vage Richtung des Feuers. Das Fleisch würde er mit seinem Näschen schon erschnüffeln, da brauchte Ivy sich also keine Sorgen zu machen, dass sie das Essen verpassen würden. Konzentriert kniff er die Augen zusammen, um die Gestalten am Feuer identifizieren zu können. Er meinte, dass einer von ihnen der Hausmeister (@Avon) war und ein anderer womöglich @Damian. Aber auf die Distanz konnte Mike das nicht zu hundert Prozent beurteilen, weshalb er es aufgab und Ivy einen prüfenden Seitenblick zuwarf. Dass sie ein wenig angetrunken war, war ihm nicht entgangen und ein ruiniertes Kleid war eine Sache. Wenn sie aber versehentlich vom Dach rutschte und sich die Knochen brach, war das etwas anderes.
Ivy musste ein wenig über seine Worte schmunzeln. Er fand es auch okay, dass sie etwas mit Levi machen würde. War da zwischen ihnen vielleicht doch etwas mehr? Ach, bestimmt interpretierte sie das jetzt einfach nur total falsch. Sie kicherte. Hä, aber wir lästern immer nur über dich. sagte sie scherzend und grinste ihn an. Sie war so erleichtert, dass sie nun einfach wieder so miteinander umgehen konnten, wie sie es vorher getan hatten, auch wenn sie nun sehr wahrscheinlich keine Dates mehr haben würden. Das musste sie Levi auf jeden Fall auch noch verklickern. Er sollte lieber seine Klappe halten und nichts falsches sagen. Sie schluckte kurz.
Ivy war schneller oben, als sie dachte und Mike war wahrscheinlich genauso verwundert. Sie hatte ihm gar keine Chance gegeben, ihr zu helfen, weil sie eigentlich zeigen wollte, wie super cool und lässig sie auch sein kann, doch das ging ja wohl dezent in die Hose. Sie staunte nicht schlecht, als Mike sich aber total agil hochzog und sie nickte ihm kurz anerkennend zu, eher er sein Lachen nicht mehr verkneifen konnte. Er hatte Recht, der Ball war kaum angefangen und ihr Kleid schon eine total Katastrophe. Ein wenig niedergeschlagen seufzte sie, doch dann lachte sie einfach mit Mike. Ich wollte mein Kleid nur etwas... aufpeppen! sagte sie dann lachend und blieb einfach in der Position sitzen. Natürlich bist du Schuld! Sagte sie dann kichernd. Levi wird sich bestimmt freuen, wenn er hört, dass du mein Kleid kaputt gemacht hast. Sie streckte ihm spielerisch die Zunge raus. Natürlich würde sie niemals vor anderen behaupten, dass Mike Schuld gewesen sei. Sie wollte ihn ja nur ärgern. Gib zu, eigentlich freust du dich, dass du mir nun ins Kleid gucken kannst. Sagte sie mit ihrer, durch Alkohol sinkenden Hemmschwelle, Laune einfach so dahin.
Schließlich versuchte sie den Grill von hier zu erkennen und erkannte nur ein paar schwarze Silhouetten vor dem Feuer. Ein wenig schräg sah sie zu Mike. Naja ich bin beruhigt, dass man mit dir sowieso kein Essen verpassen kann. sagte sie und lachte leise. Sie bezweifelte, dass man von hier erkennen konnte, wann jemand etwas auf den Grill tat, oder wann es fertig wurde, doch sie vertraute auf Mikes Instinkt und seine Nase. Wenn in der Nähe Essen war, dann würde Mike das schon finden. Sie legte den Kopf auf Mikes Schulter und seufzte leise. Ihr Blick ging nach oben in den Himmel und sie lächelte. Es ist schön wieder mit dir Zeit verbringen zu können. sagte sie fröhlich und erleichtert. Niemals hätte sie gedacht, dass sie und Mike sich so schnell versöhnen würden.
Ein verschmitztes Grinsen erschien auf seinen Lippen, als Ivy sagte, er wäre der Mittelpunkt ihrer Lästerrunden mit Levi. Bin ich echt so interessant?, wollte er eigentlich scherzhaft fragen, verkniff es sich dann jedoch. Selbst, wenn Ivy es ernst meinen würde, gäbe es wohl nicht viel, worüber man in seinem Leben lästern könnte. Andererseits kannte sein Bro sicherlich die ein oder anderen Geheimnisse, die Mike ihm betrunken anvertraut und dann verdrängt hatte. Er sollte dem Engel nachher, Spaß hin oder her, verklickern, dass nicht alle vertraulichen Gespräche bei einer Kiste Bier, für Mädchenohren bestimmt waren.
Zum Glück nahm Ivy ihm sein Gelächter und die schelmischen Kommentare nicht übel. Sein Grinsen wurde daher noch breiter. Es tat so unglaublich gut wieder einmal Späße mit ihr machen zu können. Das hatte ihm wirklich gefehlt, in letzter Zeit. Als Ivy ihm frech die Zunge rausstreckte, kniff Mike kurzerhand ihre Wangen mit einer Hand zusammen, sodass ihre Lippen sich zu einem Schmollmund formten. „Erstens, Levi muss nicht alles wissen. Und zweitens hab ich dir schon unters Kleid geguckt, als du hochgeklettert bist“, meinte Mike und fing kurz darauf an zu glucksen und Ivys Wangen loszulassen. Seine Finger hatten hellrote Spuren hinterlassen, von denen er hoffte, dass sie gleich wieder von allein verschwinden würden. Auch Ivys Blick wanderte in Richtung Grill. Fast ein wenig stolz darauf, dass seinem Riecher kein gegrilltes Fleisch entging, lächelte Mike. „Klar, wir sind dann sowieso die ersten beim Grillen. Wenn du hier wieder runterkommst.“ Eigentlich zweifelte er nicht daran, dass Ivy das Dach erfolgreich wieder hinabsteigen könnte. Ihr Kleid stellte schließlich kein Hindernis mehr dar und zur Not würde Mike ihr irgendwie runterhelfen. Oder sie auffangen… wobei er diese Option angesichts ihres Größenunterschieds nur ungern in die Tat umsetzen würde. Für einen Moment schloss er die Augen, streckte entspannt die Beine aus und seufzte ebenfalls gedehnt aus. Er hatte das vermisst. Das zwangslose, ehrliche Miteinander. So, wie es am Anfang gewesen war. Das Zusammensein als Freunde, die etwas mehr verband — eine Geschichte und Erinnerungen. Selig vor sich hin schmunzelnd, ließ Mike sich beinahe zu sentimentalem Gerede hinreißen. „In ‘n paar Tagen hast du schon wieder die Schnauze voll von meinem Blödsinn“, sagte er stattdessen und gab Ivy einen federleichten Stoß mit seinem Kopf gegen ihren, der auf seiner Schulter ruhte. „Und… was sind so deine Pläne für den Abend?“, durchbrach er die kurzweilige Stille auf dem Dach. Er brauchte Inspirationen für seine Abendgestaltung. Da Tanzen flachfiel, und das die Hauptbeschäftigung für so gut wie alle zu sein schien, brauchte Mike Alternativen.
Ivy musste etwas lachen, als Mike ihr Gesicht so zusammenquetschte, was es wahrscheinlich noch komischer aussehen lassen hat. Sie sah Mike so etwas länger an und seine Worte waren etwas überraschend für sie. Er ließ sie los und ihre Wangen blieben aber noch vor Verlegenheit ein wenig rot und sie lachte Mike an. Die Zeit mit Mike tat ihr einfach so gut, wie konnte sie bloß jemals denken, dass sie ohne Freunde besser dran gewesen wäre? Ich wusste schon immer, dass du ein Spanner bist. sagte sie scherzend und lachte wieder. Ach wahrscheinlich nur, weil du Angst hast, dass Levi dich dann damit aufzieht! sagte sie grinsend und ihr Grinsen wurde nur noch breiter. Ich bin echt enttäuscht von dir, wenn wir nicht die ersten sind! sagte sie. Ach zur Not warte ich einfach bis du unten bist und lass mich einfach auf dich plumpsen, dann lande ich schön sanft. Sie streckte wieder frech die Zunge heraus und grinste Mike an. Sie müsste wohl auf dem Abstieg etwas aufpassen, dass sie Mike nicht zu viel zeigen würde. Der Schlitz ihres Kleides war ja nun doch ziemlich hoch gewesen und wenn sie eine ungünstige Bewegung machen würde, dann würde man deutlich ihre Unterwäsche sehen, was sie definitiv vermeiden wollte, sonst könnte es ganz schön peinlich werden, gerade weil sie nicht glaubte, dass Mike mehr als nur eine Freundschaft wollte.
Sie lachte dann. Ach was, ich glaube in ein paar Wochen wirst du nur unglaublich fett, weil ich dich mit zu vielen Sandwiches füttere. Sie legte ihre Hand auf seinen Bauch und machte ein kritisches Gesicht. Ja da könnte noch mehr dran sein. sagte sie scherzend und strich dann zärtlich über seine Brust, um das Hemd etwas glatt zu streichen. Puuuh... kam es dann etwas zögerlich von Ivy. Ich bin auf jeden Fall erleichtert, dass das Gespräch mit dir so gut lief, deswegen werde ich das heute definitiv etwas heftiger feiern! sagte sie motiviert und sah dann zu Mike. Vielleicht könnten wir das zusammen feiern? fragte sie vorsichtig. Oder was hast du so vor? Sie sah Mike interessiert an.
Mike gluckste, als Ivy ihn scherzhaft als Spanner bezeichnete. So weit würde er vielleicht nicht gehen, aber wenn sich die Gelegenheit bot, einem hübschen Mädchen unauffällig unter den Rock zu linsen, wer würde da schon freiwillig die Augen abwenden? Höchstens keusche und schwule Kerle; Kategorien, zu denen Mike sich gewiss nicht zählte. Ein regelrechtes Lachen konnte er sich bei ihrer darauffolgenden Aussage dann jedoch nicht verkneifen. „Ich? Angst vor—Levis Sprüchen? Der Trampel ist dir doch zuerst aufs Kleid getreten, pffft“, brachte er etwas atemlos hervor und brauchte einen kurzen Moment, um sich am Riemen zu reißen. Der letzte, aber wirklich der allerletzte Mensch, der Mike heute wegen irgendetwas aufziehen dürfte, war sein begleitungsloser und mehr-als-single-Bro Leviathan. Und wenn er sich einen Spruch wegen des gerissenen Kleids erlaubte, hätte Mike mindestens drei Kontersprüche für den Engel parat. Er stellte sich bildlich das Szenario vor, in dem Ivy vom Pavillondach hüpfte und Mike sie erfolgreich auffing, wie ein Held eine Prinzessin. Er hatte zwar viel Fantasie, aber ein glückliches Ende konnte er sich trotzdem beim besten Willen nicht ausmalen. In seinem Kopf sprang Ivy entweder daneben, landete mit ihren Füßen in seinem Gesicht oder nutzte ihn als Landepolster. Nicht, dass Ivy viel wiegen würde oder unmenschlich groß wäre… das Problem lag eher an Mikes bemitleidenswerter Statur. „Uh-uhh, nope. Kannste knicken“, erwiderte er bloß mit einem schiefen Grinsen. Ivy beim Klettern helfen: ja. Aber dabei seinen Kragen riskieren: auf keinen Fall.
Als hätte er nicht schon genug über seinen mickrigen Muskelanteil und den auf sich warten lassenden Wachstumsschub nachgedacht, berührte Ivy plötzlich seinen Bauch. Überrascht spannte Mike seine Bauchmuskeln an, jedoch etwas verzögert, sodass der Täuschungsversuch nicht den erwünschten Effekt erzielte. „Ey! Ich hab Muskeln… man sieht das nur nicht durch das Hemd“, rechtfertigte er sich ein wenig verlegen und schob Ivys Hand sanft aber bestimmt beiseite. Mit den plötzlichen Gesten, die über freundschaftliches Necken hinaus gingen, hatte er nicht gerechnet. Was Körperkontakt betraf, hatte sich die Toleranzgrenze des Werwolfs zwar schon um einiges angehoben, doch alte Muster waren bekanntlich schwer zu durchbrechen. Obwohl er die gute Stimmung zwischen ihnen nicht gefährden wollte, richtete Mike sich kurz darauf auf und balancierte auf dem schrägen Dach mit dem Blick in die Richtung des Feuers. Dabei hörte er natürlich weiterhin Ivy zu und drehte sich schließlich zu ihr, als sie ihn nach seinen Plänen für den Abend fragte. „Wie meinst du zusammen?“, fragte er unverblümt und mit gehobenen Augenbrauen. Er stand am Rande des Pavillons, mit einem Fuß auf dem äußeren Balken, der das Dach begrenzte. Ein weiterer Schritt und er würde gute zweieinhalb Meter fallen. Zum Glück war sein Gleichgewichtssinn trotz Alkoholpegels nicht zu verachten. „Ich wollte halt mit den anderen abhängen: Levi, Lydia, Damian—wenn ich den von seinem Date loskrieg‘. Klar kannste dann mit uns feiern, aber mit Lydia musst du dann wohl reden. Sonst wird das awkward und darauf hab ich keinen Bock.“ Schulterzuckend machte Mike zwei große Schritte nach oben und befand sich ruckzuck wieder auf einer Höhe mit Ivy. „Aber keine Ahnung, ich lass den Abend einfach auf mich zukommen. Ich wollte eigentliche erst gar nicht hingehen. Wenn’s gut wird, wird’s gut. Wenn’s scheiße wird… kann man immer noch abhauen und seine eigene Party feiern. Ich weiß wo mein Mitbewohner seinen Schnaps hat“, erklärte Mike grinsend und ließ sich wieder neben Ivy plumpsen. Wahrscheinlich gab es Schüler, die ihren Abend von vorne bis hinten durchgeplant hatten — Tanz A mit X, gefolgt von Tanz B mit Y und dann ein Schäferstündchen mit Z. Mike fände so eine Planung nicht nur stressig, es setzte auch Erwartungen, die nur darauf warteten enttäuscht zu werden.
Ivy kicherte. Sie konnte sich die beiden gut vorstellen, wie sie sich gegenseitig immer nur neckten. Das war bestimmt echt lustig mit anzusehen. Solche Freunde brauchte halt einfach jeder Mal, aber wo er Recht hatte, hatte er nun mal Recht. Levi war als erstes auf ihr Kleid getrampelt und Mike eigentlich gar nicht. Ihr beiden zusammen müsste ein totaler Chaoshaufen sein. Lachte sie leise und sah dann zum Feuer. Den Weg hinunter werde ich auf jeden Fall mit Eleganz bestreiten! Sagte sie und grinste Mike an.
Mike schob Ivys Hand beiseite und sie musste schlucken. Sie war wohl zu weit gegangen und das bestätigte nur was Ivy die ganze Zeit schon vermutet hatte: Mike hatte auf keinen Fall mehr als nur Freundschaft für sie übrig. Sie lächelte nur etwas unbeholfen und kratzte sich dann am Hinterkopf. Ähm ja halt zusammen was trinken und so. brachte sie nur raus und schaute dann zu Boden. Bei seinen nächsten Worten schluckte sie nur. War ja klar, dass er schon was vor hatte. Nicht jeder hatte die letzten Wochen alleine verbracht und alle seine Freunde vergrault, sodass sie nichts mehr vor hatten. Sie schluckte nur. Sie hatte schon erwähnt, dass sie eigentlich nicht mit Lydia heute reden wollte, doch anscheinend setzte Mike das vor raus, damit Ivy vielleicht mit ihnen was unternehmen könnte. Normalerweise war Ivy eine echt gesellige Person, doch sie war erst seit heute wieder so richtig sie selbst und an manchen Stellen war sie echt eingerostet gewesen. So viele Leute direkt am ersten Abend? Ja mal sehen... sagte sie deshalb nur etwas leise und ihr Mut verließ sie ein wenig. Sie sah zu, wie Mike etwas rumlief und als er sich wieder neben sie setzen wollte, stand Ivy auf und wollte das gleiche tun. Langsam lief sie zum äußeren Rand und fing einfach an, am Rand des Daches entlangzulaufen, sodass sie immer im Kreis lief, aber langsam. Es würde ganz schön unangenehm werden, wenn sie mit Levi, Lydia und so feiern würde. Einerseits weil Levi nun dachte, dass Ivy auf Mike stehen würde, andererseits dachte Levi nun auch, dass Lydia auf Mike stand und mit Lydia hatte sie noch nicht gesprochen. Das konnte doch alles gar nichts werden. Wer weiß, vielleicht bin ich nach dem Essen einfach müde und geh dann schon ins Bett. sagte sie und grinste Mike an. Der Tag war wirklich ganz schön anstrengend gewesen. Mal sehen was kommt.
Mike konnte nur belustigt schnauben, als Ivy sie — Levi und ihn — reizenderweise als Chaoshaufen umschrieb. Damit traf sie voll ins Schwarze. Allein schon, wenn Mike sich so an den vergangenen Nachmittag erinnerte, wo sein guter Kumpel ihn fast mit einem fallenden Baum erschlagen und schließlich so getan hatte, als wäre nichts passiert. Er überlegte kurz, ob er die Geschichte auspacken sollte, entschied sich dann aber dagegen. Gerade war vielleicht nicht der idealste Zeitpunkt, um solche Storys zu erzählen. Mike bezweifelte außerdem, dass der Schabernack, den Levi und er trieben, Ivy im Moment brennend interessierte.
Der Wandel in Ivys Tonfall und ihrem generellen Gemüt ging sogar an Mike, der normalerweise ein meterdickes Brett vorm Kopf hatte, wenn es um Gefühle ging, nicht vorbei. Ihre Stimme klang schwächer und sie wirkte auf einmal viel weniger enthusiastisch als zuvor. Hatte Mike ihr mit seinen Worten den Wind aus den Segeln genommen? Vielleicht war er zu barsch gewesen, als er erneut Lydia thematisiert hatte. Er wollte nur eine unangenehme Atmosphäre zwischen den Mädchen vermeiden, doch nun schien es so, als hätte er stattdessen die Stimmung zwischen Ivy und ihm ins Wanken gebracht. Er sagte vorerst nichts mehr. Die richtigen Worte wollten ihm nicht in den Sinn kommen. Und mehr als Ivy einzuladen, mit ihm und den anderen zu feiern, konnte er nicht. Dass die Situation kompliziert war, wusste er selbst, aber was sollte er tun? Er wollte den Abend nicht damit verbringen zwischen mehreren Parteien hin und her springen zu müssen, weil sie sich gegenseitig nicht riechen konnten. Ein tiefes Seufzen entkam ihm unwillkürlich, als er über den kommenden Abend nachdachte. Wahrscheinlich zerdachte Mike aber einfach nur alles und ein paar Stunden später und nach einigen Gläsern Wein würden alle zusammen an der Bar hocken. Ein wenig nervös beobachtete er Ivy dabei, wie sie über das Dach stolzierte. Seine Augen wanderten mit ihrer Silhouette mit, bis sie aus seinem Blickwinkel verschwand. Dann drehte er zusätzlich seinen Oberkörper, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Geistig war Mike bereit, jederzeit aufzuspringen, sollte Ivy abrutschen und fallen. Ob er allerdings körperlich so schnell reagieren könnte, war fraglich. „Spinnst du? Du musst mindestens bis zum Feuer bleiben. Ich hab zwar keine Ahnung davon, aber ist das nicht Tradition oder so? Bringt bestimmt Pech, wenn man früher abhaut“, erwiderte er lächelnd. Zumal er nicht glaubte, dass sie sich so hübsch gemacht hatte, um dann nur Bratwürsten zu essen und wieder zu gehen. Das Kleid hatte seine besten Stunden zwar hinter sich, aber wenn man den Riss mal ignorierte und seine Aufmerksamkeit Ivys oberer Körperhälfte widmete, sah sie wirklich atemberaubend aus. Es wäre reine Verschwendung, wenn sie nach dem Grillen schon ginge.
Bevor Ivy zu einer weiteren Runde um das Dach ansetzen konnte, rappelte Mike sich auf und fing sie ab, indem er nach ihrer Hand griff und ihr mit einem leichten Ziehen signalisierte anzuhalten. „Lass mal erstmal wieder rein, oder? Wir haben bestimmt schon was verpasst.“ Er ließ Ivys Hand wieder los und ließ sich am Rand nieder, sodass seine Beine runterbaumelten. Es sah höher aus als es war und Mike musste tatsächlich einmal schlucken, bevor er sich umdrehte und sich vom Rand gleiten ließ. Als seine Füße das Gerüst erreichten, ließ er den Dachbalken los und sprang schließlich runter auf den Boden. Die Landung war nicht so grazil, wie der Aufstieg, aber die Hauptsache war, dass er es ohne Hals- und Beinbruch geschafft hatte. Außerdem... wer wollte hier seine Performance bewerten? „Ughh—okay. Ich weiß nicht, ob das mit der Eleganz was wird, aber du schaffst das!“, wandte er sich etwas lauter an Ivy und sah hoch. Er blieb bewusst dicht am Geländer, um sie aufzufangen, für den Fall, dass sie die Kraft oder das Gleichgewicht verließ oder sie einfach mit den Füßen abrutschte. „Kommst du?“, vergewisserte Mike sich. „Ich guck auch nicht“, fügte er hinzu und schaute demonstrativ zur Seite. Dabei linste er trotzdem immer mal wieder hoch. Immerhin musste er sehen, ob Ivy zurechtkam oder ob sie Schwierigkeiten hatte.
Ivy lief am Rand entlang und wusste nicht so recht, was sie nun sagen sollte. Durch ihre eher etwas unmotivierten Antworten hatte Mike wohl auch ein wenig die Motivation verloren. Ivy musste sich endlich etwas zusammenreißen und sich viel weniger Gedanken über alles machen, doch sie wusste gerade einfach nicht wie. Vielleicht wäre es wohl doch ganz gut, wenn sie sich gleich einfach deutlich an dem Sekt vergreifen würde. Wenn sie dann betrunken war, hatte sie wenigstens eine Ausrede früher abzuhauen. Sie sah Mike ein wenig verwirrt an. Tradition? Sie lächelte. Naja wenn es Tradition ist, dann hab ich ja wohl gar keine andere Wahl. Sie zuckte mit den Schultern und grinste.
Sie erschreckte sich etwas und zuckte zusammen, als Mike plötzlich ihre Hand nahm. Sie sah ihn einen Moment etwas erschrocken an, doch dann lächelte sie leicht. Na gut. Gab sie nur von sich. Sie hatte eigentlich die Ruhe und die Zeit mit Mike genossen, doch wenn er wieder rein wollte, dann würde sie sich ihm bestimmt nicht in den Weg stellen. Sie würde einfach sehen was passieren würde und sich auf alles einlassen. Vielleicht könnte sie sich ja mit Lydia verstehen und dennoch erst morgen gründlich darüber reden, wer wusste das schon? Sie sah Mike zu, wie er es machte und wartete dann, bis er wegsah. Aber nicht gucken. warnte sie ihn und machte es ihm nach. Sie setzte sich auf den Rand und ließ sich dann langsam herunter, sodass ihre Füße das Geländer berührten. Ihr Kleid musste wohl ein wenig hochgerutscht sein, doch sie vertraute einfach darauf, dass Mike nicht spannen würde. Sie sprang dann vom Geländer etwas eleganter als Mike herunter und sammelte ihre Schuhe wieder ein. Schnell zog sie sie an und sah dann zu Mike. So, das wäre geschafft. Sie lächelte leicht.
Mit dem Traditionsargument, von dem Mike nicht einmal wusste, ob es so stimmte, hatte er sie wohl überzeugt. Ein Lächeln der Genugtuung legte sich auf seine Lippen. „Jup, du hast keine andere Wahl“, bestätigte er. Somit war es nun so etwas wie ein Versprechen, oder? Denn, wenn Ivy entgegen ihrer Worte früher verschwand, hätte er einen Grund, um ihr morgen gehörig die Leviten zu lesen. Das würde sie sich bestimmt nicht freiwillig antun wollen.
Mike musste zugeben, dass Ivys Abstieg nicht so katastrophal aussah, wie er erwartet hatte. Die Art und Weise, wie ihr langes Kleid durch den Sprung aufgewirbelt wurde, sah sogar irgendwie schön aus. Alles, was Mädchen taten (vor allem, während sie Kleider trugen), war einfach eleganter, als alles, was Jungs zu stande brachten. Dessen war er sich sicher. All das betrachtete Mike jedoch natürlich nur aus den Augenwinkeln. Schließlich hatte er versprochen nicht zu starren und das tat er auch nicht. Er mochte vielleicht ein pubertärer Kerl mit oftmals unanständigen Gedanken sein, aber er war kein Perverser. Erst als Ivy den Boden erreicht hatte, sah er sie wieder direkt an. „Alles gut? Sah irgendwie sogar besser aus als mein krüppeliger Versuch“, gab er zu und grinste verschmitzt. Ob es nur Anfängerglück war oder nicht, er war einfach nur erleichtert, dass sie es beide unverletzt und ohne weitere Schäden an Ivys Garderobe runter geschafft hatten.
Während Ivy sich ihre Schuhe wieder anzog, klopfte Mike sich seine Hose und das schwarze Hemd ab. Im Dunkeln konnte er zwar sowieso nicht sehen, ob er sich auf dem Dach womöglich in Vogelkacke gesetzt hatte, aber soweit er das beurteilen konnte, war sein Aufzug noch intakt. Er wandte sich an Ivy, die ebenfalls bereit zu sein schien. „Also erstmal wieder rein? Ich hab gehört es soll 'ne Tombola geben. Willst du 'n Los haben?“ Das hatte Mike zumindest aufgeschnappt. Ob es die Lose jetzt schon zu kaufen gab, was die Teile überhaupt kosteten und was es zu gewinnen gab... keine Ahnung. Aber er wäre auf jeden Fall bereit dazu, Ivy ein Los zu spendieren. Als Entschädigung für ihr Kleid, für ihre wiederhergestellte Freundschaft und einfach dafür, dass sie da war. Gespannt darauf, ob es drinnen schon zu irgendwelchen Eskalationen gekommen war oder ob alles noch so ereignislos verlief, wie vorhin, lief er mit Ivy zurück zum Saal. Ob Lydia inzwischen die Chance gehabt hatte mit Levi zu sprechen und herauszufinden, worüber er und Ivy sich unterhalten hatten? Er könnte zwar auch Ivy persönlich fragen, aber sie sollte ja nicht wissen, dass es ihn so brennend interessierte.
Sie schluckte ein wenig. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, zu behaupten, dass sie ja gar keine andere Wahl hatte. Jetzt musste sie ja so oder so bleiben.... naja außer sie war nicht zu betrunken, das würde sicherlich gut als Ausrede dienen. Aber so oder so wollte Ivy es eigentlich vermeiden Mike noch einmal zu verärgern, gerade nachdem sie sich erst wieder versöhnt hatten. Sie seufzte innerlich. Dann musste sie wohl bleiben. Und ihren Pessimismus musste sie auch dringend wieder loswerden! Das hatte sich in ihrer komischen Phase anscheinend schon festgesetzt, sodass es mittlerweile immer mal wieder durchsickerte, ekelhaft!
Sie grinste Mike an. Naja dafür, dass du eigentlich gar nicht gucken solltest, kannst du das aber gut beurteilen. Sie streckte ihm die Zunge raus und boxte ihn ganz leicht in die Schulter. Bestimmt hatte er nur geguckt, falls irgendetwas schief laufen sollte. Sie schätze Mike nicht als einen perversen ein und deshalb machte es ihr im Endeffekt auch gar nichts, dass er doch ein wenig geguckt hatte. Aber du hast recht, ich habe mich deutlich besser angestellt, als du dich! grinste sie. Sie ärgerte ihn zu gerne. Natürlich nur aus Spaß.
Auch Ivy klopfte sich leicht ihr Kleid aus, obwohl man bei ihrem Kleid wohl so oder so nicht mehr wirklich viel retten könnte. Sie hoffte einfach, dass es im Ballsaal doch ein wenig dunkler war und es nicht so auffallen würde. Sie würde sich bestimmt einen dummen Spruch von Levi anhören müssen, wenn er diesen riesen Riss sehen würde. Allerdings könnte sie sich auch einen Spaß daraus machen und Mike beschuldigen. Bei diesem Gedanken grinste sie. Allerdings verflog das Grinsen wieder ein wenig, als Mike nachfragte, ob sie nun wieder rein wollten. Eigentlich wollte sie nicht, aaaaber drinnen war auch Alkohol, ein guter Vorwand! Sie würde sich den Abend einfach schön trinken! Sie würde sich gut mit Lydia verstehen und mit den anderen Freunden von Mike auch und sie würden richtig viel Spaß haben! Versuchte sie sich etwas den Abend schön zu reden und sich selbst ein wenig Optimismus schenken. Sie seufzte leicht und lief dann mit Mike in Richtung Ballsaal. Oh ja ein Los wollte ich mir auch holen! An Gedenken an... Jaden. Sie zögerte leicht. War es für Mike komisch, wenn sie über ihren verstorbenen Freund sprach? Lass uns einfach einen schönen Abend haben! Sagte sie lächelnd und hoffte, dass sie das Thema Jaden nun wieder ein wenig begraben könnte.