Teilnehmer: Damian Bianchi, Mikhail Wolkov Startort: Das Gelände vor dem alten Waisenhaus Zeitpunkt: 9. März 2015, am Abend und in den Nachtstunden Beschreibung: Nicht alle Schüler konnten sich beim jüngsten Angriff der Lykanthropen gegen die Werwölfe effektiv zur Wehr setzen. Mikhail, der daran zweifelt, ob er seine Artgenossen überhaupt bekämpfen sollte, muss von Damian aus einer brenzligen Situation gerettet werden. Ob beide unbeschadet aus der Sache herauskommen?
Als Schutzschild missbraucht zu werden, stand auf seiner Liste allerdings nicht weit oben. Damian war sich nicht ganz sicher, ob er dem Kommentar Glauben schenken durfte. Aber besondere Umstände erforderten besondere Maßnahmen. Der Blondschopf war sich auch nicht sicher, ob er den Schwarzhaarigen in einer zu brenzligen Situation nicht ebenfalls als Schutzschild verwenden würde, daher schwieg er lieber, bevor noch verbaler Dünnschiss aus seinem Mund kam. Der Italiener war sich immer noch nicht sicher, ob das hier wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, er könnte sich jetzt auch auf einem Rettungsboot oder was auch immer befinden. Dann müsste er sich über sein Überleben keine Gedanken machen. Ein geräuschvolles Ausatmen war die Folge und ein kurzes raufen der Haare ordnete seine rasenden Gedanken. Nein, es war die absolut richtige Entscheidung gewesen zu bleiben. Immerhin hatte er dem Schwarzhaarigen bereits einmal das Leben gerettet, sehr zum Missfallen der Bestie. Er war sich ziemlich sicher, dass dieses Mistvieh es auf die Beiden abgesehen hatte. Sollten sie nicht so viel Glück haben zum Geräteschuppen zu gelangen, lag es sicher an diesem Werwolf. Und Damian bezweifelte, dass dieses Exemplar an kurzzeitiger Demenz litt und ihre Gesichter aus seinem Kopf gelöscht worden waren.
Erst als der Schubser von Mike kam, war er wieder bei der Sache. Ein gänzlich ungünstiger Zeitpunkt. Damian schlug sich die Hände an die Wangen und folgte den Kleineren auf dem Fuße. Anscheinend war der Blondschopf von den beiden Jungs wohl der wahre Schisser. Erleichterung machte sich bei dem Italiener breit, als der Geräteschuppen auf wundersame Weise nicht geschlossen war. Ziemlich leichtsinnig vom Hausmeister einen solchen Schuppen nicht geschlossen zu halten, vor allem wenn hier Kinder ihr Unwesen trieben. Aber in diesem Fall würde Damian ihn gerne abknutschen und das wortwörtlich. Auch Mike schien darüber sehr froh zu sein. Einen Draufmachen klang verlockend, aber dafür mussten die Jungs den Angriff auch überleben. »Boah Alter, ich bin dabei. Ich werd' dich auch nicht belehren, wenn du Alkohol trinkst. Das bleibt dann unser kleines, dreckiges Geheimnis.«, gab der Blonde zu verstehen und klopfte dem Kleineren kurzerhand auf die Schulter. Daher mussten sie überleben. Und neuer Mut durchströmte den Blondschopf. Kampflos würde er sich nicht ergeben. Schwer verwundet ebenfalls nicht. Nur tot würde er kapitulieren. Sie mussten sich bewaffnen, besser zu früh als zu spät. Seine goldenen Irden verschafften sich zuerst einen Überblick, was es hier an Gerätschaften gab. Heckenschere - perfekt, Spaten - optimal, Harke - ideal, Kettensäge - hammergeil. Damit konnten sie die Biester wenigstens ein wenig auf Abstand halten und verletzen. Die Augen ausstechen, Körperteile abschneiden. »Ich glaube, damit lässt sich was anfangen oder?«, erkundigte er sich bei seinem Mitstreiter. Sie mussten sich nur noch diese Dinger krallen und schon konnten sie sich ins Getümmel stürzen. Und vielleicht ein paar Leben retten. Trotzdem musste sich Damian seelisch darauf vorbereiten. Wenigstens ein paar Minuten bevor er dem Tode ins Auge blickte. Nur leider hatte er da die Rechnung ohne die Lykanthropen gemacht. Denn eines der Biester war so gut wie beim Geräteschuppen und fletschte bereits die Zähne. Ein Festmahl direkt vor Ort. »Hörst du was?«, stellte er dem Schwarzhaarigen eine Frage. Damian war sich nicht sicher ob er etwas gehört hatte, daher wollte er sich versichern, dass er nur unter Einbildungen litt. Schließlich konnte man von einem Werwolf erwarten, dass sein Gehör wesentlich besser war.
Da war es wieder: Das beruhigende Gefühl von Sicherheit. Genau wie vorhin als sie das Wohnheim betreten hatten. Normalerweise fühlte Mike sich in kleinen Räumen eher eingeengt, doch in dieser Situation hatten die vier soliden Wände und das Dach etwas Behütendes. Sowohl die Tatsache, dass die Architektur des Schuppens nicht darauf ausgelegt war, dem Angriff eines Werwolfs zu trotzen als auch den Fakt, dass sie hier festsaßen wie in einer Sardinenbüchse, blendete Mike aus und scherzte lieber über ein Besäufnis, das er nach diesem Schlamassel anpeilte. Vielleicht war es auch gar nicht verkehrt für seine Moral, dass Damian ihn nicht belehrte, sondern in seinem Vorhaben bestätigte. So hatte der Schüler — neben dem nackten Überleben — zumindest ein weiteres Ziel vor Augen. „Hah, geil. Dann machst du den Alk klar. Und wehe du vergisst das oder krepierst vorher“, gab Mike grinsend zurück, während er die Augen bereits nach nützlichen und potenziell tödlichen Gerätschaften aufhielt. Die Aussicht auf einen geselligen Abend mit Bier en masse ließ den Werwolf tatsächlich für einige Sekunden gedanklich abschweifen und das gegenwärtige Unheil vergessen lassen. Fehlten nur noch ein paar Mädels, die sich ihnen anschlossen. Mit einer Flasche Weinschorle konnte man doch hundertpro einige Mitschülerinnen für die Idee begeistert. Ob er schon zu weit voraus plante? Die Antwort darauf bekam Mike in Form eines bekannten Geruchs, der sich dem Schuppen näherte. Wenn er sich jetzt nicht verdammt nochmal zusammenriss und konzentrierte, könnte er seine Pläne gleich für einen Freifahrtschein in die Hölle eintauschen. In der Hoffnung, dass er sich den Geruch bloß einbildete oder ihn wegen des omnipräsenten Gestanks vor der Tür verwechselte, warnte er Damian vorerst nicht. Panik zu verursachen, wäre in jedem Fall kontraproduktiv.
Damian hatte ebenfalls so einiges nützliches Werkzeug erspäht. Perfekt. „Nice, das ist echt gut“, bestätigte er dem Blonden nickend. Er griff selbst nach einer handlichen Axt, mit der vermutlich ehemals Äste zu Feuerholz verarbeitet worden waren. Nun war das Werkzeug ein passables Mittel gegen aufdringliche Werwölfe. „Ich nehm die Axt und einen Spaten. Bei der Kettensäge hätt ich Schiss, dass dem Ding der Saft aus geht, weißte?“ In seinen Augen waren die simplen Werkzeuge die verlässlichsten. Aber wenn Damian zur Kettensäge greifen würde, würde Mike nicht protestieren. Vielleicht war er auch nur ein kleines bisschen neidisch, dass er das Elektrogerät nur mit Müh und Not anheben und erst recht nicht effektiv schwingen könnte. Die Axt befestigte er mehr oder weniger sicher an seinem Hosenbund (sollte schon passen …), während er den Spaten in der Hand behielt wie einen Speer. Damians Frage veranlasste ihn dazu, kurz die Augen zu schließen und genauer hinzuhorchen. Gleichzeitig rümpfte er prüfend die Nase. Der Geruch von vorhin hatte sich im Sande verlaufen und Schritte waren aus allen Richtungen zu hören. „Ich weiß nicht, da draußen ist es mega unruhig. Ich kann halt echt nicht sagen, ob da eins von den Viechern kommt oder nicht.“ Unbefriedigt von seiner eigenen Antwort biss er sich auf die Unterlippe. Seine einzigen Qualitäten, und zwar das Hören und Riechen, halfen ihnen null. Es war auch nicht zu ihrem Vorteil, dass der Schuppen nur ein kleines Fenster oberhalb ihrer Köpfe besaß. Plötzlich realisierend, dass sie hier drinnen in der Falle saßen, musste Mike nervös schlucken. Er hatte gedacht sie hätten hier eine tolle, temporäre Basis gefunden, um ihr weiteres Vorgehen zu planen. Doch mit jeder Sekunde, die sie im Schuppen blieben, wurde seine Brust enger. „Wir müssen auf jeden Fall raus“, japste er. Wenn die Biester die Erde zum Beben bringen konnten, dann konnten die auch das Dach des Schuppens zum Einstürzen bringen und die beiden Schüler unter dem Schutt begraben. Trotz der Furcht davor hier verschüttet zu werden, ließ er Damian den ersten Schritt nach draußen gehen. Letztlich war es sowieso die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Über den Alkohol würde sich der Blondschopf nach ihrem Überleben, davon ging er jetzt einfach aus, Gedanken machen. Es war ein Vorhaben wofür es sich zu leben lohnte. Ganz egal ob er eigentlich gar kein Trinker war, nach ihrer erfolgreichen Schlacht mussten die Nerven ein wenig beruhigt und die Toten betrauert werden. Und mit einem Tost auf die Opfer konnte man definitiv nichts falsch machen. Das war ein guter Plan. Daher stimmte er dem Schwarzhaarigen einfach zu. »So werden wir es machen. Also kratz mir ebenfalls nicht ab, sonst muss ich alleine trinken.« Alleine zu trinken fand Damian ein wenig traurig. Das würde gar keine Freude machen, daher sollten sie sich beide am Riemen reißen und den Viechern den Arsch versohlen. Damian war wild entschlossen.
Die Gerätschaften im Geräteschuppen konnten sich sehen lassen, die Auswahl war, wie Mike bereits gut zusammengefasst hatte, nice. Der Schwarzhaarige hatte sich für eine Axt und einen Spaten entschieden. Die Kettensäge blieb wo sie war. »Die Kettensäge ist zwar ziemlich cool, aber ebenfalls nichts für mich.«, gestand der Italiener. Er hatte absolut keine Ahnung ob das Ding überhaupt funktionierte. Er war auch nicht bereit es zu testen und die Aufmerksamkeit wissentlich auf sie zu lenken. Ganz bestimmt nicht. Notfalls konnte man die Kettensäge zwar auf den Gegner werfen, würde nur vermutlich nicht allzu viel anrichten. Daher entschied sich Damian für eine Harke und gerade als er zu einem weiteren Spaten greifen wollte, erspähte er eine Sichel. Kurzerhand schnappte er sich das Teil und machte den Schärfetest. Die Sichel war scharf genug um seine Haut aufzuritzen, daher auch eine super Waffe. Ein Ohr konnte er damit locker abschneiden. »Dann sind wir wohl gerüstet für unseren finalen Kampf, was?«, sprach der Blondschopf mit so viel Selbstbewusstsein wie er in diesem Moment aufbringen konnte. So viel war es nicht. Und das Mike irgendwie nicht helfen konnte seine Paranoia zu minimieren, war weniger erfreulich. In diesem Fall wäre die Gewissheit eine Einbildung zu haben Goldwert gewesen. Wie der Werwolf ebenfalls anmerkte, sollten sie sich nicht zu lange in dem Schuppen aufhalten. Der Geräteschuppen bot nicht wirklich eine Fluchtmöglichkeit außer der Tür. Der Italiener fand den Schuppen nicht gerade stabil. »Dann lass uns gehen und hoffen, dass keines der Viecher draußen lauert.« Die Hoffnung war im jeden Fall vorhanden als man ihm abermals den Vortritt ließ um zu gucken ob die Luft rein war. Damian konnte sich ein Schnauben gerade noch so verkneifen und öffnete vorsichtig die Tür des Geräteschuppens. Und der Drang die Tür so schnell wie möglich zuzuschlagen und alles was einem in die Quere kam vor die Tür zu schmeißen, war enorm. »Wie soll ich das jetzt sagen, also ... puh, ich denke man erwartet uns bereits.«, berichtete Damian seinem Mitstreiter. Es wunderte den Blondschopf, dass er Mike so beherrscht die Sachlage schildern konnte. Eines der Biester und er war sich ziemlich sicher, dass es der Werwolf von vorhin war, wartete einige Meter entfernt. Für ein solches Kaliber war die Entfernung in Windeseile zurückgelegt, es würde bestimmt nur einen Wimpernschlag dauern bis das Monstrum nur noch ein paar Zentimeter entfernt war. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Jetzt mussten sie sich ihrem Schicksal und das Schicksal der Insel stellen. Daher trat der Blondschopf aus dem Schuppen und hoffte, dass Mike sich jetzt nicht darin verbarrikadierte, denn alleine würde er mit dem Monster nicht fertig werden. Zu zweit hatten sie wenigstens eine viel bessere Chance. Damian stufte sich als lebensmüde ein, anders war sein Einsatz kaum zu beschreiben.
Sie hatten sich das gegenseitige Versprechen gegeben, nicht zu sterben, bevor sie zusammen ein eiskaltes Bier trinken konnten. Ob der Vorsatz letztlich eingehalten werden konnte, war noch nicht abzusehen, aber Mike hoffte es. „Ich versuchs“, teilte er Damian mit, wobei in seiner Stimme weniger Zuversicht und deutlich mehr Zweifel mitschwang. Angesichts ihrer Lage war es aber nicht verwunderlich, dass der Optimismus dem Realismus Platz machen musste.
Damian entschied sich ebenfalls gegen die Kettensäge und stattdessen für eine Harke und eine Sichel. Wofür auch immer diese genutzt wurde. Im Moment war das Werkzeug wirklich gottgesandt. „Ich hätte lieber ne Machete oder eine Knarre oder so, aber das ist besser als nichts“, stimmte er dem Blonden so halb zu. Besser so, als nur mit Federballschlägern oder komplett unbewaffnet da raus gehen zu müssen. Mike drehte den Spaten ein paar Mal. Der Holzgriff war etwas wackelig festgeschraubt, doch die Metallschaufel, mit der er zuschlagen würde, schien bombenfest zu sitzen. Nichts wäre tragischer, als beim Ausholen einen Teil seiner Waffe zu verlieren. Gut, dass Damian sich nicht dagegen sträubte zum zweiten Mal die Vorhut bilden zu müssen. Mikhail wäre ja vorangegangen, aber es machte strategisch mehr Sinn, wenn der größere und kräftigere Mitstreiter anführte. Das hatte auch absolut gar nichts mit seiner Feigheit zu tun! Die Geräusch- und Geruchkulisse wurde intensiver, als Damian die Tür des Schuppens öffnete und wieder hatte der Werwolf das Verlangen, sich mit der Hand die Nase zuzuhalten. Aber er brauchte beide Hände, um seinen Speer den Spaten zu halten. Ungeduldig drängte er sich hinter Damian an den Ausgang und spähte kurz an dem blonden Riesen vorbei, bevor er den Kopf wieder einzog und auf Informationen wartete, die ihm wenige Sekunden später geliefert wurden. Sowohl Damians Ausdrucksweise als auch die Angst, die ihm einen Knoten in die Zunge band, ließ ihn lediglich heiser auflachen. Es klang, als würde sein Lachen jeden Moment fließend in ein Schluchzen übergehen, bevor er sich glücklicherweise noch beherrschen konnte. Wäre auch echt peinlich gewesen, hätte er jetzt losgeheult – nachdem sie sich so heldenhaft mit Waffen eingedeckt hatten! „Ja… ist scheiße, ne?“, war schließlich das einzige, was ihm über die Lippen kam und die Situation wahrscheinlich ganz akkurat zusammenfasste. Trotz seiner wackeligen Knie folgte er Damian nach draußen, die Schaufel hoch erhoben und bereit auf den nächsten Werwolf einzuprügeln, der aufmuckte. „Hast du nen Plan… oder ist der Plan einfach draufzuhauen?“, fragte er den Blonden kurzatmig. Viel Zeit zum Pläneschmieden hatten sie ja nicht gehabt. „Vielleicht kann ich ihn ablenken und du kannst mit deiner Bauernwaffe da—“ Mike führte seinen Zeigefinger an seiner Kehle entlang. Es schmeckte ihm zwar gar nicht, sich selbst als Köder zu deklarieren, aber mit seiner Größe war er vermutlich wendiger und könnte dem Biest etwas den Kopf verdrehen, bevor Damian zuschlug. Abgesehen davon kam Mike mit seiner Axt gar nicht effektiv bis an die Kehle des Viechs… und auf seine Wurfkünste wollte er sich nicht verlassen.
Mit Schusswaffen kannte sich der Blondschopf nicht aus, aber wenn Mike sich damit auskannte, dann wäre es wirklich geil gewesen, wenn sich ein solches Teil hier gefunden hätte. Nur leider war das Leben kein Wunschkonzert und eine Waffe konnte er nicht beschwören. Ein Magier konnte das vielleicht, aber davon war er weit entfernt. Er bestand zwar aus einigen Rassen aber so ein Magier war leider nicht dabei. Ziemlich scheiße gelaufen das Ganze. Aber wer hatte ahnen können, dass es irgendwann benötigt wurde. Das bedeutete, dass er sich bei irgendwem beschweren musste und würde. Vermutlich traf es Alice, wen auch sonst?! Damian nickte zustimmend, als es auch schon ans spähen ging.
Das Glück war leider nicht auf ihrer Seite. Zumindest dann wenn es darauf ankam. Der Blondschopf war sich auch nicht sicher, wie er den Gemütszustand seines Kollegen auffassen sollte. War es ein Lachen, war es ein Weinen? Es war auf alle Fälle irgendeine Form von Hysterie. Er war kurz versucht den Schwarzhaarigen eine runter zu hauen, damit er sich am Riemen riss, aber da war es auch schon vorbei. Scheiße war eigentlich noch sehr milde ausgedrückt für ihre Lage. »Mega Scheiße.«, pflichtete er dem Kleineren bei. Erst nachdem auch der Schwarzhaarige aus dem Geräteschuppen getreten war und er noch ein paar Worte an Damian richtete, bildete sich kalter Angstschweiß auf seiner Stirn. Und dabei verabscheute er Schweiß ungemein. Sie hatten sich gar keinen Plan überlegt, sollten sie auf eines der Biester treffen, das rächte sich gerade. Man konnte vermutlich das Rattern der Zahnräder hören und den Rauch aus den Ohren des Blondschopfs qualmen sehen. Was waren sie nur für ein Idiotenpaar? »Ähh...ähh...mehr als schief gehen, kann es eh nicht. Also ich zähl auf deinen flinken Beine und deinen Überlebensinstinkt.«, antwortete er wenig intelligent, während er seine "Bauernwaffe" und auch seine Harke fester packte. Notfalls musste eben sein Körper als Rammbock herhalten. Erst jetzt wurde ihm klar, dass sie hier um ihr Überleben kämpften und es würde garantiert kein Ritter in glänzender Rüstung daher kommen und sie retten. Ganz bestimmt nicht. So viel Glück wie die beiden Junges gepachtet hatten, würde viel mehr noch ein weiteres Monster auftauchen und sie dem Erdboden gleich machen. Hach, was waren das nur für schöne Aussichten. Für jemanden mit Suizidgedanken war diese Situation sicher das reinste Paradies. Lachend auf einen Werwolf zuzurennen und sich zerfleischen lassen, was konnte es schöneres geben? In seinem Kopf liefen die Hühner Amok. War es wirklich die richtige Entscheidung Mike vorzuschicken und darauf zu hoffen, dass Damian schnell und präzise genug war um dem Werwolf den Gar auszumachen? Gerade huschten unzählige Zweifel und Absurditäten durch Damians Kopf. Ein gänzlich ungünstiger Zeitpunkt. »Gib mir ein Zeichen, wenn du bereits bist.«, flüsterte er seinem Mitstreiter zu und griff seine Sichel noch ein wenig fester, bis die Knöchel weiß hervortraten. Jetzt gab es kein Zurück mehr, aber der Zug war schon lange abgefahren. Damian versuchte ruhig zu atmen und alles im Blick zu behalten, um eingreifen zu können, wenn es doch nicht so funktionierte wie gedacht. Wenn sich das Mischwesen nicht irrte, dann konnte er ein Grinsen in der Fratze des Werwolfs erkennen. Der schien sich seiner Sache äußerst sicher zu sein, aber die Jungs hatten sich ein Versprechen gegeben.
Er sollte Damian ein Zeichen geben, wenn er bereit war? Er war niemals bereit gewesen und würde es auch nie sein werden. Aber etwas anderes, als draufloszurennen und auf das Beste zu hoffen, blieb ihm nicht übrig. Selbst wenn er jetzt kniff und sich Moonwalk-mäßig verabschiedete, würde der Werwolf ihn einholen und umlegen. Das hatte Mike aus irgendeinem Grund im Gefühl. Als hätte das Biest eine persönliche Vendetta gegen ihn. Womöglich waren das auch nur Gebilde seiner Fantasie, die der Angst entsprangen, aber vielleicht auch nicht. Da er dennoch nicht wusste, welchen Geheimcode er Damian mitteilen sollte, lief er einfach los, nachdem er einen letzten tiefen Atemzug genommen hatte. Wenn das kein eindeutiges Zeichen dafür war, dass ihr Kamikazeeinsatz begann, wusste er auch nicht. Das Biest schien nicht beeindruckt davon zu sein, dass ein schmächtiger Bursche mit Gartenwerkzeugen auf ihn zugelaufen kam. Es rührte keinen Muskel, sondern schien sich sogar noch etwas nach hinten zu lehnen, um an Stabilität zu gewinnen. Planlos rannte Mike trotzdem weiter auf den Werwolf zu. Er fühlte sich ein bisschen wie ein aufgescheuchtes Huhn. Mit dem Spaten in den Händen ließ es sich nicht gut an Geschwindigkeit aufnehmen und von Flinkheit waren seine tollpatschigen Schritte ganz weit entfernt. Er hielt den Spaten wie einen Rammbock, als wolle er ihn in dem Bauch des Werwolfs versenken. Ob er es überhaupt schaffen würde die Haut und Muskeln zu durchstechen, wenn er alle Kraft zusammennahm? Irgendwie bezweifelte er es. Zwei Meter vor dem Feind wechselte Mike schließlich die Richtung und lief eine Art Halbkreis um den Werwolf herum. Der Lykanthrop folgte Mike zwar mit seinem Blick, schien allerdings weder eingeschüchtert noch beunruhigt. Bisher schlug der Ablenkungsversuch grandios fehl. War Mike so schwach, dass der Werwolf nicht mal mit der Wimper zuckte? Schlimmer noch als ein Huhn: Nun fühlte er sich wie eine lästige Fliege, der nicht einmal Beachtung geschenkt wurde. Mikes Blick wanderte zu Damian. Es war ihm unendlich peinlich, dass ihn der Lykanthrop nicht im Geringsten als Bedrohung einstufte. „Was ist mit dir, du Arsch?! Ich bin hier!“, keifte er den Werwolf giftig an. Damit ihr Plan nicht ins Wasser fiel, musste er wohl aggressiver vorgehen. Auch wenn er insgeheim gehofft hatte, dass er es bei hektischem Herumlaufen hätte belassen können. Er lief erneut auf den Werwolf zu, diesmal mit der Absicht den Spaten so tief in die Magengegend des Biests zu stechen, wie er nur konnte. Doch noch bevor er sich auch nur ansatzweise nähern konnte, holte der Wolf mit seiner Pranke aus und schlug Mike das Werkzeug aus den Händen. Wer hatte diesen Viechern überhaupt erlaubt gleichzeitig schnell und stark zu sein? Er meinte den Werwolf gehässig lachen zu hören. So ein Scheiß. Aber wenigstens hatte er die Aufmerksamkeit des Viechs. Ohne den Ballast des Spatens fiel Mike das Laufen um einiges leichter. Das fiel wohl auch dem Werwolf auf, der sich dem Dunkelhaarigen nun vollständig zuwandte. „Und was willst du jetzt tun, du Wicht?“ Mike knirschte mit den Zähnen. Gute Frage. Der Werwolf spielte mit ihm, vielleicht konnte das das nutzen. Dem nächsten Hieb konnte er irgendwie ausweichen (und hatte damit sein Glück für das restliche Jahr aufgebraucht). Als der Werwolf erneut zuschlug, zückte Mike die kleine Axt, die er noch im Petto hatte. Er versenkte die Schneide in der Pranke des Biests, das erschrocken für einen Moment erstarrte. Der Stoß warf Mike dennoch ein Stück zurück, doch er schien zumindest einen kurzen Moment geschaffen zu haben, indem er den Werwolf entgegen seiner Erwartung verwundet hatte.
Unter normalen Umständen würde er ein tiefes einatmen ganz bestimmt nicht als Zeichen für was Großes sehen, aber die Umstände waren leider nicht normal. Zum Glück besaß der Italiener so viel Grips um das Zeichen deuten zu können, als Mike bereits wie ein Flitzebogen durchstartete. Geschwindigkeit war eine der Eigenschaften die man Werwölfen zuordnete. Aber irgendwie wurde Damian das Gefühl nicht los, dass der schwarzhaarige Kampfzwerg nicht alles an Speed einsetzte was er zu bieten hatte, konnte aber der Tatsache geschuldet sein, dass der Spaten doch ein wenig lang war. Damian stieß ein Gebet zum Himmel, dass der Kleinere nicht darüber stolperte und sich wie auf einem Silbertablett dem Werwolf präsentierte. Dann war es das mit der Ablenkung und mit ihrem Überleben. Damian strafte seine Schultern und behielt die Sichel weiterhin fest in der Hand. Die Harke kam ihm im Moment auch ein wenig hinderlich vor, aber sie war gut um das Biest auf Abstand zu halten, solange der Holzstiel durchhielt und nicht einer Pranke zum Opfer fiel. Die goldenen Irden verfolgten die Bewegungen des Kleineren. Der Italiener war beinahe bis zum Zerreißen angespannt. Er durfte sich keine Sekunde der Unachtsamkeit erlauben, aber der Werwolf schien von Mike wenig beeindruckt, da er sich eigentlich gar nicht groß Mühe gab den Schwarzhaarigen zu beobachten oder ihm gar seinen Körper zuzuwenden. Zurzeit lief das Ablenkungsmanöver nicht so wie geplant. Damian konnte auch den Blick ihres Gegners auf sich spüren, wobei es ihm die Nackenhaare aufstellte. Ein Frontalangriff kam somit gar nicht in Frage. Mike schien diesen Umstand ebenfalls zu bemerken und befand ihn für nicht gut. Daher setzte er abermals zu einem Manöver an, nachdem er das Ungetüm sogar noch provozierte. Damian konnte gar nicht anders als die Luft anzuhalten, als bei Mikes versuch sein Spaten in die entgegensetze Richtung flog. Beinahe hätte das Mischwesen einen entsetzen Schrei vom Stapel gelassen. Dann wäre ihr glorreicher, wenig abgesprochener Plan, kläglich gescheitert. Und dann begann das Vieh auch noch zu reden. Oder eher mehr zu pöbeln. Wollte anscheinend gleiches mit gleichem vergelten. Mike war vorhin auch nicht nett gewesen. Aber auf die Größe hatte er nicht abgezielt, war bei männlichen Wesen meistens ein Streitpunkt. Während sich Damian das Hirn zermarterte, wie er dem Werwolf einen Überraschungsangriff entgegen bringen konnte, kämpfte Mike bereits ums nackte Überleben und war anscheinend gar nicht so schlecht dabei. Jetzt oder nie. Der Schwarzhaarige hatte gut vorgelegt und die Aufmerksamkeit bereits auf sich gezogen. Seine Axt schien dabei eine erhebliche Rolle zu spielen. Die Axt schien dem Biest ins Fleisch geschnitten zu haben und das war die Chance auf die die Jungs zugearbeitet hatten. Damian nahm selbst ein wenig Speed auf und stürmte geradewegs auf den Werwolf zu. Zwar konnte er in dieser Position die Kehle des Werwolfs mit seiner Bauernwaffe nicht erreichen, aber ihm doch erheblichen Schaden zufügen. Schließlich war das Teil verdammt scharf. Mit einem Satz war Damian auf dem Rücken der Bestie gelandet und malträtierte diesen mit seiner Sichel. Die Harke hatte er beim Sprung doch verworfen und auf die Seite geschmissen. Konnte man später noch immer gebrauchen, wenn nicht der Lykanthrop auf die glorreiche Idee kam die Harke selbst als Waffe zu gebrauchen. Ein tiefes Grollen getränkt von Schmerz war die Antwort auf seine Hiebe. Der Werwolf ließ sich das auch nicht lange gefallen und pflückte das Mischwesen mit einer seiner Pranken vom Rücken. Der Blondschopf war bereits darauf gefasst gewesen, aber die Wucht mit der er vom Rücken gewischt wurde, kam dann doch unerwartet und seine Flugbahn endete auch nicht gerade sanft. Das Aufkommen an der Hausmauer drückte ihm jeglichen Sauerstoff aus den Lungen. Trotz der gratis Flugstunde war seine blutbeschmierte Sichel noch immer in seiner Hand. Daher trat er dem Werwolf, der bereits mit einem Satz bei ihm war nicht gänzlich unbewaffnet entgegen.
Irgendwie hatte sein Ablenkungsmanöver doch gereicht, um Damian die Chance zu geben, den Werwolf zu attackieren. Mike hätte auch nicht gewusst, was er getan hätte, wenn dem nicht so wäre. Er hatte das Biest zwar verwundet, aber bei Weitem nicht ausreichend, um es lahmzulegen. Trotz seiner eigenen schmerzenden Verletzung, die sich nun wieder bemerkbar machte, rappelte der Schwarzhaarige sich auf und sammelte dabei das Beil ein, das der Lykanthrop offenbar zügig entfernt und zur Seite geschleudert hatte. Der Geruch des Blutes, das an der Schneide klebte, wanderte prompt in Mikes Atemwege und hinterließ ein unangenehmes Gefühl von Übelkeit. Doch Zeit, um sich um seine Wehwehchen zu kümmern, hatte er nicht. Alles passierte so schnell hintereinander. Er hatte kaum für drei Sekunden den Blick abgewendet, schon saß Damian auf dem Rücken des Werwolfs wie ein mittelmäßiger Rodeo-Reiter. Zweifelnd schob Mike die Augenbrauen zusammen. Es sah nicht so aus, als hätte sein Mitschüler die Situation unter Kontrolle. Der Blonde hackte zwar auf den Werwolf ein, doch wirklich tiefe oder gefährliche Wunden fügte er dem Monster nicht zu. „Das wird so nichts!“, rief er Damian zu. Doch seine Worte wurden durch die Umgebungsgeräusche und seinen eigenen rasselnden Atem erstickt. Warum zielte Damian nicht auf die Kehle des Werwolfs ab? So, wie sie es noch vor wenigen Minuten ausgemacht hatten. Auch, wenn es ignorant war, machte die eher maue Performance des Blonden Mike wütend. Hätte er es besser machen können? Mitnichten. Trotzdem hatte er als Köder hergehalten, um Damian die Chance für den Angriff zu ermöglichen! Zähneknirschend stellte Mike sich in den toten Winkel des Biests, das wohl die Schnauze voll von Damians Hieben hatte, und den Blonden kurzerhand gegen die nächste Mauer katapultierte. Mit aufgerissenen Augen starrte Mike seinem Mitstreiter hinterher. Der Aufprall hatte definitiv schmerzhaft ausgesehen. Bei einem normalen Menschen wären bestimmt die ein oder anderen Rippchen gebrochen. Ob Damian es besser weggesteckt hatte? Mike verspürte den Drang auf dem Absatz kehrtzumachen und bei Damian nach dem rechten zu sehen. Doch er befand sich in einem Winkel, der ihm eine großartige Angriffschance ermöglichte. Er näherte sich dem Werwolf so schnell und geräuscharm wie möglich. Zum Glück hatte das Monster Mike momentan entweder nicht mehr auf dem Radar oder es wollte unbedingt seinen Job bei Damian zu Ende bringen und diesem endgültig die Kerzen auspusten. War Mike auch schnurzpiepegal. Er war einfach nur froh, dass er dem Biest unbemerkt so nahe kommen konnte, dass ein gelungener Weitsprung genügen würde, um die Axt in dessen Nacken zu rammen. Gedacht, getan. Der Dunkelhaarige sprang ab, riss das Beil hoch und jagte es dem Werwolf mit mehr Kraft, als er sich je zugetraut hätte, ins Genick. Er hatte auf den Kopf abgezielt, diesen allerdings verfehlt. Wäre er fünf Zentimeter größer, hätte es vielleicht hingehauen… trotzdem dauerte es nicht lange bis der Lykanthrop in seiner Vorwärtsbewegung stockte und kurz darauf knurrend vorn überkippte. Mike, der nach seiner Attacke die Axt losgelassen und unelegant nach hinten gefallen war, beäugte sowohl den reglosen Wolf, der allmählich wieder eine menschliche Gestalt annahm, als auch Damian. Ging es ihm gut? Hatten sie es geschafft? Hatten sie den Werwolf — der gar kein Werwolf mehr war — geschlagen? Vor lauter Fragen drehte sich sein Kopf. Er starrte noch für wenige Sekunden auf die Axt, die im Körper des mittlerweile Jugendlichen steckte, bevor er sich aufrichtete und benommen in Damians Richtung taumelte.
Die Stimme von Mike erreichte den Blondschopf gar nicht, da wurde er bereits wie eine lästige Fliege weggewischt. Der Aufprall mit der Mauer würde sicher einige blaue Flecken mit sich ziehen. Er war sich auch nicht sicher, ob nicht auch seine Rippen in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Das Atmen ließ einen ungeahnten Schmerz in seiner Brust explodieren und ihn schwarz vor Augen sehen. Somit war die Gewissheit, dass doch etwas gebrochen war gewiss. War aber alles noch kein Grund zur Panik, das würde schon heilen und notfalls, sollte er weiter überleben konnte es sich ein Arzt ja ansehen und Entwarnung geben. Die Überlebenschancen rechnete er sich aber im Moment nicht allzu gut aus, da ihr Gegner alles andere als zufrieden mit dem Ausgang seines Handels war. Anscheinend war Damian ihm nicht tot genug. Seine goldenen Irden fixierten den Werwolf, als er seinen Blick endlich wieder fokussieren konnte. Von Mike fehlte gerade jede Spur und der Italiener konnte sich auch keine weiteren Gedanken darüber machen. Zum Aufrappeln fehlte ihm trotzdem die Kraft. Die Sichel umklammert machte er sich darauf gefasst im nächsten Augenblick angegriffen zu werden. Aber der Angriff blieb aus. Beziehungsweise wurde von einem gewissen schwarzhaarigen Jungen vereitelt. Mike war zu seiner Rettung im toten Winkel des Werwolfs verschwunden und hatte ihn hinterrücks seine Waffe in den Nacken geschlagen. Mit ein wenig Übung im Holzhacken hätte er dem Tier mit Sicherheit den Kopf abschlagen können. Oder vielleicht doch nicht. Schließlich war der Wolf ziemlich groß und muskulös gewesen und Mike hingegen eher ein Fliegengewicht. Bei dem Gedanken trat ein müdes Grinsen auf seine Lippen. Was den Blondschopf gerade aber mehr erstaunte, war die Tatsache, dass sich der Werwolf in seine menschliche Form verwandelte. Das kam unerwartet. Der Italiener hatte auch gar keinen Gedanken daran verschwendet, dass sich der Werwolf irgendwann, irgendwo zurückverwandeln konnte. Das traf ihn dann doch eiskalt und seine Augen waren noch immer vor Schock geweitet. Wie konnte so jemand einen Rachefeldzug gegen die Inselbewohner starten? Das leuchtete dem Blondschopf bei Gott nicht ein und der Schmerz war in diesem Moment auch vergessen. Erst als er eine Bewegung ausmachen konnte, wandte er den Blick vom leblosen Körper des Gegners ab. Der Kleinere taumelte zu Damian. Er sah auch ein wenig ramponiert und ziemlich fertig aus. Kein Wunder bei diesem Ereignis. »Du hast ihn echt gekillt.«, stellte das Mischwesen die Tatsache fest. Sie hatten es wirklich geschafft. Die Freude darüber überlebt zu haben, ließ nun alle Dämme des Blonden brechen und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg seine Wangen hinab. Es war gerade einfach alles zu viel. Man konnte es wohl als emotionale Entgleisung einstufen. Er fühlte sich wie von einer Bahn überfahren oder von einer Elefantenherde niedergetrampelt. Mit seinen Händen wischte er sich die Tränen von den Wangen und verpasste sich somit eine Kriegsbemalung, da seine Hände noch vom Blut des Werwolfs getränkt waren. »Nur fürs Protokoll, ich hatte da was im Auge und jetzt sollten wir unseren Plan in die Tat umsetzen. Ich brauch etwas um meine Nerven zu beruhigen.«, wandte sich Damian ein wenig kleinlaut an seinen Mitstreiter. Erst da kam ihm der Gedanke, dass vielleicht noch gar nicht alle Werwölfe erledigt und noch immer irgendwo ein Kampf tobte. Aber das Mischwesen bezweifelte, dass er irgendwo eine Hilfe sein würde. Und eigentlich war er auch zu fertig um aufzustehen. Vielleicht sollten sie einfach noch ein bisschen hier bleiben, bis sich die Lage beruhigte und sie sich sicher sein konnten, dass die Gefahr vorbei war.
Wie ein nasser Sack landete Mike neben Damian mit einem Plumps auf dem Hintern. Es fühlte sich wirklich so an, als hätte man ihm eben sämtliche Sehnen und Bänder gekappt. Seine Beine trugen ihn zumindest für den Augenblick keinen weiteren Millimeter. „Alles ok?“, fragte er Damian gedankenverloren und sah den Blonden dabei nicht einmal an. Er war schon irgendwo besorgt um Damians Verfassung, aber der reglose Körper vor ihnen, lenkte Mikes gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte in dem ganzen Durcheinander komplett — wirklich zu einhundert Prozent — vergessen, dass die Werwölfe keine hirnlosen Monster waren, sondern im Grunde Menschen wie jeder einzelne Inselbewohner auch. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sich rundherum Menschen gegenseitig niedermetzelten und dass er mit seinen eigenen Händen daran beteiligt war. Es war zwar Notwehr gewesen, aber das erleichterte sein Gewissen nur bedingt. Damians nüchterne Feststellung brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Mike wollte dem Blonden an den Kopf werfen, dass seine Tat verdammt nochmal nicht triumphal war, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er die Tränen im Gesicht des anderen sah. Seine Gefühle von Wut und Entgeisterung ebbten ab und wurden von Erleichterung verdrängt. Diese ganze Situation war von vorn bis hinten beschissen und sie hatten keine andere Möglichkeit gehabt als sich zu verteidigen. Und sie hatten es irgendwie fertiggebracht, dabei nicht draufzugehen. Ein bisschen Freude darüber, konnte er sich doch gönnen, oder? Und als wären Tränen ansteckend, kullerten sie plötzlich auch ohne Vorwarnung bei dem Dunkelhaarigen über die Wangen. Er senkte den Kopf und wischte sich energisch und schluchzend übers Gesicht. Es fiel ihm nicht so leicht wie Damian, die Beherrschung wiederzuerlangen. Hinterher würde ihm das hundertpro peinlich bis zum Gehtnichtmehr sein, aber im Moment war es ihm mehr oder weniger egal, dass er als einziger noch flennte. Er hob vorsichtig den Kopf, als Damians Worte nach einer kurzen Weile zu ihm durchdrangen. Seine Brust war immer noch zugeschnürt, doch immerhin flossen keinen Tränen mehr. „Du siehst richtig scheiße aus“, sagte er heiser, als er Damians blutverschmiertes Gesicht sah. Wahrscheinlich sah er selbst nicht besser aus, so mit geröteten Augen und Dreck und Staub in der Fresse. Er konnte nur hoffen, dass ihm kein Schnodder aus der Nase hing. Aus dem Augenwinkel konnte Mike beobachten, wie jemand den Körper des Werwolfs mit einem Laken bedeckte. Trotzdem bereitete ihm der Anblick ein flaues Gefühl. „Du sahst übrigens total blöd aus, als du auf seinem Rücken saßt. Wäre das kein Kampf auf Leben und Tod gewesen, hätte ich das gefilmt und auf Youtube hochgeladen. Das wär sowas von viral gegangen, Alter…“ Vielleicht war es zu früh, um Witze über die Situation zu machen. Aber Mike verspürte das Bedürfnis von seiner Unsicherheit abzulenken. Und von seinem Heulkrampf. Vor allem davon.