Die große Wiese befindet sich bereits außerhalb des Yanega-Geländes, wo sich nur noch vereinzelt kleine Hütten oder ähnliche Bauten befinden. Geht man vom Wohnheim gen Westen, so würde man nach einem etwa 15-minütigen Spaziergang die Schule erreichen, die sich alsbald am Horizont ausweiten würde. Südwestlich des Wohnheim-Geländes sieht es jedoch anders aus - denn da würda man weit und breit nichts erkennen, bis auf ... Wiesen! Wahrscheinlich würde es etwa eine Dreiviertelstunde zu Fuß dauern, bis man das Stadtzentrum nach dieser gigantischen Grünfläche erreichen würde. Hier und da gibt es Flächen, an denen Landwirtschaft betrieben wird. Ansonsten sind die Weiden mit vereinzelten Bäumen und Sträuchern verziert. Selten fährt ein Traktor über die Ackerflächen aber darüber hinaus ist man hier von jeglichen Lärmbelästigungen befreit. Lediglich das sommerliche Zikadenzirpen und das Rauschen der Bäume im Wind ist zu vernehmen, was darauf schließen lässt, dass sich hier viele Insekten versammeln. Allen voran Schmetterlinge scheinen die weiten Wiesen zu ihrer Heimat gemacht zu haben und in lauen Nächten kann man an dieser Stelle unzählige Glühwürmchen ausfindig machen.
Wäre Serah auch nur annähernd emphatisch, wie einige andere gewesen, dann wären vermutlich irgendwelche Instinkte in ihr erwacht - gleich wie es bei Menschen der Fall war - die sie anflehten das Mädchen vor sich zu beschützen - so verunsichert wie dieses war. Doch in diesem Fall spielte sie viel eher mit ihr, als ihr auch nur die Möglichkeit zu geben, sich irgendein sinnvolles Bild der Kusanagi zu machen. Schließlich versicherte sie ihr in einem Moment sie nicht zu fressen, bezeichnete sie im nächsten jedoch wieder als ihr Opferlamm. Es war zwar offensichtlich, dass die Schülerin es nicht ernst meinte, allerdings war sie sich gleichwohl bewusst, dass die Rothaarige das kaum verstehen würde. Schließlich war sie abgerückt und kauerte - im Ernstfall hätte diese Position sie ohnehin nicht gerettet. Es erinnerte sie etwas an einen Strauch der den Kopf so weit gen Boden senkte, so dass er die Bedrohung nicht mehr sah - aus den Augen aus dem Sinn. Die Realität sah in der Regel jedoch anders aus. Immerhin fand ihr Gegenüber ihre Stimme wieder und schwieg sie nicht durchgehend an, andernfalls wäre die Dämonin zu drastischeren Maßnahmen übergegangen, alles um einfach nur einen Laut aus ihrer Mitschülerin zu entlocken. Verübeln konnte sie Tigre, wie sie sich vorstellte, die Reaktion nach ihrer Erklärung nicht mehr.
Zwei Wochen auf Isola waren schließlich nichts. Ungeachtet dessen das sie nicht wusste woher sie kam und durchmachte, schien das alles Einfluss auf ihr Verhalten zu nehmen, aber danach würde sie nicht fragen. Zumindest nicht auf ihre plumpe Art und Weise - außerdem interessierte es sie nicht, noch nicht. Das schüchterne Lächeln der Rothaarigen ließ Serah nur breiter grinsen. „Was würdest du tun, wenn ich dich doch fressen würde?“, quittierte sie ihre Frage mit einer Gegenfrage, neugierig das Gesicht des Mädchens musternd. Sie schien definitiv keine dominante oder starke Persönlichkeit zu sein - das machte die Dämonin schlichtweg daran fest, dass sie sich bei ihr entschuldige. Sie wollte sie nicht verärgern, dabei war Serah die Ruhe selbst. Vielleicht war sie auch nur schlecht darin andere zu lesen, was immer es auch war - sie musste wohl noch einiges lernen. „Ich bin nicht verärgert.“, erklärte sie und sah ihre Mitschülerin nachdenklich an. „Wieso bist du so ängstlich? Kennst du so viele Unwesen nicht?“ Charmant wie eh und je legte die Kusanagi den Finger in die Wunde. Möglicher Weise würde das weitere Emotionen aus dem Mädchen locken, mehr Facetten zeigen als die Furcht und Unsicherheit, die sie ihr gegenüber empfand.
Zugegeben: Serah hätte nicht damit gerechnet, dass ein so unscheinbares und zurückhaltendes Wesen sie hätte überraschen können, doch mit dem Kompliment, das sie bekam, wurde sie des Besseren belehrt. Selten sagte ihr jemand, dass die Hörner ihr gut standen - schließlich waren sie ein Teil ihres Körpers - viel mehr waren es neugierige Fragen, wie sie sich anfühlten, ob sie nachwachsen würden und all der irrsinnige Wahnsinn. Aus diesem Grund musste sie erneut grinsen. Sie wusste um ihr Aussehen, es jedoch von anderen bestätigt zu bekommen, würde sich dennoch jedes Mal aufs Neue gut anfühlen. „Danke!“, meinte sie zufrieden und trat an ihre Klassenkameradin heran. Dieses Kauern und Angst haben musste endlich ein Ende finden. „Hör auf dich ständig zu entschuldigen.“, tadelte sie Tigre bevor sie sich zu ihr hinab beugte und beide ihrer Hände auf ihre Schultern legte. „Es gibt keinen Grund so ängstlich zu sein. Nicht so lange ich hier bin, klar?“, versicherte sie ihr, bevor sie in einem Zug das Mädchen auf die Füße zog, damit sie endlich vor ihr stand, statt sich klein zu machen. „Entspann dich. Wir sind immerhin Klassenkameraden, okay? Lass uns ein wenig gehen, vielleicht Richtung Wohnheim. In der Zwischenzeit kannst du ein wenig über dich erzählen. Im Unterricht bekomm ich ja kaum etwas mit.“ Es war keine Bitte, die sie an Tigre richtete, im Gegenteil: Es war eine Forderung und um sicherzustellen, dass dieser Folge geleistet wurde, griff Serah nach der Hand des Mädchens, verschränkte ihre Finger mit ihren und zog sie mit sanfter Gewalt mit sich.
Unausgespieltes Wir machen den Rest wie besprochen als Nebenplay, ich zieh dann nach diesem Post soweit weiter.
In was war sie hier denn nun geraten? Tigre wusste es nicht, dachte sie doch immer noch über die erste Frage der Dämonin nach, als diese sie bereits hoch zog und an die Hand nahm, nur um dann in die Richtung des Wohnheims zu laufen. Sie hatte mittlerweile realisiert, dass dieses Wesen für sie erst einmal keine Gefahr darstellte, sondern tatsächlich eine Klassenkameradin darstellte. Natürlich machte das nicht alles wett, aber so langsam konnte sie wenigsten wieder einigermaßen klar denken. Die andere schien sich wirklich über das Kompliment zu freuen und war dazu noch anscheinend eine sehr zielstrebige Persönlichkeit und zu böse schien sie auch nicht zu sein. Dennoch war an ihr etwas raubtierhaftes und die Vampirin konnte ein Gefühl des Unwohlseins nicht loswerden, wusste jedoch nicht woran es lag. Sicherlich war Serah nicht an ihrer Freundschaft interessiert. Vielleicht war sie einfach nur gelangweilt oder aber sie hatte Mitleid mit ihr. Noch über die erste Frage nachdenkend, beantwortete sie schon die zweite, wobei sie ihre Stimme zumindest teilweise wiedergefunden hatte. Zumindest stotterte sie nicht mehr, war jedoch immer noch sehr leise zu vernehmen. "Sorry, ich war grad etwas neben mir. Um deine Frage zu beantworten kannte ich bevor ich hierher kam exakt ein einziges Unwesen. Die alte Hexe die ich kenne, hat mir gesagt das ich hier alle möglichen andersartigen Wesen finde, aber das ganze zu erleben ist....", sie atmete tief aus, überwältigend. In der Lage wenigsten einige Sätze herauszubringen, ohne zu zittern oder vor Angst zu versinken, war schon einmal ein Fortschritt. Mittlerweile bemerkte Tigre auch, dass sie Serah um einige Zentimeter überragte und spürte ihre Hand doch deutlich in ihrer verschlungen. Sie hatte nicht viele Freunde gehabt und eigentlich immer nur ihre Schwester an der Hand gehalten und daher gab ihr dieses mitziehen überraschenderweise doch einiges an Sicherheit. Die Worte von Serah schienen durch nur ein ganz klein wenig wahrer zu werden und verleihten ihr immerhin die Möglichkeit ein halbwegs vernünftiges Gespräch zu führen. Ähm, also ich komme aus einem kleinen Dorf in Lettland und viel mehr gibt es da eigentlich nicht zu wissen. Unwesen so wie du sind mir noch neu, aber ich habe keinen anderen Ort wo ich hingehen könnte. Oh und ich bin wohl ein Wesen der Nacht.", erklärte sie nun und mit diesen Worten verflog dieses Quäntchen Sicherheit was sie soeben noch gespürt hatte auch schon wieder. Das war wohl nun die traurige Realität. Sie war für die nächste Zeit auf Isola gefangen und musste lernen hier zu überleben. Und einen besonders guten Eindruck hatte sie dabei auch nicht gemacht. "Du hast mich gefragt was ich machen würde, wenn du mich wirklich fressen würdest? Nun ich weiß bereits wie sich das anfühlt und ob das wirklich schlechter wäre als hier zu sein? Ich bin mir nicht sicher. , erklärte sie ohne einen Hauch von Sarkasmus oder Scherz in der Stimme. Sollte ihr Gegenüber sich daraus doch zusammenreimen was sie wollte. Tatsächlich überkamen Tigre momentan so viele Emotionen gleichzeitig, das sie wirklich dankbar für die Anwesenheit einer anderen Person war. Sie drückte Serahs Hand ein wenig fester, "Weißt du, wir sollten wirklich zurück zum Wohnheim gehen. Frag mich was du wissen willst."
Oliver öffnete im Bett seine Augen. Es war Sonntag. Schon der Gedanke daran, dass morgen wieder Montag sein würde, nervte ihn wie gewohnt schon. Warum konnte man nicht nur ein oder zwei Tage in der Woche Schule haben? Würde vollkommen reichen! Aber nein, die Gesellschaft will das alles so und niemand durfte neue Ideen einwenden. Einfach nur schei… Da knurrte der Bauch des Amerikaners ganz plötzlich. Na toll.. Augenrollend stieß der Schwarzhaarige die Bettdecke auf die Seite und stand auf. Jetzt konnte er sich nicht mehr weiter über den Tag aufregen, denn das Essen fassen war jetzt doch wichtiger geworden. So kam es, dass er sich eine knielange schwarze Bermuda Short und ein rotes T-Shirt anzog. Im Anschluss zog er sich noch schwarze Sneaker an und machte sich auf den Weg zum Speisesaal. Dort angekommen, hörte er einige Stimmen. Na toll, jetzt konnte er nicht einmal in Ruhe frühstücken. Nein, das würde er jetzt nicht mitmachen! Oliver wollte einfach nur in die Natur und seine Ruhe haben, so wie immer. Deswegen nahm er sich beim Frühstück ein Schinkenbrötchen und einen Apfel und ging damit nach draußen. Jetzt brauchte der Amerikaner nur noch einen schön ruhigen Platz, an dem er sich niederlassen konnte. Da fiel ihm auch gleich ein Ort ein, der nicht unbedingt gut von den anderen Schülern besucht wurde und zwar die große Wiese. Warum dies so war, wusste Oliver nicht, aber es störte ihn nicht. Vielleicht wussten viele Schüler auch nichts von diesem Ort. Egal, die Hauptsache war, dass Oliver frühstücken konnte, ohne dass er die Problemen der anderen Schülern unfreiwillig mit anhören musste. Da es für den Vormittag doch schon recht warm war, setzte sich der Dämon unter einen Baum, der ihm gerade genug Schatten für den Kopf und Oberkörper bot. Nun konnte er sich endlich seinem Frühstück widmen. Er legte den Apfel neben sich in den Schatten und biss genüsslich in das Schinken Sandwich hinein. Ach ja, so konnte man es sich gut gehen lassen. Er kaute das Stück gut und beobachtete dabei den Himmel, der vereinzelnd Wolken aufzeigte. Nachdem er das Stück hinuntergeschluckt hatte, beobachtete er die Umgebung weiterhin.
Ganyu war heute mal früher aufgestanden als sonst. Gerade sie, die sonst eigentlich nicht aus den Hufen kam, wurde endlich mal zu den Zeiten wach, zu denen sie sonst aufstehen musste. Zu ihrem Pech war heute jedoch Sonntag und deshalb war das überhaupt nicht nötig gewesen. Doch die Quilin nahm es gelassen. Wach war sie jetzt auf jeden Fall. Lydia, ihre Mitbewohnerin in Zimmer 105, war nicht zu sehen. Diese war wohl die einzige Person die Ganyu beim Namen kannte, aber wohl auch nur, weil man in den gleichen vier Wänden wohnte. Da Ganyu entweder schlief oder im Unterricht war, hatten sie sich bisher noch nicht so oft gesehen. Sie schien aber Nett zu sein. Die Quilin dachte nicht weiter darüber nach und machte sich zum rausgehen fertig. Sie zog sich einen leichten Pullover [Klick] über, dazu eine Jogginghose und Turnschuhe. Sie nahm sich dann noch ihre Tasche mit, verstaute ein paar Bücher, ihr Brillenetui und einen Apfel darin und marschierte dann langsam aus dem Zimmer.
Das war schon einige Zeit her. Ganyu hatte sich einen ruhigen Ort gesucht an dem sie unter sich war. Da kannte sie bereits einige und die Große Wiese war einer der Besten, ihrer Meinung nach. Ruhig und naturbelassen. Doch Ganyu wäre nicht Ganyu, wenn sie sich nicht die merkwürdigsten Orte suchen würde. Anstatt also unter einem der wenigen Bäume Platz zu nehmen, kletterte sie kurzerhand an einem von diesen Hoch und machte es sich in dem Geäst bequem. Was man von der zierlichen und schon fast nerdischen Ganyu sicherlich nicht erwartet hätte. Die Blätter boten Schutz vor der Sonne und versteckten die Quilin vor neugierigen Augen. Man konnte sie kaum dort oben liegen sehen. Nachdem die gemütliche Position gesichert war kramte sie ihre Brille aus der Tasche und zog sogleich eines der Bücher hervor. An dem Einband konnte man sofort erkennen, dass es sich hier um einen Manga handelte.
Sehr weit kam sie aber in der Geschichte des Mangas nicht. Ehe sie sich versah, waren ihr mal wieder die Augen zugefallen und sie schlief gemütlich vor sich hin. Dass das Geäst von einem Baum nicht der sicherste Ort war um ein Nickerchen zu machen, durfte jedem Klar sein. Der Manga erfuhr das aber sogleich am eigenen Leib. Eine falsche Bewegung im Schlaf von der Quilin und das Buch fiel ungehindert aus der Baumkrone. Zufälligerweise hatte sich nur einige Augenblicke vorher eine weitere Person seinen Platz unter dem Baum gesucht - Oliver. Das Buch steuerte genau auf ihn zu und landete etwas unsanft in seinem Schoß.
Ach ja, der Tag hier in der großen Wiese war einfach nur perfekt. Die Vögel zwitscherten, die vereinzelten Wolken flogen einfach nur so dahin und alles war ruhig. Mehr konnte sich Oliver schon fast gar nicht mehr im Leben wünschen. Mit dem Essen rundete er sein ruhiges Erlebnis gerade perfekt noch ab. Vielleicht würde der Dämon im Anschluss noch ein Nickerchen machen. Es würde sich auf jeden Fall sehr anbieten. Jedoch war sein erstes Ziel satt zu werden. Hoffentlich reichte ihm so ein Schinken Sandwich und ein Apfel aus. Wäre ja echt scheiße, wenn er danach immer noch Hunger hätte. Was er wohl in so einer Situation tun würde? Wahrscheinlich abwägen was ihm wichtiger wäre: die Natur oder das Verhungern. Aber so weit war es noch nicht und somit musste sich der Schwarzhaarige auch noch nicht mit diesem Thema befassen. Oli gönnte sich ein Stücken des Sandwichs nach dem anderen. Es schmeckte ihm gerade so gut, dass man schon meinen könnte, er würde das Brötchen verschlingen. Binnen Sekunden war das Sandwich weg. Vielleicht hatte er gerade einen neuen Weltrekord im Brötchen essen aufgestellt. Aber es war dem Amerikaner egal, denn er hatte ja auch einen zu großen Hunger. Jetzt schien er aber doch recht voll zu sein. Der Dämon blickte zu dem Apfel, der neben ihm in der Wiese lag. Sollte er diesen jetzt noch futtern? Hm… Sein Magen fühlte sich an, als ob er Steine gegessen hätte. Somit stand die Entscheidung nun doch fest, er würde erst später den Apfel essen. Oliver lehnte sich noch weiter gegen den Baum und schloss langsam die Augen. Jetzt wäre ein Nickerchen wirklich super. Langsam aber sicher döste er weg. Ganz plötzlich fiel etwas mit voller Wucht auf seinen Schoß. „Fuck!“, rief er nur und wurde aus seinem Halbschlaf gerissen. Der Amerikaner sah auf seinen Schoß und entdeckte dort ein Buch. „Hä?“, entkam es ihm leise und nahm das Buch in die Hand. Detektiv Conan? Ein Manga? Woher kam denn dies? Oliver war doch hier alleine. Verwirrt blickte er in den Baum über sich. Überrascht blickte er in das Gesicht von Ganyu. „Ganyu? Was tust du denn da oben?“, stellte er ihr die Frage und blickte weiter fragend in ihr Gesicht. Warum zur Hölle, war sie im Baum? Sie könnte doch auch hier in der Wiese ihren Manga weiterlesen. Aber zuerst wollte er einmal abwarten, was sie zusagen hatte.
Die Quilin schlief gemütlich vor sich hin. Ohne irgendeine Sorge. Das gleiche wie dem Buch hätte auch ihr passieren können. Doch irgendwie schaffte sie es doch in dem Geäst liegen zu bleiben. Schlafen konnte sie überall! Was sie aber gerade nicht schaffte war, seelenruhig weiter zu schlafen. Denn als Oliver laut "Fuck!" rief, wurde sie aus dem Schlaf gerissen. Verschlafen gähnte sie vor sich her, ehe sie ihren Namen hörte. Zumindest meinte sie, jemanden zu hören, der ihren Namen laut aussprach. Noch immer etwas abwesend öffnete sie langsam die Augen. Es dauerte einen Moment bis sich ihr ein klares Bild bot. Sie starrte direkt in das Gesicht eines jungen Mannes, der da unter ihr unter dem Baum saß. Dass sie beim Schlafen erwischt und beobachtet wurde, triggerte natürlich sofort ihr Lampenfieber. Die Quilin wurde kreidebleich und schreckte auf. Dabei verlor sie, wie es der Zufall nun wollte, das erste Mal den Halt und rutschte von ihrem Platz ab. Schmerzhaft kullerte die junge Dame wie ein Pachinko-Ball durch die Äste des Baumes ehe sie aus der Baumkrone fiel und direkt neben Oliver auf dem Boden aufprallte. "Autsch..." stöhnte die Blauhaarige als sie auf dem Rücken liegend alle Viere von sich streckte und in die Baumkrone blickte, wo sie vor einem kurzen Augenblick noch gelegen hatte. Sonderlich viel schien ihr nicht zu fehlen. Wahrscheinlich hatte sie Glück gehabt. Dennoch... "Das gibt blaue Flecken..." murmelte sie leise vor sich her, während sie sich langsam wieder aufraffte und eine sitzende Haltung einnahm. Die Brille war ihr von der Nase geflogen, doch Gott sei Dank war sie noch Heile. Langsam griff sie danach und setzte sie sich wieder auf die Nase. Dann erst sah sie den Typen an der da wohl nun neben ihr saß. Oder saß sie nun neben ihm? Auslegungssache. Sie sah ihn eine Weile an, ohne etwas zu sagen. Es war schon fast merkwürdig. "Hallo. Öh. Äh...." entwich es ihr irgendwann und sie schien zu überlegen wie er hieß. Gesehen hatte sie ihn schon einmal sicherlich. Doch wie bei fast allen anderen Schülern hatte sie sich bisher noch nicht die Mühe gemacht Soziale Kontakte aufzubauen, weshalb sie es auch noch nicht für nötig gehalten hatte, die Namen ihrer Mitschüler zu lernen. "...Du." beendete sie ihren Satz schließlich nach langer Überlegung ohne Erfolg. Koversation konnte sie... nicht. "Das ist sehr gefährlich was du da machst. Du kannst doch nicht einfach Leute wecken die in Bäumen schlafen." tadelte sie ihn ruhig, ehe sie an den Satz noch "Nicht dass ich geschlafen hätte, oder so..." anfügte. Für Ganyu war das ein ziemlich peinlicher Moment. Sie mochte es gar nicht beim Schlafen erwischt zu werden. Weswegen sie dies die meiste Zeit versuchte abzustreiten. Sie war aber eine wirklich schlechte Lügnerin. Und es wusste doch sowieso schon fast jeder dass Ganyu fast schon sowas wie ein Siebenschläfer war. Sie rieb sich bei dem ganzen etwas die linke Schulter. Auch wenn sie sich nicht ernsthaft verletzt hatte, so war sie doch etwas Blöd gelandet. Vermutlich eine Prellung.
Verwirrt über den neuen Bewohner in der Baumkrone, sah der Dämon nach oben. Wieso war denn die Blauhaarige dort oben? Oliver verstand dies nicht. War sie vielleicht so etwas wie ein Kletteraffe? Ob es so eine ähnliche Rasse gab? Sicher war sich der Amerikaner nicht, aber das musste er auch nicht. Sie würde sicher gleich antworten. Doch statt die Mitschülerin ihm Rede und Antwort stand, flog sie einfach aus der Baumkrone heraus. „Woahhh“, rief Oliver während Ganyu den Weg nach unten neben ihn fand. Als sie auf dem Boden ankam, kniff der Dämon kurzzeitig seine Augen zusammen. Autsch! Das muss weh getan haben. „Oje, alles ok bei dir?“, fragte er die Blauhaarige besorgt. Immerhin wusste er ja nicht, ob sie sich was gebrochen hatte und er sie zum Krankenzimmer tragen musste. Es schien aber so, als ob es ihr ziemlich gut ging. Immerhin jammerte sie nicht wegen den Schmerzen, sondern wegen der blauen Flecken, die sie durch den Sturz bekommen würde. Dabei hatte die Blauhaarige sehr viel Glück, denn sie fiel nicht auf den Apfel, sondern auf die andere Seite. Das wäre wahrscheinlich noch Schmerz-intensiver geworden und hätte den Apfel zerquetscht. Tränen hätte sich Oliver dann wahrscheinlich nicht mehr verkneifen können, aber zum Glück kam es nicht so weit. Es wurde leise zwischen den beiden. Ob sie ein Problem mit dem Dämon hatte? Möglich, aber was er ihr getan hatte, wusste er nicht. Da wäre es wahrscheinlich besser, wenn sie mit ihm darüber reden würde. Doch gleich daraufhin verwarf er seine Theorie wieder, denn Ganyu erhob das Wort. Sie belehrte ihn, dass man keine Personen wecken sollte, die in der Baumkrone schlafen. Wie konnte man überhaupt in einem Baum einschlafen? Wie zur Hölle konnte man überhaupt in einem Baum schlafen? Sollte das der Amerikaner überhaupt hinterfragen? Wahrscheinlich war es besser, wenn nicht. Aber ein Grinsen konnte sich Oliver nicht verkneifen, als sie meinte, dass sie gar nicht geschlafen hätte. „Natürlich hast du nicht im Baum geschlafen. Wer würde das denn bitte machen?“, fragte er breit grinsend und sah das Mädchen dabei an. Im Anschluss nahm er den Apfel in seine Hand und hielt ihn ihr hin. „Möchtest du ein Frühstück?“, fragte Oliver sie und wartete ab.
Der Fremde erkundigte sich danach ob Ganyu in Ordnung war, was die Quilin mit einem einfachen "Ja." beantwortete. Er machte nicht den Eindruck als wäre er allgemein am Wohl seiner Mitschüler interessiert. Um ehrlich zu sein sah er eher nach einem der sehr beliebten, angesagten Schülern aus, der sich nur für sich selbst interessierte. Ein Schönling eben. Doch der Schein konnte täuschen und obwohl er sicherlich ein echter Hingucker war, schien er auch ein wenig Mitgefühl für andere zu haben. "Ja. Ich denke schon." wiederholte Ganyu ihre Aussage und fügte dieses Mal etwas mehr an, damit die Antwort nicht zu abgehakt klingen würde. Schmerzen hatte sie natürlich, aber sie waren jetzt nicht so schlimm, dass sie sich darüber beklagen müsste. War wohl höchsten eine Prellung, wenn nicht sogar weniger. Dass es danach ruhig zwischen beiden wurde, lag dann einfach daran, dass Ganyu einfach nicht mit fremden Menschen, oder eher Wesen, umgehen konnte. Für sie war so eine Stille eigentlich recht normal. Also war sie das ganze irgendwie ein wenig gewohnt. Eigentlich war das auch schon die Stelle an der andere Personen das Weite gesucht hätten und Ganyu sich selbst überließen, doch der Schwarzhaarige wich nicht von seinem Platz. Was die Situation nicht besser machte, weil Ganyu so erst recht nicht wusste, was sie sagen sollte. Lediglich er brach die Stille erneut indem er vorgab Ganyu zu glauben und sogar fragte, wer denn in einem Baum schlafen würde. "Ja genau. Wer würde denn schon in einem Baum schlafen? Komischer Ort für sowas!" sprang Ganyu auf den Zug mit auf, wohl übersehend, dass es sich hier um sogenannten Sarkasmus handeln könnte. Was aber auch wieder an ihren Nicht-Vorhandenen Menschenskills lag. Sarkasmus war für sie nicht existent. Gut, so blieb es ihr wohl wenigstens erspart, dass sie sich für ihr Nickerchen schämen musste, denn im Moment dachte sie wohl, nicht dabei erwischt worden zu sein. "Frühstück?" fragte Ganyu nach Olivers frage, ob sie Frühstück mochte und sah den Apfel in seiner Hand an. Sie konnte nicht wissen, dass dieser Apfel dem Fremden gehörte. Er sah verdächtig nach dem Apfel aus, den sie sich heute eingepackt hatte. Hätte Ganyu in diesem Moment ihr fotografisches Gedächtnis befragt, hätte sie vielleicht etwaige Unterschiede erkennen können, doch wer würde dies bei einem Apfel tun? "Was machst du denn mit meinem Apfel?" beschuldigte sie ihn fälschlicherweise und riss ihm mit einer schnellen Bewegung den Apfel aus den Händen. "Du kannst doch nicht einfach die Sachen anderer Leute nehmen. Das ist Diebstahl!" Sie warf ihm einen strengen Blick zu. "Dieb!" Dass ihr Apfel noch in der Tasche oben im Baum lag, dass wusste sie natürlich nicht. Sie schien in diesem Moment ja nicht einmal die Tasche zu vermissen. Hätte sie aber vielleicht zuerst checken sollen, war im Eifer des Gefechts aber wohl einfach nicht in ihren Sinn gekommen. Armer Oliver. Wenigstens konnte Ganyu nicht mehr tun als ihn streng anzusehen. In all den langen Jahren ihres Lebens war dies ein Erstes Mal für sie und sie hatte keine Ahnung wie sie sich weiter verhalten sollte. Also tat sie einfach gar nichts. Außer eben streng zu gucken.
Dass es der Blauhaarigen soweit gut ging, sah man. Es war aber gut, dass sie dies nochmals bestätigte. Somit musste der Dämon nicht schon an einen Arzt denken und konnte sich weiterhin einen schönen Vormittag hier auf der großen Wiese machen. Jedenfalls dachte er das zunächst, denn dass ihn Ganyu später als Dieb bezeichnen würde, daran hätte er zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. Es war gut, dass es der jungen Frau nicht so schlecht ging, dass ein sofortiger Arztbesuch notwendig gewesen wäre. Aber wer wusste schon, was noch kommen würde. Oliver wusste es auf jeden Fall nicht. Den Sarkasmus hinter den Worten des Dämons schien Ganyu nicht zu verstehen. Vielleicht wollte sie es aber auch nicht verstehen. Egal, ein Grinsen konnte sich der Amerikaner nicht verkneifen. Es war einfach viel zu lustig, sich vorzustellen, wie jemand in einem Baum schlief und dann einfach hinunterfällt. Wahrscheinlich ragten die Äste in jede Richtung, wodurch ein bequemes Schlafen nicht einfach sein würde. Aber so ein Experte, was das Schlafen in Bäumen anging, war Oliver nicht, weshalb er nur mutmaßen konnte, was die Gründe für ein herunterfallen vom Baum sein könnten. Natürlich war ihm bewusst, dass er laut war und sie erschreckte, aber das alleine konnte in seinen Augen nicht der Grund sein, warum sie vom Baum gefallen war. Vielleicht lag sie ja wirklich auf den falschen Ästen, was das hinunterfallen begünstigte. Nachdem Oliver ihr den Apfel hin hielt, wollte er nochmals die Stelle im Baum betrachten, an der Ganyu geschlafen hatte, um seine vorherige Theorie nochmals zu überprüfen. Doch gerade als er nach oben blicken wollte, wurde er beschuldigt. Naja, wenigstens nicht des Mordes, aber des Diebstahls. Verwirrt blickte er in das Gesicht der jungen Frau und runzelte dabei die Stirn. Was zur Hölle stimmte mit ihr denn nicht? War sie noch in ihrer Traumwelt? Sie riss dem Dämon einfach den Apfel aus der Hand und beschuldigte ihn weiter. Olivers Gesichtsausdruck veränderte sich nach ihrer Ansprache. Seine Augen wurden schmaler und man konnte ihm ansehen, dass er leicht wütend war. „Häää? Sag mal, hast du sie noch alle?!“, entkam es ihm zuerst wütend. Er hatte gerade viele Worte, die ihm auf der Zunge brannten, aber er wusste genau, was er jetzt sagen wollte. „Ich habe hier gar nichts gestohlen. Ich hab diesen Apfel vom Frühstücksbuffet mitgenommen und das darf ich ja wohl. Wenn du deinen Apfel verloren hast, dann such ihn gefälligst, aber beschuldige hier nicht einfach so Personen. Fang doch mal da oben an zu suchen“, fügte er mit an und zeigte dabei in die Baumkrone. Ganyu nervte ihn jetzt schon mit diesen Anschuldigungen. Ob dieser Tag noch gut werden würde? Wer wusste das schon..
Als sich Olivers Gesichtsausdruck verändert und er sie wütend anmeckerte, was das denn sollte, zuckte Ganyu etwas zusammen und wich etwas von ihm zurück. Wer hätte vermuten können, dass er sich darüber aufregte einer Straftat beschuldigt zu werden? Aber war seine Reaktion nicht genau das, wie sich ein ertappter Dieb verhalten würde? Doch es musste so sein. Ganyu hatte das in ihrem Manga gelesen. Es musste so sein! Dass er sich natürlich rausreden wollte, war so selbstverständlich wie der Aufgang der Sonne am morgen. Oliver versuchte seine Unschuld zu beteuern und erklärte Ganyu, dass er den Apfel vom Frühstücksbuffet hatte und es folglich sein eigner Apfel war. Wahrlich eine schlechte Ausrede fand Ganyu. Jedoch riet der Schwarzhaarige ihr auch, dass sie doch mal oben im Baum anfangen sollte zu suchen, wenn sie ihren Apfel verloren hatte. "Hmpf..." schnaubte Ganyu lediglich. War doch Sonnenklar, dass er das Weite suchen würde, wenn sie den Blick in die Baumkrone lenken würde. In die Baumkrone wo ihre Tasche noch lag. Wo was? Ganyu hatte tatsächlich ihre Aufmerksamkeit auf den Baum über sich gerichtet und erblickte ihre Tasche, die noch immer oben in den Ästen des Baumes lag. Ganyu wurde kreidebleich im Gesicht. Wenn ihre Tasche noch da oben lag, dann war das tatsächlich nicht ihr Apfel. "Der ist mir bestimmt aus der Tasche gefallen!" redete sie sich lauthals ein und machte sich sofort daran den Baum wieder hinauf zu klettern um die Tasche zu holen und es zu Beweisen. Oben in den Ästen angekommen griff sie sofort nach der Tasche und sah direkt hinein. Nur um noch mehr Farbe im Gesicht zu verlieren. Nicht einmal Schnee war sie weiß wie Ganyu gerade. Sie war so Blass wie ein Geist. Langsam kletterte die Quilin von dem Baum wieder herunter, wobei sie den Blick zu Oliver mied. Sie warf sich vor ihm auf den Boden und legte den Kopf ins Gras. "Es tut mir wirklich Leid!" fing sie an und ihr Gesicht wechselte die Farben von Weiß zu Rosa als sie wieder aufblickte. Sie legte seinen Apfel vor ihn nieder. Die Scham stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. "Entschuldigung, dass ich dich einfach so beschuldigt habe. Ich schwöre ich mach das normal nicht!" versuchte sie sich bei ihm zu entschuldigen. Hastig kramte sie ihren Apfel aus der Tasche und legte ihm diesen auch noch hin. "Ich schenk dir meinen Apfel als Wiedergutmachung." Dass ein Apfel wohl kaum eine ausreichende Darbietung brachte für so eine Beschuldigung, wusste aber wohl Ganyu selbst auch. "Mehr hab ich leider nicht. Tut mir leid." Sie hatte zwar noch diverse Manga dabei, doch waren diese alle nur geliehen und sie musste diese natürlich irgendwann auch in die Bibliothek zurück bringen. Und was Geld betraf war Ganyu meistens knapp bei Kasse. Wirklich viel Einkommen hatten Quilin nicht.