Diese äußerst überschaubare Räumlichkeit bietet den Bewohnern des Wohnheims die Möglichkeit, sich entweder zurückzuziehen oder unter Leute zu begeben - je nachdem, wie gut besucht das Wohnzimmer in gewissen Momenten ist, möchte man doch meinen, dass sich nur wenige Schüler hierher verirren, wenn sich die warme Sonne draußen von ihrer schönsten Seite zeigt. Ein kleiner Fernseher hat auf einer mahagonifurnierten Wohnwand seinen Platz gefunden. Von einem Ecksofa aus kann man das Geschehen im Flimmerkasten beobachten oder einfach nur auf diesem verweilen. Hier und da liegen ein paar Fernseh- und Videospielzeitschriften auf dem Couchtisch, was vermuten lässt, dass sich im Schrank wohl auch die ein oder andere Konsole versteckt halten dürfte. Durchaus kann es auch vorkommen, dass der Glastisch hinter dem Sofa von Schülern benutzt wird, die sich in diesem Raum mehr Ruhe als in ihren eigenen, manchmal doch recht belebten Zimmern erhoffen.
Ivy war absolut genervt von allen und wollte einfach nur noch alleine sein. Sie schmiss sich auf die kleine Couch und machte es sich gemütlich, dann nahm sie die Fernbedienung und schaltete einfach ein wenig herum. Langweilige Dokumentationen gefolgt von irgendwelchen Gameshows und dann sogar Shoppingsendungen. Schnell hatte sie alle Sender durch und machte den Fernseher wieder aus. Genervt seufzte sie. Nur scheiße lief dort. Sie legte ihre Füße hoch. Ihr war egal, ob sie mit ihren Schuhen die Couch dreckig machen würde, immerhin wollte sie es gemütlich haben und es war ja nicht ihre Couch.
Gelangweilt schloss sie nach einiger Zeit die Augen und döste ein wenig vor sich hin. Sie träumte seit ihrer "Verwandlung" immer von Jaden und wie sie glücklich zusammen waren. Seitdem sie diesen Traum hatte, war ihr alles andere egal geworden, sie wollte einfach immer nur alleine sein und von Jaden träumen. Das war deutlich einfacher, als damit klarzukommen, dass er weg war.
Der Weg ins Wohnzimmer verlief ohne großartige Unterbrechungen. Einzig lustige Begegnung war mit diesem blonden Mauerblümchen aus Zimmer … eh .. ja, die Nummer war sowieso nicht wichtig. Das blonde Mädel, welches gefühlt in der industriellen Revolution steckengeblieben war und sich seitdem geweigert hatte, weiter mit der Zeit zu gehen. Mal ganz abgesehen davon, dass das Püppchen eine Mimik wie aus Porzellan gegossen hatte. Schon ein bisschen creepy, aber wer war das auf der Insel nicht? Es war an sich auch nicht so schlimm, weil Cynthia sich nicht mit ihr abgeben musste. Die Puppe grüßte sie höflich, ein Nicken von Seiten der Löwin folgte … und das war’s! Nicht mehr, nicht weniger. Die Welt konnte so schön sein! Und weil sie das eben war, wurde zur Feier des Tages auch gleich ein Lutscher in den Mund gelegt, dessen Stiel wie ein Zigarettenstummel aus ihrem Mund hinaushing. So hatte man was zu tun und konnte sich nebenbei noch vom süßen Erdbeergeschmack der Süßigkeit einlullen lassen. Zucker war – zumindest in dieser Form – halt einfach geil, da führte kein Weg dran vorbei.
Das Treppenhaus hinter sich lassend und im Parterre angekommen, folgte eine leichte Drehung nach Rechts und ein paar flinke Schritte vernichteten den letzten Rest an Distanz zwischen ihr und dem magischen Ort der Medienvielfalt. Innerlich hoffte sie nur, dass dort jetzt keine andere Pfeife ihr Dasein fristete. Wobei … ein paar der Leute bei einer ordentlichen Zockerpartie den Arsch zu versohlen wäre bestimmt auch nicht schlecht. Verdammt, wie konnte sie das nur vergessen?! Natürlich gab es hier ja auch die berühmte Konsole. Gut, das änderte natürlich alles. Beinahe schon mit überschwänglicher Vorfreude geladen, stieß Cynthia die Tür zum Wohnzimmer auf und ließ ihre gelben Augen durch den Raum schweifen. Leer! „Nice.“, komplimentierte sie ihr eigenes Timing und bewegte sich direkt zur mahagonifurnierten Wohnwand. Ein schneller Druck auf den Knopf des TV-Geräts, sowie ein paar Klicks auf der Schaltung später, befand sich alles in einem einsatzbereiten Zustand. Die Konsole lief, eines dieser typischen Fighting-Games war eingelegt und die Löwin machte es sich auf der Couch bequem. Lässig setzte sie sich auf’s Sofa in gerader Blickrichtung zum Fernseher und fing sofort damit an irgendeinen Kämpfer im Menu auszuwählen. Sie hatte zwar keine Ahnung wie das Spiel genau funktionierte, aber die alte Kunst des "Button-Smashing" war auch ihr nicht fremd. Irgendwann hatte man den Dreh raus … und dann löschte man es wieder aus seinem Gedächtnis. Sie war bei weitem nicht so affin dafür, dass sie hier jeden Tag rumgammelte. Da fielen der Löwin nur ein paar Kandidaten ein … einer ging ihr dabei mehr auf den Zeiger als der andere. Ein bisschen enttäuscht war sie – jetzt, wo sie die Konsole so am Laufen hatte – trotzdem. Sie hätte wirklich eine ihrer Wodkaflaschen mitnehmen sollen, wäre nur das Risiko nicht so hoch, dass man das Zeug dann konfiszieren würde. Sie seufzte innerlich. Wenigstens konnte sie ihren innerlichen Frust an der KI abbauen, welche gerade schon nach allen Regeln der Physik vermöbelt wurde. Gott, wieso musste sie damals Klavier üben? Wäre doch viel praktischer Leute mit so einem Roundhouse-Kick durch die Bretter zu schicken. „Heh! Versager!“, triumphierte sie nachdem die Nachdem die Nachricht des ersten Sieges auf dem Bildschirm erschien. Untermalt wurde das von einem leichten Grinsen, damit ihr der Lutscher dabei nicht gleich aus dem Mund fiel und nach vorne Gerichteten Ohren. So ließ sich der Abend definitiv gut über die Runden bringen.
"Man widerspricht oft einer Meinung, während uns eigentlich nur der Ton, mit dem sie vorgetragen wurde, unsympathisch ist." - Friedrich Nietzsche
Puh, das Schwimmen im Meer war heute wieder der Wahnsinn gewesen! Sie hätte noch viel länger, sich mit den Fischen tummelnd, das Riff erkunden können. Leider war es schon abends und die Hausarbeiten wie gewohnt noch weit davon entfernt erledigt zu sein. Mit einem Seufzen öffnete Nojra die Tür zum Wohnheim und blieb nachdenklich im Eingangsbereich stehen. Klar, eigentlich müsste sie nun auf ihr Zimmer, pflichtbewusst ihre Schulunterlagen zur Hand nehmen und jede einzelne Aufgabe für den morgigen Unterricht erledigen. Eigentlich… Aber ihr war einfach wirklich nicht danach sich diesen langweiligen Kram, welcher sie nebenbei bemerkt ohnehin nicht interessierte, durchzulesen und die dazugehörigen noch langweiligeren Fragestellungen zu lösen. Leicht auf ihrer Unterlippe knabbernd erwägte die junge Nixe welche Beschäftigungsoptionen ihr sonst noch so zur Verfügung standen. Klavier könnte sie mal wieder spielen! Aber dafür müsste sie erst noch zu ihren Eltern und auf den gefühlt elendig langen Weg dorthin hatte sie noch weniger Lust als auf ihre Schulbücher. Das Nächstbeste wäre ihre Gitarre! Aber es war schon spät und sie hätte ihr Zimmer sicher nicht für sich allein um ein wenig herumklimpern zu können. Trotzdem hatte sie einfach Lust dazu! Und dies war schließlich ein Wohnheim mit mehr als nur einer Möglichkeit sich zurückzuziehen und ungestört zu sein. Wer brauchte schon Ruhe im eigenen Zimmer, wenn man Ruhe im kleinen Wohnzimmer haben konnte!? Beschwingt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht machte sie sich auf in Richtung Westflügel. Bevor sie jedoch ihr ganzes Zeug wegschaffte und sich ihre geliebte Klampfe schnappte, wollte sie schnell noch einen Blick in den Gemeinschaftsraum werfen um einer etwaigen ungewollten Überraschung zuvorzukommen. Sicher ist sicher.
Kurze Zeit später stand sie vor dem angepeilten Zimmer und öffnete übergangslos den geschlossene Durchgang. Wie so oft unterschätzte die sportliche Halbmagierin ihre Kraft ein wenig und fiel sprichwörtlich mit der Tür in den Raum. Ein plötzliches lautes Plautzen verriet, dass die Klinke ungeplant eine kurze aber enge Bekanntschaft mit der unbeugsamen Wand gemacht hatte. Erschrocken zuckte Nojra zusammen und drehte sich zögerlich mit zusammengepressten Lippen in Richtung des Knalls, um den entstandenen Schaden zu inspizieren. Ihre Augen huschten flink über die Unfallbeteiligten und mit einem erleichterten Ausatmen stellte sie fest, dass nur ein kaum sichtbarer leichter Striemen auf der Tapete als Zeuge herangezogen werden konnte. Zufrieden nickend richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die restliche Umgebung und schwupp war die gute Laune nicht mehr ganz so ausgelassen. “Oh...hey, Cynthia.”, mit leicht hochgezogenen Augenbrauen und einem eher verkrampft wirkenden Lächeln hob sie die rechte Hand zu einem sachten Winken.
Warum zur Hölle musste dieses Spiel eigentlich mit jedem neuen Level härter werden? Reichte es nicht die Schwierigkeit beim Anfangskampf einfach beizubehalten? Leicht genervt tippten die Finger der Löwin auf dem Controller herum, um vielleicht noch irgendeine geheime Tastenkombi zu entdecken, die ihr letzten Endes doch zum Sieg verhelfen sollte. Ohne Erfolg. Spätestens in dem Moment, als die Schrift auf dem Bildschirm ertönte, die mal zur Abwechslung keinen Triumph verkündete, stieß Cynthia einen tief genervten Seufzer aus. „Was ist das denn für ein Müll, eh.“, beschwerte sie sich über ihre eigene Unfähigkeit und drückte selbstverständlich auf den „Erneut Kämpfen“-Knopf. Als ob sie sich so leicht unterkriegen ließ. Ein echter Kämpfer stand immer wieder auf und machte weiter. Das war zwar nur ein Spiel … aber trotzdem. Ja, der Boss auf letzten Stage konnte sich durchaus warm anziehen. Eine ehrgeizige Löwin war auf dem Weg um … BUMM!
Völlig in ihrem spielerischen Ehrgeiz gefangen, waren ihr glatt die Schritte vor der Tür des Wohnzimmers entgangen. Leicht erschrocken zuckte sie kurz zusammen und drückte Glücklicherweise instinktiv auf den Pause-Knopf. Was war das verfickte Problem damit, Türen einfach mal LEISE zu öffnen, geschweige denn zu schließen? Alter Schwede, eh! Und dieses tiefe Empfinden, bestehend aus Unverständnis, gemischt mit einem leichten Hauch der Aggression, spiegelte sich wunderbar auf ihrem Gesicht wider. Mit beiden Ohren in Nojras Richtung gewandt und dem Schweif in einer halb aufrechten Stellung geparkt, beäugte sie das braunhaarige Ding einen Moment beim inspizieren der Wand, bevor ihre linke Braue kritisch in die Höhe wanderte. Ihre Vorstellung machte das ganze jetzt nicht gerade besser. Sie kannten sich beide gut genug, um zu wissen, dass hier gerade zwei Welten aufeinanderprallten. Mit einem eleganten „Yo.“ wurde die Begrüßung zurückgeworfen, bevor Cynthias Gehirn entschied, dass das noch nicht genug war. „Gibt’s bei dir keine Türen, oder was? Meine Fresse.“, sprühte die Löwin leicht genervt ihre Worte in die Richtung der langjährigen Isolanerin. Sie war aber noch lange nicht fertig. „Und steh nicht so verdammt lange am verfickten Eingang herum. Ja, die Wand hat einen Kratzer, herzlichen Glückwunsch. Also komm über deine Trauer hinweg und beweg dich!“. Das man sie dabei auch noch ein Stück in den Gang hinein hörte, war ihr vollkommen Schnuppe. Wenn ein Erzieher was dagegen hatte, sollte er mal seinen Arsch bewegen und hierherkommen. Dann konnte er ja den Vortrag über verantwortungsvollen Umgang mit Mobiliar übernehmen. „Oder hast du etwa vor deinen musikalischen Knochen da im Türrahmen zu bedienen?“. Stören würde es sie auf jeden Fall nicht, wenn hier jemand versuchte Musik zu machen. Immerhin hatte die Blondine eine musikalische Affinität und freute sich – auch, wenn sie das nicht zeigte – über allerlei Klänge. Sie konnte immerhin auch wirklich gut Klavierspielen. Was jedoch nur etwas für Momente war, wenn niemand mehr im Schulgebäude herumlungerte. Das Anderen mitteilen? Nein, danke!
"Man widerspricht oft einer Meinung, während uns eigentlich nur der Ton, mit dem sie vorgetragen wurde, unsympathisch ist." - Friedrich Nietzsche
Oh, verdammt! Perplex, dass die Löwin vor ihr das Spektakel mitbekommen, sogar genau beobachten konnte, erstarrte Nojra auf der Stelle und überlegte was sie nun tun sollte. “Ja, also….”, verlegen legte sie die rechte Hand in ihren Nacken und schaute nachdenklich auf den Boden. “Klar haben wir Türen. Ich weiß auch nicht so genau wie das passieren konnte. Habe wohl einfach ein bisschen zu viel Energie gerade.”, mit einem verlegenen Lächeln ließ sie den Blick zu ihrer Schulkameradin wandern und nach einem kurzen Moment der Stille zuckte sie schließlich entschuldigend mit den Schultern, “Tut mir jedenfalls leid. Ich achte in Zukunft besser darauf.”.
Nachdem der erste Schrecken überwunden war bemerkte die junge Nixe den Controller in den Pfoten der Katze und so drehte sie sich neugierig in Richtung Mattscheibe, um zu erkunden welchem virtuellen Vergnügen sie sich wohl so ganz alleine hingab. Hin und wieder das ein oder andere Spiel zu zocken machte schon verdammt viel Spaß, das musste man ihr lassen. Es brauchte nur einen flüchtigen Blick um die Idee hinter der 3D-Welt zu erkennen. “Wie ich sehe, gehst du auch digital deiner Lieblingsbeschäftigung nach, Leute vermöbeln.” Ja, Cynthia war fast immer mies drauf und fühlte sich ständig von absolut allem provoziert, aber Nojra konnte es sich einfach nicht nehmen lassen wenigstens ein bisschen rum zu sticheln.
Ohne eine, mit Sicherheit derbe ausfallende, Antwort abzuwarten warf die Wasserratte ihr Gepäck auf die Couch und machte sich daran den Stauraum der Fernsehwand zu durchsuchen. Immer wenn sie der Allgemeinheit zur Verfügung stehende Schränke durchwühlte, überkam sie so ein seltsames Gefühl von nostalgischer Spannung. Wie lange liegt dies und das wohl schon hier herum? Wer hat sich schon daran zu schaffen gemacht? Hat vielleicht irgendwer irgendwo kleine Botschaften hinterlassen?
Ein paar gedachte Fragen und zielstrebig geöffnete Fächer später drehte sie sich triumphierend um und präsentierte ihre Beute mit einem süffisanten Grinsen. “Der Verlierer verzichtet morgen auf seinen Nachtisch!”
Mehr als ein leichtes Nicken war nicht aus der Löwin herauszuholen, während Nojra sich dort im Eingang ihre Entschuldigung zurechtstammelte. Wobei die gelben Augen bei dem Kommentar, sie hätte noch zu viel Energie, einmal flüchtig musternd über den Körper des Mädchens wanderten. Naja, so richtig erkennen konnte man dank der Kleidung nichts. Vielleicht war sie ja so eine dieser Sportskanonen, die aufgrund der Hitze einfach am heutigen Tage keinen Finger krumm gemacht hatten. Sie selbst war – wie immer eigentlich – ihre üblichen Runden gelaufen, hatte ein paar Trockenübungen gemacht und sich anschließend ein wenig auf der Erhöhung beim Sportplatz gehen lassen. Bevor sie dann Hals über Kopf in ihr neues Zimmer „abgeschoben“ wurde. Allein die Gedanken daran ließen ihren Puls schon wieder in unendliche Höhen wandern. Aber jetzt hatte sie ja was zu tun. Sprich: Eine wundervolle Ablenkung. Dieser wollte die Löwin nun wieder nachgehen, was ihr Blick, der sich nun gänzlich von Nojra abwandte, sehr eindeutig vermittelte. Sie rechnete eigentlich nicht damit noch einmal großartig behelligt zu werden. Diese Rechnung hatte sie allerdings ohne den Stolz – oder wie auch immer man das nannte – ihrer nächtlichen Bekanntschaft gemacht. „Pass bloß auf, dass ich nicht plötzlich beide Hobbys miteinander vermische.“, kam es – nachdem sie ihren Lutscher an der linken Wangenseite geparkt hatte – unglaublich sarkastisch und konfliktbereit zwischen ihren Lippen hervor. Das Cynthia absolut keinen Bock darauf hatte jetzt, in diesem Moment, jemandem eine runterzuhauen, musste mehr als klar sein. Sie machte sich ja nicht mal die Mühe ihren Controller aus der Hand zu legen. Stattdessen musterte sie kurz die Tasche, welche Nojra relativ sporadisch zu ihr auf die Couch geworfen hatte und rümpfte kurz die Nase. Wäre das Ding auf ihr gelandet, hätte es sich die Blondine mit den handgreiflichen Methoden vielleicht nochmal anders überlegt.
Ans Weiterspielen war trotzdem immer noch nicht zu denken. Das braunhaarige Mädel störte eben, weil sie in der Tür stand. Nun störte sie, weil ihr Wühlen im Schrank laut und langwierig war. Den Lutscher als Stressbällchen und Therapiemöglichkeit ihrer Zunge missbrauchend, starrte die Löwin auf den Rücken vor sich. Geduldig wartete die Raubkatze darauf, dass sich die Braunhaarige von ihrer aktuellen Position entfernte. Was - wenn man sie kannte - eine ungeheure Meisterleistung war. Aber die Kleine stand zu ihrem Prügel-Kommentar, das hinterließ Eindruck und war vermutlich der Grund für diese Geduld. Trotzdem: Was machte die denn da so lange? Hatte sie ihre Handtasche etwa ins Wohnzimmer ausgelagert? Oder war das ihr toter Briefkasten für Liebesbriefe? Ihr Kondomversteck? Schränke waren ja besonders für letzteres prädestiniert. Ein leichtes Seufzen verließ ihre Kehle. Meine Fresse! Wie konnte man nur … ah, es tat sich was. Endlich war sie fertig ... moment. Sie wollte was machen?! „Verdammt! DU? Du willst mit MIR um den Nachtisch kämpfen?“, erwiderte sie mit einem belustigten Grinsen und ließ ein energisches Zucken durch ihre Ohren wandern; sogar ein kleines Lachen war zu hören. Dabei ignorierte Cynthia natürlich, dass sie so gut wie keine Ahnung im Zocken hatte. Aber wen kümmerte das? Wer wäre sie denn, wenn sie einfach kneifen würde? Und es ging um Essen! Da sprach jemand eindeutig ihre Sprache. „Und was stehst du dann noch so da rum?!“, und mit einem flüchtigen Nicken zum Sofa sollte die Dringlichkeit dieser Herausforderung noch einmal zusätzlich verdeutlicht werden. „Ich hoffe für dich, es gibt morgen was Gutes zum Nachtisch.“, deutete sie schon ihren nahenden Siegeszug über die Braunhaarige an und streckte ihren Rücken durch, mit den Fingern ungeduldig auf dem Controller entlangwandernd. Auch ihr Schweif tat es der herausfordernden Stimmung gleich und wanderte aufgeregt von links nach rechts. Sie konnte ja schonmal auf den Zwei-Spieler-Modus wechseln, was nur ein paar Tastenklicks später auch schon erledigt war. Jetzt musste Nojra nur noch genauso schlecht sein wie sie … oder schlechter. Obwohl … ging das? Ja, ganz sicher … bestimmt.
[out: Du kannst ruhig die Spielerunden allesamt erwähnen. Cyn wird wohl gegen eine geübte Spielerin nur bedingt Land sehen. xD]
"Man widerspricht oft einer Meinung, während uns eigentlich nur der Ton, mit dem sie vorgetragen wurde, unsympathisch ist." - Friedrich Nietzsche
Mit einem vorfreudigen Grinsen schaute die junge Nixe auf ihren Controller und drückte auf eine Taste um ihn mit der Konsole zu verbinden. Da ihre Kontrahentin den Zwei-Spieler-Modus bereits eingestellt hatte, stand nur noch ein mehr oder minder geschmeidiges “Auf die Couch werfen” aus. Mit langen Schritten näherte sie sich der Sitzgelegenheit und fiel rücklings in die weich gepolsterte Lehne. Trotz ihres selbstsicheren Auftretens nagte ein leichter Zweifel an ihr, ob sie den Mund nicht einen kleinen wenig zu voll genommen hatte. Klar, es gab schlechtere Gamer und sie hatte die Gabe - entgegen ihrer sonst hibbeligen und ungeduldigen Art - in Wettkampfsituationen einen kühlen Kopf bewahren zu können, aber Beat ’em up war einfach nicht ihr Genre. Um der Löwin ihre Bereitschaft zu signalisieren dreht sich Nojra leicht zur Seite, schob ihr Kinn demonstrativ nach vorn und legte all ihre Zuversicht in das Blitzen ihrer Augen. “Wer zwei von drei Matches gewinnt, entscheidet das ganze Ding für sich. Ready when you are!”
Ein holpriger Start und ihre schon warm gelaufene Rivalin untermalten die vorangegangenen Befürchtungen der energiegeladenen Schülerin und so konnte sie anfangs nicht verhindern, dass ihr virtuelles Selbst mehrere Backpfeifen, ein paar blaue Augen und harte Schläge einstecken musste, die unmöglich nicht in schmerzhaften Knochenbrüchen enden konnten (das Spiel war ab 12?). Und so verlor sie die erste Runde sang- und klanglos. Immer wieder linste sie möglichst unauffällig in Richtung des Fellohrs. Sie konnte sie einfach nicht gewinnen lassen! Es ging hier schließlich nicht nur um den leckeren, oftmals geradezu himmlischen, Nachtisch aus der Kantine, es ging auch um ihre Ehre. Wobei diese nicht notwendigerweise wichtiger war als die Aussicht auf zwei süße Desserts…..auf einmal! Dieser Gedanke entfachte ein Feuer, welches ihren Ehrgeiz ein paar Stockwerke in die Höhe schießen ließ und ihr nun endlich die gewünschte konzentrierte Ruhe bescherte. Mit geübten Fingern drückte sie alle nur erdenklichen Tasten in einer eher beliebig wirkenden Reihenfolge und merkte sich diejenigen Kombinationen, welche im Laufe des Kampfes am meisten Erfolge erzielten. Ein schneller Uppercut hier, ein kraftvoller Tritt da. Es dauerte nicht lange und Nojra war nahezu eins mit ihrem Charakter. Zumindest aus der Perspektive eines unerfahrenen Laien betrachtet. Aber es reichte, um die zweite Runde zu dominieren und das Ding einzutüten.
Der Fernsehraum war von einer angespannten Stille erfüllt, welche nur durch die obligatorischen und völlig übertriebenen Schreie und Effekte des virtuellen Fight Clubs unterbrochen wurden. Beide Teilnehmer klebten förmlich am Bildschirm und der letzten Hoffnung den morgigen Kuchen-Ertrag verdoppeln zu können. Die Aussicht ansonsten ganz leer ausgehen zu müssen hatte keinen Platz in ihren Köpfen - auch übernatürliche Wesen konnten nur so viel Schmerz auf einmal verkraften. Fisch war zwar bekanntermaßen eine Leibspeise von Katzen, aber nur weil sie Schuppen hatte, machte die Nixe das noch lange nicht zu einer passenden Beute!
Nach einer gefühlten Ewigkeit (welche in Wirklichkeit nicht mehr als 3 Minuten umfasste) trennten sie nur noch ein paar gut getimte Attacken davon, die bereits stark ausgegraute Statusanzeige ihrer Leidensgenossin gänzlich ihres roten Lebensbalkens zu berauben. Nun hieß es alles oder nichts! Voller Adrenalin streckte sie ihre Zeigefinger aus, griff nach den beiden Schultertasten ihres Controllers und betätigte diese zeitgleich mit der linken Richtungstaste das Steuerkreuzes und dem roten Kreis auf der rechten Seite. Bam! Ein unpassend farbenfroher Schriftzug verkündete das Ende der brutalen Rauferei. “YES!”, siegestrunken schoss Nojra von der Couch hoch und begann triumphierend einmal im Kreis zu tanzen bevor sie breit lächelnd auf Cynthia vor sich hinab sah. “Das macht dich dann morgen wohl um ein Stück Backware ärmer.”
„Wenn’s weiter nichts ist.“, gab sich Cynthia mehr als nur unbeeindruckt und startete die ganze Herausforderung schon Millisekunden, nachdem Nojra ihr "Go" gegeben hatte. Der Kampf um den Nachtisch des morgigen Tages hatte offiziell begonnen und weder sie, noch ihre Kontrahentin, hatten vor diese Couch als Verlierer zu verlassen. Tse! Wäre ja auch gelacht, wenn sie nicht den Boden mit dem dunkelhaarigen Haarschopf neben sich aufwischen würde. Die Löwin würde sich jetzt garantiert nicht einfach so schlagen lassen. Dementsprechend zielsicher wanderten ihre Finger über die Tasten des Controllers, ohne dabei eine klare Richtung vorgegeben zu bekommen. Das Button-Smashing wurde hier gerade in einer Perfektion ausgeführt, die selbst jahrelangen Meistern dieser Disziplin die Kinnlade runterklappen ließ. Kein Pixel war vor ihren wütigen Kombos sicher. Von den Analogsticks, bis hin zu den Schultertasten kam alles mal dran. Vermutlich wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn Cynthia dabei den geheimen Code des Spiels geknackt hätte und urplötzlich ein Cheat-Menu auf dem Bildschirm erschien. Doch das schien erstmal von niederer Relevanz zu sein. Alles, was für die Löwin in diesem Augenblick zählte, war der Lebensbalken. Welcher – weil ihr Gegner noch gar nicht warmgespielt war – schneller sank, als der Wasserstand nach einem Dammbruch. Noch ein Tritt … dann ein Schlag … dann ein Kick … und jawoll! Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen linste Cynthia kurz zu Nojra hinüber und sonnte sich in den Früchten ihres momentanen Erfolges. Diese Runde hatte sie gewonnen, die nächste würde sie auch noch gewinnen. Was sollte jetzt auch noch schiefgehen? Hier hatte sie nun eindeutig die Oberhand, die Pole-Position, das Monopol auf den Sieg. Den weisen Konfuzius auf ihrer linken Schulterseite ignorierte die Löwin dabei. Hochmut kam bekanntlich immer vor dem Fall und auch dieses Mal sollte diese Redewendung wieder mit Wahrheit erfüllt werden. Kaum startete die zweite Runde, wurde das ganze schwieriger. Nojras Lebensbalken sank nicht so schnell wie vorher. Ihre Kombis wurden besser. Die Bewegungen waren koordinierter. Sie selbst drückte immer noch wie wild auf dem Controller herum, ohne wirklich einen Plan zu haben. Am Ende würde sie vermutlich alle Fingerabdrücke auf dem Ding vernichtet und durch ihre Eigenen ersetzt haben. Dennoch gab es einfach keinen Fortschritt. So schnell wie die zweite Runde begonnen hatte, so schnell war sie auch wieder vorbei. Mit einem angestrengten Gesicht las Cynthia die Verkündung ihrer Niederlage auf dem Bildschirm und schwor sich selbst, dass nun Feierabend mit der unbeschwerten Art war. Nur blöd, wenn man sich erst jetzt wirklich mit der Materie des Spiels auseinandersetzte. Es war einfach zu spät. Trotz der angestrengten Stille im Raum täuschte nichts - aber auch gar nichts - darüber hinweg: Die Löwin hatte hier nichts mehr entgegenzusetzen. Die Verteidigung war gebrochen, Troja gefallen, NOD hatte die GDI in einer schmerzhaften Tiberiumkampagne besiegt. In dem Moment, wo der letzte Schlag ausgeführt wurde, hatte sich der Controller in den Händen der Blondine schon merklich gesenkt.
„Fuck!“, prustete sie nicht gerade erfreut ihren Frust in die Luft und lehnte sich geschlagen in die Lehne zurück, den Freudentanz neben ihr im ersten Moment so gut es ging ignorierend. Letzten Endes jedoch erwiderte sie den triumphierenden Blick der hier ansässigen Isolanerin mit einer Mischung aus Akzeptanz und dem grimmigen Antlitz eines Verlierers. Die Schelle saß auf jeden Fall tief in ihrem Ego. Aber sie jetzt anmeckern? Oder auf einen kaputten Kontroller appellieren? Nein, das machten nur Loser, die unbedingt den Fehler woanders suchten. Die Niederlage hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Der Konfuzius auf ihrer linken Schulter hatte sich endlich wieder Gehör verschafft. „Jaja, schon gut, ich hab‘s begriffen, du Ballerina. Du hast mir die Fresse poliert.“, nörgelte sie mehr schlecht als recht gegen die tanzende Wand aus Fröhlichkeit an und versuchte den Schmerz für ihr Ego so gering wie möglich zu halten. Wie konnte man sich so dermaßen darüber freuen? „Ich hoffe du tanzt mir jetzt nicht noch ne weitere Stunde einen vor.“, setzte sie leicht verbissen nach, während der Controller mit ein bisschen Schwung neben ihr auf die Couch entsorgt wurde. Mehr gab es dazu eigentlich auch gar nicht zu sagen. Stattdessen fiel Cynthia etwas anderes ein. Ein kleiner Moment der Stille trat ein, dann stand der Plan fest. Wenn sie schonmal da war, konnte sie sich ja auch gleich nach den anderen Mitbewohnern erkunden. Als ob sie sich die Namen auf ihrem Zimmerschild angesehen hatte. „Sag mal … in welcher Bude haben sie dich gleich nochmal untergebracht? 106?“, fragte sie mit dem Kopf nach hinten gelehnt und kramte ein Kaugummi aus ihrer Tasche hervor, dass sie Nojra in einem lässigen Bogen kommentarlos hinüberwarf. Wäre nen echter Lichtblick, wenn sie in ihrem Zimmer hausen würde.
"Man widerspricht oft einer Meinung, während uns eigentlich nur der Ton, mit dem sie vorgetragen wurde, unsympathisch ist." - Friedrich Nietzsche
Die Unzufriedenheit der Löwin mit ihrer eigenen Leistung war geradezu physisch spürbar. Wie elektrisch aufgeladene Luft, deren leichtes Knistern sich langsam aber unausweichlich im Raum ausbreitete. Klar freute Nojra sich über ihren Sieg und vor allem über die morgige doppelt so groß wie gewohnt ausfallende Versorgung mit lebensspendenden süßen Kohlenhydraten, aber sie war auch keine miese Gewinnerin und empfand wenig Genugtuung in einer übertrieben langen Selbstdarstellung. Als ihre Mitschülerin ihr also einen Kaugumi zuwarf, fing sie diesen mit einer gekonnten und flinken Handbewegung auf und ließ sich wieder wie ein nasser Sack auf das bequeme Sofa fallen. Nicht zu dicht an der freiheitsliebenden Katze, aber auch nicht mit einem so großen Abstand, dass sie sich beleidigt fühlen könnte. “Danke für den Kauknatscher”, mit geschlossenem Mund und genussvoll, aber nicht aufdringlich, kauend warf sie ihrer Gegenüber ein versöhnliches Lächeln zu. Auf die Frage nach ihrem Zimmer hielt sie kurz inne und schüttelte dann locker den Kopf, “Nein, ich bin in der 110 untergebracht, mit Helena und Fenice.”. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie Cynthia ebenfalls nach ihrer Wohnsituation fragen sollte und kam schnell zu dem Entschluss, dass es ja nicht schaden konnte Interesse an ihr zu zeigen, “Und du?”.
Irgendwie war es komisch gerade hier zu sitzen und sich mit dem Stereotyp des unnahbaren Schul-Rowdies im Plauderton zu unterhalten, aber die braunhaarige Langzeitisolanerin war froh um diese unerwartete Chance ihre Klassenkameradin eventuell von einer etwas anderen Seite und vielleicht sogar näher kennenzulernen zu können. Auch wenn das ein sehr großes, in Neonfarbe fettgedrucktes “Vielleicht” war. Zwar lebten sie bereits seit 3 Jahren nicht weit voneinander entfernt auf dieser wunderbaren Insel, aber miteinander zu tun hatten sie bisher nur selten. Die fehlenden gemeinsamen Interessen gaben einfach noch nicht so viele Gründe her, sich mit dem jeweils anderen genauer zu beschäftigen. Möglicherweise schlummerte da noch unentdecktes Potenzial für eine Freundschaft. Wobei auch hier “Möglicherweise” fetter als fett und in allen möglichen auffallenden Farben hervorgehoben war.
Nojra versank noch ein wenig mehr in den weichen Couchkissen und knabbert abwartend seicht auf ihrer Unterlippe herum, während sie den Fernsehraum etwas genauer in Augenschein nahm. Obwohl dieser Ort im Erdgeschoss und nicht weit entfernt vom Foyer zu finden war, hatte man hier dennoch meist seine Ruhe, da sich nicht allzu häufig andere hierher verirrten. Komischerweise war sie selbst auch noch nicht sonderlich oft hier gewesen. Ab und an mal zum Lernen (was, hand aufs Herz, wirklich nicht oft vorkam. Also wirklich, wirklich nicht oft), oder wenn hin und wieder unerlaubterweise spät abends der Partybär steppte ( natürlich nur, wenn die zuständigen Aufsichtspersonen ausgeflogen waren). Und sie musste feststellen, dass sie auch nicht unbedingt viel verpasst hatte. Es war schön hier, keine Frage, aber eben nicht auf eine besondere Art und Weise. Seinen Zweck erfüllte er trotzdem allemal, was wohl vor allem die Lustmolche des Heims bezeugen konnten.