Auch Isola verfügt über sie: Eine alte, recht ungpflegte Kellerbar lummert in einer Seitenstraße der Stadt. Recht unscheinbar ist der Eingang und über der alten Türe ist nur klein auf einem Schild das Wort "Marlow's" zu lesen - wohl der Name der Bar. Auch im Inneren, nachdem die Treppen einen nach unten führen, sieht es eher etwas düster aus. Es gibt nur spärliche Beleuchtung und nicht selten kommt es vor, dass immer mal wieder eine Glühbirne einen Wackelkontakt hat. Zu jeder Tages- und Nachtzeit wirkt es hier drin benebelt, was wohl daran liegt, dass es eines der wenigen Lokale ist, in denen auf der Insel geraucht werden darf. Der Barkeeper Marlow ist stets damit beschäftigt den Tresen zu putzen, obwohl er nach jedem Darüber-Schrubben immer noch gleich aussieht und ist an der Theke immer für ein Gespräch zu haben. Er erzählt die besten Geschichten, die immer mit den Worten anfagen "Und dieses Tattoo..." - naja - wers mag! Seine etwas korpulentere Tochter kümmert sich um die Gläser und gibt in der Küche das Kommando, während seine Ehefrau recht zickig die Bestellungen entgegennimmt. Die Preise sind - dem Standart angepasst - hier sehr niedrig und für wenig Geld erhält man sogar kleinere Snacks. Es handelt sich hier wahrlich um eine Absteige, von der immer wieder in den Zeitungen geschrieben wird. Nicht selten artet das gesellige Beisammensein in Streitereien und Schlägereien aus und auch von diversen Anmachaktionen sind Frauen oder sogar Männer immer mal wieder betroffen.
Irgendwie war es übertrieben die ganze Nacht in einer Bar zu verbringen - aber der Herr an der Theke hatte nichts dagegen, nachdem man ihm einem warnenden, zornigen Blick zuwarf & gab einem sogar noch genüglich zu trinken (..und das umsonst. Ein Held.) Nach dem 10. Bier oder 15. seufzte sie und starrte nach hinten - Es war hell. Das bedeutet: Entweder ist es Morgen oder Gott kommt um sie zu bestrafen. Ha. Dabei war sie 274 Jahre alt. Also durfte sie schon seit... Sie rechnete mit den Fingern nach und schmunzelte eine Weile lang vor sich hin... 256 Jahre lang trinken. Mit einer fliesenden Bewegung stand sie auf und drehe sich zur Tür um. Achja, der Kerl war auch weg. Schade, die Ohren hätte sie doch liebend gern angetatscht. Nach 4 1/2 Schritten bemerkte sie ein Zucken - Ihr Körper reagierte anscheinend doch etwas auf den Alkohol, doch der würde sich spätestens in 2 Minuten legen und vollkommen verschwunden sein. Die Dämonin gähnte und blieb vor der Tür stehen und schaute in das.. Licht. Die Helligkeit. Der Morgen. Vielleicht sollte ich mich entschuldigen beim Doc... hm.. aber wenn er mich sieht, denkt er sich doch auch nur: Omg, die lebt ja noch.. oder sowas. Egal. Irgendwas schlechtes auf jeden Fall. Ein tiefer Seufzer kam aus ihrem Mund und wehte tonlos davon. Leicht erbärmlich sowas echt. Als stolze Dämonin. Boogie-kun würde ihr stundenlang ne Predigt halten. Schlimm... In einem Fenster, der sich spiegelte, strich sie sich ihre Klamotten glatt und strich ihre Haare nach hinten, die wie auf Befehl wieder wie immer aussahen. Sollte sie wirklich? Wirklich zu ihm? Vielleicht hatte er ja viel zu tun- sie könnte helfen & außerdem brauchte sie immer noch die Krankmeldung- Bescheinigung warum sie nicht im Unterricht war; den ganzen Tag lang.
-> Krankenzimmer
out: Buhu.. Emmü is back. Tschuldigt wegen der langen Abwesendheit v_v
Orientierungslos tappste ich schon bald umher, denn rennen konnte ich absolut nicht mehr. Selbst, wenn ein paar Wölfchen hinter mir auftauchen würden, ich konnte nichtmal mehr richtig gehen. Zum Glück blieben die Wolfvorfälle aus, und meine Gedanken wanderten leise und vereinsamt zu den Leuten, die ich zurückgelassen hatte, und die toten Körper, die ich bis jetzt gesehen hatte. Kurzerhand wurde mir übel und ich bückte mich an den Straßenrand, für den Fall der Fälle, aber übergeben musste ich mich dann doch nicht. Levi hatte mir eine SMS geschickt, verdammt spät, eigentlich, aber es war mir Wurst. Ich antwortete ihm kurz, bevor auch meine Augen zu müde für das Display wurden. Für einen Bruchteil einer Sekunde überlegte ich, ob ich mich einfach auf der Straße niederlassen sollte, da erspähte ich eine beleuchtete, offene Bar...und lief darauf zu. Der Geruch, der mir entgegenschwang hatte zwar was von drei Schaltjahre nicht gewaschen, aber nun Umkehren wäre ein langer Weg und würde mich viel Anstrengung kosten. Völlig fertig setzte ich mich an den Tresen und ignorierte die lüsternen Blicke und dummen Sprüche, bestellte mir ein Wasser und legte mich mit den Kopf auf den Tisch. Wer nun störte, würde sicher eine gelangt kriegen.
Es ging wirklich alles Drunter und Drüber - kaum hatte ich Reiko verlassen, um mein Zimmer im Waisenhaus zu beziehen, da wurde ich auch schon von der Heimleitung ins Büro bestellt und man hatte mir alles erklärt. Ich war geschockt über die Lage, in welcher sich die gesamte Insel befand, doch viel Zeit, um darüber nachzudenken, blieb mir nicht. Auch hatte ich den ganzen Abend über nichts von Reiko gehört und ich fragte mich, welcher Gruppe sie wohl ... beigetreten war. Wie ich sie kannte, hatte sie sich doch sicher bei den Angreifern eingenistet um mal ordentlich auf die Vieher einzudreschen - für mich war das aber eher nichts gewesen. Abgesehen davon, hatte ich überhaupt keine Wahl, mich in irgendeiner Gruppe zu beteilgen, sondern ich bekam eine ganz tolle Aufgabe: Nämlich die Bewohner der Stadt in die Sporthalle der Schule zu evakuieren. Wahnsinn. Es war eine beschissene Arbeit und die meisten hörten nichtmal auf mich, was mir nicht wirklich weiterhalf. Auch in der stinkenden Bar im Barádori Stadtviertel hatte ich versucht, die Rauschkugeln wegzukriegen - jene, die noch bei Sinnen waren, folgten meinen Anweisungen aber den Teil, der sich mit grossen Mengen an Alkohohl vergnügte, bekam ich nicht weg und irgendwie verging mir dann auch die Lust. Stunden später, nachdem meine Arbeit getan war, schlenderte ich abermals durch die Gassen einzelner Strassen und zu meiner Überraschung war es mittlerweile wirklich ruhig geworden, zumindest im Vergleich zu vorhin, wo nur Stress und Panik herrschte und jeder einzelne, dumme Mensch um sein Leben bangte.
Aus der alten Bar waren natürlich Geräusche zu hören. "Wundert mich nicht, bei deren IQ...", nuschelte ich vor mich hin, während ich so weiter umherlief und die Hände in den Taschen meiner Lederjacke vergrub. Ich dachte über Gott und die Welt nach, vorallem aber ob es die richtige Entscheidung war, mit einem solchen Energiebündel wie Reiko auf diese Insel zu kommen. "Warum haben die mich auch ausgerechnet heute eingestellt!?", regte ich mich auf und stand plötzlich vor der Bar, in der ich schon einmal war. Und schlechte Erinnerungen mitgenommen hatte. Leise seufzend öffnete ich die Türe, die laut knarrte, was man aber durch das Gegröhle der Menschen sowieso kaum hören konnte. "Inseluntergangs-Aftershowparty, oder was?", fragte ich mehr mich selbst, als die Menge und schritt etwas voran. Was mir als erstes auffiel, war, dass sich zwei verblödete, fette Kerle mit Bierbäuchen und Flüssigkeitsflecken mit ihren weissen, ärmellosen Shirts (wodurch ihre sexy Achselbehaarungen richtig schön zur Geltung kamen) einem jungen Mädchen näherten, die an der Bar sass und den Kopf auf die Tischplatte legte. Es schien, als hätte sie einiges mehr durchgemacht als die Typen, die ihr langsam aber sicher immer mehr auf die Pelle rückten. "Sucht euch jemand in eurem Alter.", zischte es zwischen meinen Lippen hervor und ich quetschte mich zwischen den beiden durch, schob sie so einfach zur Seite und setzte mich neben das fremde Mädchen an die Bar. "Hey du, alles okay? Soll ich dich nach Hause bringen?"
Die dümmste Idee, die man wohl haben konnte, war, in Notsituationen in die stinkende Bar zu hopsen. Hier interessierte es weder Dick noch Doof, ob man Probleme hatte, und die Luft war auch nicht das, was man als 'sauerstoffreich' bezeichnen würde. Ich hatte jedoch wohl einen besonders lichten Moment gehabt, als ich dachte, ich konnte mich hier ausruhen, nichts bestellen, sondern am Tresen schlafen. Irgendwie hatte ich auch erwartet, dass alle Menschen evakuiert waren, daher eh niemand anzutreffen war.
Nie hatte ich mich mehr geirrt. Nicht war die Bar nur rappelvoll, sondern auch mäßig laut, sodass ich nach zehn Minuten des ruhigen Schlafens wieder aufwachte um festzustellen, dass diese kriechenden Gestalten immer näher zu rücken schienen. Das konnte ich ganze fünf Minuten ignorieren, bevor mir der Kragen platzte und ich dem ehrenwerten Schleimbeutel neben mir sagen wollte, dass er den Drink, den er mir spendieren wollte, sich sonst wo hinschieben konnte..! Doch er rückte ab, ohne dass ich ihm unflätige Worte an den Kopf knallen musste, und ein wenig schwindlig schaute ich mich nach der Ursache um. Ein Werwolf mochte es kaum sein, oder? Der Grund konnte die strahlende Gestalt [vielleicht auch nur 'strahlend', weil der Rest hier eher aussah wie...aus der Gosse!] sein, die sich neben mich setzte. Zunächst schaute ich finster, da ich jetzt eine erheblich schlechte Anmache erwartete, schob den Gedanken dann beiseite. Apokalypse now, und ich ging davon aus, ich wurde angeflirtet, von einem doch schon erwachsenerem Kerl. Ich fühlte mich eklig. Kurz schüttelte ich müde den Kopf und überlegte, ob er zur Schule oder zu den Einwohnern der Insel gehörte - letzteres war eher unwahrscheinlich, da die Bewohner...bis auf die stinkende Kneipe ja evakuiert werden sollte. Also ein Lehrer? "Danke.", meinte ich und trank aus meinem Wasserglas, inständig hoffend, dass kein Tropfen auf mich fallen würde. Noch eine Verwandlung, wo ich ersticken würde, wäre zu viel. "Bringt nicht viel, wenn das zu Hause vielleicht nicht mehr steht, oder? Sind die Werwölfe noch da?", fragte ich, völlig trocken und hart, als würde es mich nicht groß kümmern. Ich schluckte, bevor mir die Tränen über das Gesicht liefen und ich wieder nach starr nach vorne blickte, zum Barmann, der eingeschüchtert wegging. Klasse Service. Ich wusste, wieso ich - irgendwie - weinte. Wer würde nicht weinen, in so einer Situation? Ich verlor im Grunde mein Bleibe. Meine Freunde...oder auch eher Mitschüler. Mein bisheriges, eher glückliches Leben. Wie sollte man nach so einer Katastrophe weiterleben? Für einen kurzen Moment dachte ich mir, dass ich diese Bar recht gerne mochte. Es kümmerte niemanden einen Dreck, wenn man herkam, um zu heulen, denn es waren nur traurige Gestalten hier, die ihre Gedanken im Suff ertränkten, unter denen man nicht weiter auffiel. Meine Hand zitterte ein wenig, als ich meine Hand hob, um mir die Augen trocken zu reiben. Dann blickte ich zur Person neben mich. Biss mir auf die Lippen. Atmete durch. Straffte den Rücken. Und entschied, einfach weiterzuleben. "Wer sind Sie?", fragte ich, bevor ich zweimal auf den Tisch klopfte, sodass der Barmann ein anderes Glas Wasser brachte, das ich dem Kerl mit Bärtchen zuschob.
Ich blieb auf einem der Barhocker neben dem Mädchen sitzen und überlegte sogleich, ob ich mir denn ein Getränk bestellen sollte, aber irgendwie konnte ich mich mit dem Gedanken nun eher weniger anfreunden. Stattdessen drehte ich meinen Kopf nach links, stützte aber mit meinem Arm an der Theke ab, da ich irgendwie doch schon sehr müde war und so desöfteren dazu neigte, einfach rumzulümmeln, was als Erzieher sicher gut ankam. "Bis auf ein paar Häuser in der Stadt steht noch alles.", gab ich dem schwarzhaarigen Mädchen als Antwort - ich wusste, dass das Waisenhaus noch mehr oder weniger ganz war, doch bei einigen Häusern, die ich auf meinen Weg hierher passierte, war dies irgendwie nicht so der Fall. Auch einige Menschen hatten wohl in dieser Nacht ihr Leben verloren - und so schnell würde man wohl auch nicht erfahren, wie viele es tatsächlich waren. "Alle Werwölfe sind weg, also gibt's doch keinen Grund, hier noch länger den Kopf hängen zu lassen, oder?", erklärte ich ihr und lächelte dabei, denn immerhin wollte ich sie nicht verjagen und erst recht wollte ich nicht, dass sie mich nicht ernst nimmt. Dass ihr dann aber Tränen über die Wangen liefen, liess mich nicht ganz kalt - meine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen, doch ich wusste nicht so recht, was ich in dem Moment sagen sollte, ausser: "Hey, es ist doch alles gut..", auch wenn ich nicht wusste, ob sie in dieser Nacht vielleicht jemanden, der ihr am Herzen lag, verloren hatte oder ähnliches. Deshalb bereute ich meine Worte ziemlich schnell; scheinbar zeigten sie aber doch Wirkung, denn die Schwarzhaarige wischte sich die Tränen weg und rappelte sich mit einem Mal auf; bestellte sogleich zwei Gläser Wasser und schob mir eines davon zu. Ein Grinsen umspielte meine Lippen, denn wenn das nun nicht Wasser, sondern irgendetwas anderes wäre, würde es so rüberkommen, als hätte sie Lust, sich nun volllaufen zu lassen. Und da ich annahm, das sie eine Bewohnerin des Waisenhauses war, fand ich das schon wieder nicht mehr so toll. Ich wartete etwas ab bevor ich ihr antwortete, nahm dann das Wasserglas und trank den Inhalt mit einem Mal herunter. Ich hatte doch tatsächlich vergessen, wie schön es war, zu trinken! Kein Wunder, bei der Aufregung, die hier auf der Insel herrschte. Aus irgendeinem Grund stellten sich mir aber die (Bein:D)-Haare auf, als sie mich siezte. Seh ich so alt aus?X_X, zischte es mir durch den Kopf, doch ich versuchte cool zu bleiben und zu lächeln, was sich im Nachhinein als ein Bad Pokerface entpuppte. "Ich bin Lyon und arbeite im Waisenhaus, das du aber sicher kennst, oder?", stellte ich mich vor und rutschte dann etwas am Barhocker herum und zuckte dann genervt mit den Augenbrauen, als sich die selben Kerle wieder dem Mädchen näherten und ich das aus dem Augenwinkel betrachten konnte. "Und du? Wo bist du denn zu Hause?", fragte ich das Mädchen schliesslich, denn immerhin war ich mir nicht hundert Prozent sicher, das sie im Waisenhaus lebte. Denn wie ein Mensch...sah sie schon aus, ganz abgesehen von ihren momentanen, körperlichen Zustand.
Die stinkende Bar erfüllte wirklich völlig und ganz ihren Namen. Unter bestimmten Umständen hätte es mich vielleicht noch gestört, aber momentan war ich dann doch an den Punkt geraten, wo mir alles außer ich selbst egal wurde. "Noch alles?" Wollte er mich verscheißern? Das konnte doch kaum sein, dass fünf dieser Viecher kamen und nichts passiert war. Wo geschah denn sowas? Aber wenn das wahr war, so gab es keinen Grund, zu gehen. Schätzte ich. Trotzdem - der Kampf war noch nicht vorbei! 'Alle Werwölfe sind weg', sagte er und ich starrte ungläubig hoch. "Weg? Alle?" Heute brachte ich wohl nur noch Bruchstücke von Sätzen heraus. Hm. Auch gut. So konnten Menschen schneller erahnen, was ich wollte.
Die kriechenden Gestalten in der Bar schienen wieder näher zu kommen, als sie bemerkten, dass wir uns nur flüchtig kannten, und der junge Mann, Lyon, wie er sich vorstellte, nicht unbedingt mein Beschützer sein musste. Genervt biss ich mir auf die Unterlippe und hoffte, dass mein vor Wut laut pumpendes Herz sich beruhigen würde. Innerlich war ich eigentlich ruhig, bis auf dieses verdammte Pumpen. "Eigentlich ist nichts gut.", widersprach ich ihm und sah auf meine Finger, die sich in die Tischplatte krallten. Es waren eine Menge Menschen gestorben, wieso sollte alles gut sein? "Freut mich, ihre, oder deine Bekanntschaft zu machen.", meinte ich, streckte meine Hand aus, und ergriff schließlich auch seine, um sie kurz zu schütteln. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Oberschenkel. Entsetzt blickte ich zur Seite und sah einen widerlich grinsenden Kerl, der so nahe war, dass ich geradezu seine Nasenhaare wachsen sehen konnte. Mein Kopf wurde rot und seiner daraufhin auch, als ich ihm feste eine klatschte, ihm vom Stuhl schubste und mit einem Bein auf seiner Brust stand. Scheiss drauf, dass er mein Höschen nun sehen konnte. "Was soll der Scheiß, du winzige Kröte?", fauchte ich und stampfte fest auf, sodass er hustete. Der Tumult ging nicht wirklich an den anderen Kneipenbesuchern vorrüber. Ich bemerkte jedoch nicht, wie die Freunde von dem Schleimbeutel mit einem so gar nicht gruseligen Blick auf mich zukamen. Und so gar nicht in der Überzahl waren.
Ich bestellte mir noch ein Glas Wasser, das ich auch diesmal in einem Zug runtergeschlungen hatte. "Noch fast alles.", besserte ich sie, und somit auch mich selbst aus und nickte kurz. "Alle weg.", versicherte ich dem Mädchen dann aber und antwortete mit genau der selben Methode, wie sie auch mit mir sprach! Halbe Sätze, ahoi! Mein Blick fiel auf ihre Finger, die sich an die Tischplatte krallten, als sie äusserte, dass garnichts gut wäre. Ich wusste immernoch nicht, von wo sie kam, oder wie ihr Name war, also konnte ich ihr irgendwie auch nicht mehr widersprechen. Ich schluckte, versuchte aber mit meinen Blicken und einer freundlichen Miene standhaft zu bleiben, sah sie etwas besorgt an. Auch, als sie meine Hand schüttelte, durfte ich ihren Namen nicht erfahren, doch ich kam garnicht so weit, sie danach zu fragen, denn einer der Typen ging wirklich einen Schritt zu weit und hatte seine Hand schon auf ihren Oberschenkel platziert. Meine Pupillen wurden kleiner, mein Gesichtsausdruck geschockt, als ich die kurze Szene beobachtete und diese dann eine drastische Wenden nahm. Das schwarzhaarige Mädchen scheute vor nichts zurück und schubste den fremden Typen, der sie eben noch belästigt hatte und ihr zu nah gekommen war, zu Boden, platzierte schliesslich ihren Fuss auf seiner Brust und stampfte auf ihn ein. "Hey!", rief ich und sprang spätestens dann auf, als ich das Husten des Mannes wahrgenommen hatte und mir Sorgen über sein Überleben machte. Ich packte das Mädchen an ihren Ellbogen und zog sie weg; hatte es zuerst sanft versucht, doch ihre Kraft oder ihre Wut, je nachdem wie man es nennen wollte, war stärker als ich gedacht hatte. Also musste ich etwas fester an ihr zerren, doch schliesslich gelang es mir, sie wegzuziehen und somit auch ihren Fuss auf der Brust des Alkis. Ich stellte mich vor das Mädchen, liess ihren Ellbogen los und legte meine Hände stattdessen an ihre Schultern; blickte ihr dabei ins Gesicht: "Du kannst ihn doch nicht gleich umbringen!", kam es zwischen meinen Lippen hervor und schliesslich löste ich meine Hände wieder von ihren Schultern, da ich nicht wollte, das sie das selbe mit mir versuchte. "Ich mein, er hat es vielleicht verdient, aber verscherz es dir hier lieber nicht." Ich spürte die wütenden Blicke des Barkeepers, der soeben sein Handy zückte und irgendeine kurze Nummer wählte. "Ach kommen Sie, das ist doch wirklich behindert.", versuchte sich der junge Erzieher aus der Situation bzw. aus der Scheisse, die das Mädchen verbockt hatte zu retten und redete noch weiterhin auf ihn ein, erklärte, das sie etwas verwirrt war und sie deshalb einfach auf ihn eingetreten hatte. Irgendwie schien der Barkeeper nicht erfreut, legte sein Handy dann aber doch zurück, und genau in dem Augenblick hatte sich der Don Promillo vom Boden erhoben und näherte sich mir und dem Mädchen wieder. Aus welchem Grund auch immer. "Ich hab's schonmal gesagt, suchen sie sich jemand in Ihrem Alter, wenns unbedingt sein muss.", zischte ich wieder, schubste ihn zur Seite, sodass ich die Bar verlassen konnte - und zwar mit dem Mädchen, dessen Arm ich ergriffen hatte und mitzog, da ich mir nach dieser Aktion relativ sicher war, sie würde auch im Waisenhaus wohnen. "Du wohnst doch auch im waisenhaus, oder? Dann sollten wir da nun schleunigst hin.", erklärte ich ihr, als wir vor der Bar standen.
Ich betrachtete den jungen Mann finster, da ich das Gefühl bekam, er veralberte mich. Hm. Konnte auch gut Einbildung sein. Erwachsenen konnte man nie so recht vertrauen, so dachte ich es mir zumindest. Und selbst als mich der stinkende Besoffene angetatscht hatte, war er auf seiner Seite, was mich rasend machte. "Und wenn er es verdient hat, was ist dann falsch daran, ihn zu killen?", schnaubte ich. In meinen knallharten blauen Augen loderte es, doch gleich darauf wurde ich wieder ruhig. Wie könnte ich jemals jemanden umbringen? Über Tod und Leben entscheiden? Niemals hätte ich mir soetwas anmaßen können und niemals hatte ich soetwas getan. Selbst als die Schüler lustvoll drauf losmordeten, hatte ich noch Hemmungen. Trotzdem verletzte ich, dafür aber auch jeden, selbst mich. Meine Kraft war wohl einfach nicht geheuer. Lyon - der Fremde - klärte die Situation. Meiner Meinung ließen die Leute das mit der Polizei sowieso einfach nur, weil hier schon genug Straftäter saßen, die die stinkende Bar nicht als Kunden verlieren wollten. Trotzdem ließ ich mich von ihm abführen, relativ gehorsam, da ich wieder kraftlos geworden war. Draußen war die Luft viel besser und die Nacht klar. So klar, dass es mich fertig machte. Kleine, dumme Mädchen wurden bei Sternenhimmel immer sentimental, oder? Meine Trauer war jedoch nichts, was mich irgendwie weiterbrachte. Daher packte mich erneute Wut und ich riss mich wieder los. "Lyon, was zur Hölle wollen sie eigentlich?", machte ich ihn an, "Führen Sie sich nicht auf wie mein Vater, oder was zur Hölle soll der Scheiss? Keine Ahnung, warum Sie mir helfen, warum Sie sich neben mich gesetzt haben, warum Sie mich einfach genauso schnell berühren, aber Sie kennen mich doch gar nicht!" Es wurde langsam ungemütlich, zu siezen, auch wenn das so meine Angewohnheit war; zumindest, wenn ich die etwas ältere und fremde Person außerhalb der Schule überhaupt nicht kannte. "Ich bin zwar dankbar, dass sie mich aus der Situation geholt haben, aber meinetwegen hätte ich da drin auch sofort sterben könne.", fauchte ich, "Ich habe nichts, okay?" Damit ließ ich ihn stehen und lief los. Flüchten war das Einzige, was ich wirklich konnte. Ich kannte diesen Stadtteil zwar kein bisschen, aber was sollte ich auch sonst tun? Mich WIEDER auf andere verlassen? So konnte das doch nicht immer ablaufen.
Und schon wieder wurde ich nicht schlauer. Das schwarzhaarige Mädchen gab mir schon wieder keine vernünftige Antwort und langsam oder sicher wusste ich nicht mehr, wo ich sie hätte einordnen sollen. Ich fragte mich, ob es vielleicht doch möglich sein konnte, dass sie nicht zum Waisenhaus gehörte, ja, ich hoffte es sogar. Denn sie liess sich herzlich wenig sagen und machet mich stattdessen ab. Während dem kurzen Schauspiel hob ich meine Augenbrauen an, blieb still, und lauschte ihren Worten. "Wenigstens etwas.", gab ich dem Mädchen als Antwort, als sie mir erklärte, dass sie zumindest froh war, dass ich sie aus der Situation gerissen habe. Bitte lieber Gott, den es nicht gibt, lass sie keine Schülerin von Shima no Koji sein, denn sonst vergeht mir jetzt schon jegliche Lust daran, diese Rotznasen zu erziehen. "Pass auf dich auf, okay?", rief ich ihr hinterher und legte meinen Kopf dann etwas schief. Abgesehen davon, dass ich sie wohl zur Weissglut treiben würde, wenn ich ihr hinterher laufen würde, hatte ich auch mittlerweile keine Lust mehr, mich mit pubertierenden Teenagern rumzuschlagen. Und schon garnicht, wenn ich nicht wusste, ob sie zum Waisenhaus gehörte. A propos pubertierend! Während ich mich auf den Weg zurück ins Waisenhaus machte, was so einige Zeit in Anspruch nahm, zückte ich mein Handy hervor und las die SMS, die mir Reiko geschrieben hatte und regte mich sogleich über ihren Unterton, den ich deutlich herauslesen konnte auf, gleichzeitig war ich aber froh, dass auch sie auf dem Weg war. Mit was für einen Vieh auch immer! Scheinbar hatte sie mal wieder schnell Freunde gefunden.
Langsam lief das Mädchen über die Straße, ohne zu wissen, wo sie hinging. Oder wo sie hin sollte. Sie fühlte sich hier alles andere als geborgen. Ihre Heimat war nicht hier. Und vielleicht würde sie das auch nie sein. Aber konte ihr altes zu Hause jemals wieder das werden, was es für sie gewesen war? Zwar hatten ihre Freunde keine Ahnung von ihrem Geheimnis, jedoch wusste jeder Erzieher dort Bescheid. Man würde sie nie wieder so behandeln wie vor ein paar Wochen noch. Velia schluckte schwer und drängte ihre Tränen zurück. Sie versuchte sich nun nur noch auf die viel zu laute Musik aus ihren Kopfhörern zu konzentrieren, während sie weiter lief und plötzlich vor einem seltsam aussehenden Laden stehen blieb, der bei näherer Betrachtung nicht einmal ein Laden war. Es war eine Bar, nicht gerade einladend, aber nun unverkennbar. Velia war kein Fan von Bars; sie hasste sogar den Alkohol. Aber in Bars gab es gewöhnlich auch nicht alkoholische Getränke. Außerdem schien der Ort gerade der einzige zu sein, der ihre Gefühle widerspiegelte. Und das war schon schlimm genug. Mit gesenktem Kopf und den riesigen Kopfhörern noch immer auf eben diesem öffnete sie die Tür und trat ein. Sofort kam ihr der Gestank von Zigaretten und Alkohol in die Nase, die sie auch sogleich rümpfte. Für sie war es ziemlich eklig und trotzdem ging sie weiter und setzte sich in eine Ecke der Bar, in der sie hoffte ihre Ruhe zu finden. Eine nicht gerade dünne Kellnerin kam zu ihr und obwohl Velia sie wegen der lauten Musik direkt neben ihrem Ohr nicht hören konnte, sprach sie ihre Bestellung aus, um wieder allein gelassen zu werden. Zusammen gesunken saß sie auf dem Stuhl, und das einzige was sie hörte, war die Musik, bei der auch ihre Gedanken waren. Alles andere blendete sie einfach aus. Selbst dass die Kellnerin ihr ihre Cola brachte und Velia ihr sogar Geld dafür gab hatte sie im nächsten Moment schon wieder vergessen. Und auch an den widerlichen Geruch hatte sie sich schnell gewöhnt. Schon seltsam für sie, wo ihr bei Alkohol stets schlecht geworden war. Ihre Tasche hatte sie auf den Tisch gestellt, sie selbst starrte bloß ihre Cola an, trank nur einen Schluck davon, dann war sie abwesend mit ihren Gedanken. Einfach nicht mehr da. Völlig allein in einer Bar, in der sie sicher die einzige sechzigjährige war - die hier bestimmt gar nicht mehr sein durfte.