Der kleine und bislang verlassene Spielplatz besitzt eine Schaukel, einen Sandkasten der grässlich nach verfaulten Eiern stinkt, eine Rutsche und zwei Bänken. Der Rasen sieht etwas fahl aus und man sieht dass ihm Wasser fehlt... Wenn allerdings die Sonne scheint, erscheint der alte Spielplatz relativ freundlich.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Nicht jedes Lächeln, hm? Mathéo beschäftigte diese Aussage und die Frage, ob sie wieder auf ein falsches Lächeln zurückwollte. Vielleicht konnte sie wirklich schauspielern, vorhin jedoch war es schlecht verstellt. Ein Lächeln, welches kein Strahlen war, viel mehr ein Aufsaugen anderer Strahlen, denn es stahl die Freude aus Mathéos Gesicht. Hm. Ganz sicher war er sich nicht, ob sie einfach nur darauf hinauswollte oder mehr dahinter steckte. Es torquierte ihn regelrecht, unsicher zu sein. Wenn sie tatsächlich weiter dachte, wäre er nicht in der Lage, es nachzuvollziehen und das machte ihn kirre. Aber wenigstens hatte er bei ihrem Neid Recht behalten. Nur – Mathéo hoffte, eine weitere Ausführung hören zu können, warum sie ihn denn nun beneidete. Sie konnte doch nicht von ihm verlangen, dass er sich darum auch noch kümmerte. Wollte sie Mysterium sein, welches zu entschlüsseln gab? An sich etwas, was sie Frau bekanntlich wünschte, doch wiederum etwas, was gegenüber von Mathéo noch nie passierte. Bisher öffneten sie sich ihm flink und plauderten ihr Wesen nur so aus sich heraus. Ein besonderer Fakt, warum sie so langweilig waren mit Blick auf die Dauer. Mathéo haute es aus seinen Überlegungen, als Yui ihm eine flinke Frage an den Kopf warf. Ihr Gefasel kurz davor war nicht weckenswert, aber dann spielte sie auf sein Vertrauen an – warum er sich so sicher war. Aber das war er gar nicht gewesen. In Gedanken legte er grinsend seine Antwort zurecht. Er hatte dies nicht als Grund für seine Entschuldigung angegeben, weil er wusste, dass sie dann strahlen würde. Sich wirklich sicher konnte man sich sein, wenn man jemanden einen Herzenswunsch erfüllt. Ihr sein Auge zu zeigen, war bestimmt keiner. Die hohe Wahrscheinlichkeit sprach für sich. Vielmehr war es die Hoffnung, die ihn beflügelt haben könnte. Mathéo vermutete, dass Yui Freude daran empfinden würde, ein ähnliches Schicksal zu sehen, zumindest, was das Äußerliche anbelangte. Eine reine These, nichts, worüber er sich sicher war. Schwer, klare Feststellungen über jemanden treffen zu können, dem man eben erst kennen gelernt hatte. Der Tristam zuckte auf, als er schon wieder eine Frage hörte. Dabei hatte er sich eben erst eine Antwort zurechtgelegt. Ein wenig Missmut, welchen er schnell beiseiteschob, um sich auf Yuis Worte konzentrieren zu können. Ein Langzeitgedächtnis über 13 Stunden? Nicht besonders rosig. Bevor er über eine Antwort nachdachte, schoss ihm schon eine Vermutung in den Kopf, eine sehr sichere sogar. Bekannt war ihm das menschliche Verhalten, von Dritten zu sprechen, wenn man sich selber meinte. Ein Standardbeispiel wäre, wenn er jemanden um Rat fragen würde, diesem aber die Situation so schildert, als würde es um einen Freund gehen oder – noch besser – um den Freund eines Freundes. Umso weiter sich der Redner von dem Opfer entfernte, desto sicherer konnte man sich sein, dass er von sich selber sprach. In Yuis Fall wurde keine Entfernung beschrieben, eine Nähe aber auch nicht. Sie fragte Mathéo, was er machen würde, wenn er ein Gedächtnis von 13 Stunden nur hätte. Nur – warum sollte sie ihn so was fragen? Und das auch noch aus heiterem Himmel heraus. Selbst wenn man ihn für klischeehaft bezeichnen würde, er glaubte fest daran, dass Yui von sich selber sprach. Das normalste Gemüt hatte sie ohnehin schon nicht, vielleicht war diese „Krankheit“ Grund dafür. Und gleich roch er den faulen Braten, der sich anknüpfte. Wenn er Recht behalten würde, dass sie von sich selber sprach und sich sogar daran erinnern konnte, wenn sie häufiger darüber nachdachte, gab es nur zwei Schlussfolgerungen: Entweder befand sie sich immer noch in ihren ersten 13 Stunden oder sie hatte widersprüchlich zu ihrer Aussage eine Lösung gefunden – sprich: sie hatte ihn im Abschluss belogen. Sie hatte ihm schon ihre unterschiedlichen Augen unerwartet gezeigt. Dieser Fall hier musste auch einen Teil von ihr wiedergeben. „Ich würde dich fragen, denn du scheinst eine Antwort gefunden zu haben, wenn du dich an dein Problem trotzdem erinnern kannst.“ Nur schwacher Ausdruck lag im seinen Gesicht. Die Miene hatte sich seicht normalisiert. Sie sollte merken, dass er über ihre Lüge gestoßen war. Sollte er sich hingegen irren, ja, dann wäre es ihm am liebsten, wenn er plötzlich zur Wolke mutieren würde. „Es ist unwahrscheinlich, dass du mich so was ohne Grund fragst. Ich habe dir mein Geheimnis nicht gezeigt, weil ich es grundsätzlich fast niemandem zeige. Ausnahmen sind Dämonen, die mein volles Vertrauen haben. Wir beiden haben uns eben erst kennen gelernt und jetzt belügst du mich schon. Du verstehst?“
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Es war äußert dumm gewesen von Yui ihn nach einer Antwort zu fragen. Es ging ihn verdammt noch mal nichts an – es war ihr Problem, mit welchem sie nun alleine zu kämpfen hatte. Himura-san würde es nicht gutheißen, wenn sie es jemanden verriet, doch letztendlich war es ihre Entscheidung. So waren es auch seine letzten Worte gewesen, als sie sich jemanden anvertrauen wollte… „Falls du das wirklich willst, habe ich keine Einwände… doch ich persönlich.. kann es nicht gutheißen.“ Es war nicht nur seine angenehme Stimme, welche in ihrem hübschen Kopf immer und immer wieder diesen Satz wiederholte nein, dass wovor sie sich am meisten Fürchtete mischte sich dazu. Die noch zuvor ruhige, stille als auch etwas verkrampft wirkende Waise durchfuhr ein stechender Schmerz. Doch es war nicht ihr Arm oder ihr Bein, welcher schmerzte. Nein, es war das Auge, welches sie stets verbarg. Reflexartig fuhren die Hände hoch zum Gesicht, legten sich unter dem Haar Pony auf das Okular, während der Oberkörper instinktiv gesenkt wurde – als hätte sie vor sich zu beugen. Die Miene zu einer hässlichen Grimasse verzogen, versuchte sie die Beherrschung nicht zu verlieren, obgleich der Schmerz unerträglich erschien, entkam ihr nicht mehr als ein von schmerzgeplagtes Aufstöhnen. Dass ihre Stimmung merklich gesunken war, hatte sie verdrängt – die folgenden Konsequenzen ebenso. „Nein… geh..“, flehte sie kaum hörbar das Chaos an, doch wann hatte dieses schon einmal getan, was sie wollte? Erst als das Pochen abebbte, atmete sie kurz auf, sich an die Rückenlehne lehnend. Sie hörte nichts. Hatte sie es geschafft? „Du bist erbärmlich, Yui“, ihre Hoffnung, dass sie Ruhe haben würde, löste sich in Luft auf, als die tobende Stimme des Chaos‘ in ihrem Schädel ertönte. Mit solch einem Votum stellte er jeden Sturm in den Schatten – so furchtbar war sie. Was willst du.. ?, wendete sie sich an das Monstrum, aber eine Antwort blieb aus. War es verschwunden? Ignorierte es die Halbdämonin nur? „Ich belüge dich nicht. Ich suche nur nach einer Antwort, welche nicht so verzweifelt wirkt“, hallte die schwache Stimme in der Luft, als wäre nie etwas gewesen. Er hatte sie schnell, viel zu schnell wie sie fand, durchschaut. Scheinbar war es doch seine Menschenkenntnis, welches die Arisako wie ein offenes Buch erscheinen ließ, weshalb sie sich vornahm Dinge, die ihn nicht zu interessieren hatten, für sich zu behalten, alles andere, was zum Smalltalk gehört, durfte er erfahren – nicht mehr, nicht weniger. Das Haar wurde gerichtet, die Kleidung glatt gestrichen, ehe sie sich kurz räusperte und fortfuhr: „… ja ich verstehe.“ Mehr sagte sie nicht, gab sich der inneren Bestie hin, die sich mit einem spöttischen Lachen wiedermeldete. Yui hatte schwer damit zu tun, nicht zu schreien – denn verdammt noch mal ihr war danach. Sie fühlte sich einsam, wie nie zuvor. Früher war ihr Vormund dagewesen, wenn sie heimgesucht wurde und heute? Heute saß sie hier auf einem stinkenden Spielplatz, hatte nur einen Dämon neben sich sitzen und konnte sich selbst nicht helfen. Welchen Sinn hatte ihre Existenz überhaupt? Alleine war sie hilflos. Sie hatte niemanden, also konnte sie sich doch genauso gut umbringen? „Denk nicht mal daran.“ Sie hatte es erwartet, dass sich das Chaos zu Wort melden würde, denn ohne sie besaß es keinen Wirt und ohne Wirt konnte es nicht „leben“. Je mehr sie sich gegen das eigene Schicksal wehrte, je mehr sie dagegen ankämpfte, versuchte die nur so von Boshaftigkeit triefende Stimme zu verdrängen, umso stärker wurde der verschwunden geglaubte Schmerz. Zum wiederholten Mal fuhr sie mit ihrer Hand zum Auge, dessen Rotfärbung deutlich zugenommen hatte, verharrte dort – vielleicht war es das Gefühl, dass es so viel angenehmer war oder einfach nur der Gedanke, dass ihre zierliche Pranke Schutz bat. Was auch immer es war.. es linderte die unerträgliche Pein…
Matheo
Mathéo Tristam
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Nachdem Mathéo seinen Blick wieder abgewandt hatte und wartend in die Ferne vor sich blickte, schien sich in Yui mehr zu regen, als er erwartet hätte. Auch wenn seine Augen erstarrt schienen und keine Entschuldigung hören wollten, glaubte er an keine andere Zukunft, als dass sie versuchen würde, die Sache wieder ins Reine zu schieben. Aber Mathéo durfte sich daran erinnern, dass er sie erst seit kurzem kannte und nicht ihr Verhalten mutmaßen sollte. Dabei hätte er nie erwartet, dass es sie so hart trifft. Langsam schwenkte er den Kopf zu ihr herüber, um nachzuschauen, was sie ausbrütete. Ihre Reaktion hatte Mathéo viel schneller erwartet, anstelle der Stille. Da musste was faul sein. Yuis Hand fühlte unter ihrem Haarschopf; ihre ganze Körperhaltung verkrampfte sich. „Yui?“ Mathéo war sich unsicher, was da geschah. War er zu hart gewesen? Dabei hatte er sie nur darauf hingewiesen, dass sie Lügen nicht näher ans Ziel brachten. Ihr Flüstern verbesserte die Lage keinesfalls. Seine Sorge wurde nur noch schlimmer. Sofort griff er mit seiner Hand nach ihrem Oberarm, um sie zu stützen. In seinen Augen lag die Frage nach ihrem Wohlbefinden, nur sein Mund haperte. Einzig die Augen agierten. Ihr Flüstern würde erneut abgespielt, analysiert, übersetzt – was war es? Persönliches Unbehagen kroch unter seine Haut. Nicht, dass er sich hauptsächlich um ihren Status sorgte. Was ihn dieses unschöne Gefühl besorgte, war die eigene Unwissenheit. Wie stand er denn da, wenn neben ihm ein Mädchen zusammenbrach und er nicht den leisesten Schimmer hatte, warum? Nein, das konnte nicht in seinen Kopf passen, irgendwas lief hier ganz und gar nicht logisch ab. Ebenso unerwartet stritt sie plötzlich ihre Lüge ab. Verzweifelt? Mathéo suchte in seiner Erinnerung nach einer bereits erwähnten Antwort, welche verzweifelt klingen könnte, aber da war keine. Sie sagte, es wäre keine Lüge gewesen, gab aber nachfolgend zu, dass sie selber eine Antwort hatte. Also war es doch eine Lüge vorhin gewesen, außer … Sie sprach von einem ‘richtigen‘ Ergebnis. Mathéo ließ von ihrem Arm ab. Sein Kopf drehte sich wieder der Ferne zu, die schon zuvor seine Aufmerksamkeit genossen hatte. Yui hatte also doch nicht gelogen, sie hatte sich nur etwas unklar ausgedrückt. Mathéo legte sein Kinn in die Rechte und stützte es auf dem Schenkel auf. Seine Wangen bauschten sich leicht auf, man konnte ihm die Nachdenklichkeit ansehen und man hätte es ihm noch länger ansehen können, wenn Yuis Worte nur ein kleinbisschen leiser gewesen wären. Das Räuspern war es wohl, womit sie sich ihn krallte. Die Frage nach ihrem Verständnis war doch schon längst überfällig gewesen und eh nur rhetorisch gemeint. Warum sie nun darauf antworten musste, wollte er trotzdem nicht wissen. Wieder schüttelte er den Kopf, aber ein Grinsen kroch ihm ins Gesicht. Hm. Da lag sein Blick erneut auf ihrer Figur. Ihr Gemüt wirkte viel ruhiger als zuvor und dabei hatte sie nur die Hand auf ihrem Auge gelassen. Immer mehr verband er sein eigenes Schicksal mit dem Yuis. Auch sein Auge wirkte mit Impulsen und veränderte sein Wesen, nur: Bei Yui wirkte es mehr wie ein Fluch, den sie zu unterdrücken, versuchte. Ohne groß zu zögern, rutschte er mit seinem Hintern näher an sie heran und drehte seinen ganzen Oberkörper in ihre Richtung. Mit der eigenen Pranke legte er sich auf ihre Hand, auf ihr Auge. Wenn es ihr wirklich half, sich besser zu fühlen und sie ebensolche Impulse verspürte wie der Tristam, dann war es das Gefühl, verbunden zu sein, welches ihn zu dieser Tat drang. Dass er nicht ein Sterbenswort von sich gab, war auch für ihn erstaunlich, nur seine Augen waren aktiv.
Sein Versuch die Kleine zu stützen, ging in ihrem Schmerz vollends unter, während sich jeder einzelner Muskeln in ihrem Körper bis zum Zerreißen anspannte. Warum jetzt? Warum gerade hier? Ihr Atem ging flach, während sie das Blut in ihren Ohren rauschen hören konnte. Obgleich ihr schwindelig war und sie wahrscheinlich einfach wie ein Sack Reis umgekippt wäre, verharrte sie an Ort und Stelle. Mathéo schenkte sie keine Aufmerksamkeit mehr, er sprach ohne hin nicht, weshalb sie sich auf die Stimme und das Ebenbild, jenes sich vor ihrem geistigen Auge aufbaute, konzentrierte. . „Wie wärs.. ich amüsiere mich etwas mit dem Burschen.. wie damals mit den Hausangestellten..“ Yui stockte der Atem. Damals? Was war damals geschehen..? Nur flüchtig zogen verschwommene Bilder vor ihrem geistigen Auge vorbei. Sie konnte nichts erkennen und obwohl sie sich dazu zwang sich zu erinnern, kam sie zu keinem Erfolg. Verschwinde, bitte, flehte sie ein letztes Mal, bevor die Näherung des Rotschopfes sie aus der Gedankenwelt zurück in die Realität holte. Er hob die Hand – hatte er etwas bemerkt was hier vorging? Was wollte er? Verängstig kniff die Schwarzhaarige das „normale“ Auge zusammen und wich etwas zurück. Sie wusste nicht was er von ihr wollte, wahrscheinlich gab es nicht mal einen Grund für Angst, doch sie war vorsichtig – insbesondere dann, wenn sie drohte gegen das Chaos zu verlieren. Immerhin wollte sie niemanden verletzten. Bitte nicht.. Die Befürchtung, dass er ihr etwas antun würde, was sie körperlich lädieren würde, zog von dannen, als sie seine Hand auf ihrer, welche nach wie vor auf dem unheilvollen Auge ruhte, spürte. Zögernd schlug das Lid auf, fixierte das Gesicht des Dämons und suchte irgendeinen Punkt an welchem sie festhalten könnte, bis es schließlich an seinem smaragdgrünen Seelenspiegel hängen blieb. Die Berührung allein reichte aus, um die Blockaden zu lösen. Binnen eines Herzschlages zerfloss das engelsgleiche Gesicht in bitteren Tränen, während ein Schluchzen die herrschende Stille durch schnitt. Und damit hatte sie ihr Versprechen gebrochen, sie wollte doch Stark sein – doch wie? Auch sie besaß ihre Grenzen und diese waren erreicht. Es ging nicht mehr. Ihre rechte Hand fuhr hoch, die zierlichen Finger schlangen sich um seine Hand, jene neben ihrer enorm groß erschien, nahmen sie von ihrem Auge herunter, bevor dieses aufschlug und den jungen Mann nur kurz ansah. Die Veränderung der Iris war nicht abzustreiten, immerhin hatte sich ein roter Ring um die Pupille gebildet, der in die verschiedensten Richtungen ausstrahlte, doch solang es nicht die Farbe des rechten Okulars annahm, spielte es keine Rolle. „G-Gomen…“, presste sie hervor, obwohl sie doch wusste, dass der Tristam kein Wort japanisch verstand, aber in diesem Moment war das egal. Bitterlich vergoss sie die Tränen, bevor die Visage hinter ihren Pranken verborgen wurde, sie sich den freigewordenen Gefühlen hingab. Sie waren nicht mehr zu halten. Die freigewordenen Emotionen brachten sie zum Schwanken und Torkeln, bis sie fiel – metaphorisch gesehen, denn Yui saß noch immer auf der Bank. „Gomene… Gomene Himura-san..“ Obgleich er nie ihre Worte hören würde, entschuldigte sich die Schwarzhaarige bei ihrem Vormund. Sie konnte nicht halten, was sie ihm versprochen und sich selbst vorgenommen hatte. Sie war viel zu schwach. Die Arisako ertrank in einem Tränen mehr, während sich das Chaos an ihrem Leid ergötze, sich darüber amüsierte und hoffte endlich frei zu kommen. Nichts hinderte das Monstrum noch. Die Stimmung der Waisen war zerstört, der perfekte Zeitpunkt um frei zu kommen, doch das Siegel, welches sie über ihren ganzen Rücken trug, hielt die Bestie auf. „Das hält ja niemand aus!“, ertönte das Votum, welches sie so lange verdrängt hatte, ehe die Hände sich in die schwarze Mähne krallten und sich verzweifelt auf die Ohren pressten. „Ich will dich nicht hören. ICH WILL NICHT..“ Yui’s markerschütternder Schrei erfüllte die angenehm warme Luft, scheuchte ein paar Vögel, die auf den entfernten Bäumen saßen, auf. Das neben ihr noch jemand saß, war in den Hintergrund geraten, bis sie nur einen Wimpernschlag lang zu Mathéo saß. Durch die Tränen sah sie nur die Konturen seines verschwommenen Gesichtes, die Details waren schon lange verloren gegangen. So viel zu ihrem Versuch die Beherrschung nicht zu verlieren…
Matheo
Mathéo Tristam
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Was in aller Welt? Was in aller Welt geschah hier? Die Brauen kamen sich immer näher, die Stirn legte sich in Falten und die Augen wussten nicht mehr weiter, als aus seinem Kopf herauszuspringen. „Yui?“ Er sprach nur leise zu ihr, denn die Fassung hatte ihn verlassen, ebenso die Stimmkraft. Yui hatte seine Hand gegriffen, als brauchte sie einfach etwas zum festhalten. Was aber viel schlimmer war, sobald die Berührung nur entstanden war, begannen ihre Augen, zu glänzen. Sie wurden immer feuchter und das Sonnenlicht spiegelte sich reflexartig in ihren Tränen. Schon floss der erste Bach über ihre Wange mit einem Schluchzen im Nachzug. Mathéo war baff, sprachlos – er suchte nach eine Antwort für diese Reaktion. Wie in aller Welt hatte das alles hier angefangen gehabt, fragte er sich. Sie hatten sich einfach unterhalten, fragten sich gegenseitig über ihre Auffälligkeiten, ihr Wesen aus, bis Yui plötzlich anfing, sich merkwürdig zu verhalten. Und dabei wusste Mathéo nicht, wo der Hund begraben lag. Und dabei konnte er solche Handlungen ganz und gar nicht ab. Ein wenig Aufregung hier und da, Abenteuer, Gags und Durcheinander belebte die Seele – Menschen wie Dämonen. Aber … was er nicht leiden konnte … waren solche unnötigen dramatischen Einlagen. Dieses Geheule, sie hätte ihm wenigstens einen Grund nennen können, ehe sie anfing, die Niagarafälle nachzuahmen. Sie hätte nur ein Schild beschriften können, auf dem oben stand: Ich habe meine Tage und bin emotional gereizt! Aber nein, sie legte ohne Vorwarnung los. Ob sie immer noch wegen der Lügengeschichte so geknickt ist? Ach, Quatsch. Da gab es keinen Reim für Mathéo, absolut keinen. Yui begann sogar, Japanisch zu brabbeln, was Mathéo nur dann verstanden hätte, wenn sie den Mund ordentlich öffnen würde bei abgeschaltetem Springbrunnen, denn: ein wenig Japanisch verstand er noch. Das Nötige brachte man ihm früher bei, ein Mann von Welt wie der Tristam brauchte seine Grundpfeiler in jeder Sprache. Und dann schrie sie. Sie schrien ihn an, sie wolle ihn nicht hören. Mich? Dabei hatte der Tristam doch nichts nennenswertes von sich gegeben. Dieses Auge, irgendwas herrschte doch in ihr, was sie so beschäftigte. Schizophrenie? Er erinnerte sich wieder an die Worte über Himura-san. All das musste zusammenhängen. Das, was sie jetzt beschäftigte musste die Gefahr sein, welche Himura-san nur durchstand, weil er ein Dämon war. Was um alles in der Welt ist sie? „YUI!!!“ Eben schon schreckten ein paar wenige Vögel auf, als Yui ihren Schmerz ausdrückte. Doch nach diesem eindringlichen Ruf schreckten sie alle auf. Sie bebte über den gesamten Spielplatz – diese Stimme. Mathéos Hand griff fest nach ihrer, nicht zu stark, dass es ihr schmerzte, aber kräftig genug, damit sie ihn spürte. Wärme drang durch seinen Körper bis in seine Hand. Diese Wärme wurde zu Hitze, Heißblut eines Dämons. Eindringlich blickten ihn seine Augen an. Mit der freien Hand griff er ihre Schulter und richtete das weinende Mädchen vor sich an. Sie musste damit aufhören, sich so fallen zu lassen, zumindest nicht so lange, wie er sie festhielt. „Was soll das?“ Seine Stimme war immer noch geladen, jedoch schwächer als zuvor. Man merkte ihm das Zerren an dem Stimmband an. Nach der Ruhe diesen krassen Ton abzudrücken, hatte ihn gefordert und so klangen seine folgenden Worte heiser, bis das Ende sich wieder erholen konnte.
Erneut wurden Vögel aufgescheucht, doch dieses Mal war es nicht sie, die schrie nein – Mathéos Stimme ließ die warme Luft bedrohlich vibrieren, schreckte selbst das Chaos in ihrem inneren für einen kurzen Augenblick ab. Yui hingegen warf einen perplexen Blick auf den Jungen, bevor das, was in den nächsten Herzschlägen geschah, an ihr wie ein schlechter Film vorbeizog. „Ist ja niedlich Mr. Pirat. Schade, dass er früher oder später auch mein Opfer werden wird“, gluckste das Monstrum, als es sich, im Gegensatz zu dem Wirt, gesammelt hatte. Sein Ruf hatte sie nur verschreckt, doch was darauffolgen sollte, hätte sie nicht erwartet. Nicht mal im Traum. Hastig schnellte seine Hand hervor, ergriff ihre mit festem Griff, bevor die freie sich ihre Schulter schnappte und die junge Frau aufbaute. Überrumpelt davon warf sie im ersten Moment den Kopf in den Nacken, sog dabei scharf die Luft ein um die Lungen mit dem nötigen Sauerstoff zu versorgen. Ihre zierliche Hand wurde warm, wenn nicht sogar richtig heiß, in seiner groben Pranke. Nur unendlich langsam ließ sie ihr Haupt sinken, begleitet von einigen Strähnen, welche sich in ihr verheultes Gesicht verirrten, funkelten ihre noch immer unterschiedlich farbigen Okulare den jungen Mann erschöpft, als auch verzweifelt an. Die Halbdämonin fühlte sich schuldig, weshalb sie seine Frage auch als berechtigt sah – nur wie sollte sie ihm das erklären? „Na los klär ihn schon auf… und fall in Ungnade.“ Sie würde, sollte das Votum des Chaos‘ nicht bald verstummen, wahnsinnig werden. So viele Jahre war es verstummt gewesen, warum kam es wieder? Selbst wenn ich etwas falsches tue.. kann ich mich nicht mehr erinnern, um es zu bereuen. Je öfter sie an das eigene Schicksal dachte, umso klarer wurde ihr, wie nutzlos sie doch eigentlich war. Sie ließ seine Worte noch etwas in der Luft hallen, ließ ihren Klang abklingen, bevor auch langsam ihre Tränen ein ende fanden. Sich nicht aus seinem Griff lösend, fixierte sie sein Auge, atmete ein letztes Mal ein, bevor sie sich daran machte, seine Frage zu beantworten – und das ehrlich. „Was das soll?“, wiederholte sie seine Frage mehr für sich, als für ihn und bemerkte zu ihrem Pech, dass das Schreien keine so gute Idee gewesen war. Die melodische Stimme hatte darunter gelitten, auch wenn sie nach wie vor einen wohl klang besaß, konnte sie nicht lauter sein als eine piepsende Maus. Ihre Mundwinkel zuckten kurz in die Höhe, bevor sie genauso schnell fielen. „Ich will ehrlich zu dir sein Mathéo. Versprich mir, dass du es für dich behalten wirst, ja?“ Ihr Augenpaar suchte nach einer Antwort in seinem smaragdgrünen Auge, weshalb sich der Schleier der Stille über die Beiden legte, bis sie sich sicher sein konnte, dass er alles, was sie ihm erzählen würde, für sich behalten würde. „Mein Gedächtnis reicht nur über 13 Stunden. So gesehen, war ich gestern eine andere Person als heute. Selbst wenn ich den Morgen erlebe, werde ich nicht zu dem Menschen werden, der ich dann sein sollte. So war ich schon immer. Und so werde ich auch immer bleiben“, erzählte sie ihm ihr unglückliches Schicksal. Obwohl sie äußerlich wieder langsam die Ruhe selbst geworden zu sein schien, tobte in ihrem inneren ein Sturm – schlimmer als jeder Orkan, ausgelöst durch die Bestie. Ein Sturm aus Zweifel und Angst, dennoch fuhr sie fort, um ihr Wort zu halten. „Der Grund dafür ist der Dämon. Ich weiß nicht was damals geschah, nur das Himura-san als einziger von den Personen, die im Haus lebten, übrig blieb.“ Das Augenpaar senkte sich, betrachtete schuldbewusst das Holz der Bank, während sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, um fortfahren zu können, doch solange das Chaos sich nicht zurück zog, konnte sie das nicht. „.. hast du sonst noch Fragen?“, beendete sie kurzerhand ihren Monolog und hob das Gesicht wieder an.
Matheo
Mathéo Tristam
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Das war es? Ein Dämon? Mathéo entließ sich seiner angespannten Haltung. Seine kochende Hand ließ von Yui los, ebenso verließ er ihre Schulter. Sein Körper sank seelenruhig zurück, lehnte sich an die Bank. Der rote Schopf fiel über den Nacken und baumelte rückwärts mit den Augen von dar Bank gar abgewandt. Dabei waren die Lider sogar geschlossen. Ein Seufzen war zu vernehmen, ein Verschnaufen, ein Durchatmen – die Ruhe kehrte wieder in seinen Leib, die Seele ebbte, speckte den Stress von ihren Hüften ab. „Mein Gott, warum hast du das nicht gleich gesagt? Wenn’s mehr nicht ist; ich dachte schon …“ Ja, als wäre es nichts Schlimmes, lehnte er sich entspannt zurück und lauschte den letzten Flügelschlägen, die noch im Takt waren, den Spielplatz hinter sich zu lassen. Mathéos linke Pranke rutschte über die Banklehne hinter Yuis rechter Schulte hin zur nächsten. Aber anstatt sie dort zu platzieren, rauschte sie überraschend nach oben und fuhr durch die schwarze Mähne. Ein, zwei Mal ging’s hin und her, dann ließ er ab; der Arm blieb auf der Lehne liegen. Na, ja, als hätte ich es mir nicht denken können. Was ich nur merkwürdig finde: Sie spricht davon, dass der Dämon Grund ist, sie sagt aber nicht, dass sie der Dämon ist. Ich hätte es doch so formuliert, dass meine dämonische Art der Grund ist oder so, aber sie … Es klingt, als wäre er nur ein Teil von ihr und dazu auch noch ein unerwünschter. Aber egal, solange es nur so ein Teufel ist, der in ihr haust, kann’s mir egal sein. Der kann sicher auch für etwas Action sorgen und nicht nur für Heuldramas. Wenn sie durchgängig so ein Sturzbach ist, wär’s mir zu anstrengend. Aber … wenn sie alle 13 Stunden ihr Gedächtnis verliert? Mein Teufel, was man da nicht alles anstellen könnte, ohne dass einen am Ende das Gewissen plagt. Experimente ahoi, Bereuen gibt’s nicht. „Mach dir keinen Kopf, ich verrat schon nix. Hätte auch nichts von oder?“ Doch Mathéo tat weiterhin nachdenklich und das sollte sie ihm ansehen können, denn in seinem Kopf bauten kleine Steine große Türme. „Aber sag mal, du verlierst alle 13 Stunden deine Erinnerungen? Das heißt, was du jetzt tust, kümmert dich morgen nicht mehr?“ In Mathéos Kopf sprangen gerade Gedanken herum, die vielleicht nicht für jedes Ohr geeignet wären, dabei hielt er sich wirklich noch zurück, aber ein Mädel, welches machen konnte, was sie wollte, ohne dass es sie am nächsten Tag zu kümmern hatte, wo traf man so was schon mal? Unterwürfig – musste er zugeben – überkam ihn ein schlechtes Gewissen, dass er diesen ausnutzenden Gedanken bekam. Und umso mehr es ihn überkam, dieses unterwürfige Gefühl, desto mehr schwankte seine Entscheidung. Noch ehe Yui auf ihn reagieren konnte, schloss er noch ein paar Worte an. „Aber du hast ja eine Lösung für dich, ansonsten wüsstest du doch nicht mal mehr, wer du bist oder? Was machst du, damit du dich wieder erinnerst?“ Mathéos Kopf hatte sich aus seiner Pause erholt und stand wieder fest auf seinem Hals, der eindringlich und grinsend zu Yui blickte – die Note Neugier lag ihm breit ins Gesicht geschrieben.
„Tut mir Leid“, entschuldigte sich die Waise brav, den Kopf schief legend und wie ein Unschuldslamm lächelnd. Es war nie ihre Absicht gewesen, den Jungen zu verunsichern oder in Panik zu versetzen – einzig und allein das Chaos war daran schuld, welches sich laut über die Aussage des Rotschopfes ärgerte. Unbemerkt und unbeabsichtigt zog ein amüsiertes Grinsen über die Lippen des Mädchens. Manchmal war die Ärgernis oder das Leid des Monstrums die Welt für sie. Obwohl sie weder sadistisch noch sonst irgendetwas war, freute es sie in diesem Moment, dass die Bestie doch Schwächen besaß und vielleicht doch zu bändigen war – natürlich nur, wenn sie sich nicht fallen ließ. Ihr Augenmerk lag auf Mathéo, jener sich entspannt zurück lehnte und sich der Ruhe hingab. Sie hingegen wandte ihren Blick wieder gerade aus, den Spielplatz gelangweilt musternd. Es wunderte die junge Frau nicht, dass sich keine Kinder mehr hier zum Spielen und Toben trafen. Das Örtchen war herunter gekommen, dennoch fand sie es – sah man vom eigenartigen Geruch, der vom Sandkasten aus ging, ab – äußerst idyllisch. Vielleicht war es auch die Einsamkeit, jene diesen Ort umgab, welche sie so sehr faszinierte. Sie würde wohl öfters hier sein. Die Regungen seitens des männlichen Dämons registrierte sie viel zu spät, weshalb sie das durchwuscheln ihrer Haare nicht verhindern konnte, aber zugegebener Maßen, störte sie das nicht einmal. Mittlerweile sah sie den Tristam doch als eine Art Freund an. Dabei sollte ich mich doch nicht in so etwas hineinsteigern…, meldete sich ihr Gewissen wieder, erstickte den Keim der kurzen Freude und ließ den alt eingesessenen Ausdruck zurückkehren. Eine nichtssagende manifestierte Miene. Es war seine Frage, welche den matten Glanz aus ihren Augen vertrieb und gegen etwas fragliches ersetzte. „Nein. Wichtige Dinge präge ich mir stets ein. Auch wenn ich manches nicht mehr bereuen kann, wird es mein morgiges Ich schon kümmern“, beantworte sie seine Frage – sich insgeheim selbst die Frage stellend. Kümmerte es ihr morgiges Ich wirklich, was das gestrige tat? Sicher, wenn sie verletzt wäre bestimmt – aber andere Dinge? Seufzend gab sich Yui geschlagen und sah ein, dass sie vermutlich keine Antwort finden würde, weshalb sie sich wieder dem Stillen seiner Neugier widmete. „Nun ja…“, nachdenklich legte sie die Stirn in Falten mit den Fingern auf ihrem Oberschenkel trommelnd. Ihre Haare fielen ihr unordentlich in die hübsche Visage, aber sie zurück zu werfen, daran dachte die 17-jährige nicht einmal, sondern legte sich die Antwort in Gedanken zurecht, bevor diese ausformuliert wurde. „… eigentlich wäre in meinem Zustand ein Schulbesuch unmöglich. Ich führe eine Art Tagebuch in welches ich alle Merkmale, alle wichtigen Details, Orte und mehr nieder schreibe, damit das morgige Ich sie lesen kann.“ Die Arisako brach mitten im Satz ab. Sollte sie ihm von dem Siegel erzählen? Ihre Laune hatte sich mittlerweile stabilisiert weshalb zu ihrem Glück auch das Chaos sich endlich zurückgezogen hatte und sie wieder ihren Gedanken nachjagen konnte, natürlich erst dann, wenn sie fertig war. „Bezüglich des Schulstoffs wäre das über die Jahre hin viel zu viel, weshalb ich ein Siegel über den ganzen Rücken trage. Die Wirkung ist einfach, es ermöglicht es mir schulische Dinge im Gedächtnis zu speichern, der Rest geht verloren“, beendete sie die Informationsrunde und warf endlich die Haarpracht zurück, bevor sie einige Male vorsichtig mit den zierlichen Fingern durch die Mähne kämmte, um sie wieder herzurichten. Der Pony wurde wieder vor das Auge gelegt, der Rest glatt gestrichen – ehe ihre Aufmerksamkeit wieder dem Dämon galt. Sie ging davon aus, alles wichtige beantwortet zu haben, aber was in seinem Kopf vorging, konnte sie – wahrscheinlich zu ihrem Glück – nicht wissen.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Mit ihrem lächelnden Gesicht vergaß Mathéo das eben Geschehene. Es war wie eine Scheidewand, die rigoros ins Zeitgeschehen gestochen wurde und keinen Einblick auf die Vergangenheit zulässt. Aber weder Schloss noch Riegel waren gegeben, denn niemand wollte darauf zurückblicken. Während Mathéo ihr aufmerksam zuhörte, war nicht viel von ihm zu vernehmen. Er unterbrach sie nicht, nickte nur. Sie sollte sehen, dass er ganz und gar bei der Sache war, wenn sie mit ihm redete. Frauen wollten doch, dass man ihnen zuhörte. Es war auch nicht langweilig, was sie sagte. Ein vertrautes Gefühl überraschte den Tristam, denn Yui sprudelte nur so mit ihren persönlichen Informationen heraus. Nach der jüngsten Einlage schien sie wie ausgewechselt, die Tränen trockneten davon, ihr Lächeln versteckte jeden Anschein. Yui sprach über ihr Tagebuch, welches zugleich ihr Gedächtnis war. In diesem schrieb sie also ihr tägliches Leben nieder, um es immer wieder nachlesen zu können. Wie alt sie wohl ist? Wenn ich jeden Tag etwas reinschreibe und jeden Tag meine Vergangenheit nachlesen muss … sie kann doch nicht alles lese oder? Sie ist sicher ungefähr in meinem Alter. Aber selbst wenn sie nur 10 Jahre alt ist, wann hat sie angefangen mit Schreiben? Sicher nicht seit ihrer Geburt oder hat sie diese Krankheit nicht seit Beginn an? Sitzt dieser Dämon erst seit einer bestimmten Zeit in ihr? Mathéo kniff die Augen zusammen, all diese Fragen, welche ihm durch den Kopf schossen, das konnte doch nicht sein. Wieso tauchten sie alle so plötzlich auf? Der Tristam dachte an sein eigenes Auge, dachte daran, dass es nur da war, weil er eben ein Tristam war – ein Dämon. Er hatte nichts „Fremdes“ in sich, welches ihn beeinflusste, ihn entstellte. Hatte er anfangs noch daran gedacht, dass sie sich ähnelten, merkte er nun, wie weit sie sich voneinander entfernten. Yui war vom Schicksal gezeichneter als er. Mathéo – er war ein Junge, der im reichen Hause aufgewachsen war, dem man alles geben wollte, was er brauchte, auch wenn es ihn am Ende nicht zufrieden stellte. Sein Blut war das eines reinen Dämonen. Er hatte keine Krankheit, keinen Twist im eigenen Körper, wenn nicht in seinem Kopf. „Hm.“ Das war so das Einzige, was er von sich gab, während er Yui lauschte, während sie sich ihm erklärte. „Ich hab‘ eigentlich so viele Fragen. Seit wann führst du dein Tagebuch? Da muss doch viel mehr drinstehen, als du mittlerweile an einem Morgen lesen kannst oder schaust du dir immer nur den letzten Tag an? Und … warum speichert dein Siegel nur Schulstoff? Woher kommt die Unterscheidung? Würdest du dir etwas nicht merken, was du während des Lernens mitbekommst, aber nichts mit dem Stoff zu tun hat?“ Er machte eine kurze theatralische Pause, eher er seufzte und weiter fragte. „Kannst du dir vorstellen, dass du jemals etwas absichtlich nicht in dein Buch geschrieben hast, weil du nicht wolltest, dass du dich daran ‘erinnerst‘? Würdest du gerne etwas machen, was du später nicht eintragen würdest?“ Der Tristam hob die Hand wieder, seine Finger kamen nur leicht an Yuis Wange heran, auf der ihm abgewandten Seite. Leicht verträumt beobachtete er ihre Mimik, blickte tief in ihr Auge – das andere blieb ihm verdeckt. Yui war so geheimnisvoll, dabei hielt sie sich offen und gab ihm viele Informationen frei. Anfangs war sie weder ein philosophisches noch wissenschaftliches Mysterium, was in ihr schläft, ist ein übernatürliches Rätsel, etwas, was mit Dämonenkräften zu tun hat und sich jeglicher menschlichen Erklärung entzieht. Für Mathéo also weniger interessant, da er sich lieber in die Wissenschaft wirft. Was ihn jedoch trotzdem anzieht, ist die philosophische Frage, die sich ihm immer näher aufdrängt. Was würde ich tun, wenn ich wüsste, es sofort wieder vergessen zu können?
Ihr Glaube, dass sie alle Fragen beantwortet hatte, stellte sich als falsch heraus – dabei hätte sie darauf kommen müssen, dass Antworten neue Fragen aufwarfen, doch soweit hatte sie nicht gedacht. Die Frage bezüglich des Siegels brachte Yui selbst ins Grübeln. So genau konnte sie ihm das nicht beantworten. Schließlich hatte ihr Vormund das Siegel angebracht, er hatte bestimmt seine Gründe. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie das Denken und Handeln ihres Vaters hinterfragte. Das blinde Vertrauen zu ihm ließ so etwas in solch einer innigen Beziehung gar nicht zu. Seine Entscheidungen waren stets richtig und sie fügte sich brav ihm. Es kam keine Widerworte, denn sie wusste: Himura-san wollte nur das Beste für sie. Erst als sie die sanfte und zugleich vorsichtige Berührung an ihrer Wange wahrnahm, sah sie zu ihm herüber – er besah ihr Gesicht hierbei peinlich genau, was der Halbdämonin die röte ins Gesicht steigen ließ. Die Wangen getaucht in ein zartes Rosa, sah sie beschämt zur Seite, denn ehrlich gesagt wusste die junge Frau nicht, wie sie in solch einer Situation zu reagieren hatte. Etwas unsicher verblieb sie in ihrer Position und der Rolle des Kunstwerkes – immerhin betrachtete man solche stets sehr genau – ehe sie sich etwas zurückzog. „Seit dem ersten Ausbruch des Dämons, also seit dem ich zwölf bin“, beendete sie das Schweigen, den Blick verträumt in die Weite richtend. „Demnach ist für mich vor fünf Jahren die Zeit stehen geblieben.“ Ein resignierendes Seufzend war die Folge, bevor sie sich in Gedanken selbst ohrfeigte. Sie hatte keinen Grund für Trauer – schließlich lebte sie schon lange genug damit. Sie war kein kleines Kind, das damit nicht umgehen konnte. Stumm glitt ihre linke Hand zu ihrem Nacken, den sie kurz hinab fuhr, als wolle sie nach dem Siegel tasten. „Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ein Blackout. Himura-san wird schon seine Gründe dafür gehabt haben…“ .. oder vielleicht konnte er nicht mehr tun, fügte sie in Gedanken noch an. Seine letzten Fragen hatten Yui zunächst verwirrt. Was hätte sie davon, wenn sie etwas tat und sich nicht mehr daran erinnerte? Sicher bei negativen Erfahrungen wäre es durchaus von Vorteil, damit würde sie ihre Seele vor unnötigem Schmerz schützen – aber es war ihre Pflicht. Ein Versprechen, welches sie zu halten hatte. Doch… das Bild eines alten Jugendfreundes zog an ihr vorbei, bevor sie wie vom Blitz getroffen, den Blick gen Himmel hob. „Es gab solch einen Fall. Zumindest einen ähnlichen, aber das ist schon einige Jahre her“, während die wohlklingende Stimme in der Luft hallte, schloss die Arisako die Augen. Genoss das warme Wetter und den sachten Wind, der in regelmäßigen Takten über den Platz fegte. „Es war.. eine kleine Jugendliebe? Jedenfalls riss ich die Seiten aus meinem Tagebuch, um nicht mehr daran zu denken. Ich wollte es beenden mit dem Wissen, dass ich ihn aus vollstem Herzen liebte. Nur..“ Die Waise schluckte. Ihr Hals fühlte sich trocken an, ein Kloß hatte sich gebildet, welcher nur schwerlich hinunter zu würgen war. Dennoch fuhr sie fort. „.. brachte er sie mir wieder. Ich habe es mir immer und immer wieder durchgelesen und eingeprägt, weil es mir wichtig war. Aber ob ich etwas machen würde, woran ich mich nicht erinnern wollen würde?“ Nachdenklich senkte sie ihr Haupt. Würde sie so etwas tun wollen? Und wenn ja was? Seine Frage warf einige bei ihr auf, aber so genau konnte sie das nicht beantworten. War sie überhaupt so spontan? „Ich weiß nicht“, kam es ehrlich von ihr, bevor sie wieder verstummte und nach einer Antwort suchte, die mehr Aufschluss gab.