Der kleine und bislang verlassene Spielplatz besitzt eine Schaukel, einen Sandkasten der grässlich nach verfaulten Eiern stinkt, eine Rutsche und zwei Bänken. Der Rasen sieht etwas fahl aus und man sieht dass ihm Wasser fehlt... Wenn allerdings die Sonne scheint, erscheint der alte Spielplatz relativ freundlich.
Schlechte Anmache? Ja sicher doch. Ich versuchte, mich nicht aufzuregen oder angegriffen zu fühlen, was mir wirklich immer schwerer fiel. Ich war nicht so der Typ Mensch - oder eher der Typ Kreatur - der alles über sich ergehen ließ und dann trotzdem noch nett war. Nett war ich eigentlich sowieso nicht und das bekamen die meisten auch zu spüren. >>Aber wahrscheinlich wurdest du ja noch nie angemacht.<<, sagte er widerlich lächelnd, ich tat es ihm bloß gleich und verdrehte dabei die Augen. Vielleicht war es einfach besser, wenn ich verschwinden würde. Aber nein, das sah dann sicher so aus, als würde ich die Flucht ergreifen. Cruel holte sein Handy raus und ließ es auf den Boden fallen, woraufhin es wieder nach oben in seine Hand sprang. Ging ein Handy davon nicht eigentlich kaputt? Also meines würde das ja wohl kaum aushalten.
>>Was deine Rasse ist, hab ich gefragt.<<, meinte er schließlich zu mir, nachdem er eine Sms abgeschickt hatte. "Und? Das heißt noch lange nicht, dass ich es dir sagen muss." bläffte ich zurück. Ich konnte auch anders. >>Also irgendwas stinkt hier definitiv nach Dinosaurier.<<, sagte er schließlich, doch ich wusste nicht wirklich, wie ich das nun auffassen sollte. Vielleicht war ich einfach nicht in der Lage, diesen Jungen richtig zu verstehen.
Schließlich fragte er mich noch, in welcher Klasse ich sei, dieses Mal glaubte ich sogar etwas mehr Nettigkeit in seiner Stimme hören zu können. "In der Sonnenklasse. Du?" sagte nun auch ich netter, um dieses 'Gespräch', was meiner Meinung nach auch keines war, weiter zu führen.
Ich kicherte belustigt. "Geht dich nichts an.", meinte ich um einiges ernster. Sonnenklasse, aha. Dann würde ich sie ja wohl kaum zu Gesicht bekommen~ Mein Handy machte Geräusche! Es lief 'show me your genitals' an, und ich sah, dass ich eine SMS hatte. Von Levi...was zur.. Ich seufzte. "Kennst du Menschen, die niemals ernst bleiben können? Ich schon.", meinte ich dann ein wenig frustriert. Vielleicht blieb ich ja selbst nicht ernst genug. Ich tippte eine SMS ein und schaute dann wieder zu Chloe. Also gut, mit der musste ich mich jetzt anfreunden, oder? "Auf welche Musik stehst du denn so?" Bitter, Smalltalk. Ich langweilte mich unglaublich. Und wenn sie jetzt wieder mit ihrem 'geht dich gar nichts an' beginnen würde, würde ich wohl verschwinden. In mein beloved Home. Was auch immer~ Ich hatte Lust auf nen tollen Shake. Milk-Shake. Shake. Meine Gedanken wurden sinnlos. Ich schaltete mein Handy aus, war nicht mehr erreichbar. So konnten meine Gedanken wenigstens nicht von Levi-Depp verseucht werden.
Ich verdrehte die Augen. Er war genauso wie ich, wenn es um das beantworten von Fragen ging. Aber es ging ja wirklich niemanden etwas an. Was hatte es mich zu interessieren, in welche Klasse er ging oder welcher Rasse er angehörte? Genauso wenig, wie es ihn zu interessieren hatte, in welche Klasse ich ging. Nur mit dem Unterschied, dass er die Antwort kannte und ich nicht. Ob ich Menschen kannte, die niemals ernst bleiben konnten, fragte er mich. Da ich sowieso kaum Menschen kannte, wohl eher nicht. "Nein, nicht wirklich. Aber ich kenne auch kaum jemanden, also ist das nicht wunderlich." Jetzt hatte ich ihm wieder einen Grund gegeben, mich runter zu ziehen. Na egal. "Eigentlich mag ich Musik im Allgemeinen gar nicht so gerne. Und wenn ich welche höre, ist es mir eigentlich egal, welche das ist." Ich erwartete nun, wieder einen dummen Spruch zu hören. Mit einer normalen Antwort jedenfalls rechnete ich nicht.
Was wir jetzt machen wollte er wissen. Er wollte was mit mir machen? Oder war das wieder nur ein Scherz? "Ich weiß nicht, was man in den wenigen Minuten noch machen kann, ehe der Unterricht anfängt, obgleich ich noch nicht mal weiß, ob ich überhaupt hingehe." Schule schwänzen tat ich nämlich zu gerne, besonders mit dieser Uniform. Ich war nur froh, dass ich den Mantel noch über Rock und Hemd trug.
Sie kannte kaum jemanden? Die Leute sprachen wohl nicht gerne mit ihr. Aha. Sie mochte also keine Musik. Böse stierte ich vor mich hin, als ich auf meine Uhr blickte. "Hast Recht, viel kann man jetzt nicht machen." Da konnte ich umso mehr jetzt abhauen, weil ich ja echt keine Lust hatte, mich mit niederen Leuten abzugeben. Das war nicht gut für den Blutdruck.
"Ja, war echt schön mit dir zu reden..." Wie war ihr Name gewesen? Naja, war ja auch nicht wichtig. Ich lächelte. Kurz, dann wieder nicht und erhob mich von der Schaukel, schwankte ein paar Schritte vorwärts [von dem Drehen war mir ja immernoch schwindlig..] und ging die nächsten paar Schritte durch den stinkenden Sand. "Ich geh dann zu meinem Unterricht." Der sicher nicht stattfand. Ich vermutete, Freistunde zu haben. Ja. Aber ihr ins Gesicht zu knallen 'alter, bist du langweilig' war nicht mein Ding. Oke, war es doch, aber ich war heute milde und viel zu depressiv gestimmt. Also entschied ich mich einfach dazu, nun zu verschwinden. Keine Lust auf gar nichts mehr. Was die anderen wohl so machten?
Und da verschwand er. Wieder war ich allein. Große Lust zum Unterricht zu gehen hatte ich auch nicht, weshalb ich noch einige Zeit auf der Schaukel sitzen blieb. Ich schloss meine Augen und ließ den Regen auf meinen Körper prasseln. Meine Haare waren schon völlig durchnässt und mein Mantel sah auch nicht viel besser aus. Aber mir gefiel es so. Es erinnerte mich daran, wie ich früher gelebt hatte und obgleich das keine schönen Erinnerungen waren, gfiel mir gerade diese. Im Regen sitzend, allein und völlig durchnässt. Sicher hasste ich es, allein zu sein. Doch den Regen liebte ich. Ich seufzte und öffnete die Augen. Ein wenig sah ich mich auf dem Spielplatz um. Und dachte nach. Über alles Mögliche, nur nicht über den Unterricht.
Erst der Wind, der durch meine Haare fegte, weckte mich aus meinen Gedanken. Plötzlich wurde mir sehr viel kälter als noch vor wenigen Minuten. Ich sah auf die Uhr. Der Unterricht hatte begonnen. Ich würde also zu spät kommen. Doch das machte mir nichts. Langsam stand ich auf, die Hände wieder in die Manteltaschen steckend, und machte miczh auf dem Weg zum Schulgebäude.
Irgendwie hatte sie sich … verlaufen? Ihr Plan das Waisenhaus genauer zu untersuchen war fehlgeschlagen, da sie sich draußen wieder fand an einem alten Spielplatz. Obwohl man es dem Platz ansah, dass sich wohl lange niemand mehr um den Rasen und alles andere gekümmert hatte, besaß dieser Ort etwas magisch idyllisches, was die Schwarzhaarige sofort in den Bann zog. Vielleicht war es auch nur die unterbewusste Verbindung mit dem Garten, welchen sie zu ihrer Zeit bei Himura stets besuchte, um allein sein zu können. Der unangenehme Geruch, der vom Sandkasten ausging, und an ein Katzenklo erinnerte, wurde hierbei vollkommen in den Hintergrund gedrängt, als wäre er nicht existent. Der warme Wind zog vorbei, spielte neckisch mit einigen ihrer Haarsträhnen, ließ die Blätter an den Baumkronen rauschen, während einige Blüten eines Kirschbaumes in der Luft tanzten. Yui hatte sich bereits auf einer der Bänke gesetzt den Blick starr auf die rosa Tänzer gelegt, während ihr eine alte Sage in den Kopf schoss. Hieß es nicht, dass unter einem Kirschblütenregen stets Leben endeten? War es nun an ihrer Zeit, das Jammertal auf Erden zu verlassen? Wäre die Last des Vergessens dann endlich von ihr genommen? Die rote Iris folgte der Blüte, ehe ihre zierliche Hand, viel zu schnell für das menschliche Auge, in die Höhe schnellte um nach einer zu greifen, doch sie entglitten. Nicht mal, dass bekam sie hin – war sie denn zu nichts gut? Nein, noch war sie nicht bereit zu gehen. Tänzelnd glitten die Blütenblätter über ihrem Kopf vorbei, wurden vom Wind hinfort getragen, wie gerne wäre sie so frei, wie sie gewesen. Aber das eigene Gehirn stellte ihre Fesseln der Gefangenschaft da. Für sie war die Zeit vor fünf Jahren stehen geblieben und obwohl sie sich nichts mehr als die Freiheit wünschte sich an alles erinnern zu können, war niemand da der ihr hätte helfen können. Ihre Augen nahmen etwas glasiges an, während sie nur eine Melodie summte, welche sie damals von ihrem geliebten Vormund beigebracht bekam, ehe der dazugehörige Text die schmalen Lippen verließ. „Iku yamakawa koesari yukaba sabishisa no, hatenamu kuni zo kyou mo tabi yuku*?“ Bilder alter Erinnerungen zogen an ihrem geistigen Auge vorbei, ihre Gedanken träge werden lassend und obwohl sie in Melancholie zu versinken schien, entspannte sich ihr ganzer Leib. Doch ein Gedanke blieb erhalten: Wer war sie schon, dass sie ihr Leben beklagen konnte? Es gab noch mehr Personen in dieser halbverrotteten Welt denen es schlecht ging, vielleicht sogar noch schlechter als ihr – wer gab ihr also das Recht? Blieb ihr überhaupt etwas anderes übrig? Letztendlich lebten sie alle in derselben Welt, deren Herz schon lange aufgehört hatte zu schlagen. Genervt zischte sie die Luft aus, bevor sie das hübsche Gesicht in ihren Händen verbarg, die Okulare zusammengepresst – sie wollte nicht mehr nachdenken. Je länger ihre Gedanken wie Aasgeier ihre Kreise in ihrem Kopf zogen, desto größer wurde ihr Leid, aber sie war es gewohnt. Eigentlich hatte sie nicht zu meckern, seit ihrem zwölften Lebensjahr drehten ihre Gedankengänge ihre Runden, während ihre Hoffnung, dass ein Ritter in Weiß, komm würde um sie aus der eigenen Hölle zu befreien. Doch es kam niemand. Sie war allein. Seit langem. Das Schicksal war nie auf ihrer Seite gewesen und würde sich wohl auch nie dazu entscheiden, doch noch brannte das Flämmlein der Kerze, noch war ihre Hoffnung nicht erloschen, auch wenn sich die Dunkelheit immer mehr um sie herum sammelte und sie im Keim ersticken wollte. ___
*Wie viele Berge und Flüsse muss ich überqueren, um das Land, in dem es keine Einsamkeit gibt, zu erreichen?
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Den Park musste er sich wirklich merken. So ein schönes kleines Fleckchen war sicher der perfekte Ort für eine Nachmittagssiesta. Die Bäume hatten genau an den richtigen Stellen Schatten für Besucher parat. Kein Sitzplatz wurde zur Sonnenbank und jeder Weg war hell erleuchtet. Bei Nacht würde das Ganze wohl besonders schön wirken. Also wenn er nicht zu früh ins Bett fallen sollte, würde er es sich sicher anschauen kommen. Was er sich jedoch weniger gerne anschauen kommen würde, wäre der Ort, den er jetzt vor sich hatte. Nach dem Park war es fast kein Gang mehr, da stach ihm ein kleines Gelände in die Augen, auf dem sich Spielgeräte für kleine Kinder befanden. Die Schaukel ragte für Mathéo am meisten heraus. Aber dieser stand auf so einem kargen Rasen, dass man sich wundern konnte, dass da überhaupt noch was anderes als Dünensand florierte. Zu alle dem schnupperte Mathéo einen abstoßenden Geruch. Die Richtung, aus der er kam, konnte ausgemacht werden. Möglicherweise hatte einer sein Katzenklo in dem Sandkasten ausgewechselt oder so. Zum Glück war das Teil noch weit genug entfernt, als dass es ihn umhauen konnte. Aber kein Wunder, dass hier kein Kind weit und breit zu sehen ist. Alles so leblos. Auf dem Rasen hätte ich auch mehr Angst, zu verrotten als alles andere. Da halfen auch die kecken Sonnenstrahlen nicht, das Bild zu verbessern. Wer einen guten Willen hatte, okay, der hatte Mitleid, aber da Mathéos Bett hier nicht stand, konnte es ihm gestohlen bleiben. Der Tristam war schon am Umdrehen, als ihn in genauer dieser Bewegung eine Gestalt auffiel, welche auf einer der Bänke saß. So ruhig?, fragte er sich. Glatt hätte er sie übersehen können. Dafür blieb sein Blick jetzt an ihr hängen. Von seinem Standpunkt aus sah er nur ihre linke Wange und das nicht mal direkt. Er stand weiter hinten, genau in ihrem toten Winkel. In seinen Gedanken fragte er sich, warum sie da so sorglos saß. Sie regte sich ja nicht mal merklich. Dagegen schwirrte alles um sie herum wild, wie es wollte. Nur sie verharrte. Und dabei sah sie aus der Perspektive gar nicht mal so schlecht aus, wie er meinte. Na, ja, was Besseres hab ich grad eh nicht zu tun. Also: auf, auf, Mathéo! Er wollte ja kein Ninja sein, trotzdem kam er nicht drum herum, seine Schritte leise zu setzen, damit sie sich nicht sofort nach ihm umdrehte. Dafür gab er ein keckes „Hoi“ ab, als er genau hinter der Bank stand. Mit einer Hand stütze er sich auf der Lehne, mit der anderen holte er Schwung und beförderte locker leicht den gesamten Leib über das Hindernis. Leicht rappelte die Bank, als sein Hintern platznahm.„Huch, hoffentlich bricht mir das Teil nicht weg.“ Vorsichtig betrachtete er das Material. Sollte noch halten. Mit einem frechen Grinsen hob er den Blick in die Augen seiner Nachbarin. Ohne abzuhalten, streckte er seine Rechte in ihre Richtung, in welcher er auch sein Katana hielt. „Kannst du mal grad halten?“ Ohne groß auf ihre Antwort zu warten, streckte er es ihr schon hin. Mathéo musste sicher gehen, dass sie ihm nicht abhauen konnte. Sollte sie ein kleines Mauerblümchen sein, wäre sie sicher gleich verschwunden, wenn er sie nicht eingebunden hätte. Und zudem: Wer konnte schon seinem fordernden Lächeln widerstehen?
Gleich einer Marionette, die sich nicht ohne einen Herren rühren konnte, verharrte sie regungslos auf der Bank. Sie hatte nicht viel zu tun. Nicht mal Unterricht hatte sie, wobei die Kleine nicht einmal ein Auge auf ihren Stundenplan geworfen hatte, aber man würde es ihr schon verzeihen, falls sie doch in der Schule zu sein hatte – immerhin war es ihr erster Tag. Gedankenverloren gab sie sich der Geräuschkulisse der Natur hin. So viele verschiedene Dinge, die sich andere einprägen konnten, nur sie nicht. Ihre Seelenspiegel geschlossen, versuchte sie abschalten zu können, soweit kam es erst gar nicht. Ihr Wunsch allein sein zu können zerbrach, wie eine in Trockeneis tangierte Rose, als hinter ihr eine Stimme ertönte, dabei blieb es nicht. Erschrocken fuhr Yui zusammen und wollte vor Schreck aufspringen, aber bevor sie ihr Vorhaben überhaupt in die Tat umsetzen konnte hatte sich das Gespenst neben sie gesetzt und hielt ihr eine Waffe hin. Perplex hob sie ihren Blick an, bevor dieser zurück auf die Hände gebannt wurde, als sie seine grünen Augen – pardon – sein grünes Auge sah und vor allem, dass sein Augenmerk auf ihrem Gesicht lag. Die blassen Wangen färbten sich für einen Moment rot, während sie verzweifelt versuchte ihre Gedanken zu ordnen, welche er mit seinem Erscheinen in Unordnung gebracht hatte. Ich darf nicht.. Die Arisako erinnerte sich stets an die Regel, welche sie sich zu halten hatte, aber konnte sie in einer Schule denn „überleben“ ohne sich auf irgendjemanden einzulassen? „Uhm.. hey“, entgegnete sie dem Rotschopf, wobei ihre Begrüßung unspektakulärer als seine ausfiel. Anstatt, wie es jeder andere getan hätte, musterte sie nicht den jungen Mann neben sich, sondern schenkte ihre Aufmerksamkeit dem Katana in ihren Händen. Solche Waffen waren ihr nicht fremd – schließlich lagen ihre Wurzeln weit im Osten. Es war vollständig in schwarz gehalten, weshalb es schnell abgetan war, bevor sich in ihrem hübschen Kopf die Probleme aufwarfen. Es herrschte eine peinliche Stille. Wie sollte man ein Gespräch beginnen, wenn man sich nicht mal mehr an die vergangenen erinnerte? Schwer schluckte sie den Kloß in ihrem Hals hinunter, sich schließlich etwas zu ihm zu drehen – ein schwerer Entschluss der gefällt wurde. Damit brach sie auch schon ihren Vorsatz, aber es ging nicht anders. „Bist du... neu hier?“, ihre melodische Stimme wurde eine Nuance leiser, bevor sie ein Lächeln aufsetzte, das sprichwörtlich so falsch wie das einer Schlange war. Im Nachhinein bereute sie es ihn überhaupt gefragt zu haben, vielleicht war er ein alteingesessener Bewohner und Schüler. Flüchtig und zügig ging sie die standardmäßige Musterung des Jungen durch. Er wirkte nicht allzu ungewöhnlich, lediglich seine rote Haarpracht und die Augenklappe auf seinem rechten Auge ließen sie etwas skeptisch, als auch neugierig werden. Das wird nicht gut gehen, mahnte sie sich selbst, denn sie wusste, spätestens, wenn sie alleine war, würde sie es bereuen, nicht gegangen zu sein. Insgeheim verdammte sie sich jetzt schon dafür. „Yui“, setzte sie an, irgendeinen Punkt in ihrer Umgebung heftend, bis ihr klar wurde, dass es offensichtlich an Kontext mangelte. „Ich heiße Yui. Mein Name lautet Arisako Yui.“ Die Mischlingsdame hatte ihn nun so oft wiederholt, dass selbst Taubstumme verstanden hätten wie sie hieß, aber sie wollte nur sicher gehen. Die Kleine wurde nervös, der Grund hierfür war die mangelnde Erfahrung, weshalb ihr eine blendende Idee fehlte, was sie tun könnte, bevor sich erneut das Schweigen wie ein Schleier auf die Beiden legte. Doch mehr als den Kopf schief legend, dabei immer noch daran denkend, dass ihr linkes Augeverdeckt blieb, lächelte sie den Burschen an.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
War ja eigentlich zu erwarten gewesen. So wie sie eben starr auf der Bank gesessen hatte, kann ich schon man glücklich sein, dass sie von alleine den Mund aufmacht. Aber wenigstens ist sie nicht aufgesprungen und davongerannt. Nur … dieses Lächeln, das kann nicht ihr Ernst sein. Dabei hat sie so ein schönes Gesicht. Mathéo zog einen ganz miesen Flunsch, als sie versuchte, ihn anzulächeln. Jeder Blinde hätte erkannt, dass es aufgesetzt war. Nicht mal, wenn er beide Augen zudrückte, wollte er glauben, dass sie ihn herzlich anlächelte. Fröhliche Grimassen waren wohl nicht ihre Stärke. Für Mathéo das typische Mauerblümchen: still, starr, wortkarg, schüchtern. Auf ihre erste Frage reagierte er nicht anders, als seinen Mundwinkel beizubehalten. Selbst als sie ihm mehrmals ihren Namen nannte, veränderte er sich nicht. Sie sollte gut sehen, wie er diesen Versuch aufnahm. Und selbst wenn sie nicht recht in der Lage war, glücklich zu schauen, brauchte sie nicht auf Mitleid hoffen. Wer das Glück im Leben nicht sucht, muss sich nicht wundern, wenn es ihm eines Tages so fremd erscheint und ungewohnt. Wunder allein, dass sie noch niemand als Glück finden wollte. Andernfalls muss sie es schon wieder vollkommen vergessen haben. Aber okay, dachte er sich nur. „Halt mal fest“, sagte er kurz mit einer leicht gereizten Stimme. Mathéo hatte beobachtet, dass sie die Saya des Katanas umschloss. Also konnte er just an der Tsuka ziehen, um die Klinge zu befreien. Mit einer gleichmäßig schnellen Bewegung kam das strahlende Metall so ans Tageslicht. Die Sonne strahlte immerhin noch emsig. Die Bodentemperatur war noch sehr angenehm und das würde sicher bleiben, solange die Sonne noch über dem Horizont schwebte. Der hellen Scheibe am Himmel das Katana entgegenstreckend ließ Mathéo kurz von seiner Unbekannten ab, um nochmal zu prüfen, wie sorgfältig er vorhin geputzt hatte. Und ohne den Blick wieder zurückzuführen, sprach er ihr. „Grins mich nicht an, wenn dir nicht danach ist, verstanden?“ Mit miesmutiger Stimme brachte er ihr die Bedingung vor, ohne ein Widerwort zu erwarten. Lebewesen – egal, ob Dämon, ob Mensch, ob sonst was – sollten ihrer Natur folgen und nicht aus unerfindlichen Gründen eine Maske tragen. Wenn ihr nicht danach war, ihn anzulächeln, sollte sie es nicht versuchen. „Das sieht wirklich schrecklich aus, wenn du es trotzdem versucht.“ Nun blickte er sie endlich wieder an, aber sein Blick war immer noch derselbe. Er tadelte sie allein mit seinem Wimpernschlag und noch mehr mit dem Stechen in ihrer Linse. Stille trat ein, als sie sich anblickten und eine flinke Brise sauste durch ihre Schöpfe. Bei Mathéo verbreitete es keine Sorge. Sein graues Stirnband mit dem blauen Schuppenmuster hielt die nötigen Haarbüschel fest im Griff und verhinderte eine Sichttrübung. Das Unkraut oben auf dem Kopf wackelte frei umher, aber das konnte es auch. Er würde es nicht dran hindern. Die Brise fühlte sich sogar ganz angenehm an. Ein Kuscheln von Daunen am eigenen Kopf, das mochte der Dämon doch. Mathéos Augen musterten das Gesicht seiner Banknachbarin nun gründlich. Sehr auffällig streifte er ihre Konturen ab. Um ihre Lippen machte er einen kleinen Looping, als hätte er sich verfahren und müsste nochmal drehen. Ein sehr zarter Anblick, sicher ein kleines Heiligtum für sich selbst, welches selten eine Hand berührt hatte außer die eigene. Aber als ihm plötzlich auffiel, wie tief er sich in diese Beobachtung versetzt hatte, nickte er ruckartig zurück, der Schreck in seinen Augen schrieb Geschichte. Perplex wandte er sich wieder seinem Katana zu, welches nachwievor gen Himmel stach. „Mathéo Tristam mein Name. Schön … dich kennen zu lernen, Arisako-senpai.“ Sehr viel wusste er nicht von den Begebenheiten in der asiatischen Welt, aber nachdem er Sibirien hinter sich gelassen hatte mit dem neuen Entschluss, auf diese Insel zu kommen, besorgte er sich einen Schnelltrainer im handlichen Buchformat. Die Schifffahrt über hatte er darin geschmökert. So gut er einige Dinge behalten hatte, versuchte er, sich anzupassen. Weniger wollte er es devot, vielmehr ging es um die neue Erfahrung. Es war eine fremde Kultur – vergleichbar mit einer neuen Betriebsanweisung für den DVD-Recorder. Daheim drückte man auf Power und Record. Hier drückte man erst auf Record und dann auf Power. Okay, zugegeben, das Beispiel ist blöd, aber wenn ich mich recht entsinne, nennen die Leute hier ihren Nachnamen zuerst und meist spricht man jemanden auch darüber an. Und dann diese ganzen Anhängsel. Das wird noch ‘ne schöne Schweinerei. „Und ja, ich bin neu hier. Ich wohne seit heute in dem Waisenhaus drüben. Schulwechsel und so, verstehst schon. Wohnst du auch dort? Du wirkst so verloren.“ Ihre Augen ließ er nicht los, keine Frage, aber sein Ausdruck hatte sich geschmälert. Mathéo forderte sie nun mehr nach Antworten als nach Reue.
Trotz seines eigenartig geformten Mundes, rührte sich bei ihr nichts, im Gegensatz zu anderen, die sich darüber amüsiert hätten, tat sie es mit einem schiefen Blick ab. Was ihn dazu brachte sein Gesicht so zu verunstalten, denn zugegebenermaßen stand ihm der Flunsch überhaupt nicht, war schleierhaft für sie, aber es hatte sie auch nicht zu interessieren. Vielleicht glaubt er mir ja. Yui hatte damit zu tun nicht über ihren Glauben zu Lachen. Sie war eine grauenhafte Lügnerin ihre Fähigkeiten darin waren nicht mal rudimentär genug, um irgendjemanden hereinlegen zu können, aber vielleicht zählte der Rotschopf zu den wenigen, die ihr alles abkauften, was sie sagte. Just in dem Augenblick als er wenige Floskeln an sie wandte, sie solle es festhalten, festigte sich ihr Griff um das Saya. Ihre Vermutung bestätigte sich im Folgenden, als er die Klinge herauszog. Die Okulare des jungen Mädchens folgten dem Katana, ehe sie sich schmerzhaft zusammengekniffen, die Reflektion waren viel zu grell für sie. Seine Gründe für das heroische in die Höhe halten der Waffe reimte sie sich einfach zusammen, ins geheim nach Merkmalen seiner Persönlichkeit forschend. Wie?, kam es ihr in den Sinn als sie simultan zu seinen Worten, dass sie nicht grinsen sollte, wenn ihr nicht danach war, hochfuhr. Ihre Mundwinkel fielen abrupt und ihre Laune ebenso – zwar schwebte sie noch im grünen Bereich, aber sollte es so weiter gehen, dürfte sie die Stimme in ihrem Kopf bald wieder begrüßen. Stumm fuhr sie sich mit der freien Hand durch die schwarze Mähne, das linke Auge geschlossen haltend, bevor ein leises Seufzen ihre Kehle verließ. Sie hatte nichts anderes erwartet. Es war dumm von ihr zu glauben, dass er den Köder geschluckt hätte – immerhin schien er etwas im Köpfchen zu haben. Die sachte Brise, welche die eintretende Stille begleitete, warf ihren Haarschopf durcheinander, auch wenn sie versuchte alles noch glatt zu halten, aber ihre lange Mähne war nicht zu bändigen. „Danke“, kam es trocken von ihr. Es klang für Yui ungewöhnlich hartherzig, dabei meinte sie das nicht einmal böse, aber sie wollte seine Worte nicht schweigend aufnehmen. Erneut fiel sein Blick auf sie, diesmal fixierte auch sie sein Gesicht und registrierte wie deutlich er sie musterte, sein intaktes Auge – zumindest ging sie davon aus, dass dem anderen irgendetwas fehlte – sog einem Schwamm gleich jedes Detail auf. Im Vergleich zum ersten Mal blieb das Rot werden aus, warum auch immer. Komischer Kauz.. Es war offensichtlich, dass er sich vollends in der Musterung verloren hatte, was sie nicht nur aus seiner ruckartigen Reaktion herauslas. Ein leises Kichern entkam ihr, aber sie fand es witzig, besonders sein Gesichtsausdruck entlockte ihr es. Etwas das man bei ihr leider weniger zu hören bekam. Ihr Lachen war rar und selbst sie war jedes Mal überrascht darüber, wenn sie es den mal tat. Es war nicht nur sein „wach werden“, sondern auch der Fakt, dass er sich scheinbar mit der Ansprechweise aus Asien auskannte, obwohl sie – so schloss sie durch seinen Namen darauf – nicht aus diesem Bereich der Welt stammte. „Wird dein Arm nicht langsam taub?“, fragte sie ihn mit großen Augen, bevor sie sich über seine letzte Frage her machen wollte. Interessiert blitzen ihre Okulare auf, bevor sie das Saya auf ihren Schoss legte, um beide Hände frei zu haben – mal abgesehen davon, wollte sie es nicht die ganze Zeit vollkommen beklemmt festhalten. „Lass das Suffix weg...“, begann sie mit gefasster Stimme, „.. ich bin nicht länger hier, als du es bist. Ursprünglich hatte ich gar nicht vor gehabt hier draußen herum zu geistern, aber mein Orientierungssinn ist nicht der beste.“ Das sollte seinen Wissensdurst zunächst gestillt haben und das hoffentlich für einen längeren Zeitraum. Yui war kein Fan von Fragespielen, insbesondere wenn es um sie als Person ging. Aber einiges hatte sie sich in Gedanken schon zurechtgelegt. Mathéo schien einen großen Wissensdurst zu haben oder scheute sich nicht davor neue Kontakte zu knüpfen. Dennoch war er ein anderes Kaliber an Gesellschaft, denn im Vergleich zu anderen war er viel redseliger. Die Arisako umgab sich in ihrer Jugend nur mit den angestellten in der Villa ihres Vormundes und diese sprachen selten bis hin zu gar nicht mit ihr. Ihr Himura-san selbst war auch eher wortkarg, der Rotschopf hingegen hatte etwas Erfrischendes an sich. Er wirkte nicht so.. träge und leblos, wie der ganze Rest. „Kannst du damit umgehen?“ Eine ziemlich sinnlose Frage warum sollte er sonst im Besitz eines Katana sein, wenn er denn ihren Umgang nicht beherrschte, außer er war ein Sammler, der edle Stücke aus allen Ecken der Erde zusammentrug um sich daran zu erfreuen. Ihre Miene blieb ausdruckslos, lediglich der Funke an Neugier und Interesse in ihren Seelenspiegeln, jene starr auf ihn gerichtet waren, ließen sie lebendig und mit dem Geiste anwesend erscheinen.