Der kleine und bislang verlassene Spielplatz besitzt eine Schaukel, einen Sandkasten der grässlich nach verfaulten Eiern stinkt, eine Rutsche und zwei Bänken. Der Rasen sieht etwas fahl aus und man sieht dass ihm Wasser fehlt... Wenn allerdings die Sonne scheint, erscheint der alte Spielplatz relativ freundlich.
Die Augen wieder geschlossen, waren die Arme kurz darauf auch wieder vor der Brust verschränkt, während der andere damit beschäftigt war, seine Stimme lautstark durch ein Lachen zum Ausdruck zu bringen. Gut. Dann lachte er vielleicht für beide. War der Weißhaarige dazu gerade mehr als wenig darauf aus, sich nach außen hin über den davongegangenen lustig zu machen. Das machte er im inneren. Für sich und allein. Aber man nahm wenigstens seine Worte wahr. Baute sie sogar in seine Sätze ein. War doch in irgendeiner Hinsicht auch etwas für sich, nicht? Wie wahr konnte der andere darüber lachen. Der Stumme wiederum nicht. Schon allein seine Worte zum Schluss, Ravens Worte… - hatte er Unrecht getan? Die Brauen schoben sich durch diesen Gedanken plötzlich zusammen, als er die Arme sinken ließ und sich vom Baum abstieß. Hatte man ihm schon für seine Sünde vergeben? ”…und wenn schon.” Doch diese verflixten Worte erinnerten ihn an seine Tat. Die Tat, die er für Pater Vergilius vollzog. Der Tod. Eine Sünde. Der Weißhaarige hatte nicht vor, länger an diesem… nun verseuchten Ort zu bleiben. Seine Füße sollten ihn wegtragen. Am besten irgendwo hin, wo es seine Meinung nach, sündenfrei und auch besser war. Hier gab es keinen Grund, länger zu bleiben. Höchstens verging dabei ein wenig der Zeit, mehr war es dann auch nicht. Vielleicht fand er ja den Musikraum - wenn er sich vergewissern konnte, dass dort gerade keine Klasse war. Wenn nicht, dann vielleicht die Cafeteria. Hauptsache dort, wo er nicht noch mal auf diesen komischen Kauz traf. Sollte dieser sich noch einmal so etwas leisten, würde da auch eventuell der Stumme zu Wort kommen. Die Hände wieder in die Taschen gesteckt, wollte er den Spielplatz so auch wieder verlassen. War es ihm herzlich egal, ob man folgte oder auch nicht. Auch, wenn er zugeben musste, dass ihm Raven in dieser Hinsicht sogar lieber war, als dieser Andere. Blieb er so auch tatsächlich noch mal stehen und drehte sich leicht zum Schwarzhaarigen. ”Kommst du mit, oder willst du noch weiter hier bleiben?”, denn er wollte es nicht.
Man hätte ja wenigstens etwas erwidern können... Ja, diese innerliche Enttäuschung war gespielt, aber es hätte ihm keinen Arm gebrochen darauf einzugehen. Auf irgendeinen der Kommentare, die Raven verschwendete. Dabei fühlte er sich durch den letzten Satz des Weißhaarigen doch schon bestätigt. Wenn er den neuen Mitschüler mit dem Stirnband so betitelte, wie er es getan hatte. Deshalb bohrte er dort nun auch nicht mehr sonderlich nach. Viel eher galt seine Hauptbeschäftigung auch noch dem Nachgehen eigener Gedanken. Das Theater des Jungen ergab für ihn nach wie vor keinen Sinn. Was hätte es ihm gebracht, wenn Raven oder sein Begleiter diesen Runses kannten, nachdem er gefragt hatte? Wieso posaunte er das überhaupt bei zwei völlig Fremden hinaus, die sich – wären sie gesellig genug gewesen um auf solch einen Menschen treffen zu wollen – nicht hier verschanzt hätten? Naja.. nun war es nicht zu ändern. Es wurde einfach als weiteres Highlight des bereits sehr interessanten Tages abgetan. Ob er nun den Engel, seine neue Bekanntschaft oder der Schüler von gerade eben. Dazu der freie Morgen, der für seine Klasse ein wenig länger ausgefallen war, als für all die Anderen. Es war also – war der Fremde kein Schulschwänzer – auch so klar gewesen zu wem er letztendlich gehörte.
Er sah dem Weißhaar zwar nach, als dieses damit begann sich zu entfernen, rannte ihm aber nicht nach. Er hatte bisher zwar super die Rolle der Klette übernommen, aber wenn es ihm hier nicht gefiel oder Raven selbst das auch nicht tat, dann konnte er auch nichts dagegen tun. Aber es war ein guter Zeitvertreib und eine effektive Methode zur Bekämpfung von Langeweile gewesen sich mit ihm.... zu unterhalten? Ja, das war es in der Tat gewesen. Also auch schade drum, wenn es nun endete. Dann würde eine freie Schulstunde verbleiben, in welcher er nur sich selbst um sich hatte. Das war auf eine gewisse Art und Weise auch sehr entspannend. Umso mehr überraschte ihn so auch die Frage des Anderen, dem er einen neutralen Blick zur Antwort schenkte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt sah er auf zu den Krähen, ohne allzu lang zu überlegen. „Nachdem diese Person hier war, ist der Ort nicht mehr halb so glanzvoll...“ Sein Blick senkte sich wieder und er setzte sich in Bewegung. „Ich folge dir, wohin auch immer es geht~“ Und wenn der Weg direkt in die Hölle führte. Das hatte nun nichts mit inniger Freundschaft zu tun, welche hier auch irgendwie nicht als Beschreibung passte. Aber allein die Vorstellung war interessant. Vielleicht war er dort ja sogar noch besser bedient als hier. Und da er schon genug Sünden begangen hatte und auch sicherlich nicht von Gott zurück gewollt werden würde, hatte er sein Ticket nach dem Tod bereits sicher. Das hoffte er zumindest. Lief es bei Engeln so? Kamen die dann auch einfach nach unten um für ihre Untaten zu zahlen? Er würde es gerne ausprobieren. Ganz sicher.
Erstaunlich. Man schien ja regelrecht zutraulich zu sein, was das anging, um jemanden danach zu fragen, ob er folgen wollte. Das aber auch noch mit so etwas zu “bestätigen”. Hm. Aber dieser Ort schien einem wirklich wichtig zu sein. Waren es doch die Worte, die der Schwarzhaarige von sich gegeben hatte. Er hatte also seinen Glanz verloren. Glanz? Vielleicht für etwas anderes, aber das hier war doch nicht mal ansatzweise irgendwie glanzvoll… - jedenfalls nicht für ihn. Es war einfach ein miserabler Ort. Ein zweiter Friedhof, wie der Stumme dachte. Aber nun gut. Seis halt drum. Ob er hier noch einmal zurück kommen würde? Halt dann, wenn er der Erde absegnete. Dann vielleicht. Und wer wusste schon, wann jenes passieren würde? Vielleicht noch heute? Oder am nächsten Tag? Alles konnte passieren. ”Wie du meinst“, mehr sagte er nicht, wandte sich daher auch schon wieder nach vorne, um seinen Weg vorzusetzen. Er zwang Raven nicht dazu, ihm zu folgen. Sollte er es doch auch freien Stücken tun. Es war lediglich eine Frage, die man ihm gestellt hatte. Und keine zwanghafte. Aber die weitere Frage war nun halt, wohin? Es gab einige Orte, wo man hätte hingehen können. Abgesehen von den Schulzimmern, wo gerade der Unterricht der anderen Klassen von statten ging. Vielleicht wirklich in die Cafeteria? Dann konnte er sich wenigstens mit einem Kaffee beruhigen. Obwohl er eigentlich die Ruhe in Person war. Hoffentlich waren dort, wenn dann auch nicht allzu viele andere Schüler. Denn das, dass musste er gerade eben nicht haben. Hatte dem Weißhaarigen der Typ von eben doch wirklich schon gereicht. Und trotz, dass er keine Interesse hervorbrachte, konnte - von ihm aus - auch schon der Unterricht anfangen. So hatte man wenn dann wirklich einen Ort, wo man hingemusst hätte. Aber so. So war man gezwungen, sich die Zeit irgendwie zu vertreiben, indem sich ein Platz gesucht wurde. Bevor der Unterricht anfangen würde, wollte der Weißhaarige sowieso noch das Biobuch holen, was er für die folgende Unterrichtsstunde brauchen würde. Würde das im Lauf des Weges passieren. Ein Abwasch, wie man zu sagen pflegte. Aber jetzt erstmal war die Cafeteria dran. Steuerte der junge Mann so nun auch den Rücktritt an und hörte im Rücken noch vereinzeltes krächzen der schwarzen Federtiere.
Ob es nicht sehr cool von mir gewesen war, Levi einfach im Stich zu lassen? Achwas, der kam klar: Unkraut vergeht nicht. Betrübt gammelte ich mich auf eine Schaukel, von der ich erstaunt war, dass sie nicht einfach entzwei brach, das rostige Ding. Was heute mit mir loswar? Ich wusste es ja selbst nicht genau. Und so wartete ich, bis sich irgendwer hierher bequemen würde, während ich Snake auf meinem Handy spielte.
Was ich hier tat, wusste ich nicht. Aber ich musste raus aus meinem Zimmer, raus aus dem Schulgebäude. Der Regen war beruhigend und erinnerte mich daran, wie ich früher gelebt hatte. Sicher waren das keine guten Zeiten gewesen, aber ic konnte auch nicht behaupten, dass es besonders schlecht war - jedenfalls meist. Ich war froh, mir den Mantel angezogen zu haben, denn ohne dem wäre mir wahrscheinlich kalt, auch wenn es draußen eigentlich gar nicht so kalt war. Aber mit dieser blöden Schuluniform musste ich ja einen Rock tragen und ein Hemd, etwas, was ich sonst nie tragen würde.
Ich steckte meine Hände in die Manteltaschen und lief ein wenig auf dem Spielplatz herum, bis mir ein Junge auf einer Schaukel auffiel. Er saß allein dort, genau wie ich allein hier rum lief. Also beschloss ich, zu ihm zu gehen. Ich setzte mich auf die Schaukel neben ihm. "Tag." meinte ich zur Begrüßung, dabei sah ich allerdings auf den Boden. Auch wenn der Regen nicht sehr stark war, spürte ich doch, wie meine Haare langsam nass wurde. Noch ein kurzer Gedanke an früher brachte mich tatsächlich zum Lächeln. Ich sah den Jungen schließlich an. "Was machst du hier? So alleine?"
Ein Mädchen kam. Interessierte mich brennend, die Gute. "Alleine sein, schätze ich.", antwortete ich auf ihre Frage. Würde sie das weiterbringen? Solche Fragen kotzten mich an. Als würde es denn irgendwen interessieren, was man so machte, wer man war, wie alt man war. Als würde ich mich vor allem dafür interessieren. Ich seufzte. "Hey, ich bin Cruel.", wollten wir das Spiel doch mal mitspielen und sie möglichst viel fertig machen. So, psychologisch böse auf sie einwirken. "Und wer bist du? Wie alt bist du? Was willst du hier, so alleine? Hast du keine Freunde? Ist es das, was du sagen willst?" Oke, manchmal übte ich vielleicht auch zu viel Druck aus. Aber die kamen doch jetzt in die Welt der Erwachsenen, die mussten sowas aushalten. Ich gähnte offensichtlich und fing an, mich mit der Schaukel zu verdrehen, sie dann wieder loszulassen und zu lachen wie ein verspieltes Kind, während sie sich aufdrehte. Sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, schaute ich ernst, fing wieder an, die Schaukel zu verdrehen. Mir war sichtlich langweilig.
Dass er allein war, sah ich auch. Vielleicht wollte er es mir auch einfach nicht sagen. Fand ich aber auch nicht schlimm. Ich selbst hätte ihm wahrscheinlich auch nicht viel mehr gesagt. Was ging es mich auch an? Ich sah in den Himmel, die Regentropfen fielen mir ins Gesicht, in meine Augen. Immer wieder musste ich diese schließen, aber das war mir egal. Als der Junge sich schließlich vorstellte, sah ich wieder zu ihm. "Ich bin Chloe." stellte auch ich mich dann vor. Fragen hatte er ja viele. >>Hast du keine Freunde? Ist es das, was du sagen willst?<< hatte er zum Teil gefragt. Keine Freunde? Ich beschloss, mich nicht davon ärgern zu lassen. "Ich denke nicht, dass irgendetwas davon dich angeht." sagte ich stattdessen, mir war völlig gleich, wie er meine Antwort fand. "Aber da du mir ja so eine vielsagende Antwort auf meine Frage gegeben hast: ebenfalls allein sein." Cruel begann, sich mit der Schaukel zu drehen. Sah albern aus. Doch genauso wie ihm langweilig war, war mir das auch und so fing ich an, ein wenig mit der Schaukel zu schaukeln, nur ganz leicht und auch nur so, dass meine Füße noch immer auf dem Boden standen.
Sie hatte nicht verstanden, dass ich sie nur nachgeäfft hatte. Oder in dem Fall - vorgeäfft. "Hallo, Chloe", begrüsste ich sie, nur noch lustloser, als sie sich auf die Schaukel neben an setzte. Waren wir hier der Club der Depressiven, oder wie? Mein Blick fiel auf meine Füße, auf den Sand. Mir wurde schlecht. Zu viel gedreht, weisste. "Was bist du für 'ne Rasse?", fragte ich. Ich fragte mich, ob es hier eigentlich Leute gab, die gefährlich für mich sein konnte. Konnten Dämonen böse sein? Zumindest, zu mir? Konnten 'reine' Engel mir schaden? Mein eigener Feind war auch nur ich. Das pisste mich gewaltig an. Und jetzt hatte ich jemand neben mir, der von meinen inneren Konflikten nichts mitbekam. Die letzte Person, die jedoch etwas von meinen Konflikten wissen sollte, waren eigentlich alle. Ich wollte das mit niemandem teilen und an allerwenigsten mit Levi. Was würde er sagen, wenn ich verkünden würde, ich konnte mich erinnern? Irgendwo in meinem Hinterkopf war plötzlich die Tatsache aufgetaucht, dass ich in meinem Leben früher ein Star war. Und das war nichteinmal eingebildet. Es war Tatsache. Und weitere Tatsachen waren, dass ich berühmt wurde und starb, mich selbst umbrachte. Und durch's Selbstumbringen wurde man nunmal Todesengel. Aber wieso hatte ich mich umgebracht? Ich stöberte in meinem Hirn, obwohl es Verboten war, jedenfalls für mich, wenn ich nicht verschwinden wollte. Irgendwie musste ich mich ablenken. "Kennen wir uns?", fing ich ein Gespräch mit dem Mädchen an meiner Seite an, überlegte, worüber ich reden könnte, damit ich jeden anderen Gedanken zu verdrängen. Es war nicht so, dass ich der erste Todesengel sein würde, der verschwinden würde. Denn es war nach einer Zeit auch nicht sonderlich schwer, seine Erinnerungen wieder zu erlangen.
Seine Begrüßung klang nicht sehr interessiert. Aber ich konnte mich wohl glucklih schätzen, dass er mich überhaupt begrüßt hatte. Ich lächelte ihn dabei nur schwach an, bevor ich wieder in den Himmel sah. Manchmal, da dachte ich daran, was meine leiblichen Eltern gerade taten. Aber dann kam immer sofort die Frage in mir auf, warum sie mich auf der Straße abgelegt hatten und mich dort allein zurückließen. So war es auch jetzt in diesem Moment, denn der regen erinnerte mich an den ersten Tag, in dem ich auf der Straße ganz allein klar kommen musste. Das Schicksal hatte wohl gewollt, dass ich allein war.
Der regen fiel mir ins Gesicht und ich war in Gedanken, sodass ich dies kaum wahr nahm. Erst als cruel mich wieder ansprach, kam ich in die Wirklichkeit zurück. Ob wir uns kennen wollte er wissen. Ich zog eine Augenbraue nach oben. Die Frage wunderte mich. Woher sollten wir uns denn kennen? "Nein ich denke nicht. Wie kommst du darauf, dass wir uns kennen sollten?" fragte ich ihn, vielleicht würde so ein Gespräch zu Stande kommen? Auf jeden Fall wäre mir das sehr viel lieber als hier nur neben ihm auf der Schaukel zu sitzen und nur über das nachdenken zu können, was ich alles hatte bzw nicht hatte und was ich hier schon erlebt hatte. Über letzteres allerdings hatte ich, seit ich meine Beine auf diesen Spielplatz gelenkt hatte, nicht wirklich nachgedacht.
Hatte sie nicht zugehört? Unruhig schaukelte ich vor und zurück, hob eine Augenbraue, als ich sie anstierte. Also kannte ich sie nicht, ja? Gut. Wozu sollte ich sie auch kennen? "Das war nur eine schlechte Anmache, Chloe.", meinte ich frustriert. Dass sie das nichtmal merkte. "Aber wahrscheinlich wurdest du ja noch nie angemacht.", lächelte ich widerlich und drehte mich mit der Schaukel erneut. Schubidu. Ich seufzte, während ich mich an weiteres erinnerte. Es war Zeit, mit Levi darüber zu reden. Kurzerhand holte ich mein krasses mega fettes Handy aus meiner Hosentasche, schleuderte es einmal auf den Boden, worauf es mir wieder in die Hand hopste.
Als ich die SMS abgesendet hatte, wand ich meinen Blick wieder zu dem Mädchen. Vielleicht bot es sich ja an, netter zu werden. "Was deine Rasse ist, hab ich gefragt.", meinte ich doch ein wenig aggro. Auch wenn sie relativ nett aussah. "Also irgendwas stinkt hier definitiv nach Dinosaurier.", stellte ich fest und schaukelte wieder vor und zurück.
"In welcher Klasse bist du?", versuchte ich es erneut, nett zu sein. Dabei lag mir Smalltalk einfach nicht.