Der alte Friedhof liegt schon seit Jahrzehnten etwas abgelegen von der Stadt am Rande des Bambuswaldes. Früher glaubte man, dass das Urrudel der isolanischen Werwölfe die Überreste ihrer Verwandten hier begruben und den Friedhof selbst wie ihren eigenen Augapfel bewachten. Der Glaube an die Werwölfe im Friednhof ist zwar abgeschwächt, dennoch wird die Ruhestätte von vielen Inselbewohnern immernoch gemieden. Denn eines ist sicher: Zwar beerdigte das Rudel hier nicht seine Verstorbenen, dennoch kam es desöfteren schon zu einem Aufeinandertreffen zweier Parteien am Friedhof. Davon zeugen zumindest schiefliegende und halb zerstörte Grabsteine.
Erneut huschte der Blick der jungen Vampiresse zu der Statur von dem traurig wirkenden Angelus. Woher kannte Shusei eigentlich die legende dieses Mannes, Luca kannte diese nicht, sie hatte noch nicht mal eine Ahnung das es hier so eine Statur geschweige denn eine Person gab die dies erlebt hatte. Nun ja man lernte offensichtlich nie aus. Zu dem hatte sich Luca im Stillen vorgenommen das sie das nachsehen würde, wenn sie wieder in der Schule war, Irgendwo musste es ja Aufzeichnungen von Angelus geben notfalls würde sie Tag und nach die ganze Bibliothek auf den Kopf stellen und durchkämen bis sie was gefunden hatte. Aber das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt um darüber nachzudenken, immerhin hatte das Mädchen gerade ganz andere Probleme zum Beispiel mit ihrem derzeitigen Gefühlschaos klar kommen, was nicht unbedingt einfacher war als gedacht. Als Shusei meinte das Angelus wirklich traurig aussah aber damit nicht allein war, weiteten sich ihre Abermals, Ohje er hatte sie schnell durchschaut, dabei war sie ein Vampir verdammt, als sie hier angekommen war, war sie so viel kühler, und Vampirischer als sie es der zeit war. Luca lies ihren Blick sinken und lies sie Schultern etwas fallen, sie rechnete mit mehr aber der dunkelhaarige sagte nichts. Die Trauer diese Mitgefühl welches, Luca teils für Angelus empfand, weil sie ihm in der Hinsicht so ähnlich war. Sie konnte ihn verstehen den sie hatte dieses Leid wenn man so wollte selbst erfahren. Und dann folgte eine kurze stille, beide Vampire schienen in Gedanken zu sein, aber die Vampiresse mit den Kirschblütenfarbenen Haaren wurde aus diesen ganz schnell gerissen, den der schock saß nun tief, Shusei las aus ihr wie aus einem guten Roman, woher wusste der Vampir das nur, hatte er eine besondere Gabe in die Vergangenheit zu sehen, oder konnte er vielleicht Gedankenlesen. Ihre Hände wurden noch kälter als das sie es eigentlich schon waren, ihre Beine zitterten und sie musste nun stärker den je mit den Tränen Kämpfen. „es…ich…“ setzte sie an und musste erst noch einmal Schlucken um gleichzeitig auch nach den richtigen Worten zu suchen. „du hast Recht, ich war hier…mit Ihm“ antwortete Luca zunächst erst mal nur auf seine Feststellung. Langsam machte sie unsicher erst einen Schritt von ihm weg und sagte, mit dem Blick noch immer auf den Boden gerichtet. „es ist nicht, so das ich dich hierher genommen habe….weil ich mal hier war….ich mag diesen Ort wirklich…“ versuchte sie zu erklären irgendwie wollte sie nicht das Shusei sauer wurde. Aber noch immer konnte sie keine Worte finden, ihr Blick war auf ein Stein geheftet und ihre Tränen liefen nun vereinzelt ihre Wangen hinunter welche sie versucht hatte mit gewallt zurück zuhalten. Langsam hob sie ihren Kopf und nickte. „..du liest mich…wie ein Buch, ja du…hast recht, es war ein Vampir, den…welchen…ich ..li..liebte“ sagte sie und brach bei den letzten Worten ab und beobachtete Shusei aufmerksam und schüttelte den Kopf. Wieso konnte eine Person sie nur so schnell einschätzen, langsam schritt Luca auf Shusei zu und blieb vor ihm stehen und strechte ihre Hand nach ihm aus stockte aber und zog diese zurück und schaute weg „ich.... ja vielleicht habe ich das, aber nur um Lebwohl zu sagen“ pflichtete sie bei und machte einige schritte weg. Es war ein einziges hin und her. Bis Shusei auf die junge Montenegro zu ging und seine Hand auf ihre Wange legte und sanft und vorsichtig zugleich darüber strich. Mit leise und Sanfter stimme fragte er sie wieso sie sich das antat und nun konnte Luca Montenegro nicht mehr, sie brach in tränen aus und war dennoch still dabei ohne Augen ruhten traurig auf denen von Shusei. „ich will es vergessen, weiter machen…es ist schwer“ schniefte sie leise und legte ihre Hand auf die von Shusei, welche auf ihrer Wange lag. Der Arme Kerl musste sie nun so sehen, Peinlich, da war sich die Vampiresse sicher, sie würde spätestens am nächsten Tag im Erdboden versinken vor Scharm. Dennoch traute sich das Mädchen nicht, in eine noch nähre Berührung, eine Umarmung zu gehen auch wenn sie gerade wirklich eine Schulter brauchte um sich auszuheulen. Sie blieb einfach stehen. Und dann lächelte sie ein bitteres lächeln. „es tut mir leid, dass ist sicher das letzte, was du sehen wolltest, oder erfahren, ich schäme mich, weil ich so schwach bin…“ sagte sie und klang noch immer leise und dumpfer.
Betrübt musste Shusei mit ansehen, wie Luca ihm zwar zustimmte, sich dann aber von ihm entfernte und versuchte eine Rechtfertigung für ihr Verhalten zu finden. Doch der Vampir war auch danach noch der Ansicht, dass ihre Vorliebe für diesen Ort nicht alles sein konnte, was sie her geführt hatte. Als sie begann zu weinen, brach es ihm fast das Herz. Es war nicht seine Absicht gewesen, sie zum Weinen zu bringen und doch musste er zugeben, dass es so das Beste war. Sie musste den Schmerz rauslassen, sich ihm eine Zeit lang hingeben und trauern, um ihn verarbeiten und somit letztendlich überwinden zu können. Dabei war es ganz normal, dass sie sich davor fürchtete. Er konnte sie nur zu gut verstehen. Dass er sie, ihren Worten nach, wie ein offenes Buch las, brachte ihn jedoch kurzzeitig zum Schmunzeln. Mag sein, aber der Grund ist doch nur, dass ich dir helfen möchte, dachte er bei sich im Stillen. Was auch immer es war, was ihn so zu ihr hinzog. Es äußerte sich durch seine Hilfsbereitschaft ihr gegenüber, obwohl er sie doch noch gar nicht so lange kannte. Daraufhin überraschte sie ihn ihrerseits wieder, indem sie zu ihm zurück kam und sogar die Hand nach ihm ausstreckte. Oder zumindest sah es ganz danach aus, ehe sie sie wieder sinken ließ, ohne ihr augenscheinliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. So wie es aussah traute sich ein Teil von ihr noch immer nicht, über den Verlust und ihre damit verbundenen Gefühle zu sprechen. Zumindest sah sie ihn nicht an, als sie zugab sich eigentlich nur von diesem Vampir verabschieden zu wollen, der sie offensichtlich so sehr verletzt hatte. Erneut flüchtete sie vor ihm und trat einige Schritte zurück. Doch diesmal ließ er sie nicht gehen und war ihr gefolgt, woraufhin er ihr nicht nur kurzentschlossen eine Hand auf die Wange gelegt hatte, sondern sie auch gleichzeitig gefragt hatte, weshalb sie sich das antat. Natürlich wollte sie weiter gehen und all das hinter sich lassen. Doch der Vampir vermutete, dass sie es ganz falsch anging. Sie versuchte ganz offensichtlich zu verdrängen, was geschehen war und so funktionierte das schlichtweg nicht. Nun legte sie ihre Hand auf die seine und schniefte herzzerreißend. Sie tat ihm so leid, wie sie da völlig verheult vor ihm stand und nicht mehr weiter wusste. Hilflos sah sie ihn an und er wünschte sich nur noch, ihr helfen zu können. Ihr bitteres Lächeln war doch nichts weiter, als der klägliche Versuch ihre wahren Gefühle zu vertuschen. Er hatte sie längst durchschaut. „Du verstehst nicht. Es muss dir nicht leidtun. Es ist meine freie Entscheidung, hier bei dir zu sein“, sagte er leise. Ohne noch länger darüber nachzudenken, gab Shusei dem Impuls nach und zog Luca in seine Arme. Er bettete ihren Kopf auf seiner Schulter und streichelte er sanft über den Rücken. „Auch du darfst schwach sein. Daran ist nichts Verwerfliches. Lass es zu“, flüsterte er ihr leise ins Ohr, schloss selbst die Augen und hielt sie einfach nur fest.
In dem Augenblick war es Luca so ziemlich egal, was Shusei nun über sie dachte zu dem könnte sie spätestens am nächsten Tag noch einmal eine andere Luca zeigen, vielleicht konnte man ihn ja von ihrem 'eigentlichen' Ich überzeugen. Das Mädchen stand einfach nur so da und musste eingestehen das Weinen eigentlich gut tat, es beruhigte auf eine seltsame art und weiße, aber es tat weh, man zeigte Gefühle, schmerzen, auch wenn es Freudentränen gab, für Luca war es kein so schönes Gefühl, sonst machte sie diese Menschlichen dinge eher im Stillen, aber so war sie vor einem Jungen. Ja sie weinte vor einem Jungen, den sie kaum kannte. Sie hasste es einfach, eine art Buch zu sein, aber anscheinend konnte dieser junge, Gedankenlesen oder hatte einfach nur eine bemerkenswerte Auffassungsgabe oder auch Menschenkenntnis genannt. Doch in der ganzen Herzzereisenden Situation war Shusei ihr nachgelaufen, er wollte den abstand wahrscheinlich einfach klein halten aber half er ihr auch, mit seiner nähe und seiner Anteilnahme. Seine sanfte Berührung und ihre Reaktion, der Impuls die hand auf seine zu legen, ließen etwas Hoffnung in ihrem inneren aufflackern, tief in ihrem inneren. So tief dass es schon fast verschlossen war, wie eine Kiste. Bisher hatte Luca all ihre Gefühle immer sehr gut verschlossen und zeigte diese nie in der Öffentlichkeit, aber nun bröckelte ihre Fassade sehr. Nein. Sie war bereits kaputt. Zerbrochen wie ein Spiegel, in viele kleine teile. Tränen liefen ihren Wangen hinunter und ihre Augen hatte sie bereits geschlossen, die Hand hatte die Vampiresse nun an ihren Mund gelegt, mit dem Handrücken an die Lippen. Sie musste sich beruhigen, möglichst bald. So schnell wie möglich. Aber dann spürte Luca, schützende Arme um sich, erstaunt riss sie ihre Augen auf und schaute leicht zu Shusei, soweit es die Umarmung zuließ, der hübsche Vampir hatte sie einfach mal so in die Arme gezogen und streichelte ihr sanft über den Rücken. Er meinte wirklich das sie auch Schwach sein durfte. Vielleicht hatte sie ja eine veraltete Version von Vampir im Kopf, aber irgendwas war ihr zu wieder, Schwäche zu zeigen. Aber nun war es eh egal, sanft schmiegte sie sich an Shusei und vergrub ihr Gesicht in seinen Hals und schubberte, was in dem Augenblick Nebensache war, seinen Duft ein. „ich will es aber nicht, aber vielleicht muss es sein…es ist so erniedrigend, wer soll mich jetzt noch ernst nehmen“ meinte sie leise und klammerte sich leicht an den Kragen von dem Hemd des Vampirs fest.
Ob Stunden vergingen oder bloß Minuten. Während der kalte Wind um die beiden dunklen Gestalten strich, senkte sich die Sonne gen Horizont, um bald darauf von diesem verschluckt zu werden. Behutsam löste sich Shusei von der Vampirin und schob sie sanft auf Armeslänge von sich. "Es ist spät. Lass uns zurück gehen", schlug er vor und strich ihr mit den Fingern die Tränen von den Wangen. Mit einem auffordernden Kopfnicken wies er Luca zum Gehen an, woraufhin die beiden Seite an Seite den Friedhof verließen. Doch Shuseis Gedanken kreisten noch um das Mädchen mit dem kirschblütenfarbenen Haar. Etwas sagte ihm, dass sich ihre Situation gar nicht so sehr von seiner eigenen unterschied, obgleich er nicht ganz sagen konnte, wie er darauf kam. Beinahe verfluchte er den dichten Nebel, der seine Erinnerungen umhüllte und es ihm unmöglich machte, an genauere Details heran zu kommen. Kopfschüttelnd strich er sich das kurze Haar zurück und warf einen knappen Blick zu dem Mädchen an seiner Seite. Trotz allem schwieg er und gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Der Tag war ohnehin beinahe um und am nächsten Morgen würden sie sich vermutlich erst wieder im Unterricht begegnen. "Schlaf schön und bis morgen", wünschte er ihr noch, lächelte und verschwand auf sein Zimmer. Vielleicht würde ihm der Schlaf, die gewünschte Erlösung bringen.
Sanft aber dennoch bestimmt wurde, sie von Shusei geschoben und senkte ihren Blick, ihr war es schon Peinlich aber es war nun einmal passiert und ändern konnte man es leider nicht mehr, na ja es war nun mal so. Aber seine Anwesenheit hatte einfach gut getan, aber es wurde Zeit und sie beide mussten zurück gehen, was bedeutet das sie gleich wieder ganz allein war, was wiederum hieß, dass sie gleich in Ruhe über alles Nachdenken konnte, was auf gut Deutsch hieß, Trübsal blasen. Beinahe nebenbei entferne sich Luca etwas und nickte langsam, „ja du hast recht“ meinte sie und setzte sich ebenfalls in Bewegung. „du auch“ sagte sie noch ehe Shusei auch schon verschwunden war. Luca hingegen blieb noch etwas auf dem Friedhof stehen und schaute ihm Nach dann setzte sie sich ganz in Bewegung und lief zu ihrem Zimmer. Dort angekommen legte sie sich hin und schlief ein, recht schnell so musste man schon sagen. Mit einer starken Verspätung stand sie letzten Endes auf und war eh schon zu spät, schnell eilte sie zum Unterricht.
Unmittelbar nachdem sie den ersten Schritt in den Schatten spendenden Bambuswald getan hatte, erwachte Junko aus ihrem Tod, und ihr Zombiegang ging in ein Ponyhüpfen über. Cruel hatte ihr zwar eine Standpauke gehalten, doch war er ihr trotzdem aufgeregt und neugierig wie ein kleines Kind hinterhergegangen. „Achja, zu dem, was du mir gerade so freundlich wie möglich vermittelt hast: Verdreh mir nicht die Worte im Mund! Ich habe nie davon geredet, dass ich irgendjemanden oder das, was irgendjemand erzeugt hat, ‚scheiße‘ finde – mal davon abgesehen, dass ich dieses Wort niemals verwenden würde, außer vielleicht, um deine Wenigkeit zu definieren – und genauso wenig habe ich deren Recht zu existieren angezweifelt“, rechtfertigte sich Junko (nein, wer sich rechtfertigt, klagt sich nicht selber an – was für ein dämlicher Spruch), „meiner Meinung nach gibt es nun mal Personen oder Werke, die mehr gewürdigt werden sollte, und das ist alles. Also hör zu, du … du Hohlroller. Ha!“ Überlegen stemmte sie die Hände in die Hüfte und blieb einen Moment stehen, um Cruels Reaktion abzuwarten, bis sie weiter durch den Wald irrte. Wenn ihre Ansage nicht gesessen hatte, dann eben die Beschimpfung mit dem „Hohlroller“. Was war das überhaupt? Ein Küchengerät? Ganz nebenbei, was sollte auf einmal dieses ‚Junkpo‘? Und wer verdammt noch mal war Caiwen? Fragen über Fragen, und ohne auch nur eine Antwort zu bekommen, stampfte Junkpo weiter energisch durch den dichten Bambus. Seltsamerweise regten sich die Leute kontinuierlich über sie auf, dabei bekundete sie doch nur ihre eigene und unabhängige Meinung. Gut, vielleicht war es mehr ein Aufdrängen als ein Bekunden, aber bei Cruel war es kaum anders. Normalerweise erwies es sich mehr als schwierig, Junko aus der Fassung zu bringen, begriffsstutzige Gehirnamputierte brachten sie dafür umso schneller in Rage. Ihre Aufmerksamkeit wurde allerdings auf etwas anderes gelenkt, als der Bambus verschwand und dafür ein Friedhof erschien. „Öhm, hier wollte ich aber nicht landen.“, signalisierte sie Cruel, damit er nicht wieder ansetzen würde, sie wäre ein Emo, Vampir oder anderer Friedhofsjunkie. Eigentlich hatte sie gehofft, durch den Bambuswald zurück in die Stadt, ins Waisenhaus oder einem anderen ihr bekannten Ort zu gelangen, aber diese Hoffnung war allem Anschein nach zu weit hergeholt gewesen. Nun waren sie also hier, und bevor sich die Ortsfremde noch aussichtsloser verlaufen würde, beschloss sie kurzerhand für einige Minuten an dem Platz zu verweilen und warf erkundend einen Blick um sich. Düster also. Das war genau das, was sie in diesem Moment brauchte. Sie lehnte sich an einen schiefen Grabstein, nur um sich rasch wieder von ihm zu entfernen. Sicherlich war das unangebracht, erst Recht direkt vor der Nase jemandes, der schon einmal den Tod erlebt hatte. Stattdessen verschränkte sie möchtegernlässig die Arme vor ihrer (immer noch) nett ausgedrückt „verhältnismäßig schmalen“ Brust und stützte ihren Oberkörper gegen den Friedhofszaun. Cruel war am Strand ziemlich ausschweifend geworden, und für einen langen Moment hatte sie seine Ansange sogar ansatzweise gelangweilt. Zumindest war diese intellektueller gewesen, als jede andere, die man ihr bereits aufgenötigt hatte, wenn auch beleidigender. Zudem hatte es so ausgesehen, als hätte er sich aus dem Staub machen wollen, aber irgendetwas schien ihn aufgehalten zu haben. Auch wenn es ihr nicht ganz so egal war, ging Junko lediglich mit einem Achselzucken drüber hinweg. Dann sollte er doch verschwinden. Nichts war vollkommen unmöglich, deshalb würde sie schon irgendwie auf eigene Faust zurückfinden, selbst wenn sie die Nacht an diesem doch recht schaurigen Ort verbringen müsste. „Allmählich wirst du anstrengend“, seufzte sie und ließ ihren Blick über die Steinreihen fliegen, „sind das Freunde immer?“ Cruel musste Ahnung haben. So freundlich wie er war, hatte er sicherlich viele Freunde. Mit diesen führte er hoffentlich nicht solch eine „Freundschaft“, wie er sie mit Junko führte. Höchstwahrscheinlich aber schon.
Die Gegend in die wir kamen wurde zunehmend dichter und seltsamer - so langsam fragte ich mich, ob Junko eine unerfolgreiche Axtmörderin war - denn egal wie viele Äxte man in mich reinhauen würde, zweimal sterben konnte ich nicht. Aber sie hatte keinen Mandolinenkoffer dabei, in dem man soetwas unauffällig verstecken konnte - und ich konnte eine Sense aus dem Nichts erscheinen lassen, mit dem ich jedermann beeindrucken konnte! (Dass die Sense absolut zu nichts nütze war, außer Menschen, die dem Tode geweiht waren ein nettes Ende zu bereiten, musste ja keiner wissen. Ich verstand sowieso nie, wieso eine symbolische Sense. Es konnte ja auch Junkos Axt sein.) Sie gab eine gepfefferte Antwort zurück, doch ich nahm das ganze nicht mehr wirklich ernst. Die Ansichten anderer waren mir plötzlich wieder völlig egal, und ob sie daran glaubte, dass jeden Tag uns gefiederte, grün-blau gescheckte Pegasusse vor dem Schlimmsten bewahrten, interessierte mich nicht mehr die Bohne. "Ich verdrehe alles, besonders gerne Gliedmaßen.", sagte ich schließlich als Schlusswort zu dem Thema. Nein, auch ich war eigentlich nichtmal Fan von Gewalt, vor allem aber auch zu faul, um sie anzuwenden. Fasziniert dachte ich über das Wort "Hohlroller" nach. War eine Schande, dass ich das noch nie im Leben gehört hatte! Ich folgte der wütend stampfenden Junkpo weiter in eine wirklich abgelegene Gegend und wollte sie noch ein wenig weiterreizen. "Du solltest noch ein bisschen Scharren und Schnaufen, du wütender Gnom.", kicherte ich und sprang hinterher. Ich verstand langsam, wo es lang ging, und überlegte, ob Junko das nun auch wusste - aber sie hatte gesagt, sie war neu hier und hatte noch nicht viele Leute getroffen; mein Superhirn kombinierte, dass sie wohl ohne Peilung einfach losgelaufen war. "Jaja, du kleiner Schlingel. Wir beide wissen, dass du dich hierher gesehnt hast!", erwiderte ich wissend und sah mich auf dem Friedhof um. Ich wusste nicht mehr, ob ich hier schonmal gewesen war oder einfach nur gehört hatte, welche Richtung man einschlagen musste, um ihn zu finden. Ich wanderte ein wenig zwischen den Gräbern umher - Angst hatte ich nicht, auch wenn Friedhöfe immer seltsame Gefühle auslösten (zumindest wollte ich das doch meinen) - und blieb vor einem Grab stehen, das eine protzige Engelsstatue beherbergte. Die Statue war weder schön noch freundlich aussehend, sondern eigentlich zu beängstigend, als dass ich mir vorstellen konnte, dass irgendjemand solche Statuen aussuchte, um sie auf das Grab eines geliebten, verstorbenen Wesens zu stellen. Der Engel trug eine Sense und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich mich neben ihm stellte. "Heeyyy, Junkpooo!", brüllte ich quer über den Friedhof, sodass die Raben über die Lautstärke empört aufschreckten und krähend sich davon machten. "Schau mal, wir sehen aus, wie nach der Geburt getrennt", erklärte ich und legte einen Arm um die kalten Schultern der Statue. Zum Beweis ließ ich meine schicke Sense erscheinen (und um ein wenig anzugeben) und wirbelte diese in einer Hand. Ich stellte sie daraufhin neben der Statue ab und setzte mich auf den übrigen Grabstein. Mir kam nicht der Gedanke, dass das ganze pietätlos war - wen sollte denn mein Verhalten jucken? Die Toten? Die waren tot. Und sonst (außer Junkpo) war hier niemand. "Ohne Fleiß kein Preis, Junko.", erklärte ich weise und tätschelte den Kopf des Engels, nahm meine Sense und lief über die Gräber hinweg auf sie zu, "Oder hast du schon jemals menschliche Beziehungen als einfach empfinden können?" Dafür war sie dann doch zu seltsam. "Aber wir können es auch lassen, also mit der Freundschaft - ist nicht so, dass ich besonders scharf drauf wäre." Ich lehnte mich neben sie gegen den Zaun und fuhr mit den Fingern zärtlich über die Sense. Ein Seitenblick zu Junkpo (naa, war sie nun beeindruckt von meinem absolut coolem Accessoire hier?) und wieder ein Blick gerade aus, bis ich das Ding ins Gras fallen ließ, sodass die Spitze sauber in die Erde einschnitt und sie letzendlich doch verschwinden ließ, anstatt weiter damit rumzuhantieren. "Hast du einen Zauberstab?", fragte ich nun. Zum Zaubern hatte man das doch, oder?
Cruel mochte dieses Thema allem Anschein nach nicht mehr fortführen, deshalb gab er eine patzige Antwort zurück und beließ es letztendlich dabei. Als er sagte, er verdrehe besonders gerne Gliedmaßen, musste Junko sogar ungewollt schlucken. Sie schenkte ihm zwar keinen Glauben, aber solche Grausamkeiten sagte man nie ohne Hintergedanken aus. Zu dem „Hohlroller“ äußerte er sich hingegen (leider) nicht, dabei war das ihr Ass im Ärmel gewesen, zu dem sie nur in den ausweglosesten Situationen, von denen ihr Cruel zugegebenermaßen reichlich viele bot, griff. Die nächsten Reizversuche ließen sie im Gegensatz zu der vorherigen Pseudobelehrung ziemlich kalt, auch wenn sie ihm zu gerne eine weitere vernichtende Beschimpfung an den Kopf geworfen hätte, aber, wie gesagt, der Friedhof schien weitaus interessanter als Cruels üblichen Mobbingversuche. Trotz dessen sah sie sich keineswegs als „Gnom“, denn als unterdurchschnittlich klein hätte man sie nicht bezeichnen können, jedoch schien Cruel jeden so zu bezeichnen, der kleiner war als er selbst. Die zur Vorbeugung gegen falsche Behauptungen dienende Aussage hatte komplett in ihrer Funktion fehlgeschlagen, und Cruel ging davon aus, dass sich Junko nicht aus Versehen auf den Friedhof verlaufen hatte. Auch egal. Das nächste, was sie vernahm war ihr Name, oder irgendwie auch nicht. Das mit dem „Junkpo“ ließ nicht nach, und als die aufgeschreckten Raben davonflogen, gelangten Junkpo einige schwarze Federn ins Gesicht. Mit Bedacht zupfte sie diese aus ihrer Visage, verglich Cruel mit der Engelsstatue und antwortete schließlich: „Na ja, bis auf die Tatsache, dass du nicht aus Stein be-“ Sie verstummte schlagartig und hob während dieser Stille entgeistert eine Augenbraue. O.K. woher hatte er die Sense her? Erst nach mehreren Sekunden kam ihr endlich der Gedanke, dass eine Sense in der Hand einem Engel des Todes, des Teufels oder was auch immer vielleicht gar nicht als Werkzeug gebraucht wurde sondern lediglich zur Abschreckung diente. Freundschaften stellten sich ebenfalls als abschreckend heraus. „Feindschaften empfinde ich als ziemlich einfach, also sollten wir Feinde werden.“, schlug Junko vor, ließ ihren Blick dennoch nicht von der Sense ab, die sich ihr mit jedem Schritt, den Cruel tat, näherte. Nachdem er diese verschwinden gelassen hatte, fragte er sie nach einem Zauberstab. „Nein, fürs Zaubern benötige ich keinen Zauberstab, auch wenn das ziemlich cool wäre“, erklärte der Harry Potter-Fan, „dafür kann ich Folgendes ...“ Mit viel Mühe schuf sie ein Kraftfeld von etwa zwei Metern Durchmesser um sich herum und drückte gegen seine Innenseite, sodass sich die Kugel wie ein Laufrad zu drehen begann. Dann kugelte sie mit einem breiten dämlichen Grinsen auf der Fratze durch die Grabreihen. Dieses Experiment diente selbstverständlich nicht dem Spaß sondern dem Training. Eine Sense hielt Junko aber irgendwie für cooler. Gleichzeitig musste sie sich allerdings fragen, ob er damit nicht doch Köpfe abschlug. Das Kraftfeld verschwand, und die Zauberin streifte nun die Engelsstatue. Ganz schön schaurig, fand sie sonst so Tapfere. So lange es allerdings noch Tag war, hatte sie keine Sorgen, sich auf einem Friedhof zu befinden. Erst in der Nacht würde ihr ein wenig mulmig werden, aber nur ein wenig.
Junkpo schien dazu gelernt zu haben - so leicht ließ sie sich nicht mehr reizen. Einerseits beeindruckte mich die Gelassenheit, andererseits war ich gelangweilt, dass sie nicht auf mich einging und schmollte ein wenig. Dieser Platz hier war nicht wirklich angenehm, wie ich nach einiger Zeit bemerkte, denn die Raben, die erst aufgescheucht wurden, waren schnell wieder an ihren angestammten Plätzen und sahen suspekt wie eh und je aus, beobachteten uns Neuankömmlinge und ließen hin und wieder ein Krähen verlauten. Auch schien die Temperatur hier deutlich abgekühlt, was ich für ein sonderbares Phänomenen hielt. Am Ende steckte dahinter nur eine geheimnisvolle Anlage, die die Leichen kühlte. So wirklich wollte ich aber gar nicht darüber nachdenken. "Aber mein Herz ist aus Stein.", warf ich ein mit einer wundervollen Geste. HAH. Die Sense hatte sie beeindruckt! Als ich neben ihr stand und sie mir die Feindschaft anbot, brach ich in ein Lachen aus. "Nein.", sagte ich, und damit ich sicher sein konnte, dass sie es auch hörte, verdeutlichtete es, indem ich mich wiederholte: "Neeein. Du bist mir nicht ebenbürtig, um mein Feind zu sein.", ich nickte ihr aufmunternd zu, um dann fortzuführen: "Lass uns einfach nichts sein, das Ganze ist mir zu lästig." Ich war mir sicher, dass es Junkpo auch nicht großartig interessierte, wie das nun mit uns war und starrte auf die Gräber, um Namen zu entziffern. "He, da steht Junko, da kommst du sicher rein.", sagte ich aus Blödsinn und zeigte auf irgendeins der Gräber beiläufig. Sie erklärte, dass sie keinen Zauberstab benötigte, was mich für eine zehntel Sekunde tatsächlich enttäuschte. "Aber dass du keinen benötigst, muss ja nicht bedeuten, dass du keinen benutzten kannst!", erklärte ich voller Argwohn und fiel dann fast über den niedrigen Friedhofszaun zurück. "Heilige Scheisse, was machst du denn da." Das sah schon recht seltsam aus, was sie da fabrizierte, aber schließlich musste ich grinsen. "Ist das ein Hamsterrad?", amüsierte ich mich darüber, war gleichzeitig auch ein wenig beeindruckt, auch wenn ich noch überhaupt keinen Plan hatte, was sie damit denn so anstellte. "Was machen wir nun hier?", fragte ich und sah mich weiterhin um. Eine der Krähen schien nun einen Knochen gefunden zu haben. "Auf den Friedhof gehen doch nur Trauerndeee", jammerte ich, "..Oder Gruftis!" Ich lief los und fing eine Krähe, die krampfhaft versuchte zu fliehen. "Oder Menschen mit seltsamen Vorlieben." Die Krähe kämpfte - ich ließ sie schließlich los, schmiss Junkpo über meine Schulter, verließ den Friedhof. "Die Lebenden sollten nicht unter den Toten verweilen.", sagte ich selbstironisch und machte mich mit ihr davon.
TBC: ...hrrm, ich lass mir noch was einfallen..?D:
Nicht ebenbürtig? Verlangte eine Feindschaft denn Ebenbürtigkeit? Wenn ja, dann würde sich Junko wohl mit ihr zahlreichen Feinden anfreunden müssen, denn ebenbürtig waren sie ihr genauso wenig wie Cruel. „Hinsichtlich deiner Arroganz schein ich dir in der Tat nicht ebenbürtig.“, fiel ihr nur zu seiner unfassbarer Selbstverliebtheit ein. Ja, damit hätte er ihr beinahe die Sprache verschlagen. Wie gesagt, nur beinahe. Nun war Cruels und ihre Beziehung weit weg sowohl von dem, was eine „Freundschaft“ ausmachte, als auch vom dem, was man eine „Feindschaft“ nannte. Stattdessen einigten sie sich auf die Bezeichnung „Nichts“. Cruels erste Reaktion auf Junkos Kunststück war ein dezenter Schock, und mit einem Mal hielt diese ihre Fähigkeit, eine Kugel zu erschaffen und damit herumzurollen, für närrisch und unsinnig. Gut, das Kraftfeld könnte ihrem und dem Schutz anderer dienen, aber mal davon abgesehen, dass sie, wie bereits erwähnt, ihre Magie nie zum Eigennutz anwenden würde (seltsamerweise aber zum Spaß), wen solle sie damit schützen? Ihre Freunde waren an einer Hand abzuzählen. Vermutlich benötigte man dafür nichtmals eine Hand, jetzt wo sie ihre Heimatstadt verlassen hatte. Die Leute hier konnten sich vermutlich besser selber verteidigen, und ihren Eltern konnte die Waise, als diese auf den Schutz angewiesen waren, nicht helfen. Stattdessen hatte sie ausschließlich sich selbst gerettet, auch wenn es nicht beabsichtigt war. Aber was brütete sie für Komplexe aus, wenn sie sowieso mit allem und jedem unzufrieden war. Dann, als Cruel auch noch ihr vermeintliches Grab ausmachte, kam ihr ein Einfall. Respekt vor den Toten hin oder her, Junko kletterte auf einen Grabstein und versuchte das Gleichgewicht ihres Standes zu halten, während sie auf Cruel hinabblickte. Nein, das war übrigens kein Selbstmordversuch. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage … moment. Falscher Text. „Wenn ich mich umbringe, werde dann auch ich zu einem Engel? Oder vielleicht sogar zu einem Todesengel?“, fragte sie mit sichtlicher Interesse, „Nur rein theoretisch natürlich.“ Gewiss hatte sie schon mehrere Male über Selbstmord nachgedacht – wer hatte das nicht – aber in Erwägung hatte sie es natürlich keineswegs gezogen. Auch wenn dies der einfachste Weg war, der schwere Weg war dafür umso lohnenswerter, bla, bla, bla … Zumindest hatte sie dank Cruel nun eine Bezeichnung für ihre anscheinend amüsierende Herumrolltechnik: „Hamsterrad“. Sie hüpfte vom Grabstein in den symbolischen Tod, während sich der feige Cruel vom Friedhof verduften wollte. „Richtig. Trauernde und Vamprie. Ich würde zu gerne einem begegnen.“, ergänzte sie ihn nun – Grufties lockten sie nicht wirklich. Auch auf die Gefahr hin, dass sich bei einer Begegnung der Vampir an ihren nackten Hals vergreifen könnte, brennte sie darauf, einen Blutsauger außerhalb der schlechten Hollywoodfilme in Natura zu sehen. Aber wo versteckten sie sich? Lebensmüde suchte Junko also gründlich ihr näheres Umfeld ab, lugte hinter Grabsteine und auf nackte Bäume, welche wohl als weniger nützliche Verstecke dienten. Bevor sie allerdings fündig werden konnte, hob man sie vom Boden, schmiss sie über die Schulter und ließ den Friedhof hinter sich. Bedrückt schaute Junko der Vampirheimat (nein, dass es sich nur um ein Gerücht hielt, dass sich Vampire rund um die Uhr auf Friedhöfen aufhielten, wollte Junko nicht glauben) hinterher, während sie sich mit jedem Schritt, den Cruel tat, immer mehr von ihr entfernte. Die Lebenden sollten also nicht unter den Toten verweilen? Ha. Witzig.