Riecht ihr das? Der Sand, Sonnencreme, Salzwasser ... so riecht Freiheit! Oder eben das Meer. Der weiße Sand an den Stränden Isolas lässt in jedem Fall Feriengefühle erwachen. Am Strand selbst gibt es immer wieder Palmen und viele kleine Muscheln, in denen sich Krebse verstecken und um ihr Leben bangen, wenn die Muscheln von Kindern oder gar Erwachsenen gesammelt werden. Liegestühle gibt es hier nicht, denn Isola ist nicht als Ferienort ausgewiesen und so dient der Strand auch eher den Einheimischen. Hier und da liegen ein paar Handtücher, Sonnenschirme oder Luftmatratzen herum. Am vollsten wird es gegen späten Nachmittag bzw. Abend, wenn einzelne Familien nach einem Arbeitstag oder Schüler nach der Schule noch einmal ins kühle Nass springen möchten. Der Spaßfaktor ist garantiert hoch.
Amüsiert hob sich mein Mundwinkel über die Aussage, er wisse nun, warum Natsume so flauschig sei. Flauschig war hier wohl ein sehr freundlich gemeinter Begriff. Ich für meinen Teil scheute mich nicht offen zu sagen, dass ich ihn in seiner Katzenform ausgesprochen fett fand. Noch während ich das dachte, hatte ich ein Bild von Natsume vor Augen. Zusammengebundene Hinter- und Vorderpfoten, ein kleiner Apfel in seiner Schnauze, der Ausdruck purer Panik in seinem Blick, wenn ich so tat, als würde ich ihn über einem Feuer grillen wollen... Ob er mir das wohl noch übel nahm? Auf meine Frage nach Jakes Angst vor Katzen reagierte er nicht unbedingt begeistert, antwortete aber trotzdem. Ganz offensichtlich handelte es sich dabei um eine irrationale Angst. Ich war kein Psychologe und kannte mich nicht ganz so gut damit aus - lediglich bei Kindern bin ich etwas geschult worden - aber ich vermutete, dass er vielleicht irgendwann mal eine sehr unangenehme Erfahrung gemacht hatte. So eine Katze war immerhin was anderes als eine Spinne. Schon angefangen damit, dass Katzen nur halb so viele Beine hatten, aber möglicherweise hatte das auch andere Hintergründe bei ihm. War ja nun auch nicht mein Job das herauszufinden. "Verstehe.", entgegnete ich daher also nur und nahm mir vor Natsume bei der nächsten Begegnung mit einer Illusion zu verhüllen. Ja, so rücksichtsvoll war ich. Immerhin hatte der Mann mir nichts getan. Die Frage nach meiner Schwester zauberte mir ein kleines ehrliches Lächeln auf die Lippen. Hätte ich meinen Nachnamen erwähnt, wäre er vielleicht selbst darauf gekommen. "Es sei dir gestattet.", antwortete ich schmunzelnd, "Es ist Yumé. Hideyoshi Yumé." Ich seufzte leise. Nachdem sie mir hierher auf die Insel gefolgt und vor kurzem sogar auf mein Angebot hin bei mir eingezogen war, versuchte ich ihr die Zuneigung zu geben, die unsere Eltern ihr verwehrt hatten. Manchmal stieß ich dabei an die Grenzen meiner Fähigkeiten im Bereich der Sozialkompetenz - angefangen bei der Tatsache, dass ich auch ihre Unterwäsche wusch bis hin zu meiner Unfähigkeit wirklich echte tiefe Zuneigung zu empfinden - aber ich gab mir alle Mühe und es schien, als würde diese Mühe Früchte tragen. "Ich nehme an, die Erzieher sind heute Abend dann ebenfalls auf dem Ball?", fragte ich weiter, "Konntest du dir eine Begleitung angeln?"
Das Madara nicht weiter auf das Katzending einging, kam dem Erzieher sehr entgegen. Stattdessen widmete er sich der Ballfrage und schien über das Nachhaken fast schon erfreut zu sein, was Jake ein kleines Lächeln entlockte. Bis jetzt wirkte der Blondschopf nämlich nicht so, als würde er sich mit der Situation hier besonders wohl fühlen – was aufgrund des Katers allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte. Immerhin weihte er ihn in das Geheimnis seiner Begleitung ein und nach kurzem Grübeln fiel ihm auch wieder das passende Gesicht zum Namen ein. Bis jetzt war ihm Yumé nicht wirklich aufgefallen, weder positiv noch negativ. Doch das ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes. „Dann wünsche ich euch beiden heute Abend viel Spaß, falls wir uns bis dahin nicht mehr sehen.“ Es wird bestimmt nicht so einfach, im gefüllten Saal dann noch jemanden zu finden. War natürlich auch gut, wenn man sich vor jemandem verstecken wollte – worauf er vielleicht zurückgreifen müsste, wenn sein Plan für heute nicht aufgehen würde. Und als könnte er Gedanken lesen, stellte Madara ihm dazu direkt die passende Frage. „Ja, wir müssen auch anwesend sein. Ob das allerdings für alle gilt kann ich dir nicht sagen. Vielleicht bleibt auch jemand im Wohnheim, falls nicht alle Kinder hingehen wollen.“ Wobei er sich das schlecht vorstellen konnte. Wer würde sich so eine Gelegenheit schon entgehen lassen? Alleine müsste sicher niemand hingehen, auch wenn man sich nur mit Freunden einen schönen Abend machen wollte. Und selbst wenn man noch keine Freunde haben sollte, würde es auf dem Ball sicher ein leichtes werden, neue Kontakte zu knüpfen. Bei seiner eigenen Begleitung war er sich allerdings nicht so sicher. „Nein, bis jetzt noch nicht.“ Ob sich das so schnell noch ändern würde? Doch bevor er das noch weiter vor sich her schob, beschloss er einfach, das Ganze bei Madara anzusprechen. Vielleicht bekam er ja so schon ein paar Tipps, bevor er Riley damit auf die Nerven gehen müsste und im Endeffekt nur dumme Kommentare erntete. „Ich wollte Roxanne noch fragen. Aber bis jetzt lief es bei unseren Dates nicht besonders gut." Er stockte kurz, verdrängte den Gedanken an die misslungenen Treffen aber schnell wieder und erinnerte sich selbst an die bittere Realität. "Und wahrscheinlich hat sie schon jemand anderen, ist ja nicht mehr lange. Also keine Ahnung, ob ich nicht doch einfach alleine auftauche, bevor ich mich wieder zum Affen mache.“ Beim letzten Satz deutete er kurz auf Natsume, um den Grad der Peinlichkeit halbwegs zu beschreiben. Noch ein misslungenes Date würde er ungern auf seine Liste setzen müssen, wobei er sich ziemlich sicher war, dass die Ärztin ihn auch gern hatte. Wer wäre sonst schon so bescheuert und hätte das Theater bis hier hin ertragen?
Fast schon dankend nickte ich Jake zu, als er mir für den Abend heute viel Spaß wünschte. "Dir wünsche ich dann auch einen schönen Abend. Trotz Verpflichtungen. Ob nun auf dem Ball oder im Wohnheim. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass einer der Bäl- Kinder wirklich im Wohnheim bleibt." Andererseits gab es ja immer irgendjemanden, der nicht auf solche Veranstaltungen gehen wollte. Die Antwort auf meine Frage spielte um drei Ecken herum in dieselbe Richtung an. Etwas verdutzt lauschte ich den Erklärungen des Mannes, der wohl ziemlich Pech gehabt hatte, was seine Dates betraf. Er wirkte schon ein bisschen wie ein trauriger Tropf. Wie eine ausgesetzte Katze. Oder ein einsamer Welpe. "Wahrscheinlich hin oder her...", entgegnete ich und zog die Brauen zusammen. "Wenn du nicht fragst, denkt sie, du willst nicht. Und besser zu spät als gar nicht. Vielleicht wartet sie auch nur darauf, dass du fragst." Nachdenklich schürzte ich einen Moment die Lippen. "Frauen warten nicht gerne. Also solltest du vielleicht einfach losgehen und sie fragen. Dann hast du es wenigstens versucht und sie weiß, dass du weiterhin Interesse an ihr hast. Wenn ihr mehr als ein oder zwei Dates hattet wird sie wohl auch Interesse an dir haben. Ich meine..." Resigniert hob ich eine Braue. "Wer geht mit jemandem aus, der ein Date in den Sand setzt, wenn man ihn nicht mögen würde? Verstehst du, was ich meine?" Die Braue senkte sich wieder herab. "Ich denke, du wirst dich besser fühlen, wenn du es versuchst, statt die Chancen verstreifen zu lassen und dich hinterher fragst, ob sie nicht vielleicht Ja gesagt hätte." Natsume, der die meiste Zeit nur da lag und zuhörte, atmete leise durch. "Du solltest dich vielleicht noch entschuldigen, weil du so lange gebraucht hast, um zu fragen.", riet er dem Erzieher zusätzlich. Zustimmend nickte ich und sah von dem Schutzgeist in Fuchsform zu Jake. "Weißt du, wo sie gerade ist?"
Hatte er sich gerade verhört, oder versuchte Madara gerade, ihm Mut zu machen? Natürlich, er hatte mit allem Recht was er sagte, so war es ja nicht. Nur wie sollte er die Sache am besten angehen? Aufmerksam lauschte er den Tipps und nickte zwischendurch bestätigend. Am besten machte er sich sofort auf den Weg. Doch wohin? Auf die Frage des Katers konnte er somit nur mit den Schultern zucken. „Keine Ahnung, wo sie aktuell steckt. Aber ich kann ihr ja kurz eine SMS schreiben.“ Gesagt, getan. Entschlossen zückte er das Handy und tippte einige Worte ein, die er nach kurzer Überlegung sofort wieder löschte. Das konnte doch alles nicht so schwer sein. Doch wenn er es ungeschickt formulierte, verstand sie das vielleicht falsch und sagte erst recht ab. Das durfte er nicht riskieren. Nachdenklich sah er sich am Strand um, um irgendetwas zu finden, das ihm eine Idee liefern konnte. Aber irgendwie kam er sich dabei so dämlich vor, dass er wieder aufs Handy starrte. „Naja, kann ja nur schief gehen.“ Zögernd schrieb er einen kurzen Text und drückte, ohne weiter darüber nachzudenken, auf senden. So, das wäre geschafft. Jetzt hieß es nur noch abwarten. Doch hier am Strand auf eine Antwort zu warten, erschien ihm nicht die beste Idee zu sein. Allein schon wegen dem riesigen Fuchs und der Tatsache, dass er mittlerweile bestimmt stinken würde. Er musste definitiv erst duschen und sich umziehen, bevor er seiner Traumfrau gegenüber trat. „Ich würde erst mal zurückgehen und duschen. Willst du vielleicht mit, auf einen Kaffee?“ – und zum Mut machen, ergänzte er in Gedanken. Er konnte sich ja schlecht den Mut antrinken, das ging schon einmal nicht gut aus. Und Zigaretten waren auch nicht gerade eine Dauerlösung, zumal er sich schon sehr bemühte, so wenig wie möglich zu rauchen. Das Aufhören gelang ihm zwar nicht, doch so lief es seit einigen Tagen relativ gut. Langsam setzte er sich in Bewegung und warf noch einen kurzen Blick zu dem Fuchs. Lange würde er sicher nicht mehr in dieser Gestalt verweilen. Mit etwas Glück traf ihn das nicht ganz so hart, da er ja nun dessen wahre Gestallt kannte. Doch Katze war nun einmal Katze.
Dass Jace nicht wusste, wo sich seine Angebetete befand, sollte wohl kein großes Problem sein, wie ich fand. Immerhin lebten wir im 21. Jahrhundert, wo es moderne technische Geräte gab. Und das nutzte der Erzieher auch sofort, indem er sein Handy zückte und eine SMS schrieb. Naja, anfangs zumindest. Ich hatte das Gefühl zwei Minuten lang nur ziemlich dämlich herum zu stehen und ihm dabei zuzusehen, wie er auf das Gerät, den Strand und dann wieder auf das Gerät starte, ehe er endlich diese verdammte Nachricht abschickte. Dieser Mann macht sich definitiv zu viele Gedanken, ging es mir durch den Kopf. Sich erst einmal zu duschen war allerdings eine vernünfige Überlegung. Auf seine Frage hin hob ich die Schultern. "Ja, wieso nicht." War ja nicht so, als hätte ich gerade viel zu tun. Yumé war sicher irgendwo unterwegs und Natsume würde sicher nicht verhungern, wenn ich ihn allein hier am Strand zurück ließ. Da wir gerade bei Natsume waren. Der große Fuchs verschwand langsam in einem hellen Nebel, der sich stetig verdichtete, ehe er sich zusammen zog und ihn als Kater zurück ließ. Es war sehr deutlich zu sehen, dass er dünner geworden war, obwohl er gerade mal ein paar Minuten in seiner wahren Gestalt verbracht hatte. Manchmal tat ich so, als wäre seine Katzengestalt seine wirkliche Gestalt, nur um ihn zu ärgern. Weshalb sonst sollte er denn Energie verbrauchen, wenn er in Fuchsgestalt war? Dass ich die Wahrheit kannte war natürlich etwas anderes, was weniger Spaß machte. Aber wie auch immer. Der Kater - nun nicht mehr fett sondern eher schon abgemagert - wirkte nicht gerade begeistert wieder in dieser Gestalt zu stecken und zog eine beleidigte Schnute, ehe er schnaufte wie ein alter Mann, der gerade einen steinen Hügel erklommen hatte. "Ich habe Hunger.", verkündete er, "Ich gehe Fische fangen." "Gut.", entgegnete ich resigniert, "Geb dir bitte Mühe dabei zu ertrinken." Der Kater, der bereits ein paar Schritte in Richtung Wasser gemacht hatte, zog als Reaktion auf meine Worte einen Bogen und steuerte nun das Landesinnere an. "Ich glaube, Vögel schmecken besser." Er konnte nicht schwimmen. Er gab es zwar nicht zu, aber ich war mir sicher, er konnte es nicht. Schließlich sah ich wieder zu Jace und schaute ihn geduldig an. "Dann können wir, nehme ich an." Und da dieser eh schon voraus ging, folgte ich ihm gemächlich.
Ihre Reaktion amüsierte ihn. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass Serah gerade bildliche Vorstellungen von dem bekam, was sie erzählte. Hey, genetisch gesehen war Harvey immerhin ein halber Japaner, sah wie ein ganzer aus, und woher sonst kamen solche Geschichten? Genau, aus einschlägigen animierten Serien und spielen, mit denen er sich zumindest bisher noch nicht beschäftigt hat. Nun ja, vielleicht wäre dies sogar ganz praktisch. Allein die Vorstellung, jemandem solche Dinge in den Kopf zu projizier... Halt. Genug davon. Als sie ihn noch einmal von oben bis unten zu mustern begann, musste er sich dennoch zurückhalten, nicht laut loszulachen. Vielleicht sollte er sie in ihren Irrglauben noch ein wenig zappeln lassen..?
„Blub.“
Das sollte reichen als Antwort auf ihre Frage. Er wollte es sich nicht durch einen dummen Scherz mit Serah verderben - immerhin schien sie ja doch ganz sympathisch zu sein.
Natürlich entging dem schwarzhaarigen jungen Mann nicht, dass sie ein wenig zappelig auf den Beinen wurde. Ihre nachfolgenden Worte gaben diesem Eindruck nun auch einen Grund: Serah wollte sich noch etwas mehr auspowern. Verständlich, immerhin hatte Harvey sie in ihrer Routine ‚unterbrochen‘ - zumindest war dies wohl in ihren Augen der Fall.
„Korrekt. Aus diesem Grund bin ich ja eigentlich überhaupt erst hier aufgelaufen.“
True that. Die Kleine hatte seine Pläne für den heutigen Tag ziemlich durcheinander gewirbelt. Eigentlich hatte Harvey noch ein Stündchen joggen gehen wollen, ehe er sich für den Ball am Abend vorbereiten wollte. Apropos Ball.. ob Serah auch hingehen würde? Wenigstens hätte er dann eine Person, mit der Reden könnte. Falls sie nicht schon längst mit jemand anderem dort auflaufen würde. Also sie jedoch an ihm vorbei trat und ihm in ihren Worten schlichtweg eine ‚Erlaubnis‘ erteilte, mit ihr zusammen schwimmen zu gehen, quittierte er dies mit einem amüsierten Grinsen und einem Kopfschütteln, welches sie vermutlich nicht sehen konnte. Hand aufs Herz - so viel wie heute hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr gelächelt. Gerade, als er ihr antworten wollte, hatte sie anscheinend erneut die unschöne Vorstellung von vorhin eingeholt. Nun musste er sich wirklich zurückhalten, um nicht laut loszulachen. Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, wandte der junge Mann sich um und schloss innerhalb von nur wenigen Metern mit ihr auf, wobei er gut gelaunt die Hände hinter dem Kopf verschränkt hatte.
„Wenn ich die Erlaubnis auch als Einladung nehmen darf, komm ich gerne mit~“
Ihre Einladung wurde angenommen. Sie hörte zwar nicht mehr wie, aber Harvey schloss in wenigen Schritten zu ihr auf, um sie zum Strand zu begleiten. Zu Fuß brauchte es eine Weile bis sie diesen erreichten, aber unter der prallen Sonne beeilten sich die beiden umso mehr, damit sie so schnell wie möglich dort ankamen. Vor Isola war Serah noch nie am Meer gewesen, geschweige denn Strände gesehen - die Umstände hier waren nicht so schlimm, dass sie sich darüber beschweren konnte. Erstmal am Strand angekommen waren es neben anderen Anwesenden - jeder suchte bei diesen Temperaturen Erfrischung - das Rauschen der Wellen und die salzige Luft, welche sie begrüßten. Innerlich war das Mädchen aufgeregt und freute sich darüber, ließ sich davon allerdings nichts anmerken. Ohne Vorbereitungen für einen Strandbesuch fielen sie unter den anderen Badenden auf, wie bunte Hunde. Für sie war das kein Hindernis.
Kurzer Hand entledigte sie sich ihren Gewichten, zog die Schuhe aus und legte alles zur Seite, bevor sie vorsichtig den Sand berührte. Durch die Sonne war dieser aufgeheizt und unangenehm darauf zu laufen, jedoch trennte er die beiden Schüler von Meer. Sie sah Harvey kurz an, dabei leicht schmunzelnd. „Auf gehts.“, kaum ausgesprochen, war sie mit eiligen Schritten Richtung Meer los. Der heiße Sand war unangenehm, der Gedanke dabei beobachtet zu werden, wie sie auf Grund der Hitze darüber watschelte war unangenehmer, weshalb sie die Fassung behielt. Die Belohnung dafür waren der nasse Sand und die leichten Wellen, die sie in Empfang nahmen, gleichzeitig angenehme Kühle verschaffend. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, ehe Harvey neben ihr stand. Serah hielt inne, genoss die Aussicht und das Rauschen der Wellen in ihren Ohren, den Duft des Meeres einatmend. Es war angenehm, veranlasste sie kurz dazu sich zu sammeln, bevor sie ihre Begleitung anfunkelte.
Ihre vorherige Frage ob er sich denn in das verwandelte, was sein Erzeuger war, blieb unbeantwortet. Seine Antwort - das Blubb - war unzureichend und bot zu viel Spielraum, weshalb sie einfach etwas ganz einfaches anwandte: Probieren ging über studieren. Die Dämonin griff nach dem Handgelenk des Jungen und rannte ins Wasser, bevor sie - nachdem sie tief genug drinnen standen, mit beiden Armen nach ihm Griff und ihn förmlich ansprang. Ihre Intention war klar: Harvey sollte umfallen und damit komplett unter Wasser sein. So konnte sie direkt in der Praxis testen ob er sich verändern würde, denn die Gefahr mit allen anwesenden in die Tiefen gezogen zu werden war gering. Nicht Null, aber gering. Mit Schwung ihn umgeworfen, richtete sie sich auf - im Gegensatz zu ihm war sie kaum unter Wasser gewesen - und erwartete eine Reaktion. Serah wusste bereits von Nixen an ihrer Schule und hatte in Büchern gelesen, dass einige sich in Berührung mit Meerwasser dazu verwandelten. Eine ähnliche Theorie verfolgt sie bei ihm. Die Tatsache, dass er mit ihr ans Wasser ging, verunsicherte sie dabei nicht - in der Annahme viel hilft viel, hatte sie ihn hinein gestürzt. Sie war neugierig, hoffte gleichzeitig jedoch darauf falsch zu liegen. Würde Harvey jetzt zu einem Tentakelmonster werden und wüten, käme sie ernsthaft in Erklärungsnot. Die Ausrede, dass sie einen Test durchführte, würde die wenigsten - wenn überhaupt - besänftigen. Vor allem Harvey nicht, wenn dieser sich nicht verwandelte - mit Zorn rechnete sie jederzeit, auch wenn er grundsätzlich einen ausgeglichenen Eindruck machte.
Es dauerte eine kurze Weile, bis die beiden den Strand endlich erreicht hatten. Auch, wenn Harvey die schwüle Hitze hier nicht wirklich ausstehen konnte, schien er immer noch besser als Serah damit klarzukommen, die sich ja bereits zuvor schon lauthals über diese beschwert hatte. Als sie endlich ankamen, konnte der junge Mann eine erfrischende Brise spüren, die er so auch aus Irland kannte. Die Heimat seiner Jugendzeit - die Stadt Dublin - lag immerhin auch direkt am Meer, auch wenn man dort nicht wirklich schwimmen gehen konnte aufgrund des rauen, irischen Wetters. Salzige Seeluft jedoch war etwas, dass sich wohl immer gut für Harvey anfühlen würde. Mit den Meer verband ihn jedoch auch eine gewisse Hassliebe. Er verbrachte gerne Zeit am Strand und im Wasser, doch tiefere Gefilde, in denen er den Grund vor lauter Schwärze nicht mehr sehen konnte, waren ihm ein Graus. Zu sehr erinnerten sie in an die Schwärze, aus denen die Brut seines Erzeugers aus den Dimensionsspalten gekrochen sind.
Als Serah sich ihrer Schuhe entledigte, tat Harvey es ihr gleich. Kurz dachte er darüber nach, was er mit seinen restlichen Klamotten anfangen sollte - und streifte daraufhin zumindest sein Trainings-Shirt von seinem definierten Oberkörper ab. Gerade als er damit fertig war, heizte die Pinkhaarige ihn auch schon zum gehen an. Harvey folgte ihr mit einigen Schritten Abstand, wobei er den heißen Sand an seinen Füßen spüren konnte. Durch sein Karate-Training waren diese jedoch Wärme durchaus gewöhnt, weshalb er sich daran nicht wirklich störte. Als sie sich dann wieder zu Harvey umdrehte, konnte er in ihren Augen ein gut gelauntes, wenn auch leicht schelmisches Funken erkennen. Sie hatte anscheinend irgendetwas v.. ja, hatte sie. Plötzlich ergriff Serah seinen Arm und zog ihn geschwind ins angenehm kühle Nass hinein. Und wandte sich dann auf einmal erneut um, griff ihn mit beiden Armen.. und spring Harvey dann an! Normal hätte er sie problemlos auffangen können, doch diese unvorhergesehene Situation brachte sogar einen erfahrenen Kampfsportler aus dem Gleichgewicht.
„U... uwahhh...?!“
Platsch.
Einen Augenblick später war er auch schon im Wasser, bis er endlich wieder seine Balance finden mit einem prustenden Huster seinen Kopf aus der azurblaunen Flüssigkeit hervorschießen ließ.
Für einige Momente schüttelte er sein Haupt, ehe er sich das Salzwasser aus dem Gesicht wischte und Serah von unten anblinzelte.
„Now you‘ve done it. Behold me true power..!“
Jetzt machte er auch noch auf Englisch weiter..! Eine Zeile, die er erst vor kurzem in einem Film gehört hatte. Doch anstatt sich in ein wildes Monster zu verwandeln, richtete er sich in einer blitzschnellen Bewegung auf, die so nur von einem trainierten Karateka kommen konnte, wischte ihr unter Wasser die Beine beiseite... und flog erneut in die kühlen Wellen, als Serah nach vorne taumelte und mit ihm gemeinsam ins Wasser fiel, genauer gesagt auf ihn drauf.
Er war untergegangen wie ein Stein. Zwischenzeitlich kam es ihr so lang vor, dass sie sich doch Sorgen machte, ob sie ihn denn nicht ertränkt hätte. In diesem Fall wäre es vermutlich das schlauste gewesen jetzt sofort das Weite zu suchen, aber soweit kam sie nicht. Die gefühlte Ewigkeit waren in Wahrheit nämlich nur wenige Sekunden nach denen Harvey wieder auftauchte. Er sah immer noch menschlich aus. In Gedanken setzte Serah einen Haken hinter das Experiment, ihre Feststellungen notierend: Salzwasser löst keine Reaktion aus. Harvey wird zu keinen Tintenfisch oder Monster. Tatsächlich war sie etwas erleichtert darüber, zwar mag ihr noch nie eines dieser Tiere begegnet sein, aber der Gedanke an ihre von Saugnäpfen bedeckten Arme löste Unbehagen in ihr aus. Just in dem Augenblick, in dem sie ihm aufhelfen wollte - immerhin war das das Mindeste - spürte sie eine Bewegung an ihren Beinen. Skeptisch hob sie die Augenbrauen - sie sah nur einen Teil des Jungen.. hatte sich der im Wasser verborgene Rest doch verwandelt? Es schüttelte die Dämonin und noch bevor sie etwas sagen konnte, verlor sie den Boden unter den Füßen. Das etwas im Wasser ließ sie nach vorne direkt auf Harvey fallen.
Eine glimpfliche Strafe dafür, dass sie ihn selbst ins Wasser warf - aber vollständig nass zu werden, stand nicht auf ihrem Plan. Serah tauchte auf und schnappte nach Luft, bevor sie wütend Wasser in Richtung des Jungen klatschte. „Was soll das?!“ maulte sie, ein Lachen unterdrückend. Es rührte nicht daher, weil es sie so sehr amüsierte, sondern viel mehr davon, dass sie mit so etwas offensichtlichem nicht rechnete. Ihr Plan war schlecht durchdacht gewesen, das musste sie zugeben. Letztendlich war die Schülerin nur froh darüber, dass Handy im Wohnheim gelassen und wasserfestes Make-Up verwendet zu haben. Ansonsten sähe sie aus wie ein Panda - bloß mit roten Augen statt schwarzen. Sie strich sich den nassen Pony zur Seite und sah ihn genauer an - seine Hände waren noch menschlich, keine Tentakel hatten sie berührt. Ein Glück. „Ich hatte immerhin einen guten Grund dafür.“ Das kalte Wasser war angenehm auf ihrer Haut und brachte weitaus mehr Erfrischung, als nur die Füße in dieses zu stecken. Gleichzeitig war nasse Kleidung unangenehm, auch wenn diese wie eine zweite Haut saß. „Ich muss doch wissen ob du dich unter bestimmten Umständen in ein Tentakelmonster verwandelst.“ Das war nun widerlegt. Für ihren Geschmack war der Preis, welchen sie für das Ergebnis zahlte, zu hoch gewesen. Die Sonne würde später den Rest tun und alles trocknen - so war die Sonne doch zu etwas gut, außer sie unter ihrer Hitze leiden zu lassen.
„So machst du dir keine Freunde.“ Es klang fast abwertend, obwohl Serah die Letzte war, die sich dazu äußern sollte. Schließlich wohnte sie schon seit vier Monaten hier und hatte selbst noch keinen Anschluss gefunden. Sie sah jedoch auch keinen Mehrwert darin. Fakt war jedoch, dass sie bis auf oberflächliche Gespräche niemanden richtig kennengelernt hat. Sie wusste: Es konnte nur an den anderen liegen, nicht an ihr, weshalb sie sich erst gar nicht darum bemühte. Das mit Harvey war eine der wenigen Situationen in denen sie nicht damit beschäftigt war ihren Kopf ins Gleichgewicht zu bringen, indem sie ihren Körper stählte. Mit sich selbst beschäftigt, sah sie an dem Jungen vorbei, verlor kurz den Faden, während ihre Gedanken abdrifteten. „Immerhin wird sich auf dem Ball niemand davor fürchten müssen von Tentakeln umklammert zu werden.“ Das daraus resultierende Chaos wäre durchaus sehenswert gewesen, da sie sich jedoch nicht die Blöße geben wollte alleine aufzutauchen, würde sie den Abend mit sich verbringen. Zeit allein konnte erholsam und gut für die Seele sein, wäre sie nicht Serah die den eigenen Gedanken hinterher jagte. Durchnässt ging sie weiter ins Wasser und ließ sich auf dem Rücken treiben, das Rauschen in den Ohren sah sie in den blauen Himmel. Sich für einen Moment lang leicht zu fühlen und alles zu vergessen, fühlte sich gut an.
Was das solle? Nun ja, irgendwie musste er sich ja für ihre Attacke revanchieren. Sich verteidigend die Hände vor sein Haupt haltend, wehrte er ihre Attacke mit zusammengekniffenen Augen ab, bis sie schließlich wieder richtig aufgestanden war und sich den nassen Pony aus dem Gesicht wischte. Als sie ihn so musterte, schlich sich erneut ein kurzes Schmunzeln auf seine sonst relativ ausdruckslosen Lippen. Gute Gründe, soso.. sein ‚Blub‘ schien wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Bestimmte Umstände also. Salzwasser? Ob es in Athi‘Quals Dimension überhaupt Salzwasser gab, wusste er nicht. Bisher zumindest kannte er selbst keine Bedingung, die eine solch morbide Verwandlung überhaupt zulassen würden.
Er zog kurz am Saum seiner nassen Jogginghose, damit diese nicht so sehr an seiner Haut klebte, ehe er Serah antwortete.
„Bisher weiß ich zumindest von keinem Umstand...“
Zur Unterstützung deutete auf sich selbst, legte dann leicht seinen Kopf schief.
„Also wirst du damit wohl Vorlieb nehmen müssen~“
Als sie ihm leicht abwertend mitteilte, dass er sich so wohl keine Freunde machen würde, zuckte er nur mit den Schultern. Wenn sie wirklich böse wäre, hätte sie sich in dieser Situation anders verhalten. Außerdem war Serah es, die ihn zuerst ins Wasser gestoßen hat - manchmal musste man solch eine Prinzessin wie sie erst einmal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Einen Augenblick später schien sie auch schon wieder in Gedanken versunken zu sein - und sprach vom Ball, an der er kurz zuvor ja auch schon gedacht hatte. Nein, diese Furcht war wirklich unbegründet - selbst wenn er es können würde, hätte Harvey da wohl eher wenig Lust drauf. Stattdessen musterte er Serah für einige Momente, als sie sich schließlich auf dem Wasser treiben ließ. Bis auf den Fakt, dass ihr Sportoutfit wegen der Nässe etwas dunkler geworden ist, saß es genauso von vorher. Wie eine zweite Haut. Auch ihr Bauch war ziemlich definiert, und - auch wenn er das ihr gegenüber nicht einfach so sagen wurde - hübsch anzusehen. Also nicht nur ihr Bauch . Sie war generell sehr hübsch. Er ließ neben sie und ging im Wasser in die Hocke, wobei er es ihr gleich tat und ebenfalls in den blauen Sommerhimmel starrte. Für einige Augenblicke blieb er ruhig, genoss die Stille. Ehe er sie schließlich aus heiterem Himmel fragte.
„Hast du schon jemandem, mit dem du auf den Ball gehst? Wenn nein, würde ich mich freuen, wenn wir zusammen gehen würden. Sofern du mir die Erlaubnis dazu erteilst, natürlich...“
Eine kleine Anspielung auf ihre Worte von zuvor, die erneut ein kurzes Schmunzeln auf seinen Lippen hervorrief.