Die Gänge des Obergeschosses sind stets gut gefüllt, da sich die meisten Unterrichtsräume hier befinden und deshalb immer ein reges Treiben herrscht. Vor allem in den Pausen treffen sich eine Grüppchen immer auf den Gängen, vor allem wenn sie von unterschiedlichen Klasseneinteilungen geprägt sind. Auch der erste Stock ist sehr lichtdurchflutet. Einige Automaten für den kleinen Snackhunger oder Durst haben hier ebenfalls ihren Platz gefunden,
Ein wenig verlegen legte ich eine Hand an den Hinterkopf und versuchte zu lächeln, obgleich mir nicht danach war. Da war ich wohl gerade wieder mitten ins Fettnäpfchen getreten, wenn man das so nennen konnte. Entweder sie hatte den Sinn meiner Frage nicht verstanden oder empfand diesen Ort nicht als sonderbar. Möglicherweise hatte sie sich inzwischen auch daran gewöhnt, obwohl sie gesagt hatte, dass sie selbst noch relativ neu hier war. »Die Atmosphäre erscheint mir fremd, also … vergiss es einfach. Ich habe gesprochen ohne nachzudenken«, sagte ich stockend und nahm den Arm schließlich wieder herunter. Was für eine peinliche Situation wobei ich gerade einen sympathischen Menschen getroffen hatte. Nun musste sie mich ja für einen Idioten halten, der nur Blödsinn redete. Mein Blick wanderte kurz zu Boden, bevor ich wieder aufsah als Chloe das Wort an sich nahm. Diese Frage überraschte mich, dabei hatte ich mir schon gedacht, dass sie irgendwann kommen würde. Früher oder später würden wir auf das Thema zu sprechen kommen und nun war es geschehen. Einen Augenblick grübelte ich, ging nicht auf ihre Worte ein, sondern starrte nur an ihr vorbei auf die kahle Wand. Diese Frage konnte ich mir selbst nicht beantworten also wie sollte ich ihr eine Antwort geben? »Es ist nicht so, dass ich nicht will, sondern nicht kann«, erwiderte ich vorsichtig, versuchte ihre Reaktion abzuschätzen. »Ich wurde quasi gegen meinen Willen hierher verschleppt und bin vor einigen Tagen am Strand aufgewacht. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie verwundert ich über die ganze Sache war. Obwohl, … so schlimm war es gar nicht, denn zu Hause erwartet mich sowieso nicht viel.« Ich nahm einen tiefen Atemzug und musterte ihr Gesicht, welches von braunen Haaren umrahmt wurde. Dabei fragte ich mich, was sie hierher verschlagen hatte. »Und du?« Hoffentlich war ihr diese Frage nicht zu persönlich, andererseits hatte ich ein Recht die Gegenfrage zu stellen.
Glücklich darüber, dass er es ihr nicht noch einmal zu erklären versuchte, war das Mädchen gewiss nicht. Schließlich wollte sie verstehen, was man sie fragte, egal, was sie auch gefragt wurde. "Selbst wenn man ohne nachzudenken spricht, will man trotzdem irgendetwas ausdrücken." Im Augenblick erkannte sich Chloe selbst nicht wieder. Soetwas hatte sie noch nie gesagt und auch hatte sie noch die darauf beharrt, dass man ihr etwas erklärte. Vielleicht lag das aber auch einfach daran, dass man sich in diesem Gebäude mit ihr abgab und das sogar freiwillig. Zwar wusste niemand, wo sie sich vorher aufgehalten hatte, aber das war etwas, was dabei doch recht egal war. "Natürlich ist es anders hier...jeder Ort ist anders. Und die Menschen - wenn diese gewiss auch nicht alle 'nur' Menschen sind - sind auch alle verschieden." Ob Jun nun das gemeint hatte oder nicht, spielte für Chloe keine Rolle. Es war ihr nur wichtig, dass er verstand, was sie meinte. Immerhin wusste sie nicht, ob er davon ausging, dass es hier nur normale Menschen gab. Vielleicht hatte er ja auch genau das gemeint? Sie würde es schön noch sehen. Es war irgendwie verwirrend, dass er es ihr nicht erklären konnte, immerhin musste man den Grund für seinen Aufenthalt an welchem Ort auch immer doch selbst wissen. Chloe wusste ihn ja auch. Bei seiner dann folgenden Antwort aber wurde Chloe komisch ruhig und betrübt. Zum einen konnte sie nicht verstehen, wieso man einen Jungen einfach verschleppte und an einem Ort absetzte, den er gar nicht kannte; zum anderen erinnerte sie sein letzter Satz an das, was Chloe nicht hatte, sich aber wünschte und es nie bekommen würde. Sie schaute Jun schon nicht mehr direkt an, sondern betrachtete den Boden vor ihnen. Auf seine Frage war sie in gewisser Weise gefasst gewesen, wünschte sich aber, sie nie gehört zu haben. Es dauerte eine Weile, bis sie überhaupt über eine Antwort nachdachte und nochmal so lange, um den Mund zu öffnen. "Ich..." Sie überlegte, ob sie ihm wirklich die Wahrheit sagen sollte, die ihr selbst immer wieder einen Schrecken einjagte, fand es gleichzeitig aber auch unfair, einfach eine Geschichte zu erfinden. Noch immer sah sie ihn nicht an, als sie letzten Endes weiter sprach. "Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich leben kann. Auch wenn ich zur Schule gehen muss...immerhin werde ich jetzt nicht mehr nass, wenn es regnet. Und etwas zu essen bekomme ich auch." Ihre Stimme wurde mit jedem Wot, was sie aussprach, immer leiser, bis es nur noch ein Flüstern war. Es schien für einen Moment, als wäre Chloe in einer völlig anderen Welt. "Auch wenn der Automat da Geld haben will, ich keines habe und fast am verdursten bin." sagte sie wieder etwas lauter, mit einem schon fast amüsiertem Unterton. Erst jetzt sah sie wieder auf und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, eben wieder ihre verstellte Persönlichkeit.
Ihre Worte ließen mich kurz grübeln, mit dem Finger an der Unterlippe legte ich den Kopf in den Nacken. Obwohl ich mich doch einigermaßen gut ausdrücken konnte, fehlten mir oftmals die richtigen Worte um etwas zu erklären. Außerdem sprach und handelte ich ohne mir vorher einige Sätze im Kopf zurecht zu legen. Man konnte es als Spontanität bezeichnen, die manch einer als störend und lästig empfand. Ich selbst hatte mich hingegen damit abgefunden so zu sein. Es war mein wahres Ich und ich wollte mich nicht verstellen um die Erwartungen anderer zu erfüllen. »Was meinst du damit? Im Prinzip sind wir doch alle nur Menschen, das verstehe ich nicht.« Meine Augenbrauen waren zusammengekniffen und ich blickte sie fragend an. Momentan stand ich noch vor einem Rätsel, verstand diesen Ort und meine Bestimmung nicht. Ich wusste nicht warum ich hier gelandet war und wer mich verschleppt hatte, oder ob ich diesen Menschen dankbar sein sollte. Einerseits hatten sie mich aus dem eintönigen Alltag befreit, mich andererseits auch ins kalte Wasser geworfen. Nachdem ich einen Augenblick lang die Kacheln an der Decke gezählt hatte, senkte ich meinen Kopf wieder und musterte Chloe. Ihre Augen wirkten trüb und traurig als hätte sie etwas verletzt oder als würde sie in deprimierenden Erinnerungen schwelgen. Hatte ich diesen Zustand durch meine Frage ausgelöst? Wollte sie vielleicht gar nicht darüber sprechen? Unsicher verlieh ich meinem Gesicht einen milden, beinahe mitfühlenden Ausdruck und lauschte ihren Worten. Empathie war nicht mein Bereich, obwohl ich ein intaktes Sozialleben besaß. »Du bist also mehr oder weniger freiwillig hier«, erwiderte ich eine Spur zu trocken und sah schließlich zu dem Getränkeautomaten. »Tut mir Leid, ich habe auch kein Geld. Aber auf dem Klo ...« Durch die Schulklingel wurde ich unterbrochen. Überrascht richtete ich meinen Oberkörper auf und vernahm die Schritte der Schüler. Mir war nicht nach Unterricht, vor allem weil ich die Hälfte davon nicht verstand. Mit einer dynamischen Bewegung sprang ich auf die Beine und hielt Chloe die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. »Wir sollten uns beeilen und zum Unterricht gehen. Bist du auch in der ... Mondklasse?« Das dieser Satz aus meinem Munde kam, war schon beinahe ein Wunder.
Nach Chloes Meinung war weder sie ein Mensch, noch die, die auf diese Schule gingen. Vielleicht zur einen Hälfte, doch irgendetwas hatte hier doch jeder an sich, was ihn eben nicht menschlich machte. Bei Chloe waren es eben der innere Vampir & Dämon, die sie immer wieder zu überrumpeln drohten. "Ja...eigentlich ist jeder ein Mensch. Nur...bezeichne ich mich nicht als solchen..." Ob er das verstehen konnte, konnte Chloe nicht nachvollziehen und auch, ob er überhaupt wusste, was sie meinte, wusste sie nicht. Aber es war ihre persönliche Meinung, an der man wohl niemals etwas ändern konnte. Für sie selbst war sie ein diebisches Monster, welches die Leute tötete oder verletzte, um das zu bekommen, was sie wollte. Und genau das war es, was sie so unmenschlich machte. Jedenfalls nach ihrer Meinung. Wieder sah Chloe auf den Boden, irgendwie war es merkwürdig für sie, mit jemandem darüber zu reden. Besonders, weil sie diesen jemand erst gerade kennen gelernt hatte. "Ja...für ein Dach über dem Kopf gehe ich sogar zur Schule." Sie versuchte, es etwas lockerer zu sehen und ihre Späße zu machen, doch versagte sie da auf voller Linie. Sowieso war ihr bei dem Thema nicht wirklich danach zu Mute. Aber sie konnte auch nicht ewig Trübsal blasen, ob sie wollte oder nicht. Immerhin konnte sie noch etwas aus ihrem Leben machen, ob mit Eltern oder ohne. Schade fand sie es nur, dass es jetzt schon zum Unterricht klingelte, auf den Chloe nicht das geringste Bisschen Lust verspürte. Vermissen würde man sie sowieso nicht, was also sollte sie also da? Zwar würde sie wohl nachsitzen müssen, aber war nicht auch das egal? Trotzdem nahm sie seine Hand und zog sich mit seiner Hilfe hoch, bis auch sie stand. Ebenso schade fand sie es, dass er nicht in ihrer Klasse zu sein schien, was ihre Lust auf den Unterricht nochmal rapide nach unten zog. "Nein..leider nicht. Ich bin in der Sonnenklasse." gab sie ihm also als Antwort und lächelte leicht. Vielleicht würde sie auch einfach wieder schwänzen? Sie kannte ihre Klasse zwar so einigermaßen, doch hatte sie mit keinem davon wirklich Kontakt. Und es schien dort auch niemand Kontakt zu ihr zu suchen. Doch das wollte sie Jun jetzt nicht unbedingend sagen. "Ich brauch mich nicht zu beeilen." sagte sie dennoch, warum, das wusste sie selbst nicht genau. Vielleicht einfach, weil sie sich lieber noch mit ihm unterhalten wollte, statt in einen anderen Raum gehen zu müssen, in dem sie wieder niemanden hatte, mit dem sie sprechen konnte. Wie würde sie ihn eigentlich wieder finden können? "Sag mal...hast du ein Handy?" Hoffentlich würde er das jetzt nicht falsch verstehen oder gar nicht wollen, aber dann konnte Chloe auch nichts daran ändern.
Verwirrt blickte ich sie an, meinen Mund dabei leicht geöffnet. Ihre Worte ergaben in meinen Ohren nicht den geringsten Sinn, denn für mich sah sie aus, wie ein hübsches Mädchen, völlig menschlich. Sie besaß weder sonderbare Ohren, noch verformte Gliedmaßen oder gar zusätzliche Augen. Vielleicht war dies auch nur eine äußere Hülle, aber allen wissenschaftlichen Theorien nach gab es keine mystischen Gestalten. Zwar hatte ich durchaus Interesse an der Paranormalität, doch ging dieses Interesse nie über die Gestaltung meiner Freizeit hinaus. Ich glaubte irgendwo in meinem Herzen an magische Wesen, aber mein Verstand verbot mir an so etwas zu glauben. »Wenn du meinst«, erwiderte ich schlicht weg und machte eine unwirsche Handbewegung. Dabei wollte ich nicht grob wirken, doch ihr Gerede verwirrte mich, und das konnte ich gar nicht leiden. Dass Chloe in die Sonnenklasse ging, trübte meine Laune etwas, doch nichts desto trotz bemühte ich mich um eine heitere Ausstrahlung. Wenn man mich kannte, konnte man durchaus sagen, dass ich immerzu ein Lächeln auf den Lippen hatte, mir gerne Späße erlaubte und auch sonst jede Situation irgendwie ins Lächerliche zog. Ich besaß somit eine Eigenschaft, die man allgemein als Galgenhumor bezeichnen konnte. »Schade.« Mehr wollte ich in dieser Lage nicht sagen. Sie hatte meine Geste angenommen und so half ich ihr wieder auf die Beine zu kommen. Es war wesentlich angenehmer, wenn man seinem Gegenüber auch beim Sprechen in die Augen sehen konnte. Ihre Aussage tat ich mit einem Grinsen ab. Offenbar kümmerte sie sich ebenso wenig um die Schule wie ich, was sie nur noch sympathischer machte. Wahrscheinlich konnte man eine Menge Spaß mit ihr haben, wenn sie sich einem nur richtig öffnete. Ich nickte und augenblicklich fingen meine Augen an zu leuchten. »Ja, Moment«, sagte ich und meine Hand wanderte an den Reißverschluss meines Rucksacks, den ich die ganze Zeit über meinen Schultern hängen hatte. Nachdem ich einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier zum Vorschein gebracht hatte, kritzelte ich mit meiner Sauklaue einige Ziffern auf das Blatt. »Du kannst mir gern eine Sms schreiben. Dann unternehmen wir 'was, wenn wir mehr Zeit haben, okay?« Kurzerhand drückte ich ihr den Zettel in die Hand und schulterte den Rucksack. Im Rückwärtsgang entfernte ich mich von ihr. »Wir sehen uns, Chloe.« Darauf winkte ich und kehrte ihr den Rücken. Im Trab bewegte ich mich Richtung Klassenraum, bereit auf eine langweilige Stunde Alchemie. Warum zum Teufel musste ich etwas über Alchemie lernen?
Scheinbar schien Jun verwirrt und wollte wohl auch nicht weiter über das Thema reden. Vielleicht würde Chloe es ihm ja irgendwann begreiflich machen können, doch dazu war jetzt leider keine Zeit mehr. Wobei Chloe auch gern noch geblieben wäre. Unterricht war nicht so ihr Ding. Wahrscheinlich würde es sowieso wieder einmal fast leer sein. Wieso sie dann als eine der einzige dort erschien, wusste sie auch nicht genau, doch einer der Gründe war sicher, dass sie nicht von der Schule fliegen wollte. Sie war ja heilfroh, einen Ort gefunden zu haben, an dem man sie aufnahm. Und das wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Deshalb beschloss sie, gleich dann doch los zu gehen, um wenigstens zu erscheinen. Ob nun zu spät oder pünktlich. Irgendwie erfreute es Chloe, dass auch Jun es schade fand, dass die beiden nicht in eine Klasse gingen. Vielleicht würden sie ja sowas wie Freunde werden können. Chloe würde es auf jeden Fall freuen, obgleich der letzte 'Freund' den sie gehabt hatte, diese Schule einfach verlassen hatte. Aber das hieß ja nicht, dass dies wieder passieren würde. "Ja..irgendwie schade." bestätigte sie seine Aussage schließlich. Mehr wusste sie dazu leider nicht zu sagen, denn was sie dachte, wollte sie nicht aussprechen. Abgesehen davon wusste sie gerade sowieso nicht, was genau sie überhaupt dachte. Froh war sie nur darüber, dass Jun ihre Frage irgendwie sehr erfreut zu haben schien, denn seine Augen nahmen ein Leuchten an, während er einen Zettel und einen Stift heraus kramte. Kurz darauf bekam sie einen Zettel in die Hand gedrückt, den sie sich sogleich ansah. Es war schwer die Ziffern lesen zu können, doch bevor sie irgendetwas sagen konnte, sprach Jun schon, woraufhin Chloe nur nicken konnte, denn dann war Jun auch schon verschwunden, kurz nachdem er ihr auf Wiedersehen gesagt hatte. Chloe hatte ihm noch ein Lächeln geschenkt, bevor er verschwunden war. Scheinbar hatte er es eilig. Mochte er den Unterricht etwa? Da würden sie wohl völlig verschieden sein, aber das war ja nicht so schlimm. Chloe blieb noch eine Weile stehen, denn sie Betrachtete den Zettel und ging dann zu ihrer Tasche, die sie hochhob und sich umhing, bevor sie ihr Handy rauskramte. Natürlich würde sie ihm nicht sofort schreiben, doch wollte sie seine Nummer einspeichern, bevor der Zettel noch verloren ging. Als das getan war, packte sie ihr Handy wieder ein und auch der Zettel verschwand in den Tiefen ihrer Tasche. Dann ging Chloe langsam, aber mit einem leichten Lächeln - etwas für sie völlig Ungewöhnliches - den Gang entlang zu ihrem nächsten Unterricht, der im Erdgeschoss statt fand.
Liam schob mich aus dem Zimmer hinaus, schien sehr wütend darüber zu sein, dass ausgerechnet ich seinen Unterricht unterbrochen hatte. Ja, warum ausgerechnet ich? Ich wusste es doch nicht! Jetzt wo ich ihn gesehen hatte, wusste ich nichteinmal mehr, weswegen ich überhaupt hier gewesen bin. Heftig den Kopf schüttelnd stand ich ihm gegenüber, konnte keine klare Gestalt erkennen, ich fühlte mich jetzt im Moment sogar noch miserabler, als zuvor, diese Energie, die von mir selbst ausging, war so negativ, dass sie mir schadete, sowohl von Innen als auch von Außen. >>Es tut mir leid...<<, murmelte ich und presste die Lippen fest aufeinander, um nicht vor ihm loszuweinen. Ich fühlte mich eben ungerecht behandelt, von diesem Gottverdammten Lehrer, er war eben auch nur ein Mann, einer der lieber etwas mit Männern hatte. Doch ich fragte mich, wohin sein Partner wohl verschwunden war, denn ich hatte weder Liam noch ihn, noch beide zusammen irgendwo gesehen, nun gut, es war aber auch kaum Zeit vergangen. >>Ich wollte den Unterricht nicht unterbrechen, ich wollte dich überhaupt nicht sehen...ich...<<, haspelte ich los und bemerkte erst jetzt, dass meine Flügel immer wieder sichtbar und unsichtbar wurden, wie die grauen bis schwarzen Flecken sich wie eine Krankheit auf meinen Flügeln ausbreiteten. >>Ich suche das Krankenzimmer...nein die Ärztin, weil sie nicht im Krankenzimmer gewesen ist...<<, fuhr ich mein Gerede fort und zupfte unheimlich nervös am Saum meiner Uniform herum. >>Und ich wusste nicht mehr in welchem Raum sie unterrichtete....es war so dringend...<<, mein Sprechen wurde immer leiser, bis ich letzlich verstummte und nur zu meinen Füßen sah, diese Situation war mir so unangenehm, dass ich kaum ein anständiges Wort in angemessener Lautstärke aussprechen konnte. Ich hatte tatsächlich vergessen, wo sie unterrichtet hatte, nur deshalb war ich doch in jeden Raum gestürmt. >>Tu - Tut mir leid...ich geh am besten wieder und wir vergessen, dass ich da war...<<, lächelte ich deutlich gezwungen und versuchte diese verdammten Flügel unsichtbar zu machen, doch es gelang mir nicht, einzelne Federn fielen erneut aus, schwarze Federn. Ich fühlte mich erbärmlich, die ganze Zeit über hatte ich ihm so vieles zu sagen gehabt, doch nun, wo ich unmittelbar vor ihm stand, da kam mir nicht ein Wort über die Lippen.
Ich war nicht direkt verärgert, sondern nur überfordert. Mit der Situation. Ich dachte nicht, dass wir uns irgendwann, außer in dem regulären Unterricht, wo ich auch sie unterrichtete, treffen würde. Es war wohl doch unumgänglich, dass wir uns hin und wieder auch ohne Grund trafen, auch wenn es eine simple Feststellung war, so war es für mich nicht ganz so klar gewesen, dass ich sie nicht komplett aus meinem Leben streichen konnte. Was ich - wenn man im Anbetracht der Lage dachte - nicht einmal wollte. So war es einfacher für sie, hatte ich vermutet. Immernoch unsicher, wie ich mich gegenüber ihr verhalten sollte [immerhin wusste ich nun, dass sie mich eigentlich mochte, und es war mir immernoch absolut undenkbar, dass das der Fall war...gut, wir hatten uns irgendwann einmal geküsst. Aber das war..nur Spaß gewesen, dachte ich wohl damals, und hatte mir mehr Gefühle beschert als ich; immerhin musste ich mit dem Gewissen leben, eine Schülerin geküsst zu haben! ..Gut, zu der Zeit hatte es mich nicht wirklich gestört..] Sie entschuldigte sich, und ich fragte mich, ob sie mich für so ein Monster hielt, dass ich ihr das jetzt dermaßen übel nahm. Es konnte halt passieren, und auch wenn ich im ersten Moment geschockt war, war mir klar, dass sie das nicht tat, um mich vor anderen zu demütigen. Völlig unsinnig.
"S-Schon gut.", meinte ich und konnte die Nervosität ihr gegenüber wohl kaum verstecken, zwang mich innerlich zur Ruhe, als ich auf sie hinabschaute. Dass sie das nicht mit Absicht gemacht hatte, darauf war ich von alleine gekommen, doch als sie sagte, sie wollte mich gar nicht sehen, versetzte es mir einen Stich - und dabei war es so logisch, dass sie mich nicht sehen wollte. Ich presste die Lippen aufeinander. Ihre Flügel, die sie erst seit kurzem besaß, erschienen, verschwanden wieder. Zuerst überlegte ich, ob das ein besonderer Trick war; und mein lächerliches Katzen-Ich sah viel zu aufmerksam auf die Federn, die dabei ausfielen und herabsegelten. "Die Ärztin?", fragte ich, als ich meinen Blick wieder auf sie richtete. Ich wusste zwar nicht, wo sie genau war, aber vermutlich konnte ich im Plan nachgucken - wenn es da stand. "Liegt es an den Flügeln? Oder bist du krank?", fragte ich nun, weniger sachlich, eher besorgt. Irgendwie hatte nun den Rest ausgeblendet. Ich fasste in meine Taschen; der Plan war jedoch wohl in meiner Tasche gewesen, die im Saal lag. Ich runzelte die Stirn in Überlegung, was man jetzt so tun konnte. Leider besaß ich selbst kein Wissen darüber, wenn rassenspezifisch irgendwelche Krankheiten vorkamen; bei Fieber und so weiter konnte ich wenigstens wissen, dass es Antibiotika gab. Aber vermutlich wäre es das einfachste, wenn man erneut zum Krankenzimmer gehen würde, und auf eine der Schwestern warten würde. Ich schaute auf die Uhr und überlegte, ob die Zeit schon um wahr, zuckte dann die Achseln und meinte: "Lass uns einfach mal ins Krankenzimmer gehen und warten.", ich nickte in die entsprechende Richtung, versenkte die Hände in die Hosentaschen und lief gemächlich los. Es hatte keinen Sinn, sie zu meiden, und das war es auch nicht, was ich wollte. Warum dann nicht einfach normal mit ihr umgehen?, dachte ich.
Okay, der Silberhaarige war jetzt also aus dem Lehrerzimmer gehetzt, weil ein gutaussehendes, junges Mädchen etwas wollte. Nagut, es sei ihm verziehn, immerhin war es als Lehrer sein Job, sich um die Belange der Schüler zu kümmern. Und das hier war genau so ein Fall von seinem Arbeitsgebeit, er musste helfen. Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, sah er sich erstmal das Mädchen genauer an. Mhm...rote Haare, ne einfache Bluse und nen Rock. Genau so halt, wie die Schuluniform es vorschrieb. So langsam jedoch wollte der Silberhaarige eigentlich mal wissen, was er tun sollte. Irgendwie hatte er ja eigentlich schon Feierabend, und könnte nach Hause gehn, oder sonst was. Gemütlich ging er hinter dem Mädchen her, bis er jedoch stehn blieb."Was ist eigentlich los? Gibts irgendwo nen Notfall oder so? Da solltest du dich dann lieber an die Krankenschwester wenden..." sprach er in relativ neutralem Tonfall. Doch bevor er eine Antwort abwarten konnte, sah er mal nach Draußen. Es schien die Sonne, und war wohl auch relativ warm, jedoch sah man auch ein paar Wolken. Ein perfekter Tag für den Strand war es wohl also nicht. Schade eigentlich. Er hatte schon mal wieder lust, an den Strand zu gehn oder sonst sowas. Kurz sah Slevin wieder auf sein Handy. Seltsam, Leo hatte sich gar nicht gemeldet...Und Hikari immer noch nicht...die war doch nicht etwa verstorben? Naja, Hikari war schon immer..recht eigenwillig gewesen, mal war sie da, mal war sie es nicht. Aber dennoch für ein Abenteuer gut.
"Wenn es sich wirklich um einen Medizinischen Notfall handelt, sollte ich Tiana holen gehn, auch wenn sie gerade noch Unterricht hat, Notfall ist Notfall.", meinte er zu der Rothaarigen. Wenn sich irgendwo jemand etwas gebrochen hat oder so, ist es doch besser sie zu rufen. Zwar konnte er auch Brüche heilen, jedoch...währe das ganze etwas Schmerzhafter, als wenn es eine erfahrene Ärztin machen würde. Leicht neugierig hob der Silberhaarige eine Augenbraune und tippelte leicht mit dem Fuß. Er wollte schon wissen, warum er jetzt aus dem Lehrerzimmer gezogen wurde.
Was für ein netter, willenloser Lehrer! In ihrer alten Schule wäre Sam wahrscheinlich angekeift worden, warum sie so herrisch mit den Lehrern umginge, und dass sie doch dort ihre Bitte loswerden sollte, doch dieser Typ kramte seine Sachen direkt zusammen und folgte ihr wie ein braves Hündchen. Während Sam voran auf den Flur ging, dachte sie darüber nach, wie jung der Kerl eigentlich aussah. War er wirklich Lehrer? Oder einfach ein Schüler, der irgendwas von dieser Frau gewollt hatte? Nein, nein, das konnte nicht sein, er trug ganz alltägliche Kleidung und keine Schuluniform. Und bei einem wichtigen Gespräch schien sie auch nicht gestört zu haben, sonst wäre er wohl nicht einfach mitgekommen. Bevor sie jedoch irgendetwas sagen konnte, erhob er das Wort und lenkte sich selbst somit auf den völlig falschen Weg. Genervt davon, dass der Typ sie nicht selber hat sagen lassen, was los war, betrachtete sie ihn mit zunehmender Wut, wie er nach dem Gesprochenen einfach aus dem Fenster starrte und dann auch noch sein Handy rausholte und sich mit diesem beschäftigte. "Finden Sie das nicht ein bisschen unhöflich, sich einfach in einem Gespräch mit dem Handy zu beschäftigen?!", keifte Sam den seltsam jungen Lehrer an und überlegte sogar kurz, ob sie ihm das Ding einfach aus der Hand schlagen sollte. Gerade noch entschied sie sich dagegen, da sprach der silberhaarige Typ auch weiter. Blabla, medizinischer Notfall, oah, dieser... Kerl! Er ließ sie ja nicht erklären! Und... was? "Tiana?", fragte das Mädchen verblüfft nach? Ob es Zufall war? Auf keinen Fall! Man konnte deutlich erkennen wie ihre Augen begannen zu funkeln und sich ihre schlechte Laune verabschiedete. "Wirklich? Tiana ist wirklich hier?! Awesome!" Freudig hüpfte das Mädchen auf und ab, was bei ihrer Freizügigkeit für einen Mann schon einen Blick lohnen würde. Dann jedoch fiel sie den Typen vor sich fast schon an und krallte sich mit ihren Händen an seinem Oberteil fest. "Wo?! Wo finde ich sie?"