Die Gänge des Obergeschosses sind stets gut gefüllt, da sich die meisten Unterrichtsräume hier befinden und deshalb immer ein reges Treiben herrscht. Vor allem in den Pausen treffen sich eine Grüppchen immer auf den Gängen, vor allem wenn sie von unterschiedlichen Klasseneinteilungen geprägt sind. Auch der erste Stock ist sehr lichtdurchflutet. Einige Automaten für den kleinen Snackhunger oder Durst haben hier ebenfalls ihren Platz gefunden,
Ich tippelte von der Caféteria hierher, blickte kurz aus dem Fenster und gähnte. Mich streckend blickte ich nun gegen die Decke und wusste nicht recht, wohin ich nun gehen sollte. Zwar hatte ich Unterricht, doch niemand hatte mir gesagt wo und wer unterrichtete und was unterrichtet wurde.
Grummelig wanderte ich den Gang entlang, bis mir eine Stimme auffiel, es war Caiwen und bam. Die Tüsch schlug mir direkt vor der Nase zu. Ich beschloss zu klopfen und hinein zu sehen, was war daran auch so falsch? Ich störte damit doch niemanden. Also setzte ich ein breites Lächeln auf und betrat einen Raum an dessen Tür ich zuvor geklopft hatte.
Genervt hatte sie den Klassenraum verlassen und ebenso genervt stand sie nun in dem langen, komischerweise menschenleeren Gang. Also genau das Richtige für Chloe, die jetzt einfach mal ihre Ruhe brauchte und am besten von niemandem angesprochen werden wollte. Sie lief den Gang hinunter zu den Treppen, die ins Erdgeschoss führen wurde, dort allerdings blieb sie vor einem Automaten stehen. Hier oben war die Luft ziemlich drückend und Chloe hatte unglaublichen Durst - und dieses Mal würde sie sicherlich kein Tierblut trinken! So suchte sie in ihrer Tasche, ob sie dort nicht noch ein bisschen Geld hatte, das allerdings konnte sie schnell vergessen. Geld hatte sie immerhin noch nie gehabt und das würde sich auf dieser Schule wohl auch nicht so schnell ändern. "Ach, verdammt!" fluchte sie und trat gleich darauf gegen den Automaten, der sich nur ein wenig bewegte, wo ansonsten aber nicht viel passierte. Chloe setzte sich angelehnt an die Wand neben dem Automaten und schmiss ihre Tasche einfach neben sich. Sie hatte Durst, keine Lust mehr und war genervt. Warum konnte sie nicht einfach eine Familie haben? Eine, in der sie geliebt wurde. Sie winkelte ihre Beine an und sah erst an die Decke - diese hatte im Übrigen einige Löcher und war nicht gerade sauber - dann legte sie ihre Arme auf ihre Knie und ihren Kopf darauf. Kopfschmerzen kamen jetzt also auch noch dazu. Da hatte ich es auf der Straße besser...da konnte ich mir wenigstens immer etwas zu trinken besorgen. Hier hatte sie noch nicht einmal einen Wasserhahn in der Nähe. Und zur Toilette wollte sie dafür nun nicht extra noch gehen.
Unbeeindruckt betrachtete ich den Gang, welcher sich vor mir erstreckte. Soweit meine Augen sehen konnte, war kein Ende in Sicht, was mich etwas stutzig machte. Diese Schule war ein einziges Labyrinth, jeder Flur sah identisch aus und die Klassenräume unterschieden sich ebenso wenig von einander. Daher hatte ich mich trotz allem entschieden etwas früher meine Klasse zu suchen, um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Sicher, normalerweise machte es mir wenig aus, aber irgendwie hatte ich nicht das Bedürfnis nach einer Strafarbeit. Zumindest noch nicht jetzt wo ich gerade am Anfangs meiner Schulzeit hier stand. Kaum bewegte ich mich drei Meter weiter, den Blick auf die kleinen Schildchen vor den Türen gerichtet, hörte ich einen dumpfen Laut, der meine Aufmerksamkeit erregte. Darauf eine fluchende Stimme und schließlich wieder Stille. Lediglich die gedämpften Stimmen der Schüler aus dem Erdgeschoss drangen an mein Ohr. An meinem Leben hatte sich vieles verändert, angefangen bei meinen merkwürdigen Mitschülern, bis hin zum Stoff, der einem gelehrt wurde. Noch nie hatte ich etwas von Heilkunde oder Alchemie gehört, so stellte diese ganze Angelegenheit mein Leben auf den Kopf. Auf dem Boden kauernd entdeckte ich eine Gestalt, hielt inne und musterte die Person einen Moment. Ob sich dabei um ein Mädchen handelte, war nicht zu sagen. Zwar hatte die Person recht zierliche Arme und Beine, doch da ich ebenfalls sehr schlank gebaut war, wollte ich kein Risiko eingehen und ins Fettnäpfen treten. »Hey. Alles in Ordnung?«, fragte ich in meinem üblichen aufgeweckten Tonfall. Dabei musterte ich den braunen Schopf und legte meinen Kopf etwas schräg.
Schlimm fand sie es, dass sie wirklich keine Möglichkeit hatte, an eine Limonade oder auch nur an eine Flasche Wasser zu kommen, ohne diesen verdammten Automaten kaputt zu machen. Aber noch frustrierender fand sie die Tatsache, in dieser Schuluniform durch die Gegend laufen zu müssen, die Chloe überhaupt nicht gefiel. Sie entsprach einfach nicht ihrem STil und sie konnte nicht verstehen, wieso es so dringend notwendig war, eine Bluse zu tragen. Der Rock war ja noch in Ordnung, obgleich die Farbe ihr nicht wirklich gefiel. Gerade, als sie sich erheben wollte, um...irgendetwas besseres zu machen als nur dumm rum zu sitzen, konnte sie eine Stimme vernehmen, die scheinbar mit ihr sprach. Als Chloe aufblickte, konnte sie die Gestalt eines...Jungen erkennen, welche allerdings eher die eines Mädchens glich. Dennoch, so fand Chloe, konnte man ganz gut erkennen, dass es sich nicht um eine weibliche Person handelte. "Nein. gab sie nur als Antwort, wobei ihr Tonfall vielleicht etwas patzig klang. Aber das war etwas, was man so von ihr sowieso kannte. Das war wohl auch einer der Gründe, warum sie kaum Freunde hatte - wobei da der Grund wohl überwiegen würde, dass sie jahrelang auf der Straße herumgeirrt war. "Mir ist warm, ich hab Durst und muss diese Uniform tragen. Wieso sollte da alles in Ordnung sein?" Natürlich konnte der Junge nichts von alldem wissen und so war es eigentlich unfair, so zu reagieren, doch das vergaß Chloe immer wieder gerne und auch jetzt ging es ihr da nicht anders.
Während ich sie unauffällig musterte, wie sie ihren Kopf anhob und mich nun ansah, drehte ich eine Strähne meines blonden Haars zwischen den Fingerspitzen. Früher war ich mit meiner Haarfarbe aus der Masse heraus gestochen, doch an dieser Schule irrten selbst Menschen mit den absurdesten Farbtönen herum. Beispielsweise hatte ich schon Violett, Rosa und selbst Grün entdecken können. Da wunderte mich das natürliche Braun dieser Schüler schon etwas, doch es war auch eine nette Abwechslung. Ihre barsche Antwort hinterließ erst einen verblüfften Ausdruck in meinem Gesicht, doch einen Moment später zuckten meine Mundwinkel amüsiert nach oben. »Wenigstens bist du ehrlich«, erwiderte ich und zuckte mit den Schultern. Eine Eigenschaft, die ich sehr schätzte. Um ihr die Situation nicht noch weiter zu erschweren und einen weiteren Punkt auf ihrer imaginären Liste der schlechten Laune hinzuzufügen, ging ich kurzerhand in die Hocke. Dabei bemerkte ich nur am Rande, dass ich mitten auf dem Gang hockte, denn hier kam um diese Zeit ohnehin niemand vorbei. »Das ist schon gemein, aber es könnte schlimmer kommen. Sie könnten dich auch in eine lange Hose stecken.« Etwas gequält lächelte ich und deutete auf meine schwarze Jeans, welche das Sonnenlicht förmlich anzog. Einer der Gründe die Pausen im Schulgebäude zu verbringen. Sie hatte ein hübsches Gesicht und wirkte ganz sympathisch, wenn man von ihrer genervten Stimmung absah. »Und du bist … ?« Neugierig legte ich den Kopf in die Handflächen und stütze die Arme auf meinen Oberschenkeln ab.
Erstaunt darüber, dass er kaum auf ihre Tonart eingegangen war und sogar noch lächelte, war Chloe schon. Oft kam das immerhin nicht vor und es verleitete sie dazu, sich wenigstens gerade hinzusetzen. War Ehrlichkeit denn wirklich so wichtig? Aber es stimmte schon, auch Chloe fand es besser, wenn man die Wahrheit sagte, statt zu lügen. Unerhlichkeit hatte sie schon oft genug erlebt - besonders an sich selbst. Immer mal wieder log sie andere Menschen an, aber auch sich selbst. Ihre Augen verfolgten sein Gesicht, sodass sie vom Blick nach oben in einen geraden übergingen, als der Junge sich zu ihr hinab begab - was man nun nicht falsch verstehen sollte. Tatsächlich musste Chloe schmunzeln, als er auf seine Hose deutete. Recht hatte er ja und sie war auch froh darüber, einen Rock tragen zu dürfen. Dennoch hätte sie gegen eine andere Farbe nichts einzuwenden. "Da hast du wohl recht..." sagte sie dazu nur, während sie ihn weiterhin musterte. "..Chloe" beendete sie seinen Satz, der ihr als Frage gegolten hatte. Ihren Nachnamen sprach sie nie aus, da sie fand, dass er nicht sehr wichtig war. Außerdem wünschte sie sich ohnehin einen anderen, da er sie immerzu an ihre ELtern erinnerte - die sie ja noch nicht einmal kannte. "Erfahre ich deinen Namen auch?" Er sprach wenigstens mit ihr, nicht so wie der Junge im Klassenraum, der ihr minutenlang keine ANtwort gegeben hatte. Und aus diesem Grund versuchte sie nun auch, ihren Ärger nicht unbedingend an ihm auszulassen, obgleich man ihrer Stimme diesen sehr wohl noch vernehmen konnte.
Zufrieden nickte ich, erwiderte nichts weiter auf ihre Aussage. Natürlich hatte ich mit dieser recht, ohne nun überheblich und arrogant dazustehen, aber es war wohl mehr als offensichtlich, dass man es im Rock angenehmer hatte. Zumindest während der Sommerzeit, wenn die Sonne erbarmungslos auf die Köpfe herunter knallte und niemanden verschonte, ganz gleich wie sehr man um einen kühlen Regenguss oder ein schattiges Plätzchen betete. Sie richtete ihren Oberkörper auf, eine kaum merkliche Bewegung, die ich dennoch mitbekam. In letzter Zeit achteten meine fünf Sinne auf Dinge, die sonst im Verborgenen lagen. Zum Beispiel roch ich den Geruch des Meeres, hörte das Kreischen der Möwen und sah den Sonnenuntergang in einem ganz anderen Ausmaß. Es war beinahe so, als wurden durch meinen Aufenthalt hier meine Sinne geschärft. »Ein schöner Name«, gab ich zurück und ließ mir ihren Vornamen einige Male durch den Kopf gehen. Wenn ich mich recht erinnerte, war es ein französischer Name und durchaus verbreitet. Kamen hier etwa Schüler und Schülerinnen aus der ganzen Welt her? »Sicher. Ich heiße Jun Nguyen.« Erneut zierte ein leichtes Lächeln meine Lippen. Allmählich fing meine Position an unangenehm zu werden, sodass ich mich mit den Händen auf dem Boden abstützte und mich nun auf den staubigen Flur setzte. So war es um einiges angenehmer und ich konnte dem Mädchen in die Augen sehen. »Bist du schon lange hier?« Interessiert ließ ich meinen Blick kurz schweifen, fixierte jedoch darauf wieder ihr Gesicht.
Über sein Kompliment freute sie sich zwar, hatte allerdings auch Zweifel, dass er es wirklich ernst meinte. Und das sah man wohl auch an ihrem Gesicht, dessen Lippen versuchten, zu lächeln, ihre Augenbrauen sich aber gleichzeitig auch ungläubig in die Höhe zogen. "Ähm..danke." sagte sie schließlich, um nicht den Eindruck zu machen, dass ihr seine Worte völlig egal waren. Im nächsten Moment schon sprach er seinen Namen aus, den sie sich einige Male durch den Kopf gehen ließ. Woher er kam, konnte sie nicht mal schätzungsweise sagen. Sie kannte sich darin nicht wirklich gut aus. "Woher kommt denn dein Name?" fragte sie ihn deshalb, nicht nur, um etwas zu sagen, sondern auch, weil es sie wirklich interessierte. Bei den meisten wollte sie noch nicht einmal den Namen wissen, da sich andere eben auch nicht für sie interessierten, aber hier war es ja anders, sodass auch sie Interesse zeigen konnte. Immerhin hatte er sie gefragt, ob mit ihr alles in Ordnung war - etwas, was bisher nur er getan hatte. Recht schnell setzte sich nun auch Jun hin; es war ihm wahrscheinlich ungemütlich geworden, was Chloe nur zu gut nachvollziehen konnte. Selbst saß sie lieber, als in der Hocke zu sein. "Wirklich lange bin ich noch nicht hier..." gab sie ihm dann als Antwort, selbst nicht sicher, ob sie diese Tatsache erfreute oder eher noch mehr deprimierte. Aber es war schon schön hier - jedenfalls für sie, die nie ein Dach über dem Kopf gehabt hatte; jedenfalls lange Jahre nicht. "Ich nehme an, du bist noch ganz neu hier?" Gesehen hatte Chloe ihn ja noch nie, aber das traf wohl bei den Meisten an dieser Schule zu. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass er sich hier noch nicht wirklich auszukennen schien.
Ihre Erwiderung klang nicht wirklich überzeugend als würde sie an ihren eigenen Worten zweifeln. Dennoch zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, während sie ihre Augenbrauen in die Höhe hob. Ein wenig amüsiert betrachtete ich diese Gesichtsregung bevor ich auf ihre Frage einging. Dabei legte ich den Zeigefinger an die Unterlippe und grübelte eine Weile. Nicht, weil ich die Herkunft meines Namen nicht kannte, sondern weil ich überlegte, wie ich es formulieren sollte. »Mein Vorname ist japanisch und dort ziemlich bekannt. Nguyen hingegen ist vietnamesisch. Meine Mutter hatte Vorfahren aus Vietnam, wenn ich mich richtig erinnere.« Tatsächlich stammt meine Urgroßmutter aus dem asiatischen Staat Vietnam, jedoch beherrschte weder ich, noch meine Mutter diese Sprache. Das einzige, was uns geblieben war, war der Familienname. Ihre Vermutung bestätigte ich mit einem knappen Nicken, wusste dabei nicht ob mir nach Lachen oder Weinen war. Einerseits war dies hier eine tolle und interessante neue Erfahrung, und daheim erwartete mich auch nichts. Dennoch vermisste ich meine alten Freunde, die Großstadt Kyoto und alles drum herum. »Gut geraten. Ich bin erst seit wenigen Tagen hier.« Ein trauriges Lächeln legte sich unwillkürlich auf meine Züge, ohne dass ich es verhindern konnte. »Hier ist vieles anders. Vor allem die Mitschüler haben mich überrascht. Ist dir auch aufgefallen, dass einige von ihnen irgendwie … anders sind?« Ich senkte meine Stimme und beugte mich etwas zu ihr hervor, flüsterte beinahe.
Gespannt lauschte sie den Worten des Jungen vor ihr und ließ sie sich einmal durch den Kopf gehen. Es war schön, wenn man wusste, woher seine Familie stammt und wer diese überhaupt ist. Chloe selbst war das ja leider nicht vergönnt. Und das war wohl auch ein Grund, wieso sie auf die meisten innerlich ziemlich eifersüchtig war. Stellte sich nur die Frage, warum Jun überhaupt hier war, wenn er doch noch Familie hatte. Immerhin war das hier ein Waisenhaus und Chloe hatte bisher immer gedacht, dass in einem solchen Gebäude nur Kinder und Jugendliche ohne Familie leben würden. Aber es hatte sich sowieso schon mehrmals bewiesen, dass dem doch nicht so war. Jun jedenfalls schien es aus Chloes Sicht nicht sehr zu gefallen, dass er auf diese Schule ging. Was er allerdins mit 'anders' meinte, konnte Chloe noch nicht so nachvollziehen. Natürlich war hier jeder anders. "Ähm...wie genau meinst du das?" fragte sie ihn deshalb lieber, bevor sie ihm eine ANtwort geben würde. Nachher hatte sie die Frage ganz falsch verstanden und so auch eine falsche Antwort gegeben. Und das wollte sie, auch wenn es ihr sonst eigentlich ziemlich egal war, vermeiden. "Darf ich fragen, wieso du hier bist?" Schon als sie die Frage ausgesprochen hatte, bereute sie diese, denn damit hatte sie ihm schon heraufbeschworen, dass auch ihr diese Frage gestellt werden würde. Und darauf antworten wollte sie eigentlich nicht. "Du musst mir die Frage nicht beantworten, wenn du nicht willst." Vielleicht würde sie damit ja aus der Nummer heraus kommen, bezweifelte dies aber dennoch. Sie konnte ja ihm keine Antwort verwehren, wenn er ihr eine geben würde - obgleich genau das eigentlich Chloes Art wäre. Warum also nicht? dachte sie sich stumm und beobachtete nun genau Juns Reaktion, um in etwa einschätzen zu können, wie weit sie gehen konnte, ohne ihn groß zu verletzen. Denn auch das war etwas, was bei ihr oft genug vorgekommen war.