Beschreibung: Ein abendlicher Spaziergang am Strand gehört für die junge Nixe zum Ritual für einen Start in das Wochenende einfach dazu. Während Gabriel seinen Feierabend nutzt um sich am Strand den Tiefen seiner Ängste, dem Wasser, auseinanderzusetzen und sich selber konfrontiert, scheint dies für Nojra ein interessantes Schauspiel zu sein. Ob es einfacher ist sich seiner Angst zu stellen, wenn man nicht alleine ist?
Endlich Feierabend. Mit einer Hand in der Hosentasche versenkt spazierte Gabriel an der Strandpromenade entlang. In der anderen Hand hielt er einen warmen Pizzakarton, welcher er geschickt auf seiner Handfläche balancierte. Seine Augen waren starr auf den Boden vor sich gerichtet. Bewusst schaute er nicht wie viele andere in die Richtung des Horizonts, wo man die schönen Wellen beobachten konnte, die in einem regelmäßigen Schwall über den Sandstrand strudelten. Bei jedem fünften Schritt schielte er unsicher zum Wasser, ehe er plötzlich inne hielt. Abrupt drehte er sich der Sonne entgegen, seufzte und trat nur wenige Schritte durch den Sand. Ungeschickt stellte er sich an, da ihm viel Sand in die Schuhe glitt. Man kann es ihm nicht verübeln, da er noch gar nicht so lange auf Isola war und die Eigenheiten dieser Materie für ihn unbekannt waren. Der junge Mann schnaubte wütend, als sein Körper sich weigerte weiter zu gehen. Ihn trennten nun noch mehrere Meter vom Wasser, somit war er deutlich in Sicherheit. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ sich der Pizzabäcker auf den Hintern fallen und landete sachte im Sand. “Verdammt.“, fluchte er, als er das kühle Nass vor ihm beobachtete, wie es immer wieder versuchte mehr Land unter sich zu ersaufen. Seufzend vergrub er sein müdes Gesicht in seine Hände, nachdem er die Pizza einfach neben sich gelegt hatte. Er stützte sie am Ellbogen und an seinen Knien ab. Es war dunkel geworden, da er die Augen geschlossen hielt, wenn auch nur für einen Moment um sich Ruhe zu gönnen. “Erstmals tief durchatmen.“, sprach er flüsternd zu sich selber und tat dies auch mehrmals. Erneut stand er auf und wollte einen mutigen Schritt nach vorne wagen, doch sein versteinerter Körper ließ ihm keine andere Wahl, als sich erneut auf den Po plumpsen zu lassen und wieder das Gesicht in seine Hände zu vergraben. Auch wenn der Grünäugige sich zuhause umgezogen hatte, er roch deutlich danach, was er zuvor gemacht hatte. Der Pizzageruch war intensiv und klebte an ihm wie der Käse an der Pizza. Seufzend verharrte er in dieser Position, ehe er seinen Kopf erhob und sich entschied, seinen Blick zum Wasser zu positionieren. Es war ersichtlich, wie ihn dieser Anblick zerriss. Nach nur wenigen Minuten erinnerte sein knurrender Magen ihn daran, dass er sein Feierabendmenü bei sich hatte. So lenkte er sich von dieser unangenehmen Konfrontation ab, indem er sich in den Schneidersitz setzte, die Pizzaschachtel auf seine Beine legte und sie öffnete. Ein wohliger Geruch von Käse, Salami, Hefeteig und Knoblauch strömte ihm entgegen. Fast schon mit einem zufriedenen Lächeln entnahm er ein Stück und schob es sich in den Mund. Wenn man seine Ängste mit positiven verknüpfte, konnte man sie doch überwinden. Oder etwa nicht?
Obwohl es erst Ende März war, spielte der fast schon warme salzige Wind bereits auffallend zart und angenehm mit den leicht in Nojras Gesicht fallenden Strähnen. Es war Freitagabend und das wie immer ungeduldig erwartete Wochenende lockte mit all seiner freien Zeit, möglichen Abenteuern und einem größtenteils sturmfreien Haus. Kein nerviges Lernen nach dem Unterricht, keine unmenschlich früh angesetzte Ausgangssperre, keine gestellten Wecker. Kurzum ein paar von den nervigsten Schwierigkeiten des Lebens befreite Tage. Jetzt, da sie theoretisch wirklich alles, was die Insel momentan so hergab, machen konnte, stand die braunhaarige Spaziergängerin allerdings vor dem nicht minder großen Problem einer Entscheidung, was sie eigentlich mit der Fülle an Optionen anfangen wollte. Jeden einzelnen Schritt genießend, vergrub sie ihre Zehen beim Absetzen des Fußes komplett im schlammigen Sand der ausgefransten Wassergrenze. Sie liebte dieses Gefühl so sehr. Trotz des beginnenden Frühlings und den damit verbundenen zunehmenden Sonnenstunden, würde die Temperatur der Meeres noch eine ganze Weile im badeunfreundlichen Bereich vor sich hindümpeln. Nixe sein hin oder her, im Kalten zu planschen war einfach für niemanden eine einladende Vorstellung. Verträumt wanderten die braunen Augen von den sich in die Unendlichkeit erstreckenden Bergen und Tälern der Wellenlandschaft, über die unebene Oberfläche des breiten Strandstreifens und blieben an einer mit angewinkelten Beinen auf dem Boden sitzenden Gestalt hängen. Scheinbar war sie nicht die einzige Person mit einer noch unausgereiften Abendplanung. Ihr typisch freches Grinsen ins Gesicht gepflanzt legte sie einen zügigen Schritt zu, in Richtung ihres soeben kurzerhand auserkorenen Gesprächspartners. Vor ihm stehend biss sie sich unbewusst leicht auf die Unterlippe und räusperte gut vernehmlich um, für den Fall dass er entweder blind, oder in Gedanken versunken war, auf sich aufmerksam zu machen, “Hey. Weißt du auch noch nicht was du heute so machen sollst?”. Sofort schoss heißes Blut in ihre Wangen und mit schmerzlich verzerrtem Mund kletterten beide Augenbrauen deutlich in die Höhe. Wow….warum nicht einfach direkt mit der Tür ins Haus fallen….peinlich...
Mit der Pizza in der einen Hand und der Schachtel in der Anderen stierte er kauend in den Himmel und beachtete die regelmässigen Wellen, die an Land strudelten und sich wieder zurückzogen, keineswegs. Bissen für Bissen ließ er sich das Stück Pizza auf der Zunge zergehen und wirkte schon beinahe fröhlich. Zumindest für seine Verhältnisse... Das er jemals Pizzabäcker werden würde - das hätte er nie gedacht. Schließlich war er kein sonderliches Genie was das Kochen anbelangt. Dennoch hatte man es geschafft, dem jungen Mann die Kunst des Pizzabackens beizubringen und ihm zu lehren, wie man das handhabt. Er war zufrieden mit seiner Salamipizza, die ihm sichtlich gut gelungen war. Sie war schön rund, der Rand war von außen knackig und von innen weich. Die Tomatensoße vergrub nicht den gänzlichen Teig unter sich, sondern legte sich wie ein Vorhang darüber. Nur die Salamischeiben waren wohl etwas ungenau plaziert geworden, sodass sich mehrere auf einem Stück tummelten, als hätten sie ein Meeting zusammen. Doch das lag darin, dass Gabriel rasch fertig werden wollte um zügig das Restaurant aufzuräumen und zu verduften. Er genoss die Zeit für sich. Gerade entnahm er erneut ein Stück Pizza, ehe er kurz zusammen zuckte, als er eine Stimme vernahm. "Hm?", entkam es ihm kauend, ehe er aufsah und jemand vor ihm stehen sah. Die Sonne blendete etwas, sodass er die unbekannte Person mit der weiblichen Stimme erst nicht gut genug erkennen konnte. Dennoch hörte er ihr zu und kniff die grünen Augen zusammen. Doch ihre Frage als fremde Person war doch recht merkwürdig. "Seh ich etwa so aus, als ob ich nicht weiß, was ich tue?", stellte er ihr weder freundlich noch unfreundlich eine Gegenfrage und lehnte sich mit seinem Oberkörper zur Seite um mit seinem Gesicht in den Schatten des Mädchens zu gelangen. Nun erstrahlte der Körper vor Gabriel wie ein kleiner Engel, da die Sonne im Rücken der Braunhaarigen sie strahlen ließ. Erst musterte er sein Gegenüber genau und ließ seinen Blick vom Haupt bis zu den Zehen wandern. Vor ihm stand ein unschuldig wirkendes Wesen, wessen Wangen sich rötlich verfärbt hatten und dessen Füße feuchten Sand an sich kleben hatte. Nun war er sich sicher: Sie genoss auch schon mal eine seiner Pizzen. Doch war dies der Grund, dass sie ihn ansprach? "Sie ist offen, mich einfach anzusprechen, aber gleichzeitig schüchtern, sodass ihr das peinlich ist?", dachte sich der Blondhaarige und machte sich wohl Gedanken zu ihrem Zustand. Seinen Blick ließ er keine Sekunde von ihr ab. "Naja, bei dem Wetter muss man wohl die Freizeit draußen verbringen. Oder was meinst du?", eröffnete er somit den Dialog und erhob seine Hand mit dem Pizzastück um sich einen Bissen zu gönnen, jedoch ohne seine Augen von ihr abzuschweifen. Es wäre genug Platz zu seiner rechten um sich sitzend zu platzieren, während auf der anderen Seite die Pizzaschachtel hingestellt wurde. Doch es wäre auch genug Platz am gesamten Strand um einfach zu verduften und sich ein eigenes Plätzchen zu suchen.
Es brauchte nicht lange bis Nojra erkannte, wer da vor ihr genüsslich essend im Sand saß. Dieses mit Piercings verzierte Gesicht hatte sie nicht nur einmal bei ihren regelmäßigen Abzweigungen in den örtlichen Pizzaladen hinter der Theke begrüßt. Ein plötzliches flaues Gefühl breitete sich wie hitzige Lava von ihrem Bauch ausgehend in Richtung ihres Brustkorbs aus. Irritiert tat sie diese seltsame Reaktion als das Resultat ihres auf später verschobenen Abendbrots ab. Der Duft frisch gebackenen Teigs, saftiger warmer Salami und geschmolzenen Käses schwebte, getragen von zarten Winden, verheißungsvoll in ihre Nase und löste nahezu eine Flutwelle in ihrem Mund aus. Die Erwiderung des Blonden überraschte sie ein wenig und im ersten Moment ging sie still im Kopf alle mögliche Ausreden durch, um sich doch lieber schnellstmöglich wieder aus dem Staub machen zu können. Warum genau, war ihr selbst ein Rätsel. Ehrlich...weglaufen? Dieser ungewohnte Drang passte so ganz und gar nicht zu ihrer sonst stets offenen und manchmal wirklich übertrieben kontaktfreudigen Art. Was auch immer gerade ihr Problem war, sie würde sich der Sache ohne Widerrede stellen und schön brav die volle Suppenschüssel auslöffeln, welche sie sich mit dieser ordentlichen Extraportion Redefreudigkeit eingebrockt hatte. Mit einem kaum hörbaren tiefen Ausatmen, begleitet von einem Seufzer, setzte sie in einer einzigen flüssigen Bewegung ihren Rucksack ab und glitt vorsichtig rechts neben ihrem Gesprächspartner auf den Boden. Den Blick geradeaus auf die Schaumkronen der Brandung gerichtet, zog sie ihre Beine nah an den Körper heran, faltete ihre Hände zu einem halbwegs komfortablen Aushilfskissen und bettete abschließend ihren Kopf auf ihre angewinkelten Knien. “Nein...ja...jein. Also klar, tust du was. Aber es ist Freitagabend und die meisten Jugendlichen hängen in Gruppen ab, bereiten sich auf Parties vor, oder sonstwas.” Der Blick des braunhaarigen Störenfrieds wanderte vom Wasser ausgehend langsam über die verschieden hohen Verwehungen der Dünen und am Ende des Bogens schließlich zur Seite, die Augen mit einem freundlichen Ausdruck auf den Gourmet neben ihr fixiert. Er sah….gut aus. Sehr sogar. Das seltsame Ziehen meldete sich erneut und so rutschte sie einmal kurz hin und her, in der Hoffnung es damit irgendwie abzuschütteln. “Stimmt schon, das angenehme Wetter sollte man in jedem Fall nutzen.”, mit einem selbstbewussten Lächeln nickte sie zustimmend auf die ihr gestellte, vermutlich jedoch rhetorisch gemeinte, Frage. Es würde nicht mehr allzu lange dauern und Nojra konnte endlich wieder im kühlen Nass des Ozeans die Riffbänke nach unentdeckten Orten erkunden und bunten Fischschwärmen hinterherjagen. Der Gedanke ließ ihr Grinsen noch einen Ticken mehr in die Breite wachsen. “Bald kann man wieder seine gesamte Freizeit hier draußen verbringen. Dann ist die Promenade auch voller und der Strand platzt fast vor lauter geöffneten Sonnenschirmen. Wenn du also deine Ruhe haben willst beim Baden, dann empfehle ich einen der eher abgelegenen Geheimstrände aufzusuchen.”
Seine Gegenfrage bekam die Braunhaarige wohl in den falschen Hals, was für Außenstehende jedoch zu erwarten gewesen wäre. Während Gabriel es neutral gedacht und ausgesprochen hatte, haderte das Mädchen und versuchte flexibel zu bleiben und eine bedachte Antwort darauf zu geben. Ehe man sich versehen konnte, setzte sich die junge Dame neben den Blonden und fixierte ihren Blick in die Weite. Gabriel beobachtete jede Bewegung von ihr und drehte somit sein gepierctes Gesicht in ihre Richtung, sodass die Pizza recht wenig Aufmerksamkeit seines Besitzers bekam. Da sie sich nun zu ihm gesetzt hat, erwartete er noch ein Kommentar zum ursprünglichen Thema, was er auch rasch von ihr bekam. Die Braunhaarige war unsicher, verglich ihn mit Jugendlichen und meinte, dass wohl scheinbar normale Leute sich auf Partys vorbereiteten. Wäre es nicht irritierend für ihn gewesen, dass ihn eine junge Fremde einfach anquatschte, hätte er wohl schmunzeln müssen. Geradezu verändert wirkte sie, als sie ihren Blick schweifen ließ und nun ebenfalls in das Gesicht des Grünäugigen blickte. Ihre Augen trafen sich, woraufhin sie mit einem freundlichen Lächeln antwortete. Als sich ihre Lippen zu einem noch breiteren Grinsen verzogen, erwartete Gabriel natürlich eine weitere Erläuterung, welche er unaufgefordert von ihr bekam. Sie erzählte von Sonnenschirmen und Menschenmassen, was seines Erachtens Nichts war, worüber man sich glücklich schätzen konnte, ehe das Mädchen von einem Geheimstrand sprach. Wäre er doch nur ein begeisterter Badegast. Dann wäre er nun hellhörig geworden und hätte unbedingt wissen wollen, wo sich dieser Strand befand. Doch er würde ohnehin nicht mehr hier her kommen, wenn so viele halbnackte Leute notwendiger als er selber einen geeigneten Liegeplatz am Strand benötigten. So dringend war keines seiner Bedürfnisse, dass er einen anderen Platz brauchte um das Wasser zu beobachten. Er wird das Beobachten der Wellen zu dieser Zeit wohl eher sein lassen. Ruhig drehte er sein Gesicht wieder in Richtung des Meeres, an dem er kurz hängen blieb. “Das klingt nicht sonderlich einladend, dieser Strand zur Sommerzeit. Eh?“, kommentierte er ihre Erzählung und gab somit preis, dass er wohl noch nicht allzulange hier auf Isola war. Anschließend schob er sich das Stück Pizza weit in den Mund und kaute einen riesigen Bissen, sodass nur mehr der Rand übrig geblieben war. Es war kurz ruhig zwischen den beiden, ehe er runterschluckte und sein Gesicht wieder seinem Gesprächspartner zudrehte. “Ich könnte auch unvorbereitet auf eine Party gehen.“, ließ er ihr vorheriges Thema nicht unerläutert, ehe er sich an den Rand machte und das Stück Teig aufaß. Mit nun leerem Mund war nun Gabriel derjenige, der eine Frage stellte: “Gehst du denn noch auf eine Party oder zum Geheimstrand?“ Er war nicht demotiviert, eine gewisse Anteilnahme an diesem Gespräch zu haben, was verwunderlich war, da ihn eine fremde Person angesprochen hatte, die ihm weder wichtig, noch relevant vor kam. Dennoch war es ein erfüllendes Gefühl mit dem jungen, unbekannten Mädchen ganz unbekümmert zu plaudern.
Die Blicke des fremden Jungen waren ihr auf der einen Seite irgendwie unangenehm, auf der anderen Seite jedoch etwas das sie heimlich genoss. Eine verwirrend abstruse Mischung an Gefühlen. So gut es ging hielt sie seinen Augen stand, um sich nicht durch ein schüchternes Abwenden in die Karten schauen zu lassen und damit womöglich noch ihrem normalerweise selbstbewussten Auftreten eine Kerbe zu verpassen. Das funkelnde grün seiner Iris wirkte wie das Wasser im, die Insel umgebenen, Korallengarten, wenn die Sonne in einem bestimmten Winkel in das Meer eintauchte und mit unzähligen Reflektionen die zahlreichen Schattierungen der Pflanzen und Tiere darin zum glitzern brachte. Lebendig, unergründlich, mit einer darin verwobenen Nuance von….Traurigkeit.? Ich schätze, jeder hier trägt irgendeine Last mit sich herum, schoss es ihr bei dem Anblick unwillkürlich durch den Kopf. Auf die Aussage, dass der öffentliche Strand im Sommer vermutlich nicht sehr einladend sei, wanderten Nojras Augenbrauen in die Höhe und sie nickte zustimmend mit zusammengepressten Lippen. “Ja, leider wird es hier dann schnell ziemlich kuschlig, im negativen Sinne. Einfach viel zu eng und ungemütlich. Deswegen besuche ich lieber die Lagunen fernab des Trubels.” Als der Blonde sich schließlich wieder hungrig seinem Abendbrot widmete, legte sich für einen kurzen Moment ein nur vom Rauschen der Wellen unterbrochenes Schweigen über die unsicher wirkende Unterhaltung. Währenddessen verschwand ein weiteres saftiges Pizzastück mit einem großen, beinahe gierigen Bissen in seinem genüsslich kauenden Mund. Bei dem Anblick wurde ihr erst so richtig bewusst wie leer ihr eigener Magen tatsächlich war. Ob sie ihn nach einem Streifen fragen konnte? Noch während einer stillen Abwägung wie riskant ein solches Manöver sein würde, erklang neben ihr erneut die angenehme Stimme ihres Sitznachbarn. Er könnte also unvorbereitet auf eine Party gehen….was genau sollte das jetzt heißen? “Also würdest du direkt von hier aus zu einer Feier aufbrechen?”, ein verwundertes Schmunzeln schlich sich auf ihre bewusst entspannten Gesichtszüge. Warum eigentlich auch nicht, man musste sich nicht jedes mal erst stundenlang darauf vorbereiten. Vielleicht machten sich die meisten Leute einfach viel zu viele Gedanken um ihr Aussehen und vermiesten sich dadurch ein wenig den Spaß an der ausgelassenen Atmosphäre. Und vielleicht machte sie sich viel zu viele Gedanken über Dinge die zu nichts führten. Heute war ein komischer Tag. “Das weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht so genau. Aber ein Besuch bei einem der Geheimstrände klingt ja eigentlich nicht schlecht. Bier kriegen wir sicher auch noch ran! Hättest du Lust?”, erwiderte sie nach einer kurzen Denkpause vorsichtig auf die Frage nach ihrem Plan für den restlichen Abend.
Gabriel beobachtete genau, wie sich das Mädchen ihm gegenüber verhielt und was er an Reaktionen aufnehmen und interpretieren konnte. Dass aber auch sie versuchte ihn wie ein Buch zu lesen, bedachte er dabei nicht. Und wenn schon – es war ihm ohnehin egal. Wieder kommentierte die Unbekannte die unangenehme Situation im Sommer, sodass kurz seine linke Lippenhälfte zuckte. Wollte er etwa schmunzeln? Scheinbar konnte er es gerade nicht zurückhalten. “Kuschelig… im negativen Sinne…“ Er stellte es sich bildlich vor, doch dieses Bild an Badegästen die aneinandergereiht im Sand lagen, war äußerst merkwürdig. Als Norweger war ihm ein solcher Anblick einer Menschenmenge am Strand noch nicht gewährt worden. Doch liebend gerne verzichtete er darauf. Es würde ihn nur verunsichern, wie merkwürdig die Leute hier auf Isola waren und sich eine solche Qual antaten, aufeinander getürmt an heißen Tagen ineinander zu verschmelzen. Doch gab es auch ein kuschelig im positiven Sinne? “Wenn ich auf eine Feier gehen wollte, dann ja. Warum denn die Frage?“, antwortete der Blondi dem jungen Mädchen, ehe er sich wieder zu ihr drehte und sie verwirrt – jedoch ohne mit den Brauen zu zucken – fragte: “Oder muss ich mich noch irgendwie… vorbereiten?“ Sie wirkte verwundert, auf diese Aussage hin. Vielleicht waren die Isolaner anders und brauchten mentale und physische Vorbereitung auf ein Event, bei dem man andere Menschen traf. Gabriel war offen genug sich darauf einzulassen und es auszuprobieren. Bedauerlicherweise war er kein richtiger Partypeople und informierte sich nicht über Lokalitäten. Und wenn er ganz aus Versehen auf eine Feier gelang, war es ihm wichtiger sich dem Alkohol zu widmen, anstelle sich mit Menschen zu unterhalten. Ein zufriedenes Gefühl überkam den Norweger, als die Braunhaarige die Aufmerksamkeit genoss und auf seine Frage antwortete. Sie teilte ihrem noch immer unbekannten Gesprächspartner ihre Abendpläne und wollte ihn mit zu einem ihrer Geheimstrände mitnehmen. Ob er Lust hatte? “Nein, nicht wirklich.“ Eine klare Absage, unhöflich und ehrlich. Es bereitete ihm keine Sorgen, dass sich sein Gegenüber nun gekränkt fühlen könnte. Sie hatte ihn ja gefragt und er war mal wieder zu ehrlich. Sein Oberkörper drehte sich auf die linke Seite und wandte sich von dem Mädchen ab. Er griff nach der Pizzaschachtel und hob sie hoch. Zwar klebten an der Unterseite der Schachtel ein paar Sandkörner, dennoch legte er sie sich auf seine Beine und öffnete den Deckel, ehe er ein weiteres Stück entnahm. Mit einem kleinen Stück Pizza in der einen und dem offenen Karton dann in der anderen Hand bewegte sich erneut sein Brustkorb und zeigte der Braunäugigen wieder seine Vorderansicht. “Ich möchte zuerst die Pizza fertig haben, bevor ich wieder aufstehe.“, erklärte er schlussendlich und hielt seinem Gesprächspartner geduldig die restliche Salamipizza hin. “Es ist zwar keine Quattro Formaggi, aber sie schmeckt dennoch gut.“ War das nun das Angebot, dass sie sich ein Stück Pizza nehmen durfte? Emotionslos fixierte er ihre Augen und beobachtete sie. Dass sie gerne verschiedene Käsesorten auf ihrer Pizza mochte, wusste der Pizzabäcker dahingehend, dass sie sich diese mehrmals in der Pizzeria bestellt hatte. Er hatte ein wunderbares Gedächtnis und merkte sich – auch wenn es eine sinnlose Information war – solche Dinge eben gut. Dennoch war sie keine Person, die stets dasselbe Gericht im Restaurant bestellte. Das wusste er genau. “Ich hab ohnehin keinen großen Hunger. Möchtest du was?“ Dass er die Teigflade kostenlos abgezwackt hatte, musste er ja nicht erwähnen. Schließlich hat er sie aus dem vom Tag übrig gebliebenen Hefeteig und der restlichen Tomatensoße gemacht. Dummerweise ging ihm der Käse aus, sodass für die Unbekannte wohl nicht genügend drauf war. Ob sie das Angebot annahm oder hatte sie wohl keinen Hunger? Wenn doch, dann könnte er die Schachtel endlich wegschmeißen, wenn denn aufgegessen wurde.
Die anfängliche Aufregung legte sich mit jeder weiteren vergangen Minute ein wenig mehr und schon nach einer relativ überschaubaren Eingewöhnungsphase gewann Nojra Schritt für Schritt wieder die Oberhand im Kampf mit den heute wild umher wuselnden Hormonen. Die durch diesen kleinen aber feinen Sieg ausgelöste Erleichterung legte sich wie ein unsichtbares Seidentuch über ihren Kopf und sorgte dafür, dass sich jeder einzelne Muskel in ihrem Nacken und den Rücken entlang entspannte. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie steif und ungemütlich ihre Haltung die ganze Zeit über gewesen war. Da brauchte es nicht lange und zum Dank hatte man die folgenden Tage mit einer äußerst unangenehmen und noch dazu verdammt nervigen Verspannung zu kämpfen. Alles in allem schien das ganze Wirrwarr wohl nur eine Mischung aus einer, aus unerfindlichen Gründen hervorgerufenen, kleinen Angstattacke und einer großen Portion Kohldampf gewesen zu sein...oder so ähnlich. Zumindest legte die braunhaarige Quasselstrippe sich das jetzt einfach so zurecht und fertig. Während des gesamten Wortwechsels behielt sie den blonden Pizzaschreck fast durchgehend im Auge und versuchte durch Veränderungen in seiner Mimik den ein oder anderen Hinweis auf seine Stimmung und vor allem auf ein mögliches Interesse an dieser Konversation zu erspähen....oder eben auch nicht. Je nachdem welche Signale sie bekam. Leider gestaltete sich dieses Unterfangen noch komplizierter als die Übungsaufgaben für den letzten Mathetest. So unergründlich wie seine Augen...die Spiegel zur Seele, wie man so schön sagt. Was für ein fantastischer Zufall es da doch war, dass die aufdringliche Isolanerin genau zu der Art Mensch gehörte, die sich von unüberwindbaren Mauern und ungesund gefährlichen Abenteuern magisch angezogen fühlten. Während sie von den sommerlichen Strandzuständen und dessen negativen Seiten erzählte, meinte sie sogar den linken Mundwinkel ihres Gegenübers kaum merklich und auch nur sehr kurz nach oben zucken zu sehen. Sicher war sie sich nicht, aber sie war eine Optimistin. Sofort machte sie eine geistige Notiz, dass dieser verwegene Junge eventuell doch etwas nahbarer war, als er es nach Außen hin preisgeben wollte und sogleich blinkte ein rotes Warnzeichen in der Zentrale ihres unverbesserlichen Helfersyndroms - gab ihr die Checklistet für eine potenziell knackbare Nuss. Ein kaum hörbares Glucksen entrang sich ihrer trockenen Kehle, sie hatte einfach zu viel Fantasie. “Nein, musst du natürlich nicht. Die meisten Partygänger haben nur so ein Ritual sich vorher noch mega herauszuputzen, inklusive etwas Alkohol zum locker werden. Wenn du das nicht brauchst, umso besser!” , entgegnete sie grinsend auf die leicht verständnislos wirkende Frage der Wuschelmütze. Die unter der Beanie hervorquellenden Haare verliehen ihm aufgrund des stilvollen Durcheinanders einen beinahe niedlichen Ausdruck und lösten dadurch prompt ein unruhiges Kribbeln in Nojras Fingerspitzen aus - sie wäre wirklich verdammt gerne einmal durch die hellen Strähnen gefahren und hätte sie noch ein bisschen doller zerzaust. Hallo, Erde an Zaubernixe! Was ist mit dir los? Innerlich mit den Augen rollend ermahnte sie sich zu mehr Ernsthaftigkeit und als Ergebnis einer eher weniger glücklichen Fügung des Schicksals bekam sie dabei simultan ausreichend Unterstützung in Form einer knallharten Absage auf ihre Einladung zum Geheimstrand. Ouch... Sie gab ihr Bestes die Enttäuschung direkt runterzuschlucken, damit davon hoffentlich nichts klebrig triefend durchsickerte. Aber sie war nunmal kein abgedichtetes Hochsicherheitslabor und dementsprechend konnte es nicht gänzlich verhindert werden. Immerhin war er ehrlich! “Okay, das verstehe ich. Ich habe dich ja hier auch einfach so aus dem Nichts überfallen. Wir kennen uns quasi gar nicht. Ich könnte genauso gut ein unberechenbarer Serienmörder sein.” Man sollte das Leben stets mit Humor nehmen! Das darauffolgende unerwartete Angebot, sich etwas von der noch dampfenden Pizza nehmen zu dürfen, traf sie folglich ziemlich unvorbereitet. Die ihr vermittelten zwischenmenschlichen Signale waren so unterschiedlich, dass die Halbmagierin große Schwierigkeiten hatte sie zu entwirren. Ein lautes Knurren stahl sich aus ihrer Körpermitte und untermalte ihre Dankbarkeit für das heiß ersehnte Essen mit komödiantischer Treffsicherheit. “Uff, du bist mein Retter! Ich hatte heute noch kein Abendbrot und dieser verführerische Geruch war dabei meine mentale Gesundheit zu gefährden. Vom Anblick reden wir erst gar nicht.” Gierig griff sie nach einem großen Stück und biss mit tropfenden Zähnen hinein. Welchen Anblick genau sie tatsächlich meinte, ließ sie allerdings gekonnt unkommentiert. “Danke!” Nachdem absolut nichts mehr von dem saftigen Stück Himmel übrig war, schaute sie dem grünäugigen Samariter wieder in das mit Piercings verschönerte Gesicht. “Du scheinst ein echt gutes Gedächtnis zu haben. Kommen bestimmt nicht wenige Kunden in den Laden und trotzdem wusstest du wie sehr ich verschiedene Käsesorten als Topping liebe.” Flink zog sie ein Taschentuch aus der Fronttasche ihres Pullovers und wischte sich so lange über ihre Handflächen, bis diese größtenteils vom zurückgebliebenen Fett und verloren gegangenen knusprigen Teigkrümeln befreit waren. Anschließend stütze sie ihren rechten Ellenbogen auf ihre angewinkelten Beine und legte ihren Kopf seitlich auf der nach hinten gestreckte Pfote ab. Ein zufrieden verträumter Ausdruck umspielte ihre weichen Züge. “Sag mal, wieso hat es dich eigentlich auf unsere wunderschöne Insel verschlagen? Also nicht, dass es einen speziellen Grund braucht um im Paradies sein zu wollen. Aber diese Region wird nicht gerade in Zeitschriften beworben.”
Mega herausputzen inklusive Alkohol. Ersteres klang für den Blondschopf nicht sonderlich ertragbar. Zweiteres wohl eher. “Ich bin doch locker.“, dachte er sich, jedoch würde er dennoch nicht auf die speziell wirkende Flüssigkeit verzichten. Ob das Mädchen zu diesen Partygänger gehörte mit einem solch aufwändigen Ritual? Wie lange er wohl warten musste, bis sie sich fertig gemacht hatte um gemeinsam auf eine Party zu gehen? Vermutlich wird diese Situation ohnehin nicht eintreffen, da der junge Mann sein Gegenüber durch eine klare Absage deutlich gekränkt hatte. Sie überspielte es gekonnt mit einem Vergleich zu einem gefährlichen Mörder, weshalb Gabriel den Kopf schief hielt. “Wie meint sie das?“ Doch auch ihm war es nicht entgangen, dass er zu direkt mit seiner Aussage war. Ziemlich konkret und mit leicht schrägen Kopf anvisierte er das Gesicht des Mädchens. “Du könntest ein Serienmörder sein? Bist du dir da sicher? Du siehst nicht sonderlich gefährlich aus.“, harkte er nach. Sarkasmus war noch nie seine Stärke gewesen. Ob sie böse wirken wollte oder nicht – sie handelte seines Erachtens nicht wie ein klassischer Schwerverbrecher. Sie erreichte mit ihrer fröhlichen und aktiven Art eher eine gewisse Unbeschwertheit und Leichtgläubigkeit. Das Knurren war dem Norweger nicht entgangen, weshalb es ihn nicht verwunderte, dass das letzte Stück Pizza im Magen der Braunhaarigen verschwand. Als der Pizzakarton nun leer war, legte er ihn vor sich hin, ehe die Beiden gemeinsam je ein Pizzastück verschlangen. “Die Pizza ist ja schon kalt.“, dachte er sich. Auch wenn er keine Temperatur spüren konnte, wusste er anhand des Geschmackes, dass sie kalt sein musste. Meinungen hin oder her – er wusste, dass viele kalte Speisen tatsächlich anders schmeckten als warme oder heiße Gerichte. Die Erwähnung, dass er ein gutes Gedächtnis haben musste, ließ er unkommentiert. Zumindest sah er keinen Bedarf, weiterhin darüber zu sprechen oder etwas zu erklären, da sie ihm keine Frage stellte. Es war eine reine Feststellung, die nicht korrigiert werden musste. “Dann geht es deiner Gesundheit nun wieder besser? Ich habe gar nicht gemerkt, dass du krank bist.“, sprach er, nachdem er nun auch den Pizzarand in sich hinein stopfte und auch sein Stück fertig aß, sowie seine Sitznachbarin es eben getan hatte. Dass es keine richtige Krankheit war, was seine Gesprächspartnerin mit der mentalen Gesundheit beabsichtigte zu erklären, war dem Älteren wohl nicht bewusst. So blieb es still, sodass Gabriel vernehmen konnte, wie sie ein Taschentuch nutzte um ihre Finger zu putzen, während er selber sie nur aneinander rieb und seine Hände als sauber abstempelte. Sein Blick war mal wieder in die Ferne gerichtet. Er war keineswegs ein Unmensch oder stets Verstrickt in Auseinandersetzungen. Dadurch war es ihm nicht unangenehm seine Pizza, welche ohnehin zu viel des Guten gewesen war, mit einer fremden Person zu teilen, welche eine Serienmörderin sein könnte. Wahrlich hätte er dennoch keine Angst vor ihr und es war ihm eine willkommene Abwechslung den Feierabend mal nicht alleine zu verbringen. Kurz zuckte er gedankenverloren mit seiner rechten Hand, als die junge Schülerin das Wort erhob und ihn auf seine Reise hier her ansprach. Ihr war wohl aufgefallen, dass er noch nicht so lange hier sein musste oder kannte sich ohnehin sehr gut auf dieser Insel aus. Letztens erwähnte sie unsere wunderschöne Insel, womit es klar einzuordnen war, dass sie wohl einiges hier schon überblickte. Als sie ihre Frage dann noch begründete und weiter ausdehnte, wurde es ruhig. Nun war Gabriel an der Reihe zu antworten, doch er ließ sich gerne etwas Zeit um sich die Worte genauer im Kopf zurecht zu legen. Er atmete tief durch, ehe sich sein Oberkörper wiederholt in ihre Richtung drehte und seine grünen Augen emotionslos in das verträumte Gesicht blickten. Gemütlich bettete sie ihren Kopf auf den Händen, sodass auch der junge Mann seinen Kopf etwas schief legte um auf einer Ebene mit ihr zu sein. “Du kannst gute Fragen stellen.“, stellte er monoton fest. Doch bevor er ihr antwortete, erhob er sein Haupt wieder, da es nicht sonderlich gemütlich war. “Ich denke, dass mein Bruder hier sein könnte.“, erklärte er kurz und bündig, ehe er abschließend erwähnte: “Ich möchte herausfinden, ob das stimmt.“ Innerlich wurde der Norweger ganz unruhig. Er erinnerte sich daran, was er eigentlich vor hatte und noch nicht geschafft hat. Sollte er sich nun besser auf den Weg machen und nach ihm suchen? Noch hat es Mr. Metallfresse noch nicht geschafft die ganze Insel zu erkunden. Um genau zu sein, hatte er einiges zu tun gehabt. Nachdem er erneut einmal tief Luft holte und sie durch die Nase ausschnaubte, stand er mit einem Ruck auf, indem er sich mit seinen Handflächen vom Boden aus abstützte. Von seiner langen, dunklen Hose rieselte eine Menge Sand zurück zum Ursprung, einiges blieb jedoch auch daran kleben. Doch dies kümmerte den Grünäugigen keineswegs. Er beugte sich nach vor und schnappte sich die leere Pizzaschachtel, ehe er sich noch einen Augenblick gönnte, indem er einfach nur zum Horizont hinaus blickte. Vorsichtig stapfte er von seinem Platz und stellte sich dem Mädchen gegenüber, sodass er den wunderschönen Ausblick auf das Meer versperrte. Nun stellte sich heraus, wie groß er wirklich war. Ohne jegliches Zucken in seinem Gesicht blickte er zu ihr hinab. “Wo befindet sich nun dieser Geheimstrand?“ Es war bestimmt kein Fehler, sich von einer Isolanerin unbekannte Gebiete zeigen zu lassen, insbesondere wenn man auf der Suche nach etwas war.