Das Waisenhaus ist ein gigantisches Gebäude, das vorallem in der untergehenden Abendsonne sehr einladend wirkt. Links vom Hauptgebäude, in welchem die normalen Zimmer der Jungen und Mädchensind, befindet sich der Neutrakt und hinter dem Hauptgebäude haben die Badehäuser samt Aussenbad ihren Platz gefunden. Der Platz vor dem Waisenhaus ist sehr gross, sogar ein Basketballkorb hat hier noch hingepasst. Im obersten Geschoss des Neutraktes befinden sich die Zimmer der Erzieher! Die Treppe ausserhalb ist lediglich ein Fluchtweg und darf in der Regel auch nur als ein solcher genützt werden.
Ich seufzte. Da lief sie mir ja schon wieder weg! Warte doch mal!, rief ich ihr hinterher. Seufzend trabte ich los, um sie einzuholen. Leider hatte ich mich entschieden, meine Haare heute offen zu tragen, deshalb fielen mir andauernd Strähnen meine braunen Wellen in mein Gesicht. Dauernd musste ich mir Haare aus dem Gesicht streichen. Ätzend. Hikari war viel schneller als ich. Hikari!
Vor der Tür dreht Hikari sich dann endlich zu Kath um. "Komm du lahme Ente! Ich will heut noch mein Zimmer finden!", ruft Hikari ungeduldig. Hikari sieht wie sich Kath mit ihrem Haaren ab müht und greift in ihre Jackentasche. Dann wirft sie ihr einen rosa Haargummi zu. "Mach die Haare zusammen, du bist sonst nur ein Klotz am Bein!", sagt sie etwas verlegen und tritt in das große Haus ein.
Ich nahm das Zopfgummi entgegen. Rosa. Na super, tolle Farbe. Egal, dachte ich mir. Kurzerhand strich ich mir die Haare nach hinten, formte eine Schlaufe aus den Haaren und wickelte das Zopfgummi herum. ein Klotz am Beim, na vielen Dank auch!, dachte ich mir entnervt. Dann nahm ich mir meinen Kopf und schleifte ihn hinter mir her in das Gebäude.
-- Ehrlich gesagt hatte Rei im Voraus vorher nicht abschätzen können, wie ihr Gesprächspartner auf ihre Amnesie reagieren würde. Dass er neidisch sein könnte, hatte in ihrer Liste möglicher Ansichten allerdings ziemlich weit unten gestanden. Auf die Frage hin, ob es sich nicht erinnern wolle, hob das Mädchen träge seinen Blick und schien eine ganze Weile zu überlegen. Die einzige logische Antwort war: »Das weiß ich nicht.« Kurz und bündig! Aber warum wusste sie nicht, ob sie ihre Erinnerungen zurück wollte? »Ich hätte wirklich gerne meine Identität zurück, das stimmt«, begann sie: »Wenn ich aber daran denke, wie ich hier gelandet bin, weiß ich nicht, ob ich insbesondere die jüngsten meiner verlorenen Erinnerungen wiederhaben möchte.« Aus ihrer eigenen Sicht klang beides mehr als nachvollziehbar, aus der ihres Gegenübers war das hoffentlich auch verständlich. »Ob, und wie viele meiner Erinnerung zurückkommen, konnten mir auch die Ärzte nicht sagen. Sie meinten, dass das nur die Zeit zeigen könnte.« Ob das ein glücklicher oder ein unglücklicher Umstand war, war immer noch nicht aus dem Sack, aber viel näher konnte Rei der Antwort selber nicht kommen. Der Andere beschied ihr, selber völlig über den Unterrichtsablauf im Unklaren zu sein, was Rei nicht gerade beruhigte; es bedeutete auf jeden Fall, dass sie aus ihm nicht die nötigen Infos herausbekommen konnte, den morgigen Tag zu meistern. Im Stillen plante das Mädchen bereits ihre nächsten Schritte, soweit es nach ihrem Informationsstand überhaupt möglich war. ‚Sicher werde ich bei den Unterkünften noch anderen Schülern über den Weg laufen, die mir sagen können, wie das morgen abläuft …‘ In diesem Moment verließen sie den dunklen, kühlen Bambuswald und traten ins Freie. Sofort musste Rei ihre Hand vor die Augen schützen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden. Ray konnte jetzt im Übrigen problemlos erkennen, dass ihre leichenhafte Blässe nicht der mangelnden Beleuchtung des Waldes zu verdanken war, sondern dass Reis Teint einfach dem einer Schneekönigin entsprach – hell, blass oder kränklich wären passende Ausdrücke, ihre Hautfarbe zu beschreiben. Ihre kalten, matten Augen schweiften ruhig über den Anblick, der sich dem Mädchen bot: ein Gebäude, das sehr viel größer war, als sie sich vorgestellt hatte und das einen großen Platz umrahmte, auf dem mannigfaltige Aktivitäten möglich waren. Ob Basketball – dessen Regeln ihr zu kompliziert waren, oder Schaukeln – wofür man deutlich stärkere Beine brauchte, als die, die Rei mit sich herumtrug: Alles schien möglich! Gediegen langsam wandte sie sich dem Jungen zu, der sie durch den Wald hindurch begleitet hatte. »Wirklich beeindruckend … ich hatte es mir viel kleiner vorgestellt.« Ohne wirklich auf eine Antwort zu warten, trat sie einige Schritte vor und versuchte zunächst das Gerüst mit den Schaukeln aus der Nähe zu betrachten. Bedächtig legte sich ihre bleiche, schwache Hand auf das lackierte Metall und ließ Rei dessen Kühle genießen. Aber – fiel ihr plötzlich ein – sie war nicht zum Spaß hier: »Ich soll hier ab heute ein Zimmer beziehen … du weißt nicht zufällig, wo ich herausfinden kann, welches meines ist?«
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Rawumms! Ein stumpfer Ton und im nächsten Moment lag der rothaarige Dämon im Gras. Mit Blick auf das Waisenhaus sammelte er sich gemächlich zwischen den grünen Halmen. Beim Mittagessen hatte er sich endlich das letzte Quäntchen Verstand herausgefuttert. Zu Steaks konnte er aber auch schlecht nein sagen; besonders nicht, wenn es dazu Kräuterbutter gab, die zart schmelzend auf dem heißen Fleisch zerlief und die Kräuter auf dem saftigen Brocken gleichmäßig verteilte. Stärker lief nur Mathéos Zunge zwischen den Lippen hin und her, leckte förmlich die Lefzen und bereitete sich auf das Festmahl vor. Aber Schnee von gestern. Nun lag er schon mit gefülltem Magen auf einem Stück Rasen vor dem Vorplatz des Haupteinganges. Unweit stand eine Bank, an die er sich noch mit seinem Hintern erinnern konnte. Gleich dahinter thronte ein Baum, der so groß war, dass er dem Dämon noch Schatten spenden konnte. Gesättigt seufzte Mathéo. Die Augen waren geschlossen und träumten von der Vergangenheit. Wahrlich der schönste Tag der Woche. An den Rest konnte er sich aber auch nur noch schwer erinnern. Zu gut hatte er geschlafen und gegessen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als schwach zu werden und sein Gedächtnis auszumisten. Außerdem war heute Feiertag, da belastete man sich nicht mit vergangenen Dingen. Morgen würde der Unterricht wieder stattfinden. Überall hingen Poster herum, die von einer Beachparty erzählten. Der Abend sollte also amüsant werden. Sicher tanzten da wieder Levi und Cruel geistesfrei auf der Bar herum. Tja ja, wenigstens würde er den Scharlatan dort wiedersehen. Wurde Zeit. Halb abwesend begann Mathéo, zu dösen und sich dem lauen Lüftchen hinzugeben, welches mit den davonziehenden Wolken aufkam. Die Sonne kitzelte ihn und so zog er das Stirnband tiefer.
Wahrlich, Rei nahm sich reichlich viel Zeit mit ihren Antworten. Auch wenn die stille Zeit dazwischen recht ungewohnt war, konnte ich mir doch zumindest sicher sein, dass ihre Worte nicht nur einfach aus einem Impuls heraus gesagt wurden und somit jedes einzelne von ihnen absolut ernst gemeint war. Im Grunde hätte ich mich glatt daran gewöhnen können, wären nicht überall noch Leute, die genau nicht so waren wie meine Begleiterin. Doch wirklich, man hatte durchaus das Gefühl, dass man mit ihr Gespräche auf hohem Niveau führen konnte, auch über eventuell komplexere Themen. Inwiefern sich dieser Eindruck mit der Realität überschnitt, war mir da noch unklar. Jedenfalls schätzte ich sie ob ihrer Antwort als Realistin ein. "Das leuchtet mir ein. Dennoch... Erinnerungen sind die Überbleibsel von allem, was einen geformt hat. Wäre es nicht auch gewissermaßen so, als würde man einen Teil, wenn nicht sogar einen Großteil seiner Persönlichkeit einbüßen, wenn man sie verliert? Was denkst du?" Die Sache interessierte mich wirklich, auch wenn ich in der Hinsicht bis heute ziemlich empiristisch geblieben bin. Logischerweise hoffte ich deshalb, dass Rei ihre Erinnerungen wiedererlangt, damit ich eine Antwort auf diese Frage ergattern konnte. Allerdings nahm ich das Thema mit einer gewissen Gelassenheit, denn immerhin musste die Beantwortung nicht sofort oder irgendwann in der nächsten Zeit sein. "Kein Wunder, immerhin müssen die ganzen Schüler ja irgendwo untergebracht werden. Und je mehr Platz da ist, desto besser." Denn mittlerweile waren wir beide beim Waisenhaus angekommen, worauf Rei nach ihrer von mir kommentierten Äußerung zum Gebäude zum Schaukelgestell ging und es einfach nur anfasste, so, als würde sie einen neuen Eindruck in sich aufnehmen. Nun ja, bei ihrem Gehabe wäre es schon komisch rübergekommen, wenn sie sich mit einem strahlenden Lächeln oder so das Gerät auch genutzt hätte. Interessierte sie sich überhaupt dafür? Wie auch immer, bei längerer Betrachtung fiel mir natürlich die unglaubliche Blässe des Mädchens auf, welche ich zuvor nur auf die schlechten Lichtverhältnisse im Wald zurückführte und mit umso größerem Stutzen bemerkte, dass ihre Haut im hellen Licht sogar noch bleicher wirkte. Man hätte durchaus auf den Gedanken kommen können, dass sie nichts weiter war als eine wandelnde Leiche. Doch das war absurd. 'Wandelnde Leichen, als ob es das geben würde! Geister und ähnliches, okay, aber Zombies?' Ich wusste damals noch nicht, wie falsch ich mit diesem Gedanken lag. Trotzdem war diese Blässe ziemlich beunruhigend. Auch wenn sie vielleicht die letzten zwei Wochen nicht unter die Sonne gekommen war, konnte man unmöglich solch eine weiße Haut bekommen. Dieser Teint musste schon über einen längeren Zeitraum Rei begleiten. Oder man ließ sich die Haut bleichen. Doch welcher vernünftige Mensch würde schon so etwas tun? Doch mir war bewusst, dass Fragen keinen Sinn hatte. Zumindest zum damaligen Zeitpunkt. Wie so oft jedoch wurde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen, als meine Begleiterin das Wort erneut an mich richtete. "Die Heimleitung im Erdgeschoss sollte dir da weiterhelfen können. Sie händigen einem auch den Schlüssel für's Zimmer aus. Zumindest war das bei mir gestern so. Wollen wir reingehen?" sagte ich und deutete mit dem Zeigefinger Richtung des Eingangs, der eine angenehme Kühle versprach angesichts des warmen Wetters, welches mich regelrecht brutzeln wollte. Was musste ich auch nur lange Kleidung tragen! Neben dieser trivialen Sache gab es jedoch ein gewichtigeres Problem, das mich die ganze Zeit verfolgte: Wie genau sollte ich mit dem Mädchen umgehen, wenn es so schwer war, durch so eine undurchlässige Fassade hindurchzublicken?
Auch wenn der andere gemeint hatte, dass er selber auch noch nicht so sehr lange hier unterwegs war, hatte er die gesuchte Information. Ihr träger Blick folgte langsam, beinahe schläfrig dem Fingerzeig in Richtung des Eingangs. Einfach davon ausgehend, ihr Gesprächspartner würde ihr wohl einfach folgen, schlich sie auf die gewiesene Tür zu. Lediglich ein winziges Nicken bedeutete ihm ihre Zustimmung zu dem gefassten Plan, der sowieso im Sinne Reis war – an die ungefilterte Sonneneinstrahlung hatte sie sich nach dem kühlen, dunklen Waldstück noch nicht gewöhnt und freute sich zumindest innerlich ganz wahnsinnig darauf, wieder aus dem hellen Bereich außerhalb des Waisenhauses zu kommen. Rei entschied, dass der Zeitpunkt jetzt gut war, ihre Unterhaltung weiterzuführen, die sie selbst nach verlassen des Waldes unterbrochen hatte: »Ob Erinnerungen uns formen oder nicht … Es erscheint mir weit weg und nicht greifbar.« Ein tonloser Seufzer folgte, der noch nicht mal auf einen bestimmten Grund zurückzuführen war, sondern der einfach da war, weil er es konnte. Ihre Augen suchten erneut nach denen ihres Gesprächspartners. Natürlich war der Ausdruck darin nicht das kleinste Bisschen lebendiger, als vorher, aber darum ging es auch nicht: »Über diese Sache mit der Persönlichkeitsbildung habe ich mir ebenfalls schon Gedanken gemacht. Es gibt viele Dinge, die mir im Vorbeigehen auffallen – beziehungsweise bei denen mir auffällt, dass ich davon keine Ahnung habe, obwohl ich sie haben sollte. Ob ich mich vor meiner Amnesie anders verhalten habe, als jetzt kann ich wirklich nicht sagen.« Das kleine, bleiche Händchen legte sich langsam auf den Türknopf, der sie in das Gebäude hineinführen würde, als sie innehielt: »Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, meine Eindrücke und Gedanken zu dokumentieren. Damit kann ich dir vielleicht eines Tages sagen, ob du recht hast, oder nicht.« Mit einer knappen Bewegung, die für Rei sogar ein wenig anstrengend aussah – geschuldet ihrer beinahe völlig fehlenden Muskulatur – schob das Dämonenmädchen die Tür einen Spalt weit auf. Es war nicht gerade dunkel in dem Raum, der vor ihr lag, aber er erschien ihr dennoch einladender, als dieses ganze „Hell“ da draußen. Sie trat zügig ein und versuchte einige Sekunden lang, sich zu orientieren. Ein kalter Fußboden, schmucklose Wände, ein großes Treppenhaus in Sichtweite und mindestens ein laaaaanger Gang, also alles, was ein Flur so brauchte, nichts Besonderes dabei. Ausdruckslos fragend wandte sie sich zu Ray um, der ihr ganz bestimmt sagen konnte, welche der von dem Gang aus abführenden Türen sie würde nehmen müssen, um auch wirklich dort anzukommen, wo sie hin musste. Mehr instinktiv als mithilfe von irgendwas anderem versuchte sie, Rays Gehrichtung so weit zu interpretieren, als dass sich ihr Ziel auch ohne große Kommunikation offenbaren konnte – er würde sich hoffentlich aufhalten, wenn sie den falschen Gang gewählt hatte. Dabei fiel ihr allerdings auch auf, dass er mit etwas beschäftigt zu sein schien. Ihre grenzenlos fehlende Empathie schien sich einen Augenblick gelichtet zu haben, oder aber Rei würde sich in den kommenden Augenblicken völlig lächerlich machen: »Übrigens habe ich den Eindruck, dass dich etwas beschäftigt. Habe ich irgendwas falsch gemacht?« fragte sie ihn schließlich, ihre visuelle Aufmerksamkeit auf den Gang vor sich gerichtet. War das etwa eine Fehlinterpretation? Nachdenklich sog Rei die kühle, aber irgendwie verbrauchte Luft des Waisenhauses ein und fragte sich, was er wohl antworten würde. Aber, und das hätte die junge Dame um ein Haar vergessen, sie hatte den Anderen darüber unterrichtet, dass sie Aufzeichnungen darüber führte, wie ihre Weltsicht aussah und sich vielleicht in der nächsten Zeit veränderte, nicht? Allein heute hatte sie diese Bewegung schon mehrfach ausgeführt, sodass sie noch nicht mal mehr hinsehen musste: Die blasse linke Hand wanderte in den kleinen Obi ihrer Puppe Minoto, aus dem sie ein kleines Büchlein zog. Eben jenes Ding streckte sie Ray gleichgültig und wortlos entgegen. Dass dieses Teil von der Vertraulichkeit her eigentlich ein Tagebuch war, ging ihr nicht auf und die Bedeutung des Gedankengangs wäre ihr vermutlich völlig verschlossen geblieben; so schaffte sie es, einem eigentlich völlig Fremden ein Buch unter die Nase zu halten, das nicht nur theoretisch ihre allergeheimsten Geheimnisse enthalten würde, wenn sie denn noch welche hätte …
[ooc: Habe keinen Thread gefunden, der den Erdgeschossflur behandelt, also hab ich das ganze mal in diesem Thread behalten, hoffe, das geht klar?]
Firged hatte einen kleinen Spaziergang unternommen und war nach einiger zeit vor dem Waisenhaus angelangt. Hier bewunderte die Eule piepsend die einladende Umgebung. Das Gebäude wirkte gar nicht so wie die Waisenhäuser in Filmen, die immer düster und ungemütlich aussahen. Dieses Haus war freundlich. Es war hell gestrichen, unglaublich groß und sauber. Das Gelände passte sehr gut zu diesem Gebäude. Es war besenrein und von saftige Grasflächen umsäumt. Auf einem feinen Rasenstück stand ein Kirschbaum in voller Blüte. Firged kannte diese Baumart. Auf dem Gelände des väterlichen Anwesens hatte einige dieser Bäume gestanden. Hoch erfreut etwas vertrautes zu sehen, schwang sich die Eulenfrau aufgeregt piepsend in die Lüfte. Rasch flog sie zum Kirschbaum und nahm auf einem starken Ast Platz. Selig piepsend griff sie nach einem kleinen Zweig und riss sich ein paar Blüten ab, um den zarten, süßen Duft der Pflanze einzuatmen. Firged war glücklich. Alle Ängste waren mit einem Mal vergessen. Sie liebte diesen Duft. Ein plötzlicher Windstoß kam auf und fegte die zarten Blüten aus der geöffneten Hand der Eule. Firged zog eine Schnute und sah den tanzenden Blüten hinterher. Sie flogen hinab auf die Wiese und landeten auf der Nasenspitze eines dösenden Jungen, dessen karottenrotes Haar ihr entgegen leuchtete. Neugierig betrachtete die Vogelfrau dieses neue Wesen von ihrem Ast aus. Der Junge schien wirklich tief und fest zu schlafen. Firged beschloss diese Angelegenheit genauer zu untersuchen. Sie glitt elegant vom Ast und flatterte zu dem Jungen herüber. Leise beugte sie sich zu dem Fremden herab und betrachtete dessen Antlitz. Das Haar wirkte sehr anziehend auf die junge Frau. Nie hatte sie bisher rotes Haar in Natura gesehen. Es sah sehr wild und strubbelig, aber auch ziemlich weich aus. Firgeds Neugierde übermannte sie und sie fuhr sanft durch das Haar des fremden Jungen. Es war genau so weich wie es aussah. Befriedigt piepste das Küken.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Ein Gläschen Wein im Schatten, das wäre jetzt was. Um ihn herum die knallende Sonne – nur bei ihm im Schatten war es angenehm. Der Wind war schwach, rührte nur seine roten Strähnen an. Ein wunderbarer Jahrgang - stellte er fest. Trotz der Tatsache, dass er träumte, war der Geschmack sehr intensiv. Vermutlich spielte ihm eine seiner Erinnerungen einen Streich. Der Genuss war bekannt. Irgendwann hatte er ihn schon mal genossen und genoss ihn nun erneut. In Wirklichkeit aber lag Mathéo immer noch im Gras vor dem Waisenhaus und schlummerte vor sich hin. Vor lauter Traumgenuss huschte seine Zunge ständig über die Lippen, als wären dort die letzten Tropfen des Weines verblieben. Erst als etwas Unbekanntes auf seiner Nase landete, verschwamm seien Traumwelt und er geriet ins Stutzen. Aufwecken ließ er sich jedoch nicht davon. Ganz im Gegenteil: Er schlummerte weiter, hatte lediglich seine Traumwelt verloren. Erst als eine kleine, zarte Hand durch seine Haare streifte, konnte er sich nicht mehr im Schlummerland halten. Anfangs war er noch ganz benebelt, dann öffnete er langsam und missmutig die Augen. Mathéo wollte es nicht wahr haben, aufgewacht zu sein. Blinzelnd machte er sich ein Bild von seiner Umwelt. Gleich das erste, was er sah, reichte ihm aus, um zu verharren. Immer größer wurden die Augen, bis sie ein gesundes Maß erreicht hatten. Was sah er da? Ein dunkler Hautteint. Die Haare waren weiß und doch befleckt wie Stracciatella. Stracciatella. In Gedanken wiederholte er die Vermutung. Ein Stracciatella-Monster hatte ihn geweckt. Na toll! Und dann fummelte dieses Etwas auch noch in seiner Mähne herum. Das Spiel konnte man auch zu zweit spielen, dachte sich der Tristam schließlich und streckte seine rechte Hand nach der befleckten Mähne des Mädchens aus. Ruckartig wurden seine Augen noch größer. „Wie geil“, murmelte er nur. Ihre Haare waren so flauschig weich, am liebsten würde sich der Dämon ein Kissen draus formen. „Kann ich die haben?“, fragte er frech heraus. Es klang aber nicht nach einem Scherz sondern verblüffend ernst. Tatsächlich wollte er sie am liebsten für sich haben. Besagte Kissenidee sollte ihn nicht loslassen.
Firged bewunderte die rote Mähne des Jungen. Sie selbst hatte zwar ein äußerst merkwürdiges Erscheinungsbild, aber sie kannte ihr Aussehen zur genüge. Diese rote Farbe faszinierte das neugierige Küken sehr. Ein Auge des fremden Jungen öffnete sich, verschlafen blinzelnd. Das andere Auge blieb unter einer schwarzen Augenklappe verborgen. Diese war Firged bisher überhaupt nicht aufgefallen. Sie kannte Augenklappen nur aus dem Fernsehen. Piraten trugen Augenklappen, doch Holzbein und Hakenhand waren hier nicht vorhanden. Firged lachte leise, als sie sich den Rothaarigen an der Seite Captain Hooks, das Nimmerland durchstreifend, vorstellen musste. Der fremde Junge blieb zunächst still. Die Pupille seines unbedeckten Auges weitete sich zunehmend vor erstaunen. Firged war etwas beunruhigt, verspürte jedoch keine Angst. Vielmehr fürchtete sie, sich unmanierlich verhalten zu haben. Starr blieb sie hocken und überlegte, was sie sagen konnte. Sollte sie sich entschuldigen, weil sie ihn ohne Erlaubnis berührt hatte? Jäh wurden ihre Gedanken durch eine zarte Berührung unterbrochen. Der Rothaarige hatte nun seinerseits beherzt zu ihrem außergewöhnlichen Haar gelangt und befühlte es vorsichtig. Dabei berührte er auch sanft die Kopfhaut des Mädchens. Firged piepste leise wohlwollend. Es fühlte sich gut an so gekrault zu werden. Der Rothaarige bewnderte ihr seltsames Haar wie sie zuvor seines bewundert hatte. Er fragte, ob er ihr Haar haben könnte. Firged neigte irritiert ihren Kopf zur Seite. Ihr Haar haben? Was meinte er denn damit? Das Küken konnte sich nicht vorstellen, was er damit anfanen wollte, wo er doch selbst so schönes, weiches, Haar hatte. Nun erst bemerkte Firged, dass sie ihre Hand nicht bewegt hatte und sie immer noch auf dem Kopf des Jungen verweilte. Ruckartig zog sie ihre Hand rasch zurück. Beschämt färbten sich ihre Wangen eine Spur dunkler. "Verzeihung.", sagte sie ernst und mit fester Stimme, obwohl sie vor Scham im Boden hätte versinken wollen. "Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten." Betreten blickte die junge Eule zu Boden. Sie hatte sich wirklich nicht gut verhalten. Es war nicht höflich einen Fremden zu berühren und schon gar nicht, wenn dieser schlief. Ihrem Ziehvater hätte solches Benehmen sicher nicht gefallen.