Der asphaltierte Hauptplatz befindet sich inmitten der Stadt im Herzen des Baradori Viertels, ist sehr groß und belebt und ausserdem der ideale Treffpunkt für Jugendliche. Die vereinzelten, umliegenden Straßen sind allesamt mit dem Hauptplatz verbunden, an dem jedoch striktes Fahrverbot herrscht. In der Mitte des Platzes steht ein kleiner Brunnen mit Sitzflächen, etwas am Rande des Platzes außerdem eine Reiterstatue, die bestimmt schon seit vielen Jahrhunderten hier steht. Überall am Platz verteilt gibt es Bänke, vereinzelt mit schattenspendenden Bäumen, auf dem sich gerne Leute hinsetzen um das rege Treiben zu beobachten. Nicht unbedingt am Platz selbst, am Rande jedoch, wo die Straßen beginnen herrscht stets ein Gedrängel - also seid vorsichtig, rempelt nicht zu viel und nehmt euch vor Taschendieben in Acht!
Er war Überrascht. Candice stellte ihm ohne zu zögern oder gefühlt zu überlegen so viele Fragen auf einmal auf dem Hinweis hin das er Telepathie beherrschte und keine Stimme besaß. Auch das sie wie selbstverständlich ihre Nummer in sein Handy eintippte gab ihm ein erstauntes Gefühl. Als er sein Handy wieder entgegennahm und in seine Hosentasche zurücksteckte zog sie an seinem Ärmel. Er war zwar noch innerlich dabei alles Aufgenommenen in seinem Kopf zurechtzulegen aber es wäre wohl nicht verkehrt schonmal loszugehen. Auch hatte er nicht verpasst das sie ihm die ganze Zeit anstarrte. Er wusste irgendwie was in diesem Moment in ihrem Kopf vor sich gegangen ist, auch ohne Telepathie. Aber meine Lippen würden sich zu einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht bewegen, das wusste er. Er wollte schmunzeln aber das einzige was seine Gesichtsmuskeln grade im Stande waren, war unweigerlich mit den Mundwinkeln zu zucken.
Allerdings war es, dass sie ihm am Ärmel zog, sehr passend, da sie anscheinend damit einverstanden war das er sich in ihrem Kopf einnisten durfte. Die Entfernung machte es einfacher eine Verbindung herzustellen. Noch während er die nötige Geschwindigkeit aufnahm um direkt neben ihr zu laufen, konzentrierte er sich nur auf sie. Wie ein grade so mit Helium befüllter Ballon schwebten seine Gedanken rüber zu Candice. Er merkte wie es kurz an seinem Hinterkopf kribbelte als er sich mit ihr verband. Das Gefühl konnte man mit einem freien Fall vergleichen. Das Kribbeln im Kopf und Körper welches das Adrenalin im Körper verursachte und das Gefühl der Schwerelosigkeit mit einem kleinen Gefühl des Schwindels. Aber er hatte sich schon lange an dieses Gefühl gewöhnt und schnell verflog dieses auch wieder. Also fing er langsam an in seiner sanften warmen, aber dennoch recht tiefen Tonlage, die wie er annahm von seiner eigentlichen Drachenform kam, in ihrem Kopf zu sprechen. “Nicht erschrecken ich bin es, Mikato.” Klar, sie hatte sich wahrscheinlich darauf vorbereitet das er in ihrem Kopf sprach aber er wollte eine Nummer sicher gehen. “Um deine ersten Fragen zu beantworten...”, fing er an “...ich wurde ohne Stimme geboren, also zurückholen ist so gut wie unmöglich. Wenn es eine Möglichkeit geben würde, würde ich alles dafür tun.” Er stimmte sich innerlich selbst zu. Auch wenn die Telepathie eine praktische Sache ist für seinem Zustand, würde er weinen vor Freude wenn er richtig sprechen konnte. Alleine der bei der Tatsache das er dann singen üben könne. Er hat schon so oft so schöne Singstimmen gehört, doch er konnte immer nur in seinen Gedanken mitsingen was halt nicht den gewünschten Effekt erfüllte. “Was meine Zimmernummer angeht...soweit mich mein Gedächtnis nicht hängen lässt wurde das schon geklärt und mir wurde das Zimmer 203 zugewiesen.” Er war froh darüber gewesen das schon vieles abgeklärt wurde. Die Priesterin hat echt alles Mögliche getan um Mikato einen leichten Einstieg auf der Insel zu vergönnen. “Und was das In-deinem-Kopf-Sein angeht. Wenn du nicht mehr möchtest das ich in deinem Kopf bin, stell dir einfach vor dir wird ein Ball zugeworfen den du aber nicht fangen möchtest. Das Gefühl das man etwas unbedingt nicht machen oder haben möchte bricht die Verbindung ab. Auch kannst du mir jederzeit sagen wenn du es nicht möchtest oder ich gehen soll.”
Er lief weiterhin neben ihr her, während er sich mit ihr unterhielt, aber prägte sich nebenbei den Weg mit jeder Einzelheit ein. Er wollte sich nicht wieder verlaufen, das wusste er. Aber auch verließ ihm nicht das Gefühl der Ungewissheit was sie mit Party meinte. Er hatte zwar etwas Schickes zum Anziehen dabei aber er war selten auf einer Party gewesen. Was heißt selten. Noch nie!
Der weißhaarige Junge Arata war mit einem recht zufriedenen Gesicht aus dem Klassenraum hinaus gegangen. Generell hatte er nichts gegen andere, aber Gruppenarbeit war irgendwie nicht seins. Er brachte sich meist recht schlecht mit hinein und wirkte schnell wortkarg. Froh wirkte er mehr oder weniger schon. Klar, kontra hörte niemand gerne – dennoch schlug das von Mikhail ein wie eine Bombe in die Magengrube. Was störte ihn denn so plötzlich daran, dass Arata etwas einfühlsamer war? Sonst kommentierte er seine Dummheiten auch nicht so streng. Wo lag der Unterschied? Sein tätowierter Zeigefinger fuhr Arata über die Male unter seinem linken Auge und Wange entlang. Sie fühlten sich rau an. Fast so wie feinkörniges Sandpapier, dass man sich zum ersten Mal im Werkunterricht über die Haut fahren lässt. Die Male, die sich seit Geburt an ihm befinden und ihn definitionshalber nicht mehr zum Menschen machen, schienen immer eine Art Strafe.
Er schüttelte seinen Kopf und goss sich etwas Wasser über den weißen Schopf. So schnell wie die Flüssigkeit sich aus dem Plastik entlud, so langsamer glitt sie an den dicken Haaren des Jungen entlang. Sein Blick hob er zu dem endlosen Blau, dass sich über seinem Kopf erstreckte. „Man – wann bin ich so nachdenklich geworden?“, fragte er sich etwas lauter, störte damit scheinbar jedoch keinen und senkte seinen Blick anschließend. Etwas schien den sonst immer glücklichen Jungen zu belasten. Und so sehr er es sich nicht eingestehen wollte, desto mehr wusste er, dass seine Gedanken, all seine Überlegungen die er seit seiner Verabredung getroffen hat, nur zu einem Punkt hinführen würden. Zu seinem Geständnis Vivian gegenüber und dem Gefühl ihrer sanften Lippen, welche sich auf seine drückten. „SCHEISSE! – FUCK!“, rief er hinaus. Schmetternd knallte die leere Flasche auf den Boden und Arata tritt sie einmal ordentlich nach vorn.
Sichtlich war ihm die Röte ins Gesicht gestiegen. Nicht nur, weil er an jenen Abend und Worte dachte, sondern auch weil der Ordnungshüter – Arata eine ordentliche Ansage machte und gedroht hat, Jul davon zu berichten. Nach einigen Minuten war der Mann wieder von dannen gegangen und Arata sah dem noch nach. „Pff… blöder Arsch, du hast doch keine Ahnung! Tzz.“ Er drehte sich wieder nach vorn und ging einige Minuten ohne auch nur etwas Zeit an diese Ansage zu verschwenden. Schließlich kann es ja auch mal passieren, dass jemand lauter wird, oder nicht? Naja Erwachsene haben ja solche Probleme nicht. Sollen die mal alle vor sich hinvegetieren.
Aber so schnell er auch salzig und ekelig werden konnte, so schnell konnte sein ganzer Groll sich wieder verziehen. Er ging noch wenige Schritte nach vorn und da war auch sein Ziel schon in Sicht. Der Brunnen an dem sich die beiden das erste Mal gesehen haben. Etwas weiter rechts, war auch der Bademodenladen, welchen Arata schließlich noch gut bezahlte für ein duzend Handtücher. Und dass nur, weil Levi und er sich an einem genauso warmen Sommertag hier im Brunnen abgekühlt und rumgealbert haben. Klar musste es auch dann so kommen, dass sie dann die sich im Brunnen die Hände abkühlende Vivian treffen. Seltsam wie sich die Ereignisse dahingehend entwickelt haben. Natürlich auch die Zeit danach. Er setzte sich auf den Rand des Brunnen und schaute in irgendeine Richtung um zu sehen, von wo Vivian herkommen würde. Sollte er noch eine Rauchen? Nervös war er schließlich doch noch.
Nachdem sie sich eigentlich in die Bibliothek verabschieden wollte, kam Arata doch noch einmal auf sie zu. Anfangs etwas skeptisch hörte sie dem Weißhaarigen bei seiner Erklärung zu, sagte jedoch nichts wirklich dazu. Es war … merkwürdig. Trotzdem fühlte es sich keineswegs falsch an nur stillschweigend zuzuhören und lediglich am Ende – so höflich wie man es von ihr gewohnt war – dem Vorschlag zuzustimmen. Welchem Vorschlag? Nun, Arata wollte sich mit ihr treffen. In der Stadt. Am Brunnen. Jener Ort, wo sich die beiden das erste Mal getroffen hatten und seitdem eine langjährige Freundschaft pflegten. Ein bisschen nostalgisch war der Ort also schon. Auch Vivian war hier keine Ausnahme. Es gab keinen Bereich ihres Lebens, an den sie sich nicht gut erinnern konnte. Sogar die Momente vor der Schule erschienen ihr – so seltsam das auch klingen mag – als wären sie gestern erst passiert. Unruhig war die Engelin trotzdem. Allein schon, weil sie nicht wusste, was sie dort jetzt sollte. Oder, besser gesagt, was jetzt beredet werden musste. Ihr Freund hatte nicht den Anschein gemacht auf irgendetwas eingehen zu wollen. Nun, sie würde es sehen.
Noch schnell im Wohnheim vorbeigeschaut, legte sie alle ihre Schulsachen ab und schlüpfte in ihre altbekannte Tracht. Altmodisch und doch elegant, so kannte man die junge Frau und genauso machte sie sich auch auf den Weg in die Stadt. Stets ein aufrechtes und elegantes Gangbild behaltend. Die Frage in anderen Köpfen aufwerfend, ob sie überhaupt aus der jetzigen Zeit stammte. Die Hitze schien ihr dabei aber keineswegs im Wege zu stehen. Man war es auf Isola ja mehr oder weniger gewohnt. Vivian war auch viel mehr damit beschäftigt ihren Blick in der Umgebung zu verlieren. Sie achtete sehr oft auf ihr Umfeld, betrachtete Szenarien und ließ das Leben der anderen auf sich wirken. Vielleicht war es diese Faszination an den Emotionen an sich, die sie verstehen, aber nicht nachempfinden konnte. Zumindest nicht in diesem starken Umfang. So genau hatte die Blondine da nie drüber nachgedacht und sie würde es wohl auch nie ohne gegebenen Anlass tun. Ihre Aufmerksamkeit hatte es aber alle Male.
Doch das war sowieso erst einmal zweitrangig. Ruhig und gesittet, mit ihren Händen vor der Hüfte ineinander gefaltet, schritt sie die Straßen der Innenstadt weiter entlang, bis sie schon aus der Entfernung den Brunnen gut erkennen konnte. Kurz wanderte ein prüfender Blick über eine der Uhren an den Läden, dann fokussierte sich ihre Aufmerksamkeit gänzlich auf das zentrale Schmuckstück des Hauptplatzes. Wo Vivian – nachdem sie ein paar Leute passiert hatte – auch schon Arata sitzen sah. Ohne eine künstlerische Pause einzulegen schritt sie geradewegs von vorne auf den jungen Mann zu. Hatten ihre Blicke vorher noch überall landen können, so ruhten sie in diesen Augenblicken komplett auf dem weißhaarigen Teenager vor sich. Türkis-blau und wie klare Edelsteine, präsentierte sich ihm ein sanfter Blick in einem sonst aus Porzellan geformten Gesicht. Die Füße kamen zum Stillstand, der Kopf neigte sich leicht nach unten und letzten Endes folgte eine leichte Verbeugung zur allgemeinen Begrüßung. „Ich bedauere zutiefst, wenn ich dich habe warten lassen, Arata.“, kam auch sogleich eine sanfte Bekundung ihrer Anteilnahme über die Lippen der Engelin hinweg. Eigentlich unnötig, denn sie war pünktlich. Aber so war sie eben. Auch sie hätte ja, wenn man so will, ein paar Minuten früher da sein können. Das hatte sie vor sieben Jahren schon so gemacht, das würde sich auch jetzt nicht ändern. „Lass mich dir jedoch mitteilen, dass du, wie immer, ein sehr einzigartiges Antlitz an den Tag legst.“, und sie begutachtete einen kurzen Moment lang seine – nassen? – Haare. Es war schon merkwürdig, aber Vivian empfand es als nicht unbedingt schlecht. Es … brachte dieses ungestüme und verpeilte des Weißhaarigen gut zum Vorschein. So gesehen also ein Kompliment. Trotz des Umstandes, dass das Gesprächsthema, welches Arata vorhin an sie herangetragen hatte, schwer in ihrer Brust lag. „Ich hoffe, die Hitze macht dir nicht zu schaffen.“, setzte sie als vorsichtige Frage hinten an und neigte ihren Kopf leicht schräg, seine Mimik noch genauer musternd. Sie kannte es ja von den Trainingsstunden am Strand. Arata und Warm waren nicht immer die beste Kombination. Wenn sie es nicht besser wüsste, dann wirkte es auch, als ob er sich Wasser über den Kopf geschüttet hatte. In der Schule war sein Haarschopf immerhin noch trocken gewesen, daran erinnerte sich die Engelin ohne Probleme. Er war doch nicht wieder in den Brunnen gefallen? „Du bist nicht in den Brunnen gefallen, oder?“, und ihre türkis-blauen Augen wechselten kurz auf seine Kleidung. Mh … merkwürdig. Dann müsste ihm aber jemand Klamotten geliehen haben. Obwohl … vielleicht hatte er ja nur seinen Kopf ins Wasser gesteckt? Sie musste sich doch nicht schon wieder sorgen machen?
Klick – Klack – Klick – Klack. Dieses sich wiederholende, monoton klingende Geräusch stammte von Aratas Zippo-Feuerzeugs, dessen Deckel er regelmäßig auf- und zuklappte. Eine ihm unangenehme Nervosität breitete sich in ihm aus und so gern er auch zugeben würde, bedrückte ihn dieser Gedanke daran von Sekunde zu Sekunde mehr. Ein Kapitalverbrechen war es nicht, der Frau die man liebt – so lang er sie nun auch liebt, dieses Geständnis entgegen zu bringen und doch fühlte er sich schuldig. Schuldig ihr etwas auf den Rücken geschultert zu haben, dass sie gar nicht hätte tragen müssen. „Hach, je – Jesus kannst du mir da nicht einfach mal helfen?“, fragte er mit seinem trägen Blick ein weiteres Mal dem Himmel entgegenblickend. Vergebens und so senkte er seinen Blick und sah vor sich Vivian stehen.
Wie immer war sie vor ihm erschienen. Äußerst elegant und der Zeit nicht entsprechend gekleidet. Man könnte sicherlich auf sie einreden so gut man es nur konnte und trotzdem würde sie keine anderen Kleider an sich tragen. Und doch, so fand schließlich doch etwas rötliche Farbe in seinem Gesicht Platz, stand ihr dieser Look so wie niemanden. Eine Augenweide würde man sagen können. Die Uhr, welche sich auf dem Platz befand, leicht rechts von ihr – im Hintergrund zeigte sogar die eigentliche Zeit nicht, an der sich die beiden Schüler treffen wollten. Doch war es nun mal ihre Art. „Äh, nein – nein, ich bin auch erst gerade angekommen! Ich denke, wir beide haben uns bisschen in der Zeit vertan, ha!“ Irgendwie war ihm das ja dann doch nicht so gelungen, wie er es eigentlich sagen wollte. Er konnte sich schon von der feinen Art präsentieren, aber ihr gegenüber würde er wohl immer der Vollidiot sein – welcher einfach wie ein Stein in der Brandung, unpassend quasselt. Und noch bevor er weiter im Sand versinken wollte, mal wieder voll ins Töpfchen getreten zu haben, so entkam ihr doch ein barmherziges Kompliment – gefolgt von einem typischen Niedermachen. Das tat sie sicherlich nicht absichtlich, davon war Arata überzeugt. Dennoch kam es ihm manchmal so rüber als würde sie sich über ihn lustig machen. Auf eine nicht mobbende Art – selbstredend. „Achso, das?“, zeigte er dann auf seinen Kopf und die nassen Haare. „Irgendwie habe ich mich beim Gang hier her, wie ein Fisch in der Pfanne gefühlt und dann habe ich mir einfach mal die Flasche Wasser über den Kopf gejagt! War schöööööööööön!“, gestikulierte er um die unbeschreibliche Abkühlung zu verdeutlichen.
„Viv. Der Grund wieso ich mich mit dir nochmal treffen wollte, ist das ich mich zu tiefst bei dir entschuldigen möchte!“ – ganz nach japanischer Manier und dem Respekt einer Frau gegenüber verbeugte sich Arata vor Vivian tief. Seine Augen zusammengekniffen und sein Haupt nach unten zeigend, wollte er ihr zeigen, wie sehr in die Ereignisse beschäftigten. „Mein Verhalten, nach meinem Geständnis dir gegenüber, war die eines Idioten der deine Gegenwart nicht schätzt und respektiert! Dich allein auf der Tanzfläche stehend zugelassen zu haben war äußerst taktlos!“ Langsam erhob er sich und versuchte nicht auf weinerliche Memme zu machen. Sein Blick fokussierte ihre Türkis-blauen Seelenspiegel. „Ich war einfach wie ausgetauscht. So als wäre das alles unwichtig geworden und das ist es gewiss nicht. Also ich bin ja schlecht im Reden, ja, ich weiß. Aber – Aber…“ er holte kurz Luft. „ Aber als ich gesagt habe, dass ich mich in dich verliebt habe und mir nichts anderes auf dem Herzen tanzt, habe ich voller Überzeugung gesagt und das wollte ich dich noch einmal wissen lassen!“ Mh.. irgendwie konnte er es doch noch einmal hervorbringen. Es ist ja nicht so, dass Arata auf den Mund gefallen wäre, doch gerade solche Themen sind nicht jedermanns Sache. Der Itô zählte sich ebenfalls zu jenen.
Mit @Arata Itô am 24.06.2015 | Nachmittags | ca. 12:15 Uhr.
Stille Akzeptanz trat ein, als Arata von seiner Seite aus bezichtigte noch nicht lange hier zu sitzen. Ob das nun stimmte oder nicht, konnte Vivian natürlich nicht überprüfen, aber sie ging davon aus, dass es schon stimmen würde. Erstes Indiz dafür wäre unter anderem, dass er sich noch keine Zigarette angesteckt hatte. Sie mochte den Rauch dieses nikotinhaltigen Beruhigungsmittels sowieso nicht. Es war ihr – selbst nachdem sie den Weißhaarigen viele Jahre kannte – unverständlich, wie man sich diesen Dingern so stark verschreiben konnte. Auf der anderen Seite kannte sie seine Vergangenheit besser als wohl jeder andere auf der Insel, war für ihn da und konnte sich dementsprechend auch vieles herleiten. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen wäre mehr als unhöflich und rücksichtslos von ihrer Seite aus, also tat sie es auch nicht. Ihre Gedanken kreisten sowieso vielmehr um die nasse Frisur ihres Freundes, welche ihr bis zu diesem Zeitpunkt viele Gedanken und Szenarien vorspielte, im Endeffekt aber nur ein Ergebnis ineffizienten Hitzemanagements war. „Ich verstehe.“, äußerte sie sich knapp und quittierte sein langgezogenes Stöhnen mit einem kleinen Moment der Stille. Zu sehr waren ihre Augen damit beschäftigt seinen wilden Gestikulierenden zu folgen. Nur, um am Ende wieder auf seinem Gesicht zu landen. Es war immer wieder faszinierend mitanzusehen, wie sich der Weißhaarige ausdrückte. Vivian konnte sich das wirklich öfter ansehen. So viel Leben wie er in seine Art steckte, würde sie auch gerne zum Ausdruck bringen können. Aber … es ging nicht. Noch nie hatte sie das wirklich geschafft. Lediglich seit ein paar Tagen regte sich da etwas wirklich Massives. Der Ball hatte ihr Wahrnehmungsspektrum buchstäblich explodieren lassen. Genauso wie die Ereignisse danach sie mehr geprägt hatten, als eine Stanzmaschine eine Geldmünze. Aber entgegen einer Richtigen Prägung, die man zuordnen konnte, war es für Vivian unmöglich dies zu tun. Selbst jetzt, in diesem Moment, war sie immer noch verwirrt über manche Gedankengänge, die absolut nicht in ihr eigenes Raster passten. Als wären sie eine fremde Währung, passten diese Überlegungen einfach nicht zum Rest. Wertlos und doch gewichtig genug, um nicht ignoriert zu werden. Es war wahrlich seltsam.
Nahezu abrupt beanspruchten diese Überlegungen ihre ganze Gedankenwelt. Ihr Kopf versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Wie so viele Male brachte dieses innere hin und her kein wirklich brauchbares Ergebnis. Aber dann erhob Arata wieder das Wort und der Klang seiner Stimme riss Vivian hinaus aus ihrem unterbewussten Koma und katapultierte die Engelin wieder in das Hier und Jetzt. Es … tat ihm leid? Nahezu paralysiert schaute sie hinunter auf den weißen Haarschopf, der sich gerade untertänigst vor ihr verbeugte. Er … entschuldigte sich! Die Reaktion, welche sie heute Morgen unterbewusst geradezu verlangt hatte, holte sie schlagartig ein und jetzt konnte sie es nicht einmal richtig zuordnen. Sie war so überfordert, dass sie nicht mal eine passende Antwort formulieren konnte, ehe der junge Mann vor ihr erneut fortfuhr. Mit einem geradezu verzweifelten Blick schrie ihr Unterbewusstsein nach Arata aus, um sich doch noch in seiner kindlichen Art zu verlieren, dass ganze zu negieren. Aber das passierte nicht. Stattdessen stand der Weißhaarige auf, schaute ihr nun tief in die Augen und wiederholte jenes Geständnis, dass er ihr im Ballsaal schon einmal entgegengebracht hatte. Sie spürte die Emotion in seinen Worten, die Ernsthaftigkeit seiner Stimme und Mimik spielten ein und dieselbe Melodie. Doch das Echo aus dem Porzellangesicht blieb vorerst aus. Anstatt das es die Blondine freute, kränkte es sie. Es kränkte sie, weil sie nicht im Stande dazu war, dieses Lebendige ebenbürtig zurückzuwerfen. Sie wollte lernen besser mit sich umzugehen. Doch hier stand sie und konnte nicht anders, als zu schweigen. Die türkis-blauen Augen wandten sich ab. Ihr Kopf drehte sich langsam zur Seite und Wut machte sich breit.
Langsam atmete Vivian ein, dann stieß sie einen leichten Hauch an Luft in Aratas Richtung aus. Kurz kehrten die türkis-blauen Augen zu seinem Gesicht zurück, an einem erneuten abdriften hinderte sie nur der eiserne Wille ihrer Besitzerin, der Situation wieder Herr zu werden. „Ich …“, öffnete sich leicht ihr Mund und mehr kam nicht mehr. Was sollte sie jetzt tun? Wie reagierte man auf sowas? Sieben Jahre und Arata hatte sie eiskalt erwischt. Dagegen half kein Training, keine Vorbereitung. Auf diesem Schlachtfeld war Vivian allein … und sie musste sich anpassen. Sie versuchte sich zu erinnern, den Ball nochmal in Erinnerung zu rufen und … hatte das Gefunden, wonach sie gesucht hatte. „Ich nehme deine Entschuldigung an, Arata.“, flossen plötzlich wieder elegant klingende Worte über ihre Lippen und sie machte einen kleinen Schritt auf ihren Freund zu. „Dementsprechend möchte ich die Gelegenheit nutzen, um diese Liebe als solches erwidern zu können.“, und ein leichtes Lächeln begann ihre Porzellanmaske zu verziehen. Zusammen mit ihren Augen, die nun erstmals wieder das Lichtlebendig reflektierten und ihre Augenfarbe umso sonderbarer und kräftiger wirken ließen. Ein wunderschönes Schauspiel. „Es vermag zu verwirren, benommen werden zu lassen. Dennoch, würde ich diese Wärme besondere wärme nicht mehr missen lassen.“, ergänzte sie und das Lächeln wurde sogar noch ein bisschen breiter. Natürlich, sie hatte soeben die altmodischte und sowohl längste Liebeserklärung der modernen Geschichtsschreibung fabriziert. Aber sie meinte es ernst, Arata würde das sicherlich erkennen. Ihre Stimme war nicht neutral … sondern trug Melodie. Kein einziger Tropfen Monotonie fand sich darin, es war einhundert Prozent fröhlich. Zusammen mit ihrer sanften Stimme ein wirklich angenehmer Klang. Emotional besann sich Vivian nicht einmal auf den leichten Kuss am Ende des Balls. Ihre Bedeutungssuche ging tiefer. Es war die Nähe und die Bedeutung Aratas, die seit Urzeiten in ihr innewohnten. Jetzt mehr als zu irgendeinem Moment davor und sie würde lügen, wenn es nur im Bereich einer tiefen Freundschaft war. Nein, definitiv, sie wusste das dort mehr war. „Es würde meine Wenigkeit sehr erfreuen, wenn wir an diesem Punkt weitermachen.“, was sie mit einem – vielleicht unerwarteten – griff nach seiner Hand unter Beweis stellte. Sie spürte es zwar nicht, aber er tat es sicherlich. „Ich gelobe mich deinen Gefühlen und Ansprüchen als würdig zu erweisen.“ Ja, das würde sie tun. Vivian war fest entschlossen diesem indirekt Eid treu zu bleiben. Sie war zuversichtlich, dass das mit seiner Hilfe möglich war.
Es erschein dem weißhaarigen Schüler wie eine Ewigkeit bis es von Vivians Seite etwas zu hören gab. Zweifel machten sich in diesen Momenten in seinem Verstand breit und er wusste, dass er schon vor paar Tagen, sowie auch heute, eine nun schon die lebenslange Freundschaft zu ihr, seiner besten Freundin und zu gleich seinem größten Schwarm, in binnen von Sekunden zerstören könnte. Zu mindestens war es das, was sich vor seinem geistigen Auge abspielte. Das sich dies in wenigen Momenten als das komplette Gegenteil herausstellen würde, daran dachte er nicht. Nicht speziell jedenfalls.
Sie erhob ihre zarte Stimme. Doch anders als Arata es zuvor vernahm, so klang diese wie eine prachtvolle Melodie, die man deutlich einem wunderschönen Frühlingstag zuordnen konnte. Wie ein Beginn – ein wahrer Abschluss einer langen Winternacht, erfüllte ihre Stimme sein Herz und das Gesagte war wie ein außerordentlicher starker Schlag ins Gesicht. Ein Schlag von dem man sich sicherlich nicht so schnell erholen würde und es auch noch lange Zeit danach spüren würde. Und doch war dieser Schlag weder voll von Schmerz noch von Zweifel belegt. Er war wie ein sanfter Kuss einer liebenden Person. Gut darin, sich mit Vivian verbal auf einer Ebene zu halten, wäre gelogen es so zu behaupten. Oft musste er querdenken und zwei Mal die Worte über seine eigenen Lippen laufen lassen um wirklich zu verstehen, was Viv damit nun wirklich meinte. Doch gerade jetzt war es so als wäre ihm alles zugekommen und dass er sich in einen Duden stürzen müsste um zu verstehen was Viv sagte. Sie fühlte also das Gleiche. Noch bevor sein Verstand es richtig realisieren konnte, kam sie ihm näher und er spürte ihre metallenen Hände an den seinen. Selbst wenn es nur Attrappen ihrer eigentlichen Gliedmaßen waren, so fühlte Arata jedes einzelne Gefühl, das Vivian in diese Worte legte. Sei es nur der Schein der ihn in der Hinsicht trügen sollte oder dass er bis über beide Ohren in Viv verliebt war, es störte ihn nicht. Es hatte ihn nie gestört, dass sie keine richtigen Arme und Hände mehr hatte. Das machte sie nur noch schöner in seinen Augen.
„Meinst du damit, dass wir zwei und so, wir also, ehm..“, Alter, was war los? Arata führte sich auf, nein sprach wie ein kleines Kind, dass zum ersten Mal mit einem Mädchen rummachen würde. Nun was in der Hinsicht auch stimmen würde. Flirten konnte er nicht, Mädchen auf ernste Weise anzusprechen erst recht nicht und sie fragen ob man sich küssen sollte erst recht nicht. Jetzt reiß dich doch mal zusammen man, dachte sich der Weißhaarige. „Also ja, mich würde es auch freuen – ja also. Ehm, Viv..“, Ach lass gut sein, tu es einfach! Manchmal war es doch schön, dass sich das kritisierende Ich durchsetzen konnte. Arata trat also näher an sie heran, zog sie etwas leicht zu sich und legte seine linke Hand an ihren unteren Rücken an. Seine rechte Hand löste er ebenfalls aus ihrem zarten Griff und legte sanft seine rechte Hand auf ihre Wange, ehe er seine Augen schloss und mit einem innigen Kuss, seine Lippen auf die ihre drückte.
Einen kleinen Moment lang fragte sich Vivian, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Sie war – in Fakt – kurz davor gewesen ihre angesagten Sachen wieder zurückzunehmen, weil sie dachte es hätte ihn in irgendeiner Form gekränkt. Nicht wegen der Botschaft hinter den Worten, sondern eher wie diese übermittelt wurde. Sie wusste von ihren ganzen Briefen und Büchern, dass die Art und Weise der Worte viele Sachen vorwegnahmen und implizierten. Was unter anderem auch der Grund war, warum sie so altmodisch und neutral zu sprechen pflegte. Sie wollte anderen keine Interpretation ermöglichen, die sie selbst gar nicht erzeugen wollte. Nur bei Emily und der kurzen Trainingssession schien das nicht funktioniert zu haben. Aber, dass musste man auch betonen, ihre Sprechweise beim Training und im Alltag unterschieden sich auch sehr stark voneinander.
Hier war das allerdings nicht von Relevanz. Als sich die Lippen Aratas wieder öffneten, um einen Laut von sich zu geben, konnten man einen kurzen Moment deutlich sehen wie die Schultern der Engelin ihre Spannung ablegten. Wie ein unsichtbarer Mantel, der sich in den letzten Sekunden über sie gelegt hatte und nun verschwand. Letzten Endes waren es die doch recht unsicheren Worte Aratas, die Vivian ganz deutlich machten, dass alles in Ordnung war. Mit einem leichten Nicken, während sie seine Hand immer noch ergriffen hatte, bestätigte sie ihm seine nicht beendete Frage. Doch diese Geste schien dem Weißhaarigen schlichtweg nicht aufgefallen zu sein. Die junge Frau legte ihren Kopf etwas schief. Er hatte es ihr doch schon beim Ball gesagt. Warum musste er es denn jetzt noch einmal wiederholen? Und – was noch viel wichtiger war – warum fiel es ihm so schwer, wenn er es doch schon einmal gesagt hatte? Erneut stockte der junge Mann bei seiner Aussage, aber sein Satz klang anders. „Was kann ich für dich tun?“, war die wohl deplatzierteste und gleichzeitig ernst gemeinte Frage der Engelin. Mit einer Mischung aus Verwirrung, Neugier und Erwartung blickten die türkis-blauen Augen in die ihnen gegenüberliegenden roten. So lange, bis Arata einfach einen Schritt nach vorne machte und ihr nun so nahe war, wie es auch am Ende des Tanzes der Fall gewesen war. Nur sie tanzten nicht, oder hatten eine besonders melodische Umgebung. Einzig und allein sie beide und die Nostalgie dieses Ortes waren hier. Dieses Mal war die Sache allerdings ernster. Die Art wie Arata sie an sich heranzog, wie er generell seine Arme an sie legte. Vivian kannte das von anderen Leuten. Nie hatte sie aber daran gedacht, dass sie es selbst erleben würde. Ganz besonders als ihr Freund seine Augen schloss und sein Gesicht dem ihren immer Näher kamen, stand sie beinahe starr und mit geöffneten Augen dort. Immer wieder die Hand an ihrer Wange begutachtend, mit der sie buchstäblich nichts anzufangen vermochte. Ihre eigenen Hände hingen auch einfach nur an ihr herunter. Was – ohne Zweifel – von außen sehr merkwürdig aussehen musste. Aber sie wich auch nicht zurück, versuchte das richtige zu tun. Allerdings … sie wusste nicht, was das Richtige war. Lediglich das schließen der Augen, wie es der Weißhaarige praktizierte, schaffte es umgesetzt zu werden, bevor die letzte Distanz zwischen den Gesichtern vernichtet wurde.
Es war etwas völlig neues, so in der Schwärze zu sitzen und nebenbei dieses intensive und vor allem merkwürdige Gefühl auf seinen Lippen zu spüren. Der Moment an sich wirkte sehr lang und Vivian rechnete eigentlich damit, dass es unangenehm war … doch das trat nicht ein. Stattdessen verblieb sie mit Arata einen Moment lang in dieser Position und versuchte das Ganze zu erfassen. Am Ende versuchte auch sie ein wenig die Initiative zu übernehmen, schaffte es aber nicht die Lippenbewegungen wirklich gut hinzubekommen. Das Ganze würde wohl als schlechtester Kuss der Welt in die Geschichte eingehen. Nicht, dass Vivian das momentan auf dem Schirm hatte. Ihr reichte das vollkommen. Das leichte Lächeln auf ihren sonst so steifen Gesichtszügen, als sich die Gesichter trennten und die Augen das Licht der Mittagssonne erblickten, sprach dabei ganze Bände. Es war nicht schlecht und … neu. Sie müsste sich dem Ganzen wohl öfter widmen. „Ich bin verwirrt, Arata.“, äußerte sie sich direkt danach in einem ihr unbekannt fröhlichen Ton und blickte ihm konzentriert ins Gesicht. Fast so, als müsse sie sich ihre Worte erst noch zurechtlegen. „Ich fühle mich so … euphorisch und aufgeregt. Kann man dies als normalen Umstand beschreiben?“, sie sah im nächsten Moment an sich herunter und in ihre Hände. „Ich muss außerdem um Vergebung bitten, dass ich meine Arme nicht richtig positioniert habe. Ich versuche es beim nächsten Mal besser zu machen.“, setzte sie nach und blickte leicht reuevoll empor. Hätte sie mehr Platz gehabt, wäre nun vermutlich auch noch eine Verbeugung gefolgt. Aber davon wollte sie sich nicht beirren lassen.„Es wäre mir eine große Ehre, diese Prozedur nochmals zu üben, wenn du mir diese Ehre erweisen würdest.“, und mit einem tiefen ein und ausatmen versuchte sich die Engelin danach zu beruhigen, "Es würde mir sehr viel bedeuten.". Sie war unglaublich angespannt im Moment, von ihrer überrumpelten Psyche ganz zu schweigen. Ansonsten wäre der letzte Satz gar nicht über ihre Lippen gekommen. Auch sie wusste, dass ein Paar das öfter tat. Aber ... ja, ihre Gedanken waren nicht mehr brauchbar. Als wäre sie betäubt, fasste ihr Kopf keinen klaren Gedanken. Auf der physischen Ebene hatte sie jedoch das dringende Bedürfnis daran festzuhalten. Es war … toll. Ja, es war toll. Sie hatte auf keinen Fall ein Problem damit, dies öfter zu wiederholen. Ihr Körper verlangte es sogar ein wenig und sie war drauf und dran, diesem Bedürfnis nachzugeben. Was konnte daran schon falsch sein?
24. Juni 2015, 13.00 Uhr mit @Vivian Edwards, erwähnt Ryder, Leviathan
Herrje! Es passiert wirklich. Wenn man sich einen Homerun oder einen Aufruf während einer Liveshow vorstellen konnte, so feierte Arata innerlich diesen Schritt. Es ist wirklich passiert. Und dieses Mal auch bei vollem Bewusstsein. Ohne die Hilfe von Alkohol oder anderen Substanzen, kein nerviger Zigarettenqualm und keine Kommentare von Außerhalb. Nur sie zwei. Wie eine Mischung aus Schwarz und Weiß, verschlangen sich die Grenzen und ergaben in der Mitte des Farbspiels dieses leichte Grau hervor. Eine regelrechte Abweichung, dachte er und doch gab es nicht anderes, das für ihn nun von Belang war. Auch nicht, dass er vermutlich wieder Mal keinen Plan hatte, worum es heute in der Gruppenarbeit wirklich ging.
Der Kuss war besonders. Nicht nur, weil es der zweite Kuss mit Vivian war, nein. Er war besonders in der Hinsicht, dass sie irgendwie versuchte ihn zu essen? Soweit der weißhaarige Mutant wusste, war Vivian ein Engel – somit kein nach sterblichem Fleische ringendes Wesen und dennoch waren ihre Lippenbewegungen so … anders. Machte man das wirklich so und Arata hatte es falsch gemacht? Oh man, ob die anderen Mädchen da mehr zu wussten? Oder Ryder? Der müsste sowas doch auf’m Kasten haben! Levi, ja sicher nicht. Kaum zu glauben, dass der mal was mit Mädchen zu tun hatte. Und was war da eigentlich zwischen Ivy und ihm? Er müsste dem mal auf den Grund gehen – irgendwer wird doch wohl Informationen dazu haben, oder?
Ihre Gesichter trennten sich von einander und Arata der wohl völlig abgedriftet war und sich mit tausend anderen Dingen befasste, zugleich aber voll bei Vivian sein wollte, war über beide waren rot angelaufen. Ihm peinlich wird das nicht gewesen sein. Doch das Lächeln, welches die Blondine ihm schenkte, versetzte ihn in eine solch erstaunliche Verlegenheit, dass ihm für einen Moment kurz der Atem verwehrt blieb. „Verwirrt sagst du? Naja …“, er stammelte mal wieder in aller Manier los, doch fand sich nach einer kurzen Pause wieder. „Ich glaube, ja! Ja man kann das in einer solchen Situation schon als normal ansehen! Da bin ich von überzeugt!“, erklärte er sich sanft und drehte dabei seine Finger vor sich umher. Nervös, Arata? Würde man ihn das direkt so fragen, wäre seine Antwort sicherlich und ohne zögern „JA!“ gewesen. Doch an sich gab es dazu keinen Grund mehr. Er offenbarte ihr seine und sie ihm ihre Gefühle. Vergleichbar mit dem heiligen Schwert Excalibur, dass nur für den König der Könige bestimmt war, so hätte die Nervosität genau dann ablassen müssen als der König das Schwert aus dem Stein zog und Arata ihr alles offenbarte. Und vielleicht fasste er es einfach noch nicht ganz. Ich meine, sie waren immer Freunde gewesen, seit er denken konnte. Naja seit er etwas erwachsener Denken konnte.
„Ach … was, ehm … weißt du?! Hehe, ich, ehm…“ könnte man hier doch einfach nur jemand traurig den Kopf schütteln sehen. „Ja, ich habe doch auch nicht so viel Erfahrung darin! Ich habe das im Manga gesehen und dachte, dass man das so macht!?“Jepp, sehr klassisch geregelt. Applaus für dich, du weißhaariger Affe, dessen verschimmelter Toast, welcher sich immer noch unter deinem Bett befindet, immer noch eine bessere Formulierung von sich ausgebracht hätte. Ich gehe! – Und hier verabschiedete sich das kritische Ich – jedenfalls für Arata und diesen Moment. Er musste irgendwie wieder klarkommen und endlich aufhören hier den Dummen spielen zu müssen. Ein langer Atemzug hier und ein langer Ausstoß dort und Arata fing sich. Er nahm ihre Hände wieder sanft in die Seinen und sah ihr in die Augen. Etwas verlegen, aber sehr glücklich zog sich seine Glückseligkeit über beide Ohren hinaus. „Mich würde das sehr freuen, wenn wir das öfters wiederholen könnten!“, sagte er voller Freude und näherte sich ihrem Gesicht und hinterließ ihr einen sanften Kuss auf der Wange.
„Wollen wir noch etwas durch die Stadt laufen? Also nur falls du noch nichts vorhast? Oder musst du gleich zur Leichtathletik AG?“ Viele Fragen standen im Raum, aber Arata fühlte sich dem sehr verpflichtet, da ihr ungeplantes Date auf dem Ball, immer hin im Winde verlaufen ist und es sich wohl eher so gehört. Also so rein aus Gentlemen-Sicht und so. Also, Arata hoffte auf die bestmögliche Antwort. Aber so an sich, wäre er mit jeder Entscheidung ihrerseits zufrieden!
Ein Manga also? Vivian wusste zwar nicht, dass man aus solcher Literatur ebenfalls einen Großteil seiner Erfahrung ableiten konnte, aber es machte Sinn. Es gab einige Romane, die ebenfalls sehr detailliert auf die Geschehnisse eingingen, jedoch keine Visualisierung darboten. Wenn sie das beides miteinander verbinden würde … könnte sie dann auch besser werden? Vermutlich schon, wenn Arata das so überzeugend von sich gab. Ein Versuch wäre es, in ihren Augen zumindest, wert. Vielleicht könnte er ja auch die Mangas heraussuchen, wo er das gelernt hatte. Dann würde sie sich zumindest die Zeit zum Suchen ersparen. Immerhin kannte sie sich in Mangas so gut wie gar nicht aus. Normale Literatur war da schon etwas ganz anderes. Sie könnten es aber auch üben und nebenbei schauen, wie das Ganze funktionierte? Der Kuss auf ihre Wange bestätigte ihr zumindest, dass sie noch einiges zu lernen hatten. Sie meinte immerhin den Kuss auf den Mund und nicht auf die Wange. Konnte man da überhaupt etwas falsch machen? Immer noch lächelnd, aber mit einem schrägen Kopf blickte sie dem jungen Mann entgegen. Ihre türkis-blauen Augen auf ihn fixiert, bis sie letzten Endes ihre Hand auf ihre Wange packte und leicht darüberstrich. Unnötig zu sagen, dass das Gefühl natürlich ein ganz anderes war. „Ich bezog mich auf den anderen Kuss, Arata.“, stellte sie sanften Tones klar und brachte ihren Kopf wieder in die Waagrechte. Nur, um dem Weißhaarigen dann einfach so einen weiteren Kuss auf den Mund zu geben. Das sich der in der Qualität nicht sonderlich besserte nun … eine nicht vorhandene Motorik baute sich nicht über Nacht auf. Aber sie schloss ihre Augen! Das war doch schon einmal was!
Ob allerdings nun aus heiterem Schock heraus, oder weil er sich relativ schnell daran gewöhnt hatte, blieb ihr Freund sehr gefasst. Im Gegensatz zum Ball kam hier keine Verabredung mit anderen dazwischen, wie konnte Vivian da noch ablehnen? Es waren außerdem noch ein paar Stunden. „Es ist mir eine Freude, dich durch die Stadt zu begleiten.“, erwiderte sie mit einem kleinen Knicks und griff nach der Hand des jungen Mannes, um sich bereit für die Abreise zu machen. Sie stand zwar immer noch vor ihm, aber bei der endgültigen Abreise würde sich das schon ändern. „Ich müsste dir eine Frage stellen, wenn du erlaubst, Arata.“, fing sie noch an zu sprechen, ehe man sich überhaupt in Bewegung setzten konnte und fasste sich erneut auf die Wange. „Gibt es mehrere Arten von einem Kuss, die man können sollte?“, was ja auch eine legitime Frage war. Und wann setzte man diese verschiedenen Arten ein? Es war doch sicherlich eine Art von Etikette, oder nicht? Die Engelin wollte ungern etwas länger als nötig falsch machen. Vielleicht sollte sie ihr Geld auch mal für diese Magazine ausgeben, die immer irgendwelche Jugendlichen auf dem Cover hatten. „Lifestyle-Magazine“, oder so. Einmal war sogar dieses Kuss-Thema auf dem Cover abgedruckt, wenn sie sich nicht irrte. Allerdings war sie damals wegen einem Roman dort gewesen. Was sich – in den letzten Jahren – nicht großartig geändert hatte. „Wenn diese ganze Variationen so wichtig sind, erlaube mir den Vorschlag zu unterbreiten, dass wir diese Mangas gemeinsam durchsehen und an ihnen lernen.“, und sie machte einen kleinen Schritt zur Seite, um den Weg für Arata frei zu geben. An ihrem Blick änderte das jedoch nichts. „Ich könnte mir vorstellen, dass ein bildhaftes Beispiel sich als sehr hilfreich erweisen würde, wenn man es mit der Praxis verbindet.“, womit ihre sanfte Stimme wohl die professionellste Einladung zu einem Kuss-Training ausgesprochen hatte, die man sich vorstellen konnte. „Oder empfindest du dies als einen zu direkten Weg?“, folgte lediglich eine Sicherheitsfrage an ihren persönlichen Guru in Sachen Liebe. Gut, dass man eine Beziehung nicht aus Magazinen nehmen sollte war Vivian jetzt auch nicht unbedingt so geläufig, aber gut. Insbesondere wenn man sich vor Augen hielt, was sonst noch für Themen in solchen Magazinen behandelt werden konnten. Es begründete sich zumindest auf einem plausiblen Ansatzpunkt, der Verständnis fördern sollte. Viel weiter, als die Interpretation ihrer Gefühle und dem Kuss, war sie gedanklich sowieso noch nicht. Vielleicht schaffte es diese Beziehung mit dem Weißhaarigen ja wirklich die Hormonproduktion der Blondine soweit in Gang zu kriegen, dass sie auch von selbst auf Ideen und kniffe kam. Eventuell bewegte sich die Blondine auch einmal außerhalb ihrer Komfortzone, machte etwas Unüberlegtes. Ja, etwas für sie gar Unübliches. Es würde bestimmt eine spannende und interessante Zeit werden. Und dass man Liebe nicht aus Mangas und Büchern ablesen konnte … nun, dass würde sie bestimmt auch noch herausfinden. Spätestens dann, wenn sich alles Beschriebene als irgendwie unzutreffend erwies. Aber sie war in dem Themengebiet ja nicht alleine, sie hatte Arata.
Ouha! Ein weiterer Kuss! Dieses Mal ging er nicht von Arata, sondern direkt von Viv aus. Sicher konnte man verstehen, dass der Junge – der so begriffsstutzig war wie kein anderer Schüler auf der Insel, naja, wie ein weiterer eben, immer noch damit rang, dass sich das alles hier im Jetzt abspielte. Es überraschte ihn, klar, und das auch noch sehr positiv. Viv hatte das von sich aus getan, er war nicht perfekt, würde sich sicherlich im späteren Verlauf der Beziehung sicher als peinlich und dumm gelten, aber für Arata war es schön. Selten zeigte er sich so zufriedengestellt, da er doch in mancher Hinsicht einfach ein Perfektionist sein wollte. Aber das hier, reichte ihm. Als füllte man endlich die klaffende Wunde in seinem Herzen, die schon solange nach etwas suchte, aber vergessen hatte wonach. Vielleicht war es ja das. Vielleicht war es Vivian schon die ganze Zeit lang über. Und er einfach zu blind und zu feige, dass zu akzeptieren.
Bei genauerem Hinhören, erkannte Arata die feine und abgestimmte Bewegung der feinen Zahnräder und Mechanismen in Vivians Hand. Wie ein Schweizer Uhrwerk, perfekt und in Harmonie erarbeitet, erklang es in seinen Ohren. Ein mancher Dreckskerl würde sich daran stören die fehlende Haut zu berühren, es immer als Schandfleck ansehen – aber Arata spürte da mehr. Sicher, es war die Einbildung des weißhaarigen Schülers, die sich vorstellte die Hände gäbe eine Wärme von sich, obwohl dem nicht so war. Doch für ihn fühlte es sich so an. Warm und Geborgen.
„Ja, sicher, frag was du willst!“ bestätigte er ihr, ihr Anliegen und obwohl er sich darauf freute, dass endlich er mit seinem beschränkten Wissen prahlen konnte, so wurde diese Freude allmählich in eine Art Verwirrung gedrängt. Arten des Küssens? Ok, dass ging ja noch. Aber sich hinzusetzen und die ganzen Manga zu studieren – NE! Wenn sie wüsste, dass es sich hier um die nicht ganz so Jugendfreien Mangas handelte, würde sie ihn direkt für ‘nen Perversling halten. Die Idee ist ja ganz nett und so, aber da müsse er sich mal ganz schnell rausreden. Kann sie nicht einfach die Mädchen fragen? Ich meine irgendwer wird doch schonmal mit jemand anderem rumgemacht haben, oder etwa nicht? „Na, ok. Zunächst gäbe es da, das sogenannte Küsschen. Also entweder man küsst jemanden kurz auf die Lippen oder auf die Wange. Manchmal auf die Stirn oder an den Hals. Eigentlich ist das egal, ist so ein bisschen … naja Situationsbedingt.“ Er hielt Vivs Hand. Er würde langsam mit ihr loslaufen wollen, die Straße hoch neben den Läden entlang. Dabei gestikulierte er mit seiner freien Hand, wo man den so ein Küsschen zum Beispiel hinmachen könnte. „Bei dem geht es weniger um die Innige Beziehung, sondern einfach um die Zuneigung die man zum anderen fühlt. Also wie ein kleines Geschenk! Meist unerwartet, ja!“ Dann hob er seine Hand und formte das typische Handzeichen für Frieden. Nummerisch klar die Zwei symbolisierend. „Dann gibt es das Innige Küssen. Also das was wir miteinander gemacht haben ...“ Mhh, hört sich irgendwie nicht ganz richtig an, aber ok. Passt schon. Sie wird ja wohl was drauf zusammen reimen können, oder? Hoffentlich. „Also um es kurz zu machen, man drückt sich fest aneinander und berührt den anderen auch an den passenden Stellen. Ist auch wieder Situationsbedingt, weißt du? Also das macht man weniger in der Öffentlichkeit, sondern eher wenn man allein unter sich ist. Anders wie das Küsschen, das kann überall und jederzeit passieren!“, erklärte er ihr. Nicht, dass sie dann irgendwie plötzlich so drastisch einen solchen Kuss forderte. Zum Beispiel im Unterricht oder so. Oh je. „Naja und ich glaube das war es im Groben und Ganzen.“, meinte er noch abschließend zu dieser Thematik. Sich ein wenig wie ein Lehrer zu fühlen, merkte Arata wie schwer es doch eigentlich war jemanden etwas zu erklären. Etwas, von dem man, im Gegensatz zu den Lehrer, natürlich noch nicht so viel erlebt hat. Er kratzte sich an dem Mal unter seinem Auge und wollte etwas, naja ausweichender auf das nächste Ansprechen. Diese naja, sagen wir mal Trainingsstunde.
„Vivian – ich weiß du meinst es nur gut. Aber ich glaube nicht wirklich daran, dass wir davon lernen können. Also, vielleicht sollten wir das Küssen so … naja, zwischen uns beiden lernen.“, Gott, es hörte sich bescheuerter an mit jedem Wort, dass er von sich gab. Über seine Nase hinweg bis zu beiden Wangen stand ihm die Röte im Gesicht und es würde sicherlich nicht besser werden. „Ehm … ok! Ich denke, dass es am besten wäre wenn wir es einfach darauf ankommen lassen.“ Es wird einfach nicht besser. Am besten sie brachte ihn zu Schafott und dort würde man diese traurige, erklärende Gestalt einfach enthaupten. Würde schon eine Menge Stuss sparen. „Was ich eigentlich sagen will.“, er schüttelte die Röte ab und sah sie an. Mit einem sehr glücklichen Gesicht und der Freude seine Hand mit der ihren verbunden zu haben. „Mir ist es echt egal, ob wir uns nach Bilderbuch küssen oder nicht …“ Sein Blick wanderte nach vorn. „Es klingt sehr egoistisch, dessen bin ich mir bewusst, aber dennoch denke ich, dass es nicht auf die Genauigkeit ankommt. Sondern um die Liebe, die ein jeder zum anderen fühlt. Und um die Zeit, die man mit dem anderen verbringen will. Trotzdem …“ ritterlich führte er seine Faust zur Brust, als würde er einer Königin einen Schwur leisten – „… werde ich alles tun, für dich tun, dass wir in allem Super sein werden!“ Ein herzhaftes Kichern entkam ihm und breitete sich in ein glückliches Gelächter aus. Man spürte deutlich wie die Sonne sich über Aratas Herz legte und das auch sein kindlicher Verstand, der solange mit seiner Trauer kämpfte, den Sturm besänftigten konnte und nach vorne schauen wollte. Nach vorne, in Richtung des nächsten Morgen und den darauf und so weiter.