Riecht ihr das? Der Sand, Sonnencreme, Salzwasser ... so riecht Freiheit! Oder eben das Meer. Der weiße Sand an den Stränden Isolas lässt in jedem Fall Feriengefühle erwachen. Am Strand selbst gibt es immer wieder Palmen und viele kleine Muscheln, in denen sich Krebse verstecken und um ihr Leben bangen, wenn die Muscheln von Kindern oder gar Erwachsenen gesammelt werden. Liegestühle gibt es hier nicht, denn Isola ist nicht als Ferienort ausgewiesen und so dient der Strand auch eher den Einheimischen. Hier und da liegen ein paar Handtücher, Sonnenschirme oder Luftmatratzen herum. Am vollsten wird es gegen späten Nachmittag bzw. Abend, wenn einzelne Familien nach einem Arbeitstag oder Schüler nach der Schule noch einmal ins kühle Nass springen möchten. Der Spaßfaktor ist garantiert hoch.
Ich beobachtete gerade einen Jungen mit braunen Haaren in Badehose, wie er einem Mädchen mit langen schwarzen Haaren hinterhersah, mit den deutlichen Absichten, sie zu verführen, als ich plötzlich spürte, wie sich jemand neben mich fallen ließ. Etwas irritiert sah ich zu meiner Seite und erblcikte dort ein Mädchen mit grau-weißem Haar, einem roten und einem blauem Auge und einem seltsamen Mal im Gesicht. Ganz reflexartig griff ich an meine rechte Wange, wo mein Mal des Drachen aufhörte. Ihre Schuhe hatte das Mädchen ausgezogen und starrte nun mit mir gemeinsam zu denen, die weiter abseits waren. Ich hatte irgendwie den Verdacht, dass sie mich veräppelte. Als das Mädchen plötzlich zu sprechen begann, war ich erst mal ziemlich perplex, dabei war ja klar, dass sich ein Mädchen, welches sich ungeniert neben einen Fremden setzt, auch anfangen würde sich zu unterhalten - und das, ohne sich vorher vorzustellen. "Hmm? Nein, da ist niemand hingefallen, das wäre auch nicht wirklich interessant, aber es haben sich schon zwei den Fuß verstaucht und einer musste wegen eines Krampfes aus dem Wasser getragen werden, was allerdings auch nicht besonders interessant war. Um ehrlich zu sein, bist du das erste Interessante, was mir hier begegnet." Ich versuchte, das Mädchen neben mir nicht zu sehr zu beachten und starrte weiter zu den leuten weiter hinten hin, doch schon kam die nächste Frage oder wohl eher die nächste Unverschämtheit. Aber mei, wie sollte ich ihr antworten? schließlich stimmte es ja, dass ich keine Freunde hatte, zumindestr nicht hier im Waisenhaus. "Hier habe ich zwar tatsächlich keine Freunde, aber deswegen sitze ich hier ganz bestimmt nciht rum. Zumal ich im Moment nciht die Absciht habe, hier Freundschaften zu schließen." Ja, in diesem Satz war kein Funken Lüge verborgen und das war auch gut so, denn ich hatte gerade einfach keine große Lust, irgendwelche Geschcihten zu erfinden, nur damit sie zufrieden ist. "Und du? Wieso setzt du dich hier einfach neben einen Fremden? Hast wohl auch ncihts besseres zu tun, was?" Ich lachte leise. Es war kein böses oder spöttisches Lachen, eher ein ironisches, sarkastisches. Wie dieses Mädchen das Lachen interpretierte war ihre sache, aber ich war doch ziemlich gespannt darauf. Mir schien, dass sie ein Mädchen war, welches kein Blatt vor den Mund nimmt und keien große Interesse an den meisten wesen hatte. Sie war wohl jemand, der einfach nur die Langeweile bekämpfen und Spaß haben wollte.
cf: Das Waisenhaus :: Parterre :: Badehaus :: Gemeinschaftsbad der Mädchen
Das einzige, was sie wollte, war vergessen. Einfach alles ungeschehen machen. Oder nie wieder daran denken müssen. Aber das war ihr natürlich nicht gegönnt. Die Vergangenheit konnte man nicht mehr rückgängig machen. Sie konnte hoffen, dass niemand wissen würde, dass sie einer der Werwölfe gewesen war, der die Schüler hatte umbringen wollen. Der sogar eine Schülerin umgebracht hatte - oder vielleicht doch nur fast? Velia hoffte, dass es dem Mädchen gut ging. Doch sie wollte nicht darüber nachdenken. Wollte einfach abschalten und so tun, als wäre nichts passiert. Mehrfach wischte sie sich vorsichtig die Tränen aus den Augen, während sie mit ihren großen Kopfhörern auf dem Kopf durch die Straßen lief. Vielleicht nicht gerade unauffällig, aber sie brauchte einfach ein wenig Musik. Und diese headsetähnlichen Kopfhörer waren nun einmal ihre Art, Musik zu hören. Da war es ihr sogar egal, dass sie auffallen würde. Weiterhin trug sie eine Tasche bei sich. Mehr hatte sie nicht aus ihrem Zimmer geholt, als sie dieses betreten und sofort wieder verlassen hatte. In ihre Tasche griff sie nun, nur um eine Lakritzstange heraus zu holen und sich in den Mund zu schieben. Lakritz und Musik - die Dinge, die sie beruhigten. Abgesehen vom Bogenschießen, was sie hier leider nicht ausführen konnte. Musik hörend und Lakritz essend lief sie so lange weiter, noch immer weinend, sich aber weitgehen beruhigend, bis sie schließlich am Strand ankam. Der Anblick war atemberaubend schön, doch Velia genoss den Ausblick nicht. Nicht heute, nicht jetzt. Zu jeder Zeit hätte sie sich über den Anblick des wunderschönen Meeres gefreut, wäre erstaunt stehen geblieben, doch nicht jetzt. Sie setzte sich auf einen Stein, weit abseits von allen anderen, die sich am Strand befanden, um nicht zu sehr aufzufallen und von niemandem angesprochen zu werden. Dann sah sie aufs Meer hinaus, abwesend, während aus ihren Kopfhörern Musik ertönte, die nur sie hören konnte. Ihre Welt, ihre Musik, ihre Gedanken. Tatsächlich schaffte sie es irgendwie, ihre Umgebung einfach auszublenden, und starr aufs Meer zu schauen, ohne den geringsten Gedanken im Kopf. Nur der Musik lauschte sie, selbst ihre Lakritzstange war uninteressant geworden.
Um mich herum drehte es sich immer noch, doch langsam realisierte ich wieder meine Umwelt, und konnte einigermassen gut stehen. Mein Kopf war nun voll mit Gedanken rund um Jinai und ihrem Freund, obwohl ich sie nur noch vergessen wollte. Es war wohl besser so, sonst bildet sie sich noch etwas darauf ein, und ich stehe nur als noch grösseren Waschlappen da. Vielleicht hat sie das alles geplant, damit die beiden auf schwache, unsichere Schüler rum hacken können, und ihnen das Leben somit nur noch schlimmer machen. Zuerst einen auf freundlich machen, und dann hinterrücks den andern fallen lassen. Ein Ekel durch fuhr mich, doch nicht weil ich mich übergeben habe, nein, sondern bei dem Gedanken. Ich hasse solche Leute, die sich als Freund ausgeben, doch über einen herziehen. Das Gefühl war nun auch bei meinem Gesicht angekommen und ich verzog es zu einer Fratze, jedoch ganz ungewollt. Meine Beine waren immer noch ein wenig wackelig, doch ich konnte normal gehen. Der beissende Geruch meines Erbrochenen in meinem Mund konnte ich mit etwas Wasser ausspülen, welches ich aus einem Fluss geschöpft hatte. Mit langsamen Schritten suchte ich mir meinen Weg durch das Dickicht, und probierte so weit wie möglich von der Lichtung und den beiden Turteltauben weg zu kommen. Langsam lichtete sich der Wald vor mir, doch ich war nicht bei meinem Eingang. Die Wiese kam mir bekannt vor, und ich erinnerte mich an gestern Abend. In dem Moment spürte ich wieder einen Stich in meinem Bauch, und ich fühlte wie der Hauswart meines Körpers das zertrampelte Selbstbewusstsein aufwischte. Mit gesenktem Kopf trottete ich an der Wiese vorbei, und beobachtete nur meine Schritte. Ich probierte so wenig wie möglich an die vergangenen Ereignisse zu denken, doch immer wieder spielte jemand in meinen Gedanken den Streifen von der Szene mit Jinai in dem Essenssaal ab. Wie unsere Körper sich berührten, unsere Lippen sich näherten, und die Verkrampfung in meinen Muskeln. Als ob ich die Gedanken aus dem Kopf werfen wollte, schüttelte ich ihn schnell hin und her, doch ohne Erfolg. Die Erinnerung blieb, und meine Gefühle auch. Nicht für das Mädchen, das mich belogen hat, was mich einfach stehen gelassen hat, nein, sondern das Gefühl des Versagens. Ich versank in einem riesen Meer von Selbstmitleid, aus dem ich nicht entkam. Ich konnte altbekannte Stimmen hören, welche Dinge sagten wie: „Du bist für nichts gut, verschwinde!“, oder “Wir wollen keine Looser haben, dich mag sowieso niemand, und ich konnte nichts anderes tun als ihnen zu stimmen. Es war doch wahr, was sie sagten. Habe ich jemals in meinem Leben überhaupt irgendetwas richtig gemacht? Nein, und das wird sich auch nicht ändern. Denn ich bin, und bleibe ein Versager.
Während ich mich in dem Meer des Selbstmitleids befand, näherte ich mich, ohne es zu merken, dem Strand, an dem reges treiben war. Es war ein wunderschöner Anblick, wie sich die Sonne auf der Wasseroberfläche spiegelte, doch das salzige Wasser des Versagens trübte meine Sicht. Ich blieb irgendwo auf dem Strand stehen, und blickte ins Nichts hinein. Meine Augen färbten sich rot, und schliesslich lief auf den gleich gefärbten Wangen einen klaren Tropfen runter. Doch ich blieb ohne Reaktion da stehen. Mir war das Mädchen egal, welches sich in unmittelbarer Nähe befand, mir waren SIE egal, ich war mir egal.
Während aus ihren großen Kopfhörern die Musik dröhnte, starrte sie bloß aufs Meer hinaus, ihre Hände verkrampft, ihre Augen verweint. Denn obwohl sie nichts weiter tat als das Meer mit seinen Wellen zu beobachten, konnte sie doch nicht aufhören zu weinen. Jeder würde sie fürchten. Jeder würde sie hassen. Das waren die einzigen Gedanken, die durch ihren Kopf gingen. Sie war ein Monster und nichts daran würde sich ändern, nur weil sie nun auf einer Schule war, auf der es Gleichgesinnte gab; Leute, die ebenfalls so waren wie sie. Velia aber fühlte sich dadurch nicht besser. Dass sie fast ein Mädchen umgebracht hatte, konnte sie nicht einfach vergessen. Es war einfach unmöglich. Lange dachte sie darüber nach und sah schließlich in den Himmel, der sich langsam rot färbte. Hatte sie wirklich so lange dort auf diesem Stein gesessen? Die Zeit war so schnell vergangen. Und der Sonnenuntergang nun erinnerte sie an ihre alte Heimat. Ob man sie vermisste? Dachte man überhaupt noch an sie? Wieder flossen Tränen über ihre Wangen, aus Angst, sie würde vergessen werden. Denn hier würde sie wohl keine Freunde finden. Sie biss in ihre Lakritzstange, die schon eine Weile in ihrer Hand war und ließ sie im Mund, auch wenn das eine Ende noch lange nicht darin verschwunden war. Ihre Tasche hing sie sich um die Schulter, dann stand sie einfach auf. Weiterhin auf dem Stein zu sitzen und nur zu heulen brachte genauso viel wie in ihrem Zimmer oder sonst wo heulen. Es war egal. Mit einem Schritt drehte sie sich um, machte noch einen Schritt, prallte dann jedoch mit jemandem so zusammen, dass beide zu Boden fielen, Velia auf ihm. Seit wann hatte da ein Junge gestanden? Das Mädchen konnte ihn nun verschwommen erkennen, hatte sie mit ihren Händen rechts und Links neben ihm abgestützt. Ihre übergroßen Kopfhörer hatte sie erstaunlicherweise nicht verloren. Selbst erschrocken über das Geschehene dauerte es eine Weile, bis sie plötzlich blitzschnell von ihm runter ging und wieder aufstand. Reichte es nicht schon, jemanden beinahe umgebracht zu haben? Nein, da musste eine solch peinliche Situation auch noch her. Ihre Lakritzstange lag nun irgendwo auf dem sandigen Boden, aber das war im Grunde auch egal. "T-tut mir l-leid." sagte sie stockend und nicht ganz deutlich, schluckte dann. Sie musste schrecklich aussehen. Aber war das nicht eigentlich auch egal? Sie nahm sich die Kopfhörer vom Kopf und legte sie sich um den Nacken, dann streckte sie eine Hand nach dem Jungen aus. "I-ich wollte dich nicht...umrempeln."Oder mich auf dich legen. fügte sie in Gedanken hinzu und wünschte sich einfach nur, ganz weit weg zu sein. Aber das wurde ihr natürlich nicht ermöglicht. Hoffentlich nahm es ihr der Junge nicht übel. Wobei er auch nicht gerade so aussah, als hätte er einen guten Tag hinter sich. Da konnte das ja nun nur noch der Gipfel des Ganzen sein. Und Velia war Schuld daran..
Der Anblick des wunderschönen Sonnenunterganges, kombiniert mit der Meer Luft konnte meinen Kopf ein wenig erleichtern, denn ich fühlte mich schon ein wenig besser. Ich hatte nun eindeutig beschlossen, Jinai und ihrem „Freund“ aus dem Weg zu gehen, auch wenn sie sich tausendmal entschuldigen würde. Auch wenn es nicht ihre Schuld war, sondern eher meine, wollte ich nicht mit ihr Kontakt haben, nicht nachdem mich ihr Freund angeschnauzt hat, und es so aussah, als hätte sie mich nur benutzt. Da war wirklich mehr nötig, als nur ein paar läppische Entschuldigungen, es war Zeit nötig. Zeit, um zu vergessen. Zeit, um mich zu beruhigen... Ich schloss meine Augen, lauschte den Möwen, atmete tief ein und...ZACK! Mit einem Ruck verlor ich meiner entspannten Haltung, und fiel zu Boden. Nach dem etwas harten aufprallt, spürte ich etwas... Etwas, was auf mir lag. Beim ersten Augenblick dachte ich an Jinai, wie ich auf ihr lag, doch als ich meine Augen öffnete, starrten mir ein Paar blaue Augen entgegen, welche zu einem jungen Mädchen gehörten. Ich zog eine Augenbraue von mir nach oben, und blickte sie fragend an. Zuerst wollte ich etwas sagen, doch ich liess es bleiben, denn so wie ich mich kannte würde ich die Situation nur noch verschlimmern. Ihre Augen waren leicht rötlich, genau wie meine. Ob es auch von den salzigen Tränen kam? Als sie sich von ihrer Starre erholt hatte, richtete sie sich hastig auf. Selber stiess ich mich vom Boden auf, sodass ich mir sitzend ihr Genuschel anhören konnte. Ich konnte ein „Tut mir leid“ raus hören, was jedoch genau so gut irgendetwas anderes heissen konnte. Sie streckte mir ihre Hand entgegen, um mir auf zu helfen, doch ich wollte sie nicht wieder mit nach unten ziehen, denn sie erschien mir doch recht zierlich. Deshalb stand ich von alleine auf, und lächelte ihr dann dankend entgegen. „Macht nix, ist mir heute auch schon passiert.“, probierte ich sie zu beruhigen, denn die Situation schien recht peinlich für sie zu sein. Das war mir heute schon zweimal passiert, und das war das dritte mal. Beim genauren betrachten stellte ich zwei riesen grosse Kopfhörer fest, welche sie nun von ihrem Kopf um ihren Nacken legte. Ich hörte selber sehr wenig Musik, kannte nur eins zwei Lieder die momentan in den Charts waren, doch mehr auch nicht. In unserer alten Wohung hatten wir zwar ein Radio, doch es lief immer nur nebenbei, und ich hatte mich nie auf eine Musikrichtung festgelegt. Wie ein Metal Fan, oder eine Justin Bieber Liebhaberin sah sie definitiv nicht aus, daher ordnete ich sie in die Party Sektion ein, was irgendwie die meisten Jugendliche hörten. Auch Rap oder Hip Hop hörte ich viel auf meiner ehemaligen Schule, wenn ich mal in der Pause über den Hof gelaufen bin, doch selber war ich eher neutral. Ich klopfte mir schnell auf mein Hinterteil, um den Sand abzuwischen und spielte mit dem Gedanken nach ihrer Lieblings Musik zu fragen, doch ich fürchtete mich von der Gegenfrage, deshalb blickte ich ruhig zu der untergehenden Sonne. „Wunderschön, nicht wahr?“
Ihre Hilfe nahm er zwar nicht an, aber das nahm Velia ihm keineswegs übel. Wie könnte sie auch? Wahrscheinlich hätte sie es ohnehin nicht geschafft, ihn hochzuziehen, ohne wieder selbst umzufallen. So war es also wohl doch besser. Verlegen lächelte sie bei seinem Versuch, sie zu beruhigen. Irgendwie konnte sie es sich kaum vorstellen, dass ihm das heute auch schon passiert war, aber natürlich konnte sie auch nicht das Gegenteil behaupten. Aber schon allein die Vorstellung, dass sie nicht allein so schusslig war, beruhigte sie doch sehr. "Ich bin Velia." meinte sie dann plötzlich, fast aus heiterem Himmel heraus, lächelte aber, da sie es so kannte, sich vorzustellen, wenn man sich noch nicht kannte. Besonders dann, wenn man den anderen schon umgerempelt hatte. Nicht, dass ihr das öfter passiert war; aber sie wollte auch nicht unbedingt, dass es ihr nochmal passierte. Das eine Mal war schon peinlich genug gewesen. Sie wischte sie noch übers Gesicht, die letzten Tränen weg. Immerhin hatte die Sache etwas Gutes: sie hatte aufgehört zu weinen. Wie er sah sie nun auch in den Himmel und nickte. Ja, es war wunderschön. Und es erinnerte sie an die Tage, an denen sie mit ihren Freunden auf der Terasse des Waisenhauses gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet hatte. "Ja, das ist es." bestätigte sie nochmals seine Worte und sah dann wieder zu ihm. "Bist du schon lange hier?" fragte sie vorsichtig, nur um irgendwie ein Gespräch zu starten. Wenn er nicht weiter mit ihr reden wollte, konnte er ja auch gehen. Auch wenn es natürlich schön wäre, wenn er sich noch mit ihr unterhalten würde. Aber sie konnte und würde ihn dazu sicher nicht zwingen. Schon gar nicht nachdem sie ihn auf den Boden geworfen hatte.
„Akito“, antwortete ich ruhig auf ihre Vorstellung. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass die Zeit still stand, und der Anblick des Sonnenunterganges beruhigte meine Gefühle. Velia bestätigte mich, und wir beide blickten eine Zeit lang nur zum Horizont, welcher nun eine rote Färbung angenommen hatte. Wie immer hatte ich wenig Lust viel zu reden, und ganz besonders bei diesem wunderschönen Anblick wollte ich die Stimmung nicht verderben. Das Mädchen hingegen wollte wohl mit mir reden, und deshalb antwortete ich schlicht auf ihre Frage. “Gestern Abend angekommen. Du?“ Meine Augen beruhigten sich ein wenig, und die Tränen spürte ich nur noch als trockene Linie auf meiner Wange. Der Tag schien langsam ein Ende zu nehmen, und es war auch irgendwie gut so. Ich wollte ihn nur noch abschliessen, vergessen was heute passiert war. Nun war ich mir gar nicht mehr so sicher, wie ich mit Jinai umgehen sollte, doch ich blieb vorerst bei meiner Entscheidung, ihr aus dem Weg zu gehen. Langsam schloss ich meine Augen und atmete tief ein, und wieder aus, als ob ich probierte mein Kopf durch zu lüften. Es klappte einigermassen gut, und ich öffnete meine Augen wieder. Ich fragte mich, was ich morgen tun soll, vielleicht mit Reiko trainieren? Kurya würde ich gerne eine SMS schreiben, doch leider besass ich seine Nummer nicht, sondern er nur meine. Aber die wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich mir schreiben würde, war ziemlich gering. Warum sollte er auch? Für ihn war ich nur ein Niemand. Für ziemlich viele war ich ein Niemand.... Da war es wieder, das unangenehme Bauchgefühl, was einen Trip in das Selbstmitleidsmeer ankündigte. Diesmal aber nicht. Ich wollte nicht schon wieder traurig sein, denn mir war das weinen vergangen. Meine Hände legte ich hinter den Kopf und lehnte mich leicht zurück und probierte die negative Gefühle mit einem lauten lacher zu vertreiben. Dies erschen für Velia bestimmt ziemlich eigenartig, doch es war mir ausnahmsweise nicht peinlich. Vielleicht war sie nichtmal an der Schule, was ich jedoch bezweifelte. “Was macht man hier eigentlich so, wenn man mal nix zu tun hat?, vielleicht stand ja irgendein Programm an, eine Party, oder ich weiss auch nicht. Ich war mir nichtmal sicher, ob ich überhaupt auf eine Party mitkommen würde, denn ich mochte grosse Menschenmassen nicht besonders. Auf einer Party war ich selber noch nie, doch ich stellte eine Feier ziemlich toll vor, solange Leute da waren welche man auch mochte.
Akito. Den Namen wollte sich das Mädchen merken. Einfach um weitere Peinlichkeiten bei einem nächsten Treffen, das es bestimmt geben würde, zu vermeiden. Man sah sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben. Das war manchmal gut, und manchmal weniger gut. Wie es hier sein würde, konnte das Mädchen noch nicht ganz sagen. Aber schlecht war es bisher ja nicht. Abgesehen von den ersten Sekunden, die peinlicher nicht hätten sein können. Aber wenn Akito es gelassen nahm, sollte Velia das doch auch tun, nicht? "Ich auch.." antwortete sie ihm leise, wollte eigentlich gar nicht wirklich daran denken. Hatte er den Kampf auch mitgemacht? Oder hatte er es geschafft, sich zu verstecken? Velia hätte es sicher geschafft...nur war sie daran gehindert worden. Man hatte ihr keine Möglichkeit gegeben, sich zu verstecken. Man hatte ihr nicht gegönnt, die anderen in Ruhe zu lassen. Stattdessen hatte man sie noch dazu ermutigt, andere zu töten. Velia blinzelte und musste schlucken bei dem Gedanken daran, wie sie in der letzten Nacht zum Werwolf wurde - oder in diesem Fall wohl eher gemacht wurde. Statt zu Akito zu sehen schaute sie nun wieder in den Himmel. Zum Glück war jetzt alles vorbei. Bis zum nächsten Vollmond war es noch ein Weilchen hin und diesen Blutmond...würde es hoffentlich nie wieder geben. Aber was man hoffte musste nicht unbedingt auch eintreten. Nur wollte Velia daran gar nicht denken. Was sie auch nicht musste, denn plötzlich fing der Junge neben ihr an zu Lachen, wodurch er einen verwunderten, leicht verwirrten Blick von Velia erntete. Hatte das nun einen Grund gehabt? Das Mädchen wusste es nicht. Vielleicht hatte er auch einfach nur über seine Gedanken gelacht. Oder darüber, dass Velia auf ihn gefallen war. Na super. "Ich denke man kann vieles machen...so genau weiß ich das auch nicht." meinte sie als Antwort zu dem Jungen. Bisher hatte sie ja noch nicht nichts zu tun gehabt. Dafür war zu viel geschehen. "Ich denke mal, man kann in die Stadt gehen. Oder eben zum Strand..ich war bisher noch nirgendwo." fügte sie ihrer Antwort noch hinzu, um nicht immer nur einen Satz als Antwort zu geben. Damit konnte man schließlich kein Gespräch in Stand halten.