Erwartungsgemäß verfloss sie zwischen seinen Händen förmlich. Mathéo spürte es bis in ihre Zehenspitzen, wie sie sich entspannte und sich völlig der angenehmen Behandlung hingab. Mädels halt, dachte er sich nur. Waren sie doch so einfach zufrieden zu stellen. Es benötigte lediglich eine kleine Massage beispielsweise und schon waren sie hin und weg, gaben sich einem vollkommen hin und würden zu allem Ja sagen, was er ihr nun auftischen würde. Sie war zu seinem Spielball geworden und er konnte sie ausspielen, wie er wollte. Natürlich konnte Mathéo ein neckisches Grinsen im Gesicht nicht verkneifen, als Sky anfing, vor sich hin zu blubbern. Was genau sie da in ihren nicht vorhanden Bart hinein murmelte, verstand er zwar nicht richtig, aber er konnte sich schon vorstellen, was es ausdrückte.
Den Satz mit der einstündigen Massage überhörte er gekonnt. Darüber wollte er sich gar nicht erst Gedanken machen, eine ganze Stunde lang ihre Füße durchzukneten. So lang war sein Programm gar nicht. Zeitgleich wollte er auch nicht ausrechnen, wie oft er es wiederholen müsste, um die Zeit zu füllen. Sky würde sicher jegliches Zeitgefühl verlieren und dann wäre es egal, wie lange er sie massierte, denn am Ende war es immer zu kurz. Da konnte es niemand einer Frau rechtmachen.
Was Mathéo auch am liebsten überhört hätte, war die Vergewaltigung seines Vornamens. Wobei er eine Sekunde später erkennen musste, dass sie just auf Risiko spielte und einen Namen wählte, von dem sie glaubte, dass es tatsächlich richtig war. Zugegebenermaßen klang er etwas ähnlich, allerdings besaß er bei Weitem nicht diesen Charme und die Anmut von Mathéo. Hätte er mal nicht ihren Namen schon genannt, dann könnte er sich nun auch eine Albernheit ausdenken. Scarlet wäre doch beispielsweise eine lustige Alternative – oder Starsky. Wobei letzteres wenig Weiblichkeit verströmte. Dabei fiel dem Dämon auf, das Sky bestimmt auf Huskys stand. Sollte er bei Gelegenheit mal erfragen.
„Beim Londoner Chelsea-Institut für moderne Medizin im Fachbereich angewandte Physiotherapie.“ Hoffentlich fiel nicht auf, dass er sich am Ende leicht versprochen hatte und eine Ungereimtheit geäußert hatte. An sich sollte es einfach nach einer viel zu übertriebenen Quelle klingen. Das Institut gab es natürlich nicht. Das wusste er ganz genau. Allerdings war ihm auf Anhieb keine glaubwürdige Wahrheit eingefallen, welche er Sky als Lüge hätte auftischen können.
„Ziemlich verspannt“, murrte er kritisch, während er kurz etwas fester zupackte, um die Spannung im Fuß zu ertasten.  Selten hatte er einen Rücken in Händen gehabt, der vorher schon locker und entspannt war. Es ging so schnell, zu versteifen und zu verspannen. Aber wenn man darauf achten würde, sich vollkommen gesund zu bewegen, war man wiederrum in seiner Freiheit eingeschränkt. Das ließen die wenigsten mit sich machen und vermutlich würde dann die Massage hin und wieder nicht so erfüllend sein, wie sie meinem verspannten Rücken war. Bei Füßen war es wohl ähnlich.
Weiter ausführen wollte er das Thema allerdings nicht, daher schwenkte er schnell auf etwas alltäglichen Smalltalk über. Sky hatte Recht gehabt mit ihrer Aussage, dass sie sich lange nicht gesehen hatten. Daher war die folgende Frage Pflicht: „Und – was hast du so die letzte Zeit getrieben, während ich nicht hingeschaut habe?“

Die Geschichte mit dem Institut hatte sie geschluckt. Scheinbar war sie noch nie in London gewesen, sonst hätte sie schnell gecheckt, dass es zwar ein medizinisches Institut in Chelsea gab, dieses sich aber nicht mit Physiotherapie beschäftigte. Sowieso war Mathéo nicht untergekommen, dass man für so etwas studieren musste. Und was noch obendrein kam: Er war Schüler. Die wenigsten dieser Art bildeten sich in dem Alter bereits in Instituten weiter. Alles Zeichen, dass er Sky fern jeglicher Realität massierte. Vermutlich hätte er ihr alles erzählen können und sie hätte einfach nur genickt. Memo an mich selbst: Nächstes Mal mehr Profit rausschlagen!
Die erste Antwort auf Mathéos Frage nach Skys jüngstem Lebensverlauf war alles andere als zufriedenstellend. Zum Glück setzte sie noch mal zu einer Ergänzung an. Mathéo stutzte erst, dann grinste er aber breit, schaute kurz ab und dann wieder auf. Das Grinsen bekam er nicht aus dem Gesicht. Hinter einer Hand verstecken konnte er es ebenfalls nicht, da dieser ja mit dem Paar Füße der jungen Dame beschäftigt waren.
„Ich war damals einfach noch nicht bereit für etwas Ernstes. Aber es beruhigt mich, dass du es geschafft hast, dich mit anderen Kerlen zu trösten!“ Den zweiten Teil seiner Aussage betonte er extra stark, um die Ironie der moralischen Verwerflichkeit in den Vordergrund zu schieben.
Der Rotschopf stockte kurz mit der Massage und ließ seinen Kopf nach hinten fallen. Sein Blick stieg auf in den blauen Himmel und suchte dort scheinbar nach Worten der Erklärung. Sein Ausdruck nahm gedankenverlorene Züge an. Es wurde immer schwerer, ihm zu unterstellen, nur ein Schauspiel aufzuführen. Als er sich wieder nach vorne lehnte und seine Finger ihre Arbeit erneut aufnahmen, sprach er weiter. „Ich musste ständig an dich denken. Vermutlich hatte ich mich selbst belogen, als ich dir den Korb gab. Eine dieser Entscheidungen, die man im Leben total bereut und am liebsten mit einer Zeitmaschine zu diesem Punkt zurückreisen würde, um es wieder grade zu biegen.“
Der Dämon schaukelte etwas hin und her.
„Jede einzelne, die nach dir kam, schaffte es nicht, mich so zu erreichen, wie du es getan hattest. Nirgends war es genauso wie bei uns beiden damals. Das, was wir miteinander geteilt hatten … es war … es war unbeschreiblich.“
Ein Seufzen hängte er noch in theatralischer Höchstform hinten an. Eine stillte Pause trat ein. Wieder verlor sich sein Blick, ehe er plötzlich daraus erwachte und sie fragte: „Bist du eigentlich kitzlig?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fühlten seine Fingerspitzen ihre Fußsohlen und tanzten wie Daunenfedern auf ihnen.

Ach, was hatte er einen Spaß dabei, Sky zu massakrieren. Hilflos stecken ihre Füße zwischen seinen Fingern. Viel zu lange konnte er sie kitzeln, ehe sie es schaffte, sich von ihm loszureißen. Am liebsten hätte er nachgesetzt, doch er verblieb an seinem Platz und schaute sie nur schelmisch an, wie sie sich zusammenkauerte. Natürlich hatte er die ernste Gesprächssituation über Bord geworfen damit. Vielleicht hatte er sogar unterbewusst so gehandelt, weil es ihm einen Tacken zu seriös wurde. Skys Grinsen hatte er bemerkt gehabt, daher empfand er es als unfair, dass er sich solche Mühe gab, ernst zu wirken, während sie ihre Grimassen nicht ganz unter Kontrolle behielt. Strafe musste sein, dachte er sich.
Dann folgte plötzlich der Gegenangriff. Sky stürzte auf ihn zu und startete ihre Kitzelattacken. Zuerst fühlte sich Mathéo vollkommen überrumpelt. Gerechnet hatte er nicht damit. Als er dann aber merkte, wo sie versuchte, ihn zu kitzeln, konnte er nicht anders, als kurz aufzulachen. Das lag allerdings nicht an ihren Fingern sondern an ihrer verzweifelten Idee. Wer – um alles auf der Welt – war denn unter den Achseln und am Bauch kitzelig? Da gab es bei weitem bessere Stellen, wo die Wahrscheinlichkeiten größer waren. Nach wenigen Sekunden hatte sich Mathéo wieder eingekriegt und seine Miene wurde ernst. Er kniff die Augenbrauen zusammen und spitzte die Lippen, während er sie tadeln ansah. „Kennst du wirklich Leute, die hier kitzelig sind? Ich kennen niemanden.“ Kalt gab er seine Meinung von sich. Spätestens jetzt sollte Sky klar sein, dass ihr Angriff ins Leere lief.
Stattdessen piekste Mathéo sie in die Seite. „Hier hat man meist bessere Chancen.“ In die andere Seite langte er auch noch mit seiner zweiten Hand. „Am besten man nimmt gleich beide, damit das Opfer noch weniger Chancen hat.“
Er massakrierte sie jedoch nicht lange und ließ schnell wieder ab.
Mathéo griff sich an die Brust dort, wo das Herz versteckt lag. Immer noch hatte er seinen ernsten Blick, der nun noch fordernde Züge annahm.
„Ich konnte dich nicht weiterreden lassen. Zu hören, dass du nur auf mich gewartet hast, während ich dachte, du würdest mich nicht wiedersehen wollen, bricht mir das Herz.“
Fest kniff er die Augen zusammen, senkte sein Gesicht. Leicht wippte er mit dem Kopf hin und her, um ein verneinendes Schütteln anzudeuten.
Dann aber schoss seine rechte Hand wieder hervor und piekste Sky in die linke Seite.
„Macht richtig Spaß.“ Frech grinste er hinterher.

Hatte er sie etwa verärgert? Ach, das ging bestimmt gar nicht. Sky konnte ruhig ihre Szene abziehen. Das konnte Mathéo nicht seines Grinsens berauben. Genüsslich schaute er ihr zu, wie sie ihn mahnte, ach, ausmeckerte.
Sky ging sogar so weit, dass sie versuchte, ihn von der Schaukel zu drücken. Mit aller Kraft drückte sie mit ihren Füßen gegen seinen Rücken. Sah anstrengend aus, war es bestimmt auch. Aber es war nicht vergebens. Stück um Stück rückte Mathéo weiter, bis er schon zur Hälfte weg war. Als es dann noch weiter ging, hätte er eigentlich schon längst heruntergerutscht sein, aber er war immer noch auf Höhe der Sitzfläche. Irgendwann war es dann so weit, dass er nur noch in der Luft schwebte, statt den Boden zu berühren. Wie ein Dschinn schwebte er zwischen Balustrade und Hollywoodschaukel und machte nicht mal im Ansatz Anstalten, herunterzufallen.
„Ziemlich frech, wertes Fräulein“, mahnte er sie zurück. Das Grinsen blieb allerdings bestehen.
Mathéo schwebte zur Brüstung der Terrasse hinüber und schwang sich mit einem Ruck hinauf. Wenn er schon nicht mehr auf der Schaukel sitzen durfte, dann wollte er wenigstens hier Platz nehmen. So hatte er noch die Sonne im Rücken, also eine kostenfreie Solarbank für den Rücken. Müsste er nur noch sein Oberteil ausziehen, damit er braun werden konnte. Aber dann würde Sky ihn wohl ohne Zögern anspringen und verspeisen wollten. Der Tristam musste also sein Hemd anbehalten.
„War das schon die ganze Bestrafung oder kommt noch was?“, fragte er fast schon fordernd nach mehr.