Noch immer fasziniert von dem azurblauen Wasser, starrte Takumi einfach durch es auf den Grund des Beckens und beobachtete die Lichtspiegelungen, anschließend die seichten Wellen, die durch den Wind Richtung Nordwest trieben. Zumindest glaubte er es sei Nordwest.
Als er gerade seine Hände in dem Wasser vergraben wollte, spürte einen kleinen Picks an seinem linken Bein. Zwar hatte er Natsuki zugehört, aber warum sie ihn pickste, wusste er nicht. Dann entdeckte er den Notizblock mitsamt des Stiftes und nahm beides an sich. Auf dem Zettel stand "Handynummer?". "Schöne Handschrift", dachte er bei sich, bevor nach kurzem zögern mit seiner rechten Hand begann einige Zahlen auf das Papier zu schreiben. Folglich drehte er sich um und schob den Notizblock gegen ihre Füße, stand danach auf und suchte nach seinem Notizbuch, welches zwar nicht im Handtuch aber am Fuße einer Säule der Markise herumtrollte. Er nahm es an sich und begann mit seinem Bleistift über das Papier zu gleiten und formte die Wörter "Und deine?". Diesen Notizblock schob er ebenfalls zu Natsuki und legte sich auf seinen Rücken und schloss die Augen.

Für Natsuki fühlte sich das Warten wie eine Ewigkeit an und sie hatte schon das Gefühl gehabt, sie würde nie eine Art von Antwort von Takumi bekommen. Als sie jedoch eine seichte Berührung an ihrem Fuß fühlte, zuckte sie kurz zusammen. Darauf hörte sie, wie sich ihr Klassenkamerad entfernte und wiederkam, bis ein weiterer, kurzer Stoß kam.
Die Rothaarige setzte sich auf, ließ ihren Arm zögernd sinken und sah überraschenderweise zwei Notizblöcke zu ihren Füßen, ihren eigenen und, was sie Eins zu Eins zusammensetzen konnte, den von Takumi. Kurz schnellten ihre Augen zu ihm, dann zurück zu den beschrifteten Blöcken, die sie darauf beide an sich nahm. Auf dem einen stand tatsächlich eine Nummer, wahrscheinlich Takumis, sofern er sie nicht verarschen wollte, und auf dem anderen 'Und deine?' Amüsiert nahm das Mädchen ihren Stift und begann rasch die Zahlen ihrer Nummer auf dem Papier zu notieren. Diesen und somit seinen Block schob er zu ihm zurück, ihren eigenen legte sie auf ihren Schoß, während ihre Hände ein weiteres Mal in ihrer Tasche verschwanden. Nachdem sie mehrmals gegen verschiedene Objekte wie Lippenstift und ihre Geldbörse gestoßen war, fand sie ihr Handy, holte es hervor und tippte rasch seine Nummer unter einem neuen Kontakt ein und schaute danach zu Takumi hinauf, ihr Blick an seinem Nacken hängend.

Takumi konnte genau vernehmen, wie sein Notizblock, zumindest dachte er es wäre seiner, über den weniger aufgeheizten Boden geschoben wurde. Er zögerte ein weiters Mal kurz und nahm diesen dann an sich. Sein Blick analysierte genau ihre schöne Handschrift, dann beschäftigte der Junge sich intensiver mit den Ziffern.
Aus dem Augenwinkel Natsuki beobachtend, streckte er seinen Arm hinter sich und griff nach seinem Handy, welches es sich immer noch auf dem Handtuch bequem machte. Der Blauhaarige entschlüsselte sein Entsperrungsmuster und öffnete den Kontaktordner, in dem keine einzige Nummer aufgeführt war.
Ohne ein dringliches Gefühl des Zögerns, tippte er ihre Nummer ein und speicherte diese unter dem Namen 'Natsuki' ab und setzte noch ein 'xD' dahinter.
Weiterhin beobachtete er Natsuki grinsend und nahm sich dann ein kleinen Würfel aus Wasser und ließ ihn zu Eis werden. Folglich ließ er diesen über seinen Körper gleiten und seine Haut abkühlen.

Als Takumi sie anschaute, drehte sie den Kopf weg und betrachtete etwas anderes. Wie interessant der Boden doch war, wenn man ihn genau betrachtete. Dies redete sie sich ein, damit sie nicht zurückschaute. Doch nach einer Zeit rutschte sie weiter nach Vorne, bis sie ebenfalls am Beckenrand saß. Ihr Handy ließ sie neben sich auf den Boden liegen, während ihre Beine ein weiteres Mal in dem erfrischenden Wasser versanken, was erneut in Natsuki das Gefühl aufbrachte, Schwimmen zu wollen.
Ihre Hand fand den Weg zu einer ihrer Haarsträhnen, in der sie ihren Zeigefinger immer wieder eindrehte und herauszog, sie sich dann aus dem Gesicht pustete und letztendlich hinter das Ohr strich. Zwar wollte die Schülerin die Stille brechen, aber ihr fiel kein Gesprächsthema ein, worüber sie reden konnten, weshalb sie einer der unkreativsten Fragen fragte, die es für sie gab: "Und, wie geht's so?" Innerlich schlug sie sich, nach außen hin rieb sie sich einfach die Arme und hielt ihren Blick auf das Wasser gesenkt, während sie auf eine Antwort wartete.

Takumi spürte, wie sich der Eiswürfel langsam komplett auflöste und im Boden in flüssiger Form wieder verschwand, bevor er etwas unternehmen konnte. Eigentlich ist es ihm gar nicht um eine Abkühlung gegangen, er wollte einfach nur rum experimentieren und seine Möglichkeiten austesten.
Natsukis Frage ignorierte er einige Sekunden und gab ihr schließlich eine seltsame Antwort: "Das nenn' ich mal eine spezielle Frage." Ein Lachen konnte er dabei kaum verhindern.
"Naja, wie soll's mir schon gehen...ich hab Hunger, mir ist langweilig und all dieser Kram, dir?", gab der Blauhaarige ihr schließlich zur Antwort. Die meisten Menschen oder Wesen hätten gesagt 'Ganz gut' oder so was in der Art, aber er wollte ehrlich sein, denn was hatte er schon zu verlieren?
"Ist dir nicht warm?", fügte er noch nach einigen Sekunden hinzu und bemerkte nicht, dass er sie mit seinen Fragen ein weiteres Mal löcherte. Ja, das konnte er gut... Anderen Leuten auf die Nerven gehen. Zwar wusste er nicht, ob Natsuki ebenso empfand, aber das war einer der Gründe, weshalb er keine Freunde hatte.

Natsuki fühlte sich leicht auf die Folter gespannt, als er jedoch eine Antwort gab, konnte sie das Lachen nicht unterdrücken. Doch dieses verstummte schnell, als er fortfuhr und sie ebenfalls nach ihrem Befinden fragte. "Wenn du Hunger hast, kannst du ruhig Essen gehen. Ich will dich nicht verhungern lassen, ich brauch dich noch, schließlich bist du momentan der Einzige, der mit mir redet.", witzelte sie und grinste leicht. "Mir geht es denk ich mal gut, habe nur keine Lust auf Runologie. Oder allgemein auf den Rest des Tages." Als Takumi sie frage, ob ihr warm sei, schüttelte sie den Kopf. "Nicht wirklich. Ich bin ja sozusagen ein Meeresbewohner, vielleicht liegt es daran. Außerdem baumeln meine, nein, unsere Beine in kaltem Wasser, das kühlt ab. Es wundert mich, dass dir warm ist." Sie fuhr mit ihrer Hand durch ihre rote Mähne und zog ihren Zopf zurecht, als sie Takumi aufmerksam anblickte.

Takumi musste grinsen, als sie sagte, dass sie ihn noch brauchte. Es war neu für ihn, dass er von jemandem Aufmerksamkeit geschenkt bekam. Zudem war er es nicht gewohnt sich mit anderen Wesen zu unterhalten. Zwar waren Worte irgendwo schon seine Stärke, aber es war anders. "Nein, ich möchte nicht in die Kantine. Ich mag das Essen und die Atmosphäre nicht. Hast du nicht vielleicht was zum Essen dabei? Ich überlege, ob ich mir am Kiosk was kaufen soll..., aber ich habe nicht genug Geld dabei glaub ich. Und erst recht nicht, um uns beiden was zu kaufen", redete und redete er.
"Ich mag Runologie auch nicht. Es interessiert mich gar nicht, was wir da lernen, aber ich habe schon einige Dinge für den restlichen Tag geplant", fuhr der Blauhaarige fort. Takumi konnte echt reden wie ein Wasserfall.
"Naja, aber es kühlt eben nur die Beine ab. Zwar sitzen wir auch im Schatten, aber ich fühle mich noch ein bisschen kraftlos. Hoffentlich schlafe ich in Runologie nicht ein. Ich sagte ja, dass ich ein wenig verrückt bin...", ging der Junge schließlich auf Natsukis letzte Bemerkung ein. Die Arme. Er hatte ihr kaum Zeit zum Reden gelassen. Vermutlich waren Worte einfach zu stark in ihm. Er sprudelt eben vor Gedanken und Sätzen. Zumal er das auch selbst zu sich sagt, schließlich sind es Vergleiche und Metaphern die mit Wasser zutun haben, dem momentan wichtigsten Element seines Lebens.

Natsuki hörte genau zu, was Takumi sagte und wie er all den Dingen gegenüberstand. Es interessierte sie außerordentlich, was er zu sagen hatte, schließlich schien er es länger als ein paar Minuten mit ihr auzuhalten.
Es machte sie froh, dass sie selbst nicht die einzige Person war, die die Cafeteria nicht mochte. "Wenn überhaupt müsstest du mir nichts kaufen. Hungrig bin ich nicht und außerdem könnte ich versuchen, mir im Meer etwas zu fangen." Sie drehte sich nach hinten und zog ihre Tasche näher zu sich. Darauf begann sie, in dieser herumzuwühlen, auf der Suche, nach etwas Essbaren. Vergeblich, wie sich heraustellte. Nicht einmal Süßkram war zu finden. Genervt schüttelte sie den Kopf und schob die Tasche wieder weg. "Nein, leider nichts. Sorry." Rasch drehte sie sich wieder zurück und näherte sich mit ihrem Gesicht der Wasseroberfläche, bis sie nur noch wenige Centimeter entfernt war. "Ich hab heute nichts zutun. Vielleicht geh ich in die Stadt oder so, weiß nicht. Ich bin wahrscheinlich dafür heute zu faul." Sie pustete das Wasser an, sodass sich zarte, kaum sichtbare Wellen bildeten und ihre Augen folgten diesen, bis sie wieder ausklangen und die Wasseroberfläche vor ihr wieder still wurde. Nachdem sie sich wieder aufrecht hingesetzt hatte, seufzte sie. "Wenn du einschläfst, versuche ich, dich irgendwie aufzuwecken." Über Natsukis Gesicht huschte ein schnelles, weiteres Grinsen, als sie dies sagte, und sie stützte ihren Kopf mit ihren Armen ab, die sie auf ihren Knien positionierte.

Die Tatsache, dass Takumi ihr nichts kaufen müsste erleichterte ihn zwar, aber es fühlte sich seiner Meinung nach einfach nicht richtig an, sich was zum Essen zu kaufen und seine Begleitung zugucken zu lassen. Zwar konnte er nicht wissen, ob Natsuki ihn begleiten würde, aber er entschied sich dagegen. Allerdings erwähnte der Junge es nicht, denn er konnte sich denken, was sie davon halten würde.
"Nicht schlimm", murmelte er kaum hörbar, als sie ihm versicherte, nichts dabei zu haben. Der Blauhaarige beobachtete, wie sie sich dem Wasser näherte. Es war ihm vorher nie aufgefallen, dass er nicht der Einzige war, der damit zutun hatte oder es liebte.
"Naja, ich wollte entweder auf der Anlage des Weisenhauses rumhängen oder, was ich auch bevorzugen würde, ein wenig zum Strand gehen, vielleicht auch zu den Höhlen, einfach mal die Insel erkunden. Das Ganze wirkt einfach so geheimnisvoll auf mich." Takumi hatte ein wenig den Eindruck, als würde sie sich viel eher auf das Wasser als auf ihn konzentrieren, aber er hielt es für richtig auch das nicht anzusprechen.
Als sie ihm versicherte sie würde ihn aufwecken, lachte er und wurde ein wenig rot. Zum Glück konnte sie das nicht sehen. "Ja, wir sitzen ja (fast?) nebeneinander, da dürfte das kein Problem werden", antwortete er halblachend.
Schließlich tauchte er seine Hand in das Wasser ein. Es war einfach atemberaubend - so fühlte er sich auch. Die Versuchung einfach in das Wasser zu springen war groß. Zu groß. Als hätte der Junge die Kontrolle über seinen eigenen Körper verloren, ließ er sich auf einmal vom Beckenrand in das Wasser hineinrutschen. Er tauchte ab und winkte ihr vom Grund des Beckens zu. Takumi fühlte sich noch besser als vorher. Er konnte es nicht beschreiben, aber es war so, als würde das Wasser ihm Kraft geben. Als ob er Bäume ausreißen könnte.

"Wenn du so etwas aufregendes vorhast, würde ich gerne mitkommen.", murmelte sie und wandte ihren Blick gen Himmel, die wenigen Wolken aufmerksam betrachtend. Natsuki hörte ihm weiterhin zu und musste lächeln, als er lachte. Es war das erste Mal, dass sie so interessiert in eine Person war. Die Letzte, die so mit ihr geredet hatte, war ihre Freundin, die ihr Nikujaga gab, bevor ihr Haus niederbrannte. Die Schülerin spürte einen leichten Schmerz in ihrem Herz, als sie wieder die panischen Gesichter ihrer Eltern dachte. Ihr lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, in ihr flackerte die Erinnerung an das zusammenstürzende Haus auf.
Als Takumi ins Wasser glitt, wurde sie jedoch wieder aus ihren Gedanken gerissen und sie zuckte erschrocken zusammen. Ihr Blick fiel auf seine winkende Gestalt unter der Wasseroberfläche und sie lachte unbeschwert. "Danke, dass du mit mir redest." Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Hauch und ihr war klar, dass er sie nicht hörte, worüber sie sehr erleichtert war. Natsuki wank zurück und streckte ihm kurz die Zunge heraus. Sie wollte ebenfalls schwimmen, aber da sie keine Badekleidung dabei hatte und sie Takumi nicht nochmal zum Föhn umfunktionieren wollte, musste es wohl reichen, ihre Beine zu benässen.