Was versteckt sich hinter den Türen Zimmernummer 103 im Westtrakt des Yanega Anwesens? Öffnet man die leicht quietschende Tür, so steht man inmitten einer doch recht großen und hellen Räumlichkeit. An den grün tapezierten Wänden befinden sich vereinzelte Wandleuchten. Mit Vorhängen kann man das Zimmer nachts abdunkeln. Drei Betten, die mindestens genauso alt wie das Gebäude selbst, aber dennoch gut in Schuss sind befinden sich an der rechten Seite des Raumes. Jedem Bett ist ein Nachtkästchen mit einer dazugehörigen Lampe beigestellt und bietet den Bewohnern desweiteren Platz für persönliches Hab und Gut. Gegenüber der Betten befinden sich die Schreibtische. Jeder Bewohnerin steht einer dieser Tische zu. An einer Wand befinden sich ein paar Wandboards, die zur Verstauung von Büchern oder ähnlichem genutzt werden können. Neben dem äußersten Schreibtisch in der Ecke führt eine weitere Tür in einen kleinen Nebenraum, der an allen Wandseiten mit Kleiderschränken zugestellt ist, die sich die Bewohnerinnen unter sich zuteilen. Ein klamottenbezogenes Platzproblem sollte in diesen Räumlichkeiten also nicht herrschen.
Nach dieser doch recht ausführlichen Beschreibung über die Liebe, fühlte sich die Braunhaarige nun ein wenig ausgelaugt. Es war anstrengend gewesen sich darüber noch Gedanken zu machen. Vielleicht auch deswegen, weil Skadi ihr nicht ihre eigentliche Einstellung zur Liebe preisgeben wollte. Sie wollte ihr nicht sagen, dass die Liebe für sie nur Schmerz und Traurigkeit bedeuteten. Es gab ja auch positive Aspekte der Liebe, die sie ihrer Mitbewohnerin nicht vorenthalten wollte. Außerdem glaubte die Norwegerin, dass Vivian mit ihrer Frage eher die positiven wissen wollte. Aber als die Luchsin neugierig wurde und wissen wollte, ob sie verliebt war, antwortete Vivian nicht so, wie sich dies Skadi erhofft hatte. Ihre Mundwinkel waren nach unten gerichtet. Sie hatte sich nach dieser Ausführung doch ein wenig mehr erwartet als das, was sie von sich gab. Dass Vivian solche Begriffe nicht von vornherein nicht verstand, verstand die Braunhaarige leider nicht. Viel eher wollte sie weiterhin mit dem Mädchen darüber reden. Vielleicht gab es ja auch eine andere Möglichkeit herauszufinden, ob sie verliebt war? Mit einer Art Test oder so? Hm.. darüber würde sie sich gleich Gedanken machen. Viel eher musste sie jetzt wohl mal Vivian antworten und sie überzeugen, dass es wichtig wäre, darüber zu reden. „Hm… ok, ich verstehe das. Sowas festzustellen ist nicht einfach. Aber du solltest unbedingt mit jemanden darüber reden. Ich steh dir auch immer zur Verfügung, wenn etwas ist. Ich guck auch gleich. Eventuell gibt es so einen Internettest, den du ausfüllen könntest. Vielleicht gibt der dir nutzbare Anhaltspunkte“, bot Skadi ihrer Mitbewohnerin an und ignorierte ihren Blick zwischen Tür und ihr. Die Braunhaarige holte ihr Handy heraus und suchte gleich schon nach einem passenden Test. Es gab ja für alles einen Test im Internet, also wieso so einen auch nicht verwenden? Mehr wie nicht hilfreich, kann er ja auch nicht sein. Sogleich hatte Skadi schon einen parat. „Hier wäre einer. Möchtest du selbst ausfüllen, oder soll ich vorlesen und du sagst einfach, was die passende Antwort wäre?“, fragte sie die Blondine. Dass diese eventuell keine Lust darauf hatte, dies kam der Braunhaarigen nicht in den Sinn. Sie wollte ihrer Mitbewohnerin bei diesem Thema helfen. Wie auch immer diese Hilfe aussehen mochte. Im Moment war es die Hilfe in Form von einem Smartphone. Aber vielleicht ging die Norwegerin die ganze Sache auch falsch an und sollte Vivian einfach in Ruhe lassen. Leider war ihre Neugier geweckt und so schnell wollte sie noch nicht aufgeben, bis sie die Antworten, die sie gerne haben wollte, hatte.
Die ganze Situation wirkte festgefahren. Da stand Vivian nun und wusste einfach nicht wohin mit sich in der ihr momentan viel zu kleinen Welt. Alles erschien plötzlich so schwer und … kompliziert. Der klare Pfad, auf dem die Engelin seit ihren ersten Denkversuchen wandelte, wurde in Nebel gehüllt und ließ sie nun fast blind weiterlaufen. Ob vor ihr eine Klippe, oder doch der weiterhin beschrittene Pfad lag, ließ sich von Vivian kaum noch bestimmen. Sie war, so schien es, verloren. Da halfen ihr auch Skadis Worte nicht wirklich weiter, wenn sie ihr nahelegte über so etwas zur reden. Monoton schauten die türkis-blauen Augen in das Gesicht ihrer gerade erst geschlossenen Bekanntschaft. Unschlüssig was ihr diese Antwort jetzt wirklich sagen sollte. Natürlich konnte ihre neue Mitbewohnerin sie verstehen, daran hegte sie nicht die geringsten Zweifel. Verstehen war immer noch etwas anderes als Nachvollziehen. Sie verstand auch, was Skadi ihr mit Liebe definieren wollte; aber sie konnte es eben nicht wirklich auf sich selbst projizieren, oder eine Verbindung dazu herstellen. Ergo: Nachvollziehen konnte sie es nicht.
Glücklicherweise war ihre Mitbewohnerin auch noch mit einem Alternativplan auf sie zu gekommen. „Einen Test?“, wiederholte sie das erste Mal abseits von allen Höflichkeitsnormen die Aussage und stand noch einen kleinen Moment wie angewurzelt dort. Ein Test wäre in der Tat eine geeignete Lösung. Immerhin, so ihre Annahme, waren sie doch zum verlässlichen Erheben von Daten eingesetzt. Also würden sie ihr wohl auch bei diesem Problem helfen können. So etwas wie eine Note, die ihre schulischen Bestrebungen als kurze Zahl zusammenfasste. Eventuell genau die Versimpelung, die Vivian im Moment brauchte. „Ich danke vielmals für dein Engagement.“, folgte eine weitere Danksagung, bevor sie sich auf den Weg zu Skadi machte, „Ich würde es jedoch bevorzugen, lediglich Antworten zu geben, wenn das keine großartigen Umstände bereitet. Ich tue mir schwer, diese Gerätschaften einwandfrei zu bedienen.“. Was selbstredend mit ihren Fingern zu tun hatte, die sich schwer damit taten ein Touchscreen zu bedienen, da in ihnen keine Körperwärme mehr vorhanden war. Jedes Mal dort zu sitzen und ihre Fingerspitzen ihrer Handschuhe anzuhauchen, würde also nur unnötig Zeit in Anspruch nehmen. Zumindest – und das war die Hauptsache – suchte die Engelin nicht das Weite. Gesittet setzte sie sich wieder gegenüber ihrer Zimmergenossin auf die Bettkante. Den Blick wohlerzogen nach vorne auf Skadis Gesicht gerichtet, die Beine brav nebeneinander und ihre Hände im Schoß gesittet ineinander gefaltet. Das Antlitz der wohlerzogenen Dame war wieder zurückgekehrt und war bereit den Test ihres Lebensanzutreten. Den Fokus der türkis-blauen Augen dabei in kurzen Abständen zwischen dem Smartphone und den braun-roten Augen ihres Gegenüber ständig wechseln lassend. „Ich denke, ich bin bereit.“, folgte noch schnell ein Statusbericht ihrerseits, dann war sie mit ihren Ohren ganz und gar bei ihrer Zimmergenossin.
Ob der Test wirklich eine so gute Idee war? Was anderes fiel Skadi gerade nicht ein, um ihr mit diesem Thema wirklich zu helfen. Was wäre, wenn das Ergebnis etwas zeigte, was Vivian nicht gefiel? Gut, damit musste man lernen umzugehen. Ob der Test überhaupt wirklich einer der guten Sorte war? Skadi bezweifelte es ein wenig mit dem Blick auf die Seite. Hier konnte man wahrscheinlich so eine Art Scherztests machen, wie zum Beispiel welcher Star gehört zu dir, oder sowas in der Art. Aber egal. Test war Test und es konnte ihrer Mitbewohnerin vielleicht durchaus helfen, auch wenn dieser nicht so seriös aussah, aber das musste die Blondine ja nicht wissen. Ihre Mitbewohnerin schien aber nicht abgeneigt von dem Test zu sein. Zum Glück, denn so konnte sie ihr eventuell ja wirklich helfen. Aber selbst wollte sie die Fragen nicht eintragen. Mit einem Nicken nahm sie dies zur Kenntnis. Jetzt wo es Vivian sagte, sie wirkte tatsächlich nicht so, als ob sie sich mit neuster Technologie auskannte, generell wirkte das Mädchen eher altmodisch, was aber nicht schlimm oder so war. Im Gegenteil, sie fand es gut, dass es auch noch solche Personen auf der Welt gab. Aber diese Gedanken schob Skadi sehr schnell beiseite, denn sie wollte sich nicht weiter ablenken lassen, sondern den Test mit ihrer Mitbewohnerin machen. „Ok, dann beginnen wir mal“, antwortete sie ihr, als Vivian meinte, dass sie bereit wäre. Wirklich bereit dazu sah sie nicht unbedingt aus, aber sie schien selbst trotzdem neugierig auf das Ergebnis zu sein. „Also Frage 1: Wie gut kennst du die Person, in die du glaubst, verliebt zu sein? Antwort 1: Gut genug, um zu wissen, dass es keinen perfekteren Menschen gibt als ihn. Antwort 2: Es geht hier um eine konkrete Person? Okay, bis zur nächsten Frage habe ich jemanden im Kopf. Antwort 3: Ziemlich gut, denke ich, jedenfalls haben wir schon einiges zusammen durch – er ist kein einfacher Mensch, aber ein ganz besonderer. Oder Antwort 4: Noch nicht besonders gut, aber ich würde gerne mehr von ihm kennenlernen“, verkündete sie die erste Antwort. Was ihre Mitbewohnerin nun dachte? Welche Antwort sie wohl geben würde? Gespannt wartete die Norwegerin ab. Nachdem die erste Frage beantwortet wurde, wandte sich Skadi der zweiten zu. „Frage 2: Wie oft denkst du im Alltag an deinen Schwarm? Antwort 1: Mich erinnern eigentlich immer mal irgendwelche Kleinigkeiten an ihn. Dinge, die ich mit ihm verbinde – z. B. wegen gemeinsamer Erlebnisse, weil ich ihm davon erzählen möchte oder einfach wegen seiner Art. Antwort 2: Ich habe so viel zu tun, da kann ich gar nicht an irgendwelche Leute denken, die davon nichts mitbekommen. Antwort 3: Ehrlich gesagt: Gefühlt denke ich ständig an ihn. Kurz vor dem Einschlafen, nach dem Aufwachen, auf dem Weg zur Arbeit und wenn mein Handy klingelt. Aber ich finde das eigentlich ganz schön. Antwort 4: Ich denke gelegentlich an ihn, besonders, wenn ich darüber nachdenke, wen ich abends gerne treffen würde. Und wenn mein Handy klingelt, rechne ich insgeheim damit, dass er es ist. Was trifft denn auf dich zu?“, fragte sie Vivian ganz gespannt, was wohl jetzt kommen würde. Gespannt sah die Braunhaarige in das Gesicht ihrer Mitbewohnerin. Sie wusste nicht, was in ihr vorging. Vielleicht war es jetzt nur noch mehr das Chaos, das über sie herrschte. Vielleicht waren die Antworten für sie aber auch eindeutig. Sicher war sich die Luchsin aber nicht. Generell wurde sie nicht ganz schlau aus ihrer Mitbewohnerin. Aber vielleicht könnte das Mädchen auch durch diese Fragen einen besseren Einblick in das Leben von Vivian erhalten.
Ein erneutes Zucken durchlief die Nackenmuskulatur der Engelin, welche sich am Ende in ein langes – und leicht verunsichertes – Nocken verwandelte. Ja, sie war bereit diesen Test abzulegen. Nur wirklich sicher darüber, ob ihr diese Antwort am Ende helfen – oder gefallen würde, war Vivian nicht. Dabei klang die erste Frage keineswegs schwer. Zumindest in den ersten Millisekunden war die Antwort für die Blondine sehr eindeutig, würden ihr dort nicht schon im nächsten Moment vier Antwortsätze vorgegeben werden, in welche sie ihre Vorstellungen und Eindrücke Aratas nun hineinpressen musste. Nachdenklich senkte sich der Blick auf ihre Handflächen hinab, während in ihrem inneren jede einzelne der Antworten noch einmal in seine einzelnen Buchstaben, Silben und Bedeutungen zerlegt wurde. Dementsprechend konnte sie das Erste auch schon einmal ausschließen. Ob er perfekt war, konnte sie ja auch schlichtweg gar nicht beurteilen. So hatte sie ihn auch nie wirklich betrachtet. Er musste es in ihren Augen auch nicht sein, weil es dann einfach nicht er selbst war. Halt nicht … Arata, oder so. Genauso fielen Antwort Zwei und Drei einfach weg, weil sie weder viel telefonierte und erst recht nicht jede Sekunde mit einem Gedanken an den Weißhaarigen verbrachte. Gut, heute war eine Ausnahme. Allerdings kann man ihr sicherlich nachsehen, dass man nicht alle Tage mit riesigen Kopfschmerzen – noch dazu nackt – in einem fremden Bett aufwacht. „Ich würde zur dritten Antwort tendieren. Er ist mitunter eine sehr schwer zu fassende Persönlichkeit, wie mir immer wieder berichtet wird. Ich denke, das wäre also die passende Antwort.“, teilte Vivian nach kleiner Bedenkzeit ihrem neuen Quizmaster mit und kehrte mit ihren türkis-blauen Blicken wieder zu Skadi zurück, von der sie anschließend die nächste Frage erwartete. Innerlich grübelte die Engelin leicht mit, in welche Richtung die nächste Frage gehen könnte. Wenn die Erste bereits der betroffenen Person galt, folgte dann die genaue Erklärung der Umstände oder … oh.
Die zweite Frage in ihrem genauen Wortlaut analysierend, hätte sie wohl nicht weiter daneben liegen können. Auch hier ging es einfach wieder um Arata und ob sie den ganzen Tag an ihn denken würde. „Ich erlaube mir zu sagen, dass von allen genannten Möglichkeiten nur die erste Momentan stark zutrifft.“, ließ Vivian ihre Mitbewohnerin an ihren Gedanken teilhaben und versuchte dieses Argument mit einer verständlichen Begründung zu untermauern, „Allerdings kann ich nicht sagen, ob dies nur mit der Situation am heutigen Morgen zusammenhängt, oder sich als ein nun permanent vorhandener Zustand erweist.“. Weil natürlich beschäftigte sie sich – wie schon erwähnt – gedanklich intensiv mit der letzten Nacht und was sie dort eigentlich getrieben hatte. Sie war immerhin nicht Herrin ihrer eigenen Sinne gewesen, ganz zu schweigen von ihrem sonst so geordneten Sprachzentrum. Wieder kehrte der Schmerz in ihrer Brust zurück … aber warum? Ein weiteres Mal senkten sich ihre Augen auf die im Schoß ineinander gefalteten Hände. Als ob die Antwort irgendwo in den einzelnen Zwischenräumen ihrer Finger versteckt wäre und nur auf einen findigen Blick ihrerseits wartete um dann sofort erkannt- und genannt zu werden. Die Hoffnung auf ein Wunder dieser Art war jedoch vergebens. Alles was blieb war das Chaos in ihrem Inneren zu befragen, was nicht gerade sehr eindeutig ausfiel. „Ich bedauere, aber es ist schwer eine Antwort zu geben, wenn die Möglichkeiten so vordefiniert erscheinen.“, äußerte sie ihre Zweifel an der vorhin gegebenen Antwort, während sie ihre Hände ein bisschen fester ineinander drückte. Ihr Herz schlug schnell, beinahe schon als würde sie gerade draußen im Wald einen Ausdauerlauf machen. Ja, sie dachte an Arata … aber irgendwie war sie zerstritten darüber, ob sie ihn nun wirklich sehen wollte oder nicht. Es war ein Mischung aus Zu – und Abneigung, die einfach unverständlicher nicht sein konnte. Vivian hielt einen kurzen Moment inne und atmete einmal tief durch. „Nein, ich nehme meine Zweifel zurück. Es ist die erste Antwort. Bitte verzeih meine zwischenzeitliche Unsicherheit.“
Bei der ersten Frage, die die Braunhaarige ihrer Mitbewohnerin stellte, schien sie schon sehr sicher zu sein. Zwar meinte sie hier, dass es ihr berichtet wurde, aber wahrscheinlich würde es schon stimmen, wenn die Blondine nicht mal selbst wusste, was sie für den Jungen fühlte. Dass Vivian sich mit solchen Gefühlen generell nicht auskannte, darauf kam sie nicht. Sie nickte nur und gab die Antwort in ihr kleines aber feines Gerät ein. Im Anschluss war die zweite Frage dran. Diese schien ihrer Mitbewohnerin wohl sehr starkes Kopfzerbrechen zu bereiten, denn sie war sich unsicher. Es hing wohl an einer Situation am heutigen Morgen. Skadi legte ihren Kopf schief und sah Vivian an. Was meinte sie damit denn überhaupt? Gab es einen Streit, oder eine Liebesbekennung seinerseits? Ungeniert, wie Skadi nun mal war, erhob sie das Wort. „Was meinst du mit der Situation des heutigen Morgens? Was ist denn da passiert?“, fragte sie einmal nach. Es war wohl eher die Neugier ihrer inneren Luchsin, die sie dazu anstachelte diese Frage zu stellen. Ob die Braunhaarige damit ein unwohles Gefühl bei Vivian auslöste? Sie hoffte nicht, denn sie wollte nicht, dass ihre Mitbewohnerin sich in ihrer Nähe unwohl fühlte. Vielleicht würde sie genau deswegen auch gar keine Antwort von Vivian bekommen? Gespannt wartete die Norwegerin erst einmal ab. Die letztliche Antwort zu dieser Frage, tippte sie dann in ihr Handy ein. „Kein Problem. Zweifel sind in Ordnung. Da sieht man, dass du dich mit diesem Thema wirklich auseinandersetzt“, antwortete sie ihr mit einem Lächeln.
„Na dann, auf zu den nächsten Fragen“, sagte Skadi sehr enthusiastisch und drückte auf den Weiter-Button. Die nächste Frage ploppte auf, die wohl sehr interessant sein würde. Ob Vivian auch bei dieser ihre Probleme haben würde? Vielleicht. Aber dies würde sie sowieso gleich sehen. „Wie würdest du ihn in nur drei Worten am ehesten beschreiben? Antwort 1: Sehr interessanter Typ. Antwort 2: Ein besonderer Mensch. Antwort 3: Er ist nett. Antwort 4: Der perfekte Mann“, fragte sie gleich darauf ihre Bekanntschaft. Schon seltsam, irgendwie hatte die Norwegerin schon fast das Gefühl, dass die beiden beste Freundinnen waren. Immerhin machten sie gemeinsam einen Liebestest. Sowas machte man sonst nur mit der besten Freundin. Aber vielleicht war Vivian in dieser Hinsicht auch einfach komplett anders und es störte sie nicht, dass die Luchsin dadurch über ihre Gefühle mehr erfuhr. Nun ging es zur zweiten Frage. „Wie fühlst du dich, wenn ihr zusammen seid? Antwort 1: Wie immer – mal gut gelaunt, mal schlecht gelaunt. Antwort 2: Hibbelig und etwas unsicher – ein bisschen wie ein Teenie. Aber zugleich wie in einem schönen Traum. Antwort 3: Sicher und ruhig. Irgendwie mehr wie ich selbst als sonst. Antwort 4: In der Regel ziemlich gut. Meistens schafft er es, meine Stimmung aufzuheitern“, fragte sie die nächste Frage. Was sie hier wohl antworten würde? Skadi konnte die Blondine in diesem Punkt nicht wirklich einschätzen, aber eine Tendenz ihrerseits für die Antwort 1 war da. Ob dies aber Vivian auch wirklich nehmen würde? Die Norwegerin wartete gespannt ab. Im Anschluss ging die Luchsin auf die nächste Frage noch ein. „Vervollständige bitte folgende Aussage: „Wenn ich an ihn denke, …“. Antwort 1: …schweifen meine Gedanken meist schnell wieder ab. Antwort 2: …frage ich mich vor allem, wie er wohl zu mir steht. Antwort 3: …lächle ich und fühle mich beruhigt. Oder Antwort 4:…fühle ich mich ganz leicht und werde hibbelig“, gab sie die Frage dann weiter. Skadi sah auf die Anzeige der Fragen, die zeigten, dass sie die Hälfte erreicht hatten. Vivian beantwortete die Fragen bis jetzt doch recht schnell, ob sie sich mit diesen eventuell mehr Zeit nehmen sollte? Skadi wollte aber gerade nichts sagen, denn sie wollte ihre Mitbewohnerin beim Nachdenken nicht stören.
Vivian nickte wie eine Puppe, als Skadi ihr eine sehr intensive Beschäftigung mit der Thematik attestierte. Dabei war es maßlos untertrieben, dass als bloße Beschäftigung abzutun. Die Engelin hatte ihre gesamten letzten Tage diesem Phänomen gewidmet und war in dem Thema nicht mal einen kleinen Schritt vorwärts gekommen. Nein, stattdessen fühlte es sich mehr und mehr wie das genaue Gegenteil an. Jeder Schritt schien in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Nichts war wirklich fest greifbar. Stattdessen wurden ihre gerade gewonnen Erkenntnisse von den nächsten Gedanken einfach wieder verdrängt, ohne dabei eine Spur ihrer vorherigen Mühen zu hinterlassen. Als wären sie eigentlich nie da gewesen - eine Ziellinie, die kurz vor dem Überschreiten wieder einen ganzen Kilometer weit weggesetzt wurde. Es war … zermürbend … irgendwie. Doch bevor der rettende Test des Internets eben diesen geistigen Verschleiß zu lösen vermochte, wurden Vivian noch ein paar andere Hindernisse in den Weg gelegt. Die plötzliche Frage zu ihrem Morgen war eine davon. Die Frage war nur, wie sie das nun am besten zusammenfassen sollte. „Wir hatten den gestrigen Abend zusammen verbracht, was dazu geführt hat, dass ich meinen verkraftbaren Alkoholkonsum überschätzt habe. Meine Verfassung war, um es gelinde Auszudrücken, nicht sehr vorbildlich. Es beschämt mich, einen solchen Eindruck hinterlassen zu haben.“, erklärte sie mit neutral-sanfter Stimme und hielt dabei den Blick starr auf Skadi gerichtet. „Es war eine sehr bedrückende Situation. Ich bedauere zuriefst, dass ich an diesem Punkt wohl nicht im Besitz meines Urteilsvermögens war und deswegen lindernde Medizin zu mir nehmen musste.“. Und mehr war eigentlich auch nicht dabei. Das sich ihr Körper auch noch merkwürdig anfühlte – und ihr Filmriss immer noch nicht behoben war, verbesserten die Situation auch nicht großartig. Glücklicherweise aber reichte die Erklärung wohl aus, um eine Weiterführung ihrer Liebesfrage zu bewirken. Skadi schien sich in jedem Fall sehr über ihre Aufgabe zu freuen. Sehr zur Verwunderung der blonden Engelin, musste sie doch nur Fragen stellen und deren Antwort eintippen. Machte das wirklich so viel Spaß?
„Ich würde mich für die zweite Antwort entscheiden, wenn es genehm ist.“, teilte sie auch hier wieder brav ihre Antwort mit, „Sie sagt mir, von all diesen Argumenten, am Meisten zu.“. Was nicht zuletzt daran lag, weil Vivian mit diesen normalen Aussagen nicht so viel Anfangen konnte. Jeder Mensch war interessant, nett, und in seiner Art und Weise perfekt. Sie nahm die Leute so, wie sie kamen. Besonders war hier die einzige Bezeichnung, welche ein subjektives „mehr“ implizierte. So gesehen gab es also nur eine richtige Antwort. Bei der nächsten Frage sah es dann schon wieder ganz anders aus. Sichtlich beschäftigt wanderte ihr Blick zurück auf ihre Hände, womit sie einmal mehr versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Stimmungsschwankungen hatte sie wegen vielen Dingen, was die erste Antwort automatisch aus dem Rennen schmiss. Nur, weil man es ihr nicht anmerkte, hieß das nicht, dass es nicht existierte. Hibbelig machte Arata sie auf jeden Fall auch nicht. Ebenso wenig, wie sie sich einen schönen Traum vorstellen konnte. Die meisten ihrer Träume waren – leider – Albträume. Selten schlief die Engelin wirklich ruhig durch. Tat sie es doch, war da meistens die ganze Nacht nur gähnende Dunkelheit vor ihren Augen gewesen. Es war eine Mischung aus Antwort Drei und Vier … allerdings doch mehr Drei. „Ich wähle die dritte Antwort.“, kommentierte sie – mit überraschend entschlossener Stimme – ihre Auswahl und blickte ihrer Mitbewohnerin wieder ins Gesicht. Selten war Vivian so ruhig, wie in seiner Gegenwart. Selbst heute Morgen – so neu und chaotisch das auch war – blieb sie sehr entspannt. Das war auch gleichzeitig das Argument, welches sie bei der nächsten Frage vorbrachte: „Da es unlogisch wäre, wenn ich mich hier anders entscheiden würde, nehme ich die dritte Antwort.“, kam es fast schon ohne Bedenkzeit sanft über ihre Lippen, „Ich empfinde ein starkes Gefühl der Ruhe, wenn er sich in meiner Nähe aufhält. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diesem Indiz bis jetzt nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet habe.“. Vielleicht war das ja auch der Weg, den sie bei ihrer eigenen Evaluation dieses chaotischen Zustandes in ihr gehen sollte? Mh … möglich wäre es. „Nichts desto trotz treibt mich bei dieser Frage der Gedanke, was für einen besonderen Wert es hat, wenn ich daran denke, ob jemand anderes an mich denkt.“, und Vivians Kopf neigte sich leicht in die Schräge, „Ist dies wirklich von solcher Wichtigkeit?“. Denn der Gedanke an sich war doch nichts Besonderes, oder?
Der gestrige Abend schien nicht so gut gelaufen zu sein, wie es sich Vivian am Anfang vorgestellt hatte. Sie musste wohl recht viel Alkohol getrunken haben, wenn sie Schmerzmittel nehmen musste. Hm… aber war das wirklich so tragisch? Skadi konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Mitbewohnerin wirklich unangebracht verhalten hatte. Das würde ihr so gar nicht ähnlich sehen, aber Alkohol holte auch das Schlechte aus den Menschen heraus, das wusste die Braunhaarige. „Ach so schlimm war es sicher nicht. Wenn er dich wirklich liebt, dann wird er dich nach dieser Aktion sicher auch noch lieben“, antwortete die Luchsin und versuchte damit ihre Mitbewohnerin auch wieder ein wenig zu beruhigen. Was auch immer vorgefallen war, es konnte sicher nicht so schlimm sein. Immerhin war es ja Vivian, von der man hier sprach. Sie schien so brav, freundlich und zurückhaltend zu sein, dass es schon fast nicht sein konnte, dass sie sich daneben benahm.
Kurze Zeit später kümmerten sich die beiden weiter um die Fragen des Liebestests. Die ersten beiden Antworten trug Skadi sofort ein. Es war interessant, wie ihre Mitbewohnerin diese Fragen betrachtete und auch antwortete. Man konnte sagen, dass sie nicht lügte, sondern sich wirklich Gedanken darüber machte, was für sie die richtige Antwort war. Die Luchsin war deswegen auch schon gespannt auf das Ergebnis und ob es ihr überhaupt etwas bringen würde. Aber bei der dritten Frage, die die Norwegerin stellte, schienen sich Zweifel bei Vivian aufzutun. Zwar beantwortete sie diese auch recht schnell, aber sie schien den Sinn dahinter nicht wirklich zu verstehen. „Naja, die Frage ist doch recht wichtig, weil es dir zeigt, wie du dich dabei fühlst, wenn du nur an ihn denkst, oder ob du überhaupt ab und zu an ihn denkst. Wenn du zum Beispiel nie an ihn denkst oder nur ganz ganz kurz, dann würde das bedeuten, dass er dir doch nicht ganz so wichtig ist. Wenn einem jemand wichtig ist, dann denkt man auch an diese Person ab und zu und es entstehen Gefühle. Als Beispiel, wenn ich an dich denke, dann fühle ich mich wohl und geborgen, in guten Händen eben“, versuchte die Braunhaarige zu erklären. Ob sie ihre Mitbewohnerin damit wieder noch mehr verwirrte? Skadi hoffte nicht, aber es würde sie nicht wundern, wenn es doch so wäre.
Nachdem die Frage dann am Schluss geklärt war, machte Skadi bei den Fragen weiter. „Oh, ich weiß nicht, ob die nächste Frage wirklich für dich etwas ist, was du beantworten kannst…“, fing die Luchsin an zu reden. Immerhin ging es um Handys. Ob Vivian sich wenigstens ein wenig damit auskannte? Sie würde es gleich sehen. „Frage 6: Dein Telefon klingelt und du siehst seine Nummer – wie reagierst du? Antwort 1: Na wie schon? Wenn ich gerade Zeit habe, gehe ich ran, wenn nicht, dann nicht. Antwort 2: Ich vergesse alles um mich herum, mein Herz schlägt schneller und, sobald ich mich wieder einigermaßen im Griff habe, gehe ich ran und melde mich mit einem fröhlichen „Hi!“. Antwort 3: Wenn ich kann, gehe ich natürlich ran, denn ich freue mich immer, mit ihm zu sprechen. Wenn nicht, melde ich mich bei ihm, sobald ich dafür einen Augenblick Zeit habe. Antwort 4: Ich warte ein paar Sekunden, damit er den Eindruck hat, ich sei gerade beschäftigt, und melde mich dann mit einem fragenden „Hallo?““, gab die Braunhaarige die Frage weiter. Ob dieses ein Problem für Vivian sein würde? Gespannt wartete sie die Antwort ihrer Mitbewohnerin ab. Später wandte sich die Norwegerin der nächsten Frage zu. „Frage 7: Wie nimmst du andere Menschen am ehesten wahr, wenn du mit ihm zusammen bist? Antwort 1: So gut wie gar nicht. Ich habe dann nur Augen für ihn. Antwort 2: Ich interessiere mich zwar schon für andere, aber ich versuche mich auf ihn zu konzentrieren. Antwort 3: Kommt sehr auf die Menschen darauf an. Wenn sie mich interessieren, bin ich aufgeschlossen und kontaktfreudig. Hinterher tausche ich mich dann gerne mit ihm über unsere Begegnungen aus. Oder Antwort 4: Wie immer: Neugierig und interessiert. Man kann nie genug Leute kennen…“, diese Entscheidung gab sie nun wieder Vivian weiter. Über was sie nun wohl nachdachte? Ob sie überhaupt eine Antwort finden würde? Skadi wusste es nicht, aber sie sah neugierig in die Augen ihrer Mitbewohnerin. Erst jetzt stellte die Luchsin fest, dass Vivian richtig schöne Augen hatte. „Woah“, entkam es ihr leise.
Eigentlich wollte Vivian noch einen Einspruch erheben, als Skadi ihr so selbstbewusst erzählte, dass Aratas Liebe bestimmt auch über ihren Fehler hinwegsehen konnte. Bestimmt konnte der junge Mann das tun. Wenn nicht er, wer dann? Immerhin kannte sie den Weißhaarigen immer als die Art Person, welche das gute in anderen Leuten sah und versuchte diese Attribute hervorzuheben. Leider auch manchmal soweit, dass er sich selbst dabei herunterputzte. Beim Ball hatte es einmal diesen Moment gegeben … und auch bei den vielen Trainings auf der Insel schien immer mal wieder die eigene Unzufriedenheit in ihm durch. Eigentlich ging es eher um sie selbst und die Tatsache, dass sie über sich selbst beschämt war. Nicht wusste, wie sie nun damit wirklich umzugehen hat. Da der jungen Frau aber selbst die nötigen Worte gerade abhanden kamen, beließ sie es auch einfach dabei und ging mit dem Fluss des Gesprächs einfach weiter zum nächsten Thema.
Nur, um nach den nächsten Fragen wieder bei einem leicht philosophischen Problem ins Stocken zu geraten. Ja, was brachte einem dieser Gedankengang? Skadi versuchte sich an einer Umschreibung des Umstandes, jedoch konnte Vivian ihr nicht zu einhundert Prozent folgen. Sie verstand, dass es Gefühle beherbergte an andere zu denken. Das Konzept an sich war für sie auch nichts Neues und somit vollkommen verständlich. Allerdings hakte es noch bei dem Verständnis, warum es ihr was brachte, wenn sie darüber nachdachte, ob er an sie dachte. Diese – für normale Menschen sehr emotionale – Logik wollte noch nicht so wirklich in ihren Kopf hinein. Vielleicht, so ihr Gedanke, musste sie das Ganze auch einfach nur uminterpretieren. Also war der Gedanke, ob er an sie dachte, nichts weiter als eine Spiegelung der eigenen Gefühle, welche auf die jeweils andere Person übertragen wurde. Aber … musste sie sich nicht dann dem Umstand versichern, dass es auch so war? Es war wie schon vorher beschrieben. Vivian machte einen Schritt vorwärts und es fühlte sich an, als wäre sie zehn Schritte rückwärts gelaufen. Auf eine beantwortete Frage folgten zehn Neue. Da konnte sie ja in dem Moment echt dankbar sein, dass es nur eine Einzige war. „Ich will mir nicht zu viel anmaßen. Jedoch denke ich zu verstehen, was du mir damit zu sagen versuchst.“, und die Engelin senkte ehrfürchtig ihr Haupt, um damit die Verbeugung zu kompensieren, „Ich danke dir vielmals, für deine Ausführungen.“. Tja … und damit hatte sich die Engelin dann auch schon für die dritte Runde des Isola-Liebes-Quiz angemeldet. Sogar dieses Mal mit Ankündigung, dass die Frage eventuell komplizierter werden könnte. Und ja … ihre Mitbewohnerin behielt recht. Wann telefonierte Vivian denn Mal mit anderen Leuten? Keine ihrer Nachrichten waren so wichtig, dass sie diese unbedingt an Ort und Stelle mitteilen musste. Vor allem aber verstand sie schlichtweg nicht, warum man die Annahme eines Telefonats wissentlich verzögern sollte. Was war der Sinn dahinter? Man konnte den Entstandenen Eindruck doch nicht mit absoluter Garantier voraussagen. Oder war nur sie es, die da so viel Probleme mit hatte? Waren die anderen da eventuell einfach besser aufgestellt? „Ich entscheide mich für die dritte Antwort.“, komplettierte Vivian ihren Hattrick in den Antwortnummern und hakte dieses Thema dann einfach für sich ab. Die Telefon-Sache hinterließ zwar auch bei ihr Fragezeichen, aber keine, die sie sich nicht irgendwie schnell erschließen konnte. Genauso war es mit der siebten Frage, die sie auf ihre Aufmerksamkeit ansprach. Sehr faszinierend fand sie dabei die letzte Antwort, welche einen gängigen Typus implizierte, nachdem man immer Neugierig und Freundlich sein musste, wenn man anderen Leuten begegnete. Dabei konnte sie aus eigener Erfahrung sagen, dass meist nur letzteres der Fall sein. Neugier an sich hatte sie für jeden Menschen in ihrem Umfeld. Diese variierte auch nicht, wenn Arata dabei war … mh. Die Engelin grübelte wieder, als sie noch einmal den genauen Wortlaut der Frage – oder besser gesagt des Satzanfangs – durchging. Doch so sehr sie sich versuchte in die Situation hineinzuversetzen, es brachte nichts. „Ich muss gestehen, dass sich alle Antworten nicht mit meinen Ansichten decken.“, wurde ihr Quizmaster mit sanfter Stimmlage, aber bestimmenden Unterton, umgehend über ihre Unzufriedenheit in Kenntnis gesetzt. Allerdings hatte sie ja schon vorher angemerkt, dass ein paar der Antworten sehr einengend waren und nicht wirklich präzise. „Ich würde auch hier wieder zur dritten Antwort tendieren, wenn dies genehm ist. Es ist schließlich nicht unüblich sich, sofern man eine neue Begegnung hatte, über dessen Eindrücke und Begebenheiten auszutauschen.“. Es war eher so ein Ding für den Alltag, nichts wirklich Besonderes. „Außerdem ist es die Einzige, welche mir in Anbetracht der Umstände wirklich brauchbar erscheint.“.
Die Erklärung zum Thema, warum man an jemand dachte, fand Skadi doch recht gut gelungen. Etwas Besseres wäre ihr gar nicht eingefallen. Auch jetzt nicht, wo sie nochmals darüber nachdachte, ob sie ein anderes Beispiel hätte nehmen sollen. Stolz auf ihre Antwort, klopfte sich die Braunhaarige innerlich auf die Schulter. Aber noch musste sie abwarten, ob es Vivian auch wirklich verstanden hatte, denn zuerst machte sie den Eindruck kein Wort zu verstehen, was die Luchsin da von sich gab. Doch nach kurzer Zeit schien sie es doch verstanden zu haben, jedenfalls sagte sie dies. Natürlich könnte es auch sein, dass die Erklärung von Skadi totale Scheiße war und ihre Mitbewohnerin nur nett mit ihr sein und es ihr nicht sagen wollte, dass sie es nicht verstand, aber so schätzte die Norwegerin das Mädchen ihr gegenüber nicht ein. Vivian schien eine ehrliche Haut zu haben und das gefiel der Braunhaarigen sehr gut. „Gerne. Wenn du fragen hast, dann kannst du diese ruhig jederzeit stellen“, antwortete sie ihrer Mitbewohnerin mit einem sanften Lächeln. Es war ihr wichtig, dass die Blondine wusste, dass es in Ordnung war Fragen zu stellen, denn nicht für jeden war das auch wirklich klar. Die nächsten beiden Antworten zum Liebestest tippte die Norwegerin auch sogleich in das Handy ein. Dabei fiel Skadi mittlerweile ein Muster auf. Vivian schien sehr oft einfach die Nummer 3 zu nehmen. Ob das ein Muster war, oder wirklich nur an den Antworten lag? Vielleicht gab es da auch eine eher unterschwellige Botschaft, dass die drei ihre Glückszahl war? Viele Ideen kamen der Norwegerin in den Sinn, aber so wirklich sicher war sie sich nicht, an was das liegen könnte. Da gab es wohl nur noch eines zu tun, fragen. „Sag mal, ist die drei deine Glückszahl?“, fragte sie gerade heraus. Ob Vivian überhaupt wusste, was eine Glückszahl genau war? Sie schien ja nicht hinter dem Mond zu leben, also ging die Luchsin davon aus, dass sie das schon wissen würde.
Nachdem dann alles geklärt war, machte sich Skadi wieder an die Fragen, die sie Vivian noch stellen wollte. „Okay, die letzten drei Fragen, dann haben wir es geschafft“, versicherte sie ihrer Mitbewohnerin. Lustig, dass es genau noch drei Fragen waren, wenn man den vorherigen Gedankengang und das Gespräch betrachtete. Skadi machte ihre linke Hand zu einer Faust und hielt sich diese an die Lippen. Im Anschluss räusperte sie sich, als ob sie eine Ansprache halten wollte. Danach wandte sie sich der nächsten Frage zu. „Frage 8: Angenommen, du siehst ihn mit einer anderen Frau, was denkst du? Antwort 1: Wer ist das und in welcher Beziehung stehen die beiden zueinander? Ich muss heute Abend unbedingt noch meine Unterwäsche waschen! Antwort 2: Ich denke nicht viel darüber nach – er wird mir später wahrscheinlich sowieso erzählen, wer sie ist und was die beiden miteinander zu tun haben. Antwort 3: Warum redet er mit ihr? Oh Mann, die ist viel hübscher als ich! Wie bekomme ich bloß raus, ob da was läuft zwischen ihnen? Antwort 4: Ich bin etwas verunsichert und irritiert, ich dachte er steht auf mich. Aber vielleicht hat das ja nichts zu bedeuten“, fragte sie die erste Frage. Was es sich mit der Unterwäsche auf sich hatte, wusste die Braunhaarige leider nicht, sie hoffte nur, dass Vivian nicht genau diese Frage stellen würde, wenn sie eine überhaupt stellen würde. Als dann diese Frage geklärt war, ging es zur nächsten. „Frage 9: Ihr hattet gerade ein Date und du kommst nach Hause – was tust du? Antwort 1: Ich schreibe ihm, dass ich gut nach Hause gekommen bin und es sehr schön mit ihm war und gehe zufrieden ins Bett oder telefoniere noch mit einer Freundin oder so. Antwort 2: Ich schreibe ihm, wie schön ich es fand, ärgere mich darüber die dummen Sachen, die ich gesagt habe und träume von unserer nächsten Verabredung. Antwort 3: Endlich allein! Jetzt erst einmal schön Netflix und chillen. Oder Antwort 4: Ich beobachte gespannt mein Handy in der Hoffnung er meldet sich, schreibe ihm selbst aber nicht“, sagte Skadi und gab somit die Antwortmöglichkeiten für Vivian bekannt. Für die Norwegerin wäre es klar gewesen, welche Antwort sie nehmen würde: die Dritte! Schön Netflix gucken mit Popcorn war doch immer etwas Schönes. Aber gut, sie war ja auch nicht diejenige, die verliebt war und somit auch keine Auswahl treffen konnte. „Nun zur letzten Frage: Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Antwort 1: An seiner Seite! Alles andere ist mir egal. Antwort 2: Ein Job, der mich glücklich macht, Kinder, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, regelmäßig verreisen und mit ihm zusammen alt werden. Antwort 3: Also erst mal möchte ich ihn besser kennen lernen und ihm näher kommen und dann Schritt für Schritt die Welt erobern – wie geplant. Antwort 4: Viel von der Welt sehen, immer genug Geld und interessante Leute kennen lernen“, sagte sie nun noch, um das Kapitel Liebestest machen, endgültig abschließen zu können und zum interessanten Teil übergehen zu können: das Ergebnis.
Hatte sie überhaupt eine Glückszahl? Das war die Frage in Vivians Kopf, die Skadi mit ihrer Neugier auslöste. Allerdings war die Erkenntnis der Engelin dazu mehr als nur ernüchternd. „Mitnichten. Ich verfüge nicht über eine Zahl mit dieser Funktion.“, erwiderte sie kurz und schlüssig, ohne anfänglich auch nur den Hauch eines Umdenkens durchscheinen zu lassen. Lediglich ihr an die Decke des Zimmers wandernder Blick symbolisierte eine verzögerte Bereitschaft diesem – so unerträglichen – Umstand entgegenzutreten. „Wobei ich es in Erwägung ziehe, mir eine Zahl als solche herauszusuchen.“. Denn wenn sie eines aus ihrer Vergangenheit wusste. Dann, das Glück doch ab und zu ganz nett war. Vielleicht passierte dann ja nicht nur ihr, sondern auch anderen vermehrt etwas Gutes. Und das – so ihr Gedanke – war ein bisschen Grüblerei allemal wert. Doch es schien auf beiden Seiten die Erkenntnis zu herrschen, dem verheißungsvollen Test erst einmal mehr Bedeutung – und damit Gedankenleistung – zukommen zu lassen.
Ihre Mitbewohnerin löste das sehr elegant, indem sie sich mit einer verheißungsvollen Ankündigung – sowie einem Räuspern – erneut Vivians Aufmerksamkeit zusicherte. Diese wartete, wie die vielen vorherigen Male auch, brav, bis der Quizmaster des heutigen Abends mit der ersten Frage herausrückte. Die … ihr absolut seltsam vorkam. Zum Ersten, weil sie Arata sehr selten mit anderen Frauen sah; und Zweitens, warum sie sich unbedingt darum kümmern sollte, wer das genau war und in welcher Beziehung sie zueinander standen. War das etwa normal, sich um jedes Mädchen in seiner Umgebung Gedanken zu machen? War das nicht etwas Gutes? Mal ganz abgesehen von der Verwunderung darüber, was denn nun Unterwäsche mit dem Ganzen zu tun hatte. Irgendwie schienen die Fragen mit fortschreitender Nummer immer weniger Sinn für die Engelin zu machen, was man ihr zur Abwechslung auch mal an ihrem leicht angestrengten Gesicht ablesen konnte. „Ich muss zugeben, dass ich mich zu keiner der gestellten Antworten wirklich hingezogen fühle.“, ließ sie dann auch Skadi an ihrem Problem teilhaben. Dabei wusste Vivian genau, dass es ohne eine Auswahl wohl kaum weitergehen konnte. Also falls Arata jemand anderen kennenlernte, dann würde er sie sicherlich darüber unterrichten. Wie früh oder spät war in diesem Punkt ja nicht wirklich relevant. „Ich würde mich, in Anbetracht der Umstände, hier für die zweite Antwort entscheiden. Ich würde davon ausgehen das, sollte es von Relevanz sein, er mit mir darüber sprechen würde.“. Was das Thema für sie abschloss und den Raum für die nächste Frage räumte. Vivians Hoffnung bestand darin, dass die nun folgenden Fragen wieder vermehrt der Feststellung des eigentlichen Sachverhalts dienen würden und sich somit weg von Arata und mehr auf sie selbst fokussierten. Dieser Wunsch wurde jedoch nur bedingt erhört. „Die erste Antwort würde mir am meisten zusagen.“, handelte sie die zweite Frage relativ schnell ab, auch wenn sie nicht unbedingt das Bedürfnis hatte sich nach einer Verabredung mit einer Freundin auszutauschen. Mal ganz abgesehen davon, dass sie sowieso nicht der Typ von Frau war, welche sich in stundenlangen Schwärmereien verlor. Wenn sie an den Ball zurückdachte, war sie ja sogar alleine nach Hause gegangen und hatte den Abend mit sich und ihren Gedanken verbracht. Ein für andere – wohl zu Recht – trauriger Referenzpunkt. Vivian selbst hatte jedoch keine andere Erfahrung zur Verfügung, die sie hierfür zu Rate ziehen konnte; Ihre leichte Verärgerung darüber am nächsten Morgen gekonnt ausklammernd. Dabei war es die letzte Frage, die sie vollends aus der Reserve lockte. Gedanklich sichtlich erschöpft schloss die Engelin ihre Augen, bevor sich ein gleichermaßen mitgenommenes Seufzen zwischen ihren Lippen hervorkämpfte. Sie wollte doch nur wissen, wie das mit der Liebe aussah. Stattdessen war man hier schon bei Themen wie Kindern und alt werden angekommen, über die sie sich noch nicht einmal ansatzweise Gedanken gemacht hatte. Allerdings … erschien es doch logisch, oder? Wenn man mit Liebe konfrontiert wurde, dann waren Kinder doch ein essentieller Bestandteil, oder nicht? Andererseits … sollte man sich doch erst einmal besser kennenlernen. Der heutige Morgen, so gemischt sie ihn auch betrachtete, bewies ihr doch, dass es dort noch sehr viel Arbeit gab. Also … „Ich entscheide mich für die dritte Antwort.“, erhob sie mit ihrer sanften Stimme das Wort und öffnete im gleichen Zug auch wieder ihre Augen, welche sofort nach Skadis Blick suchten. „Ich präferiere das gegenseitige Kennenlernen. Die anderen Antworten sind mir, muss ich gestehen, schon zu weitreichend.“, und damit waren alle nötigen Antworten gegeben - aber viele neue Fragen entstanden. Zum Beispiel, warum in einem Liebestest schon von Kindern geredet wurde und andere Frauen einen größeren Fokus als die eigenen Erfahrungen einnahmen. Dabei gänzlich ignorierend, dass ihre Mitbewohnerin einen Internettest nutzte und dieser wohl kaum von einer offiziellen Institution erstellt worden war.
Letzten Endes obsiegte in diesem Fall ihre Neugier dazu, sowie ihre Hoffnung. Vielleicht war Skadi ja in der Lage diesen Sachverhalt aufzuklären. „Dürfte ich vor dem Ergebnis noch eine Frage stellen?“, erhob sie dann erneut das Wort und preschte ohne auf eine Antwort zu warten nach vorne, „Ich frage mich, warum andere Frauen und Kinder einen so wichtigen Punkt innerhalb des Tests einnehmen? Es erscheint mir, ohne unhöflich zu wirken, etwas weit gegriffen.“.