Die Kleinwohnung, die sich im Westflügel des Erdgeschosses befindet verfügt in etwa über 45 m² und wird vom Erzieher Gabriel Wallin bewohnt. Der größte Raum bildet den Wohnbereich, in welchem sich ein großes Doppelbett sowie ein Schreibtisch und ein gemütliches Sofa befindet. Der Raum wirkt äußerst gepflegt und auch der alte Parkettboden scheint neu geschliffen zu sein. Einzelne Details wie ein Kronleuchter an der Decke oder dezente Kerzenhalter an den Wänden verleihen dem Apartment das Ambiente, das ihm in den Gemächern eines solchen Anwesens auch zustehen sollte. Neben den beiden Türen, die in die kleine Küche und Badezimmer führen, lehnt ein charakteristischer Kleiderschrank, der sich zwar nur mit einem Knarzen öffnen lässt, dafür aber sehr viel Stauraum bietet.
Wie genau konnte es passieren, dass Jacob sich nach Ankunft in seiner Wohnung zu einigen weiteren Flaschen Bier verleiten ließ? Im Traum stellte er folgende Theorien auf: Das Verschwinden Roxannes hatte doch eine tiefere Wunde hinterlassen als erhofft, oder der blonde Sonnenbrillenträger war viel zu überzeugend. Vermutlich war es letzteres, vielleicht aber auch eine kompliziert verstrickte Kombination von beidem. Zumal er nach seiner Ankunft nicht alleine tot ins Bett fiel wie geplant, sondern das nächstbeste Kartenspiel aus dem Schrank kramte. Während der Arzt die Getränke besorgte mischte er selbst die Spielkarten und machte es sich am Tisch gemütlich, wo sein Gegner von einem verdeckt liegenden Stapel begrüßt wurde. Die Zeit verging wie im Flug während sie spielten und seltsamerweise war der Dunkelhaarige noch nicht vor lauter Müdigkeit mit der Stirn voran auf die Tischplatte geknallt, was offenbar auch so bleiben sollte. Denn auch, wenn er seine Siegessträhne gerade voll auskostete, ein Blick auf die Uhr brachte ihn schnell zurück in die Realität. Zumindest so gut, wie es nach zu viel Alkohol eben möglich war. Und da er Riley die Fahrt nach Hause nicht mehr zumuten wollte – schon gar nicht in Anbetracht der vielen leeren Flaschen – lud er ihn kurzerhand zur Übernachtung ein. So bastelte er es aus seinen Gedankenfetzen jedenfalls zusammen, als er am nächsten Morgen unsanft vom Gemecker des Blondschopfs geweckt wurde. Murrend drehte er sich nochmal um und zog die Decke etwas höher ins Gesicht, sich mit Händen und Füßen gegen das Aufwachen wehrend. Es war einfach viel zu früh! Zumindest vermutete er das, denn das Geschrei auf dem Flur hielt sich noch in Grenzen. Irgendetwas war trotzdem seltsam… warum war er gar nicht mehr müde? Von der Sonne geblendet blinzelte er noch etwas verwirrt, setzte sich dann aber langsam auf und sah nach einem kurzen, prüfenden Blick auf die Uhr in ein sehr bekanntes breites Grinsen. Nanu? Man musste kein Genie sein um zu sehen, wie es nun im Kopf des Vampirs arbeitete. Er war kein Schnarcher, also konnte das schon mal nicht der Grund sein. Im Schlaf reden oder Schmatzen wurde ihm auch noch nie nachgesagt, ebenso wie Kerle zu kuscheln nicht zu seinen Spezialitäten zählte. Und dann wäre sein Gast vermutlich mies drauf, nicht so wie jetzt. Oder? Ratlos suchten seine Augen nach einem Anhaltspunkt, blieben kurz an den Bierflaschen auf dem Tisch, dem benutzen Kissen neben sich und dann wieder an Riley hängen. Skeptisch die Augen verengend fixierte er den Blondschopf, nicht zuletzt, weil sich die empfindlichen Vampiraugen noch immer nicht komplett an die Helligkeit gewöhnt hatten. Es konnte doch nicht sein… ne, oder? Erneut drehte er sich nach rechts zu seiner freien Bettseite und fing langsam an, an seinem Verstand zu zweifeln. So betrunken konnte er doch gar nicht gewesen sein! Sonst würde er sich vor lauter Kopfschmerzen jetzt nicht bewegen können. Andererseits, sein Bettnachbar war ja nicht irgendjemand. Sondern ein Arzt mit Heilmagie – es wäre also alles im Bereich des Möglichen. Bevor er die nächsten Minuten aufrecht sitzend und mit verwirrtem Blick im Bett verbrachte rappelte er sich schließlich auf. Und seine Gedanken würde er garantiert nicht laut aussprechen, das wäre ja noch schöner. Manchmal war es besser, unwissend zu sein. „Frühstück?“, war somit das Erste, was über seine Lippen kam, während er sich auf direktem Wege in die Küche aufmachte. Ohne eine Antwort abzuwarten nahm er wenigstens schon mal die Kaffeemaschine in Betrieb und schaute in den Kühlschrank, um einen Überblick zu bekommen, was er zur wichtigsten Mahlzeit des Tages überhaupt anbieten könnte. Sofern Riley zum Frühstück bleiben wollte. Nach einer gemeinsamen Nacht musste er ihm diese Möglichkeit wenigstens offenlassen – zumal er kein schlechter Koch war.
Je länger Jacob nachdachte, als er sich aus dem Gefängnis seines Bettes erhoben hatte, umso breiter wurde das Grinsen unter der Sonnenbrille. Was würde er jetzt dafür bezahlen in seine Gedanken sehen zu können. Einfach nur, um zu überprüfen, ob seine Vermutung richtig lag. Nun, eine rein rationale Herangehensweise würde dem Erzieher auch irgendwie nicht stehen. Wer achtete schon auf die Details und das Offensichtliche? Immerhin war er noch angezogen. Ganz von dem Fakt mal abgesehen, dass der Brite in keinster Weise in diese Richtung tendierte. Eher würde er zu den Fallschirmspringern gehen und ohne Rucksack aus dem Flugzeug springen. Aber das war ein anderes Thema.
Immerhin schien der Schwarzhaarige schnell genug sein Bewusstsein wiederzuerlangen. Die Frage nach einem morgendlichen Imbiss wurde mit einem gelassenen „Klar!“ eindeutig kommentiert und somit auch von oberster Ebene abgesegnet. Wenigstens hatte er seine Gastgebermanieren nicht vergessen, das konnte man durchaus mal als Vorteil bemessen. Auf der anderen Seite war es aber auch der Heilung des Arztes zu verdanken, dass er jetzt so einfach aufstehen und irgendetwas machen konnte. Trotzdem etwas verwirrend, dass der neue Erzieher nicht einfach ne Packung Toast aus der Küche mitbrachte, sondern tatsächlich ein wahres Geräuschkonzert veranstaltete. Fast so, als würde er den geheimen Bunkereingang hinter der Spülmaschine suchen. Es klang zumindest Aufwendig, was auf der anderen Seite aber auch wieder weiteren Raum für Überlegungen bezüglich des anstehenden Gerichtes bot. Aber bevor der Blondschopf sich weiter in die Thematik des Frühstücks hineinsaugen ließ, so dass der Hunger immer größer und ungebändigter wurde, schaute er lieber nochmal auf das Blatt seines Gegners, welches dort auf dem Tisch lag und stille Dominanz demonstrierte. „Sag mal, du hast gestern Abend echt eine verdammte Menge an Glück gehabt.“, rief er in die Küche und wechselte synchron dazu immer mit seinem Kopf zur Küchentür, als würde er Jacob direkt sehen können. „Da habe ich ja nochmal Schwein gehabt, dass ich meine Karre nicht verwettet habe.“, und ein tiefes Lachen erfüllte den Hauptraum des Appartements. Da fiel ihm was ganz anderes wie Schuppen von den Augen. „Sag mal, Jacob, kannst du überhaupt Autofahren?“, das Grinsen kehrte zurück und die lästerliche Stimme zurück, „Vertraut man dir sowas überhaupt an?“. Immerhin hatte er noch nie großartig mit dem Vampir über irgendetwas in der Richtung gesprochen. Er wusste nicht mal ob der Blutsauger überhaupt mal in die Nähe eines Steuerrads gelassen wurde. Wobei Riley eher weniger die Sorge blieb, dass er es nicht führen konnte. Also, das Fahrzeug. Sondern dass er den Leuten wohl auch bei einer grünen Ampel die Vorfahrt gönnen würde. Schwachsinnig, aber das Gänseblümchen und die generelle Beziehungsdynamik hinterließen halt so ihre kleinen Vorurteile. Vielleicht – und das dachte er jetzt nicht aus Feindseligkeit – sollte er sich doch mal mit dem Kaffeemonster auseinandersetzen. Er kannte Roxanne zwar schon lange, aber er tratschte nicht mit Rox über Gott und die Welt. Gut, die paar Hinweise auf dem Ball mal außen vorgenommen. Die waren sowieso sehr allgemein gehalten. Aber nach all dem was er auf dem Ball mitbekommen hatte, wäre sie vielleicht bereit die Informationen zu teilen. Ob das eine Gegenleistung verlangte? Vermutlich. Das Luder war immer auf sowas aus. „Nichts ist umsonst.“, würde sie bestimmt sagen, wenn die Blondine nun hier wäre. Und das stimmte. Selbst seinen Kaffee, für den sie nicht bezahlte, Kostete ihn jeden Morgen seine Nerven. Da fiel ihm was anderes ein: Hatte er heute eigentlich Dienst? Eigentlich ja nicht, oder? Er war leider nicht zuhause um das überprüfen zu können … super. Aber vielleicht konnte ihm @Amélie weiterhelfen. Er kramte also das Handy schon einmal heraus. Nicht aber, ohne Jacob an seinen Gedanken teilhaben zu lassen. „Ey, Jacob. Mal nen anderes Thema, abseits von Motoren.“, er stand auf und ging mit den Händen in der Tasche seiner Anzughose endlich hin zur Küche. Auf dauerhaftes Schreien hatte auch der Arzt keine Lust. „Schonmal daran gedacht dich in die Höhle des Löwen zu begeben?“, fragte er und lehnte sich an den Türrahmen der Küche, wo er lässig sein Telefon betrachtete. Ob er sich eigentlich noch daran erinnerte, dass er ihm Gestern gesagt hatte, dass er ihn ruhig Riley nennen konnte? Vermutlich nicht. Ist wohl im Alkohol untergegangen. „Also, wegen Rox und so.“, ergänzte er und verzog leicht nachdenklich das Gesicht. Was eher an der Teilung seiner Konzentration lag. Tippen und Reden war echt nicht einfach. Wie schafften das die Frauen immer? Unverständlich! „Vielleicht … solltest du dich mal mit deinem Erzfeind arrangieren. Frauen reden viel und wenn ich mich nicht täusche…“, er konnte ein kleines Grinsen nicht verkneifen, „…schien ihr das andauernde Hin und her auf den Zeiger zu gehen.“. Das Grinsen wurde noch breiter, als er sich wieder an die Situation erinnerte. „Allein die Reaktion als dein Schwarm weg musste. Die Enttäuschung war echt spürbar.“. Und dabei war er eigentlich mit was anderem Beschäftigt gewesen.
Es erschien ihm wie ein Traum, beinahe ein Segen, dass Riley seine Reaktion unkommentiert ließ und sich dazu nur seinen Teil dazu dachte. Erst auf dem Weg zur Küche meldete sich der Blondschopf zu Wort – zum Glück noch immer nicht mit dem befürchteten Kommentar. Irgendwie freute es den Vampir, dass sein Angebot zum Frühstück angenommen wurde. Vielleicht war das ja seine beste Gelegenheit, um ein paar dicke Pluspunkte zu sammeln. Zumindest, sofern er es nicht komplett übertreiben würde. Rührei, Toast und eine Tasse Kaffee mussten somit ausreichen. Der Eierkarton im Kühlschrank wurde schnell hinter einem Glas Marmelade hervorgekramt und neben einer kleinen Rührschüssel abgestellt. Während er geschickt die ersten Schalen aufschlug drangen ein paar Worte in die Küche, die sein kleines Ego sanft streichelten und ihm ein leichtes Schmunzeln auf die Lippen zauberten. Ja, wenn er gewollt hätte, hätte er den Arzt an diesem Abend richtig abziehen können. Doch da er nicht sicher sein konnte, ob er es mit einem schlechten oder guten Verlierer zu tun hatte… so groß war seine Neugier dann doch nicht, die Müdigkeit dafür umso größer. Die Eierschale brach mit einem leichten „knack“ auf und wenig später schwammen Eiweiß und der Dotter munter in der Schüssel unter ihresgleichen. Doch so schnell das Lob gekommen ist, desto schneller folgte der Schlag in die Magengrube. Nagut, eigentlich nicht, weil sich der Schwarzschopf von dieser Tatsache nicht weiter stören ließ. „Ne, ich hätte deinen Wagen höchstens als Outdoor-Bett verwendet. Und bis jetzt war es nie nötig, selbst zu fahren. Wir hatten immer einen Chauffeur, was sich hier wohl auch nicht ändert“, servierte er direkt einen kleinen Gegenschlag. Er könnte sich wirklich dran gewöhnen, vom Arzt durch die Gegend gefahren zu werden. Nur wohin? Mehr als ab und an mal einkaufen war nicht nötig und die anderen Wege erledigten sich gut zu Fuß. Er müsste den Sonnenbrillenträger also nicht in die Knechtschaft aufnehmen, wobei kaum vorstellbar war, dass dieser das auch mitmachen würde. Höchstens im Austausch gegen Zigaretten, doch die Menge würde vermutlich sein Budget sprengen. In der Schüssel hatten sich mittlerweile genug Eier versammelt, sodass er mit der Zubereitung fortfahren konnte und die Pfanne nebenbei auf dem Herd mit etwas Öl erhitzen ließ. Seinem Gast schien es auf der Couch in der Zwischenzeit wohl zu langweilig geworden zu sein, sodass er sich auf den Weg in die Küche machte und ihm Türrahmen lehnte. Kurz drehte er sich zu diesem um, widmete sich dann aber schon wieder der Frühstücksherstellung. Immerhin wurde aus der gewürzten Flüssigkeit nicht von alleine leckerem Rührei. „Höhle des Löwen?“, fragte er dennoch mit hochgezogener Augenbraue und ließ die zähflüssige Masse in die mittlerweile heiße Pfanne fließen. Die genauere Ausführung Rileys Plan gefiel ihm jedoch ganz und gar nicht. Die Blondine war so ziemlich die letzte Person, die er nach Beziehungstipps fragen wollte. Doch nach genauerem Überlegen, herumrühren in der Pfanne und dem kleinen Denkanschubser des Docs erschien das gar nicht mal so dumm. Eine andere Möglichkeit sah er mittlerweile ohnehin nicht und der Mut zur weiteren Eigeninitiative wanderte immer weiter gen Null. „Weißt du, wo sie heute Morgen steckt? Oder schickst du mir ihre Handynummer?“, gab er schließlich klein bei. Während die orangefarbene Masse immer weiter an Form gewann steckte er die ersten Scheiben in den Toaster und füllte den Kaffee in zwei Tassen. „Schwarz?“, warf er dabei die Frage aller Fragen in den Raum und wandte sich wieder dem Rühren in der Pfanne zu. Es dauerte nicht mehr lange, da war der kleine Stapel Toast fertig und auch das Rührei war bereit, um auf die Teller verteilt zu werden. Vollbeladen balancierte er die Teller zum Esstisch und stellte sie sicher ab, die Tassen wurden schnellen Schrittes nachgeholt, sodass das Frühstück endlich beginnen konnte. „Bin mal gespannt, wie viele der Kinder sich von ihrem Mageninhalt verabschieden mussten. Hoffentlich ist nichts in den Betten gelandet“, sprach er seine schlimmste Vermutung an, während er die Spielkarten wegräumte und sich schließlich setzte. Ein kleiner Morgenrundgang stand wohl außer Frage, auch, wenn er sich das eigentlich ersparen will. Doch Job ist Job, viel Wahl hat er da nicht. Und er kann seine Kollegen ja auch nicht hängen lassen. Bevor Jake sich seinem langersehnten Kaffee widmete schickte er eine kurze Nachricht an Jack raus, um sich vorab schon mal nach der Lage dort draußen zu erkundigen – vielleicht war er ja schon längst auf den Beinen und hatte alles erledigt?
Tse! Als ob er hier einfach immer den Chauffeur spielt! Obwohl der neue Erzieher ihn nicht wirklich direkt erwähnt hatte, gab es durchaus bestimmte Anzeichen eben dieses Sachverhaltes zu Gunsten. Allein schon, dass er ihn heute Morgen mitgenommen hatte. Oder generell in den letzten Monaten mal mitgenommen hatte, sprachen für sich. Was im Endeffekt die Hoffnung des Blondschopfes steigerte diese kleine Erniedrigung seines Stolzes durch Gekonntes auslassen einer Antwort im Keim zu ersticken. Er war hier der Brite. Wenn ein Anrecht auf Leibeigene hatte, dann ja wohl er. Klang doch auch super: „Kolonie Jacob Chandler: Im Besitz von Riley Constantin. Und dann kam der Schwarzhaarige jeden morgen vorbei und mähte den Rasen, damit sein Herrscher jeden Abend in Ruhe grillen kann. Er wäre auch kein schlechter Herrscher. Sogar ein Bier und ein Stück Fleisch würde der Vampir bekommen. Also wenn es das schon nicht wert war, was dann? Nicht jeder hatte den Luxus an King Arthurs Tafel runde zu sitzen. Er sollte sich also durchaus geehrt fühlen so einen spendablen Herren hier auf der Insel gefunden zu haben. Aber bevor Rileys Koloniale Fantasien noch höhere Sachen an die Oberfläche kommen ließen, ging er lieber zu Jace in die Küche.
Vermutlich kam er sogar deswegen mit Karina um die Ecke, weil das ungefähr so ähnlich sadistisch war wie der Kaffeediebstahl. Aber naja, allein an Jacobs Reaktion war zu vernehmen, dass ihn das Ganze ziemlich unvorbereitet traf. Leicht grinsend verblieb der Arzt nach Sendung seiner Textnachricht und beobachtete den visuellen Denkprozess Jacobs, als dieser sich nebenbei noch mit dem Frühstück duellierte. Doch anscheinend schien es eine kleine Spur des Einlenkens zu geben. Was Riley ehrlich gesagt gar nicht gedacht hätte. Leicht verdutzt, aber trotzdem noch großteilig sehr gefasst, spielte er die Idee einfach mal weiter aus. Immerhin war es nicht ganz uneigennützig. Wenn er sich mit ihr gut stellte, dann musste der Arzt es nicht tun. Und Vinny erzählte ja nie was, also war Jacob sein geborener Doppelagent. Vorausgesetzt er ließ sich von ihr nicht um den Finger wickeln. „Klar, moment.“, und das Handy fand wieder den Weg in seine Hände. Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Nummer des Monsters weitergeleitet. Woher er die hatte? Nun, die Blondine hat sie ihm persönlich in die Hand gedrückt. Obwohl die Intention dahinter immer noch ziemlich vage war. Dennoch, Riley hat sie sich einfach mal gespeichert. In diesem Falle wohl das Glück des schwarzhaarigen Küchenchefs. Wer wusste was allein die Nummer zu kriegen von ihm abverlangt hätte? Man sollte es besser nicht ausreizen. „Viel Erfolg.“, wünschte er ihm Glück bei dem Vorhaben. „Und ja, schwarz.“, hängte er gleich noch hinten dran, damit man ihm auch ja kein unangemessenes Getränk servierte. Denn jetzt ging es erstmal ans Eingemachte! Oder besser gesagt: Ans Frühstück. Es war also keine Wunder, dass sich die beiden Männer schnell am Tisch mit den Karten wiederfanden und diesen kurzerhand wieder für andere Sachen nutzbar machten. Der Tag konnte nicht besser werden. Immerhin würden sie diese verhexte Runde nicht weiterspielen. Mal abgesehen davon das der Teufel sowieso sein Blatt konsequent verfluchte. Oder Jacob einfach nur miserabel mischte. Also, miserabel für seine Wenigkeit. Ein Talent was der Blondschopf auch gerne haben würde. Allein die Wetten die er damit gewinnen konnte. Einfach nur genial…nicht.
Denn das beste Thema zum Essen ist natürlich mal wieder von Jace ausgewählt worden. „Alter…“, sprach der Doc unglaublich ernst an und musste dann grinsen. „Wir essen und du kommst mit diesem Thema um die Ecke.“, machte er weiter und stellte aus Respekt vor seinen vielleicht kommenden Gestiken die Kaffeetasse wieder ab. „Das ist ja wie als wenn ich auf ein Date gehe und eine spannende Geschichte vom letzten Gynäkologentreffen erzähle. Uncool.“, auch wenn er es eigentlich ganz witzig finden würde. Aber den Humor konnte man leider nicht jedem oder jeder zumuten. Der Allgemeine Konsens war wohl eher auf normalen Gesprächen behaftet. „Aber vielleicht ist das auch nicht das richtige Beispiel. Darmprobleme wären wohl besser in der jetzigen Situation.“, er lehnte sich entspannt und Selbstgefällig zurück. „Ich meine, wenn ich dir jetzt erzähle das ich gestern Abend so richtig einen…“, und er lachte und brachte es nicht zu Ende. Denn allein bei dem Gedanken war ihm sogar schon selbst der Appetit wieder vergangen. Gott ey, war das Frühstück beschissen. Trotzdem saß er hier und lachte weiter. „Aber du verstehst worauf ich hinauswill, oder? Rede lieber darüber wie viele der Heimbewohner in Biologie nicht aufgepasst haben. Die Überraschung kommt nämlich erst schleichend. Und das wird nicht lustig.“, er schüttelte sich sichtlich. „Stell dir das mal vor, so nen Engelsdrache. Oder noch besser: Fuchsdrache.“, er stockte kurz, weil ihm das ein paar unglaublich skurrile Gedanken bescherte. „Ich meine, gibt es sowas überhaupt?“, und sein Blick wandte sich fragend dem neuen Erzieher zu. In seinem Kopf war allerdings so ein richtig flauschiger Drachenkopf zu sehen, der eigentlich sehr merkwürdig knuffig aussah. Er sollte sich mal mehr mit dieser Rassenlehre auseinandersetzen...
Eine neue Handynummer, eine neue erste SMS und damit auch die Chance auf einen weiteren Spitznamen, den er wohl nie wieder loswerden würde. Ob er einfach ‚Jacob‘ ans Ende der Nachricht schreiben sollte, oder diese Möglichkeit ausnutzen, um sich einen verdammt coolen Namen einzuhandeln? Vermutlich würde er das Risiko lieber nicht eingehen, zu groß war die Chance, dass das ganze mächtig nach hinten losgeht. Er würde einfach kurz um ein persönliches Gespräch bitten, wie viel konnte man dabei schon falsch machen. Und mit einer Vorwarnung in Textform an die Blondine müsste er sich auch nicht so lange erklären – hoffentlich. Zumindest blieb ihm erspart, erst im halben Wohnheim oder sonst wo nach Karina fragen zu müssen. Jedenfalls, für das Erhalten der Handynummer schenkte er seinem Wingman noch ein knappes: „Danke“, immerhin musste diese heldenhafte Tat ja gewürdigt werden. Vermutlich spielte es Riley selbst in die Karten, dass er sich mit der Dame auseinandersetzen würde. So genau hinterfragte er das besser gar nicht, wer wusste schon, auf welche tiefen Abgründe man dabei stoßen würde. Und er wollte dem Arzt seine gerade erst verdienten Sympathiepunkte nicht direkt wieder aberkennen müssen. Wobei mit seiner nächsten Entscheidung noch einige dazu kamen. Hatte er dafür überhaupt eine richtige Skala? Vielleicht sollte er sich ein Notizbuch dafür anlegen und die ersten paar Seiten ordentlich führen, bevor ihm die Lust vergeht und das Ding nur noch in der Ecke liegt und verstaubt. Mit einem zufriedenen lächeln würdigte er die einzig richtige Art, seinen Kaffee zu trinken – schwarz. Man kauft ja nicht die guten Bohnen, um sie mit Milch, Zucker, Kaffeesahne oder was auch immer zu verschandeln. Soll sogar Leute geben, die Zimt in die heilige Flüssigkeit streuen. Ein Schwerverbrechen, zumindest aus seiner Sicht. Vielleicht lag das aber auch an seiner Erziehung, wer weiß.
Erst mit dem Protest des Brillenträgers zu seinem Frühstücksthema wurde ihm bewusst, wie unpassend das eigentlich war. Manche störten sich daran ja, ihm persönlich war das relativ egal. Dennoch ließ er ein kurzes, entschuldigendes Lachen verlauten, spätestens nachdem seine Gedanken die Gynäkologenstory verarbeitet hatten: „Sorry, war volle Absicht. Damit mehr Essen für mich bleibt, weißt du?“ Natürlich war das nicht ernst gemeint, aber das tat nichts zur Sache. So leichtgläubig war Riley ja nicht. Zumal die vorgeschlagenen Themen seines Gegenübers auch nicht passender zu sein schienen. Skeptisch zog er hinter seiner Kaffeetasse eine Augenbraue hoch und nahm einen kleinen Schluck, ehe er kopfschüttelnd die Tasse abstellte. „Ich rede mir jetzt einfach ein, dass das alles vor meinem Eintreffen passiert ist“, versuchte er seine sich überschlagenden Gedanken zu stoppen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, auf was genau das gerade eine Andeutung sein sollte. Vermutlich nichts, was er wissen wollte. Doch die Themen wurden einfach nicht besser. „Vielleicht hätte neben der Schüssel noch ein Schild zur Erklärung liegen sollen?“ Ob diese Herangehensweise eher von Erfolg gekrönt gewesen wäre, stand in den Sternen. Aber gab ja genug Videos im Internet. Blieb nur zu hoffen, dass die Kinder aufgepasst haben und sich daran hielten. Es gab so einige der weiblichen Heimbewohner, die er nicht mit Stimmungsschwankungen dank verrücktspielender Hormone erleben wollte. Drachen war da ein guter Stichpunkt und ganz oben in der Rangliste. „Verschon mich mit deinen Genexperimenten“, versuchte er, das Thema ganz schnell vom Tisch zu kehren. Wieder etwas, worüber er wirklich nicht nachdenken wollte. Fliegende Werwölfe, Katzen mit Schuppen… nee, das musste wirklich nicht sein. Besser es blieb alles, wie es war. Zumal Riley nicht bedacht zu haben schien, dass er diese Wesen dann behandeln müsste, er selbst könnte im Wohnheim ja einfach einen Bogen drum machen. „Ist man als Arzt eigentlich automatisch Geburtshelfer? Wäre viel Arbeit für dich“, grübelte er laut vor sich hin und widmete sich endlich seinem Rührei, was er im Wechsel mit einem Bissen Toast verdrückte. Dank des doch recht großen Hungers dauerte es nicht lange, bis sein Teller geleert war und lediglich ein kleiner Schluck Kaffee in der Tasse verblieben war, der innerhalb der nächsten Minuten auch noch vernichtet werden würde. Doch erstmal nutzte er die Zeit, die SMS an seine Informationsquelle zu formulieren – immerhin war sein kleiner Gehilfe jetzt noch da. Er tippte zunächst einen kurzen Text ein und schob das Handy dann über den Tisch, sodass der Doc einen Blick darauf werfen konnte. „Denkst du, das passt so? Oder werde ich dadurch mehr in der Luft zerrissen, als ohnehin schon?“ Viel hatte er nicht geschrieben. Lediglich eine knappe Begrüßung, dann die Frage, ob sie sich heute kurz treffen könnten weil er Fragen Bezüglich Roxanne hatte und sein Name mit einer netten Verabschiedung. Musste reichen. Keine Smileys, kein um den heißen Brei reden.
„Nichts anderes hätte ich von dir erwartet!“, warf Riley noch auf die kriminellen Motive des Schwarzhaarigen ein, als dieser doch alles für sich haben wollte. Innerlich grinste der Doc trotzdem sehr süffisant, weil es unter anderem auch ein valider und guter Konter war. Wurde doch langsam! Vielleicht konnte man den neuen Erzieher ja doch ein bisschen gegenüber anderen Sachen abhärten. Besonders jetzt, wo er sich in die Höhle des Löwen begeben wollte, war das vielleicht sogar ein ganz gutes Vorbereitungstraining. Ganz besonders nachdem er seine Andeutungen und die damit verbundene Erwähnung möglicher Sprösslinge beendet hatte, war Jacob eindeutig anzusehen, dass dies nicht sein favorisiertes Thema war. „Wenn du meinst.“, grinste der Brite und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. Ließ sich aber schon kurz danach zu seinem ersten Schluck Kaffee hinreißen. „Mh!“, summte er überrascht und stellte die Tasse ab, „Nicht schlecht das Zeug. Respekt.“ Und weil er das Essen nicht unwürdig behandeln wollte, folgte auch sogleich eine Kostprobe des Rühreis. Worauf hin nur ein zufriedener Daumen hoch seine Anerkennung von Jakes Kochkünsten bestätigen sollte. Der laut Riley Geschmack ein bisschen zu sehr auf diese Geburtsschiene ging. Es war ja in Ordnung das zu fragen. Aber genau das war nicht gerade sein favorisierter Job. „Also, normalerweise brauchst du dafür eine verdammte Ausbildung.“, sagte er und schaufelte einen weiteren Teil seines Tellers in den Mund. Kaute kurz, dann setzte er wieder an: „Und die habe ich auch notgedrungen machen müssen. Aber ich würde es ehrlich gesagt lieber vermeiden. Ich bin nicht so der Mensch für solche Sachen.“. Einen kurzen Moment lang blieb der Arzt sogar still. Als ob er seinen Eigenen Standpunkt noch einmal selbst überprüfen wollte, weil diese Meinung schon ein paar Jahre her war. Aber ja, er empfand es immer noch als nicht sonderlich förderlich. Aber er kam auch gar nicht dazu das Thema weiterzuführen. Denn der neue Erzieher hatte es sich mittlerweile zur Aufgabe gemacht die Nachricht in Angriff zu nehmen.
Interessiert schob der Arzt seine Brille etwas nach vorne, damit er die Buschstaben auf dem Display besser lesen konnte. Genau zwei Mal konnte man seine Augen von links nach rechts wandern sehen, dann legte er Jacob das Ding wieder auf den Tisch und nahm sich seinen Kaffee. Den Schwarzhaarigen so lange wie möglich auf die Folter spannen, damit dieser auch ja nervlich richtig aufgerieben wurde. Wobei er gerade nicht den Eindruck vermittelte großartig Nervös zu sein. Vorsichtig traf es da schon eher, aber das konnte man ihm bei der Person auch nicht verübeln. „Also, ich würde es so lassen. Wenn du mich so anschreiben würdest, dann wäre alles klar.“, deutete er an und zuckte – erneut – mit den Schultern. Das er dabei die Tatsache vergaß, dass er hier mit einem weiblichen Individuum schrieb, dass sich noch dazu auf Roxannes Tratsch-Ebene bewegen konnte, fiel hier dezent hinten runter. „Also wenn sie das nicht versteht, dann kann ich ihr auch nicht helfen.“. Und sie würde es verstehen. Dafür war die Neugier viel zu groß, als dass sie den hilflosen Vampir einfach versauern lassen würde. War halt so. Luder blieb Luder, das war ein Naturgesetz. Der Blondschopf grübelte erneut ein kleines bisschen. „Wobei … nah, eigentlich nicht. Wenn du zu nett bist könnte sie auf die Idee kommen, dass du verzweifelst Hilfe suchst. So in dem Wortlaut wäre es sogar ein bisschen geheimnisvoll.“, er fing unerklärt an zu lachen. „Ich hätte dir für diesen Informationsmangel ne kritische Augenbraue geschenkt, aber die steht sicherlich auf Rätsel und Geheimnisse.“, das „Deswegen bin ich vermutlich auch so langweilig.“ Ließ er aus Achtung vor seinem großen Ego und Stolz einmal aus. Er wollte ja Jacob keine gratis Munition liefern. Er musste die Angriffspunkte bei ihm schon selbst finden. Oder die richtigen Sachen nutzen, sollte der Brita mal einen unbewusst liefern. Sowas wie der „neue Erzieher“ zum Beispiel. „Wird dich schon nicht umbringen. Dafür ist sie vermutlich viel zu nett.“, schloss er seinen Exkurs über das Kaffeemonster ab und beließ es dann auch dabei. Er nutzte die Erinnerung an das Telefon sogar selbst, damit er seiner Kollegin erneut antworten konnte. Die machte sich sicherlich schon sorgen. Oder irgendwie so. Oh … doch nicht.
Endlich jemand, der das gute Zeug auch wirklich zu würdigen wusste! Ohne Verschandelung mit Milch und Co., es war fast wie ein Traum. Dementsprechend breit musste der Vampir beim Lob seines Kaffee auch grinsen. „Hab beim letzten Einkauf etwas zu viel mitgenommen, wenn du willst, kann ich eine Packung an dich abtreten“, erklärte er sich großzügig bereit. Natürlich hätte er die auch alleine aufgebraucht, doch es lief gerade so gut, da konnte er sich ruhig eine kleine, freundschaftliche Geste erlauben. Pluspunkte sammeln und so. War immer gut, einen Arzt zu seinen guten Bekannten zählen zu können. Aber nicht nur deshalb, Riley war wirklich ein netter Kerl – von den paar Macken mal abgesehen. Doch der Blutsauger war selbst vermutlich auch nicht besser, also würde er im Glashaus nicht mit Steinen werfen. Die Würdigung seines Essens ging runter wie Öl, auch wenn das breite Grinsen diesmal ausblieb. Er wusste ja, dass er ein guter Koch war. Wer da meckerte hatte entweder einen total verkorksten Geschmack oder war sich zu fein, die Wahrheit einzusehen.
Neugierig nach vorne gebeugt, mit den Unterarmen auf dem Tisch ruhend fixierte er den Blondschopf, während dieser die Nachricht überflog. Ungeduldig blickte er zwischen dem Handy und ihm hin und her, jeden Moment mit einer Antwort rechnend. Doch sie kam einfach nicht. Auch nicht, als ihm das Handy zurückgegeben wurde. Hatte er so einen Müll geschrieben und der Blondschopf überlegte, wie man ihm das möglichst schonend beibringt? Ne, vermutlich würde er sich nicht die Mühe machen, so was schön zu verpacken. Was ihn in gewissem Sinne sogar beruhigte. Jedenfalls schien der kurze Text okay zu sein und wirkte auch nach dem Gedankenspiel seines Korrekturlesers noch passend, sodass er einfach ohne weitere Überlegungen auf Senden drückte. Sonst würde er nur weiter darüber grübeln und erneut zweifeln. Musste echt nicht sein. „Dass gerade du sie nett nennst?“, warf er in den Raum, offensichtlich etwas überrascht. Der Doc wirkte alles andere als entspannt in Karinas Nähe – doch vielleicht hatte das auch andere Gründe. Den geforderten Tanz zum Beispiel. Zum Glück kamen sie gestern um all das herum und mussten die Kinder nicht mal ermahnen, anders als sein Kollege offenbar. „Jack musste gestern noch eine Party auf den Zimmern unterbrechen“, brachte er auch Riley auf den neusten Stand. Vermutlich waren es die üblichen Verdächtigen, doch solange er selbst nicht den Spaßverderber spielen musste war alles gut. Pluspunkte und so, kam immer gut, wenn man sich nicht überall rein hing. Musste auch gar nicht sein.
Da das Frühstück offenbar für beendet erklärt war, machte Jacob sich ans Aufräumen. Er ging einfach mal davon aus, dass sein Gast mittlerweile auch satt war, wenn nicht müsste er eben protestieren. Die leeren Teller stapelte er aufeinander und brachte alles, mitsamt den leeren Tassen in die Küche, wo er direkt mit dem Spülen anfing. „Mit Glück ist das Wohnheim heute leer und alle sind am Strand. Bei der Hitze“, äußerte er eine Vermutung nach Blick auf das Thermometer. Keine guten Umstände, um verkatert im Bett zu liegen. Vielleicht sollte er gleich mal eine kleine Runde drehen, um mögliche Partyopfer aufzuspüren und zu versorgen. Es gab bestimmt noch einige, die ihr Zimmer nicht verlassen hatten um an die benötigte Schmerztablette zu kommen. Die sauberen Teller platzierte er zum Trocknen in einem Abtropfgestell und trocknete sich selbst die Hände ab, ehe er sich auf die Suche nach der versprochenen Packung Kaffeebohnen machte. „Bin mal gespannt, wann die Antwort kommt. Soll ich dich auf dem Laufenden halten, oder bist du nicht so interessiert?“ Da! Hinter der mit Mehl gefüllten Dose entdeckte er die vertraute Packung der heiligen Kaffeebohne und zog sie hervor. Mit einem einfachen: „Hier“, überreichte er dem Blondschopf seinen Fund.
„Ey! Ich sagte vermutlich!“, unterstrich der Doc seinen genauen Wortlaut nochmal und erhob dabei mahnend den Zeigefinger. Fast so, als würde man ihm damit eine Straftat unterstellen wollen. „Also fixiere dich nicht so auf das letzte Wort, bringt nur Unglück.“, und das war ja auch nicht verkehrt. Er sollte bloß nicht vergessen, dass er hier eine rein spekulative Arbeit ausführte. Er nannte halt nur die Fakten und umbringen würde sie den neuen Erzieher bestimmt nicht. Kein Luder wollte sich gerne vor der liebsten Lästerfreundin für das Verschwinden des Freundes rechtfertigen. Aber gut, dass Jacob das wohl ohne Probleme nachvollziehen konnte. Es schien so, zumindest schnitt sein Gegenüber ein neues Thema an: Partys. Wie die Jugendlichen nach einer Party gleich noch eine anfangen konnten, erschloss sich selbst dem Blondschopf nicht so wirklich. Warum geht man … warum tut man? Ach, was solls, er würde es nicht verstehen. Vermutlich war er zu alt für sowas, nicht mehr in der Blüte seiner Zeit. Gedanklich war er sicherlich schon auf der Ebene eines Rentners, was ihn sogar kurz einen Moment schmunzeln ließ. Da ihm sein genereller Look dezent egal war, sinnierte er über einen Mann mit grauen Haaren, Krückstock und Sonnenbrille. Ihn zu erkennen wäre sicherlich ein leichtes. Falls es überhaupt dazu kommen sollte. Seine Alterung hielt sich ja ziemlich … in Grenzen, könnte man sagen. „Vermutlich wieder die gleichen Übeltäter. Es gibt nicht viele die danach noch genug Energie für Blödsinn haben.“, schränkte er instinktiv den Kreis der Verdächtigen ein und äußerte mit „Da war bestimmt Alkohol im Spiel.“ eine seiner nächsten Vermutungen. Was zum Teil auch der Ablenkung diente. Jacob hatte ihm immerhin etwas in Richtung Kaffee versprochen. Natürlich wurde er dort hellhörig, am Tisch jedoch war nichts zu finden. Das Riley beim Abräumen mithalf war nicht zuletzt auch diesem Fakt zu verschulden gewesen. Natürlich war der Kaffee in der Küche, wo denn auch sonst? Dementsprechend folgte er brav dem Schwarzhaarigen und lud das restliche Geschirr neben ihm auf der Spüle ab, bevor er ihm ein bisschen Freiraum zum Arbeiten einräumte. Zwei Leute würden mehr behindern als großartig die Effizienz erhöhen. Außerdem konnte er selbst es nicht wirklich leiden, wenn man ihm beim Abwasch half. War so ne Sache von Gewohnheit es sowieso immer alleine zu machen. Ob das nun gut oder schlecht war, musste jeder für sich entscheiden. Der Doc hatte keinen Zweifel daran, dass es bei Gästen durchaus Konfliktpotential innehatte. Er lehnte sich also ganz entspannt an eine freie Ecke des Raumes, wo er Jacob nicht allzu sehr im Weg stand.
„Entweder das, oder sie gammeln alle in ihren Zimmern mit vorgezogenen Vorhängen.“, ergänzte er Jacobs Vorschlag und verschränkte die Arme, „Wenn du Glück hast, müssen sie auch noch ihren Rausch loswerden. Das warme Wetter wird dabei zwar wohl kaum helfen. Aber hey, sie es mal so: Vielleicht trinken sie dann beim nächsten Mal nicht mehr so viel.“. Kenne dein Limit und so. Das waren zumindest immer die Aufschriften dieser Anti-Trink-Kampagnen und unrecht hatten sie ja nicht. Wer sich immer komplett abschoss, der war nicht dafür geeignet. Genauso wie aggressive Leute am Steuer nicht in ein Auto gehören. Aber mit der Meinung war er sicherlich nicht alleine. Auf die zweite Vermutung seines Gastgebers folgte dann nur noch ein Schulterzucken. „Interessieren tut es mich schon, so ist es nicht.“, räumte er ein und versuchte so gut wie möglich zu verbergen, dass sein neuer Doppelagent natürlich seine Unterstützung hatte, „Aber wann sie antwortet, keine Ahnung.“. Ein leichtes Grinsen streifte sein Gesicht und er lachte kurz. „Oder bin ich sie?“, fragte er relativ ironisch in den Raum, während sein Blick die ganze Zeit auf Jacob lag. „Sag jetzt besser bloß nichts falsches!“, und dabei ging es ihm nicht um den simplen Fakt, dass sie nicht gut aussah oder so. Nein, er könnte die Persönliche Art und ihre Blicke einfach nur nicht leiden. Das musste aber keiner wissen. Sein kleines schmutziges Geheimnis. Aber Vinny war sowieso der Einzige, welcher absolut kein Problem mit ihr aufwies und er fragte sich langsam warum. Vielleicht sollte er da mal nachhaken. „Und außerdem: wie könnte ich dich jetzt im Stich lassen, während ich dich gerade in die Höhle des Löwen schicke? Würde mir gar nicht einfallen.“, ließ er relativ überzeugend verlauten als er zufrieden die Packung mit dem magischen Kaffee in seinen eigenen Händen hielt und sie einmal kurz dankend mit erhob. „Sehr geil, danke.“, nahm er das Bestechungsgeschenk entgegen. Es war doch eines, oder? „Ich werde ihm zuhause einen Ehrenplatz im Schrank verschaffen.“, und seine Nase ging erstmal an der Packung auf Erkundungstour. Es roch wirklich nicht schlecht. Der Bengel hatte einen wirklich guten Geschmack, Halleluja! Aber erstmal musste er sowieso den angebrochenen Bohnentee zuhause austrinken. Einfach die Sorte zu wechseln war ein absolutes No-Go. Erst eine Sache beenden, dann zur nächsten. Arbeitsplanung und so, galt bei dem Brillenträger auch für Kaffee. „Bin mal gespannt wie er schmeckt. Der Geruch ist echt nicht von schlechten Eltern.“, lobte er dann nochmal sein Geschenk und das Ego des Erziehers etwas in die Höhe, bevor er begann sich den Text auf der Packung mal durchzulesen. Vielleicht war da ja was Spezielles dran? Könnte er ja bei seinem Kaffee mal drauf achten. „Ich nehme sonst immer einen aus Kolumbien.“
Die Theorie, dass die Kinder bei der nächsten Gelegenheit weniger tranken, hielt Jake für recht unwahrscheinlich. Die Meisten überschätzen sich dann noch genau so und übertrieben es wieder, oder der Gruppenzwang machte einfach sein Ding. Jedenfalls, es war sehr wahrscheinlich, dass sie nicht so schnell merkten, wie dumm das eigentlich war. Naja. Dafür war man ja jung, nicht? Über die Aufräumhilfe war der Gastgeber sehr dankbar, so blieb es wenigstens nur bei einem Gang in die Küche – und keiner von der Sorte, bei der man riskierte alles fallen zu lassen, weil man zu faul war noch mal zu gehen. Das wurde zum Glück verhindert, weshalb er die Geste mit einem lächeln und dankendem Nicken guthieß. Der Abwasch war schnell erledigt und die Kaffeesuche begann, währenddessen klingelte sein Handy auf dem Tisch. „Vielleicht war das schon die Antwort?“, ging er auf die vorhergegangene Aussage ein, machte aber noch keine Anstalten, direkt nachzusehen. Immerhin war er hier auf einer lebenswichtigen Mission und hatte alle Mühe, sich einen unpassenden Kommentar zu verkneifen, das breite Grinsen gab es trotzdem. Eine gewisse Ähnlichkeit bestand ja schon. Blond, beide eine Vorliebe für das aufziehen von armen, unschuldigen Vampiren. Und sie klebten dem Heimleiter ziemlich am Arsch. Doch er würde sich hüten und das ansprechen, wer wusste schon, was genau dahintersteckte. Alte Freunde von der Schulzeit oder so, die Jüngsten waren sie ja alle nicht mehr – zumindest, wenn er es mit seinem eigenen Alter in Relation setzte. Doch für weitere Gedankenspiele blieb eh keine Zeit, denn sein Beutegut wurde soeben erblickt und feierlich überreicht. „Na, du kannst ja immer noch mitkommen. In die Höhle, meine ich“, startete er einen kleinen Versuch, dem doch nicht allein entgegenblicken zu müssen. Würde vermutlich in die Hose gehen. Doch wer wäre er, wenn er Riley deswegen Vorwürfe machen würde? Stattdessen genoss er das Lob über seinen Kaffee lächelte zufrieden: „Allzu überrascht dürftest du vom Geschmack nicht sein“, erstickte er die Vorfreude im Keim und wies mit einem Augendeut auf seine eigene Kaffeemaschine hin. Als würde er etwas verschenken, wovon er nicht wüsste, ob das gut ankommt. Das Gänseblümchen war eine absolute Ausnahme! Normalerweise ging er bedachter an solche Sachen ran, doch besondere Umstände erforderten besondere Maßnahmen. Und mit dem langen Gespräch mit Ivy vor dem Ball hatte er nun mal nicht gerechnet, geschweige denn mit der späten Zusage zum Date seitens Roxanne. Naja, man musste nehmen, was man kriegen konnte. Doch das war ja nicht das eigentliche Thema. „Meine Schwester hat mir den Kaffee mal vorbei geschickt, zum Probieren. War echt froh, dass der Laden den hier auch hatte“, klärte er kurz die Herkunft der Bohnen auf. Die weiteren Details bekam der Brillenträger ja eh vom Etikett, sofern er das durch die getönten Gläser überhaupt gescheit lesen konnte. Was nichts war, was er hinterfragen würde. Vielleicht waren seine Augen ja auch nur empfindlich. War ja auch egal. Nach der erfolgreichen Übergabe wurde die Neugier dann doch großer, sodass er zurück ins Wohnzimmer ging und das Handy vom Tisch sammelte. „Karina“, servierte er dem Blondschopf sein erstes Update, ehe er das Ding entsperrte und die Nachricht öffnete, um den gesamten Text lesen zu können. Ein leiser Seufzer war zu vernehmen, war klar, dass sie was auszusetzen hatte. Wäre ja auch zu schön gewesen. Doch er war ja derjenige, der etwas von ihr wollte. Weshalb sollte sich die Blondine auch Mühe geben? Bevor er antwortete hielt er das Handy noch seinem seelischen Beistand unter die Nase, damit er nicht alles vorlesen musste und tippte erneut eine Nachricht an dieses teuflische Wesen. „War ja irgendwie abzusehen“, brachte er seine Begeisterung über die Nachricht nach einem tiefen Seufzer zum Ausdruck und drückte nach wenigen Sekunden erneut auf senden. Immerhin hatte er noch etwas Zeit, um sich auf die seelische Folter vorzubereiten. Wobei er besagte Zeit wohl besser dafür nutzen sollte, sich mal bei den Kindern blicken zu lassen und etwas zu arbeiten. „Ich würde dann gleich mal unter die Dusche springen und die Kinder danach stören gehen. Du hast sicher auch noch Pläne heute? Mich zu Karina zu begleiten zum Beispiel?“, kündigte er langsam das Ende ihrer netten Zusammenkunft an. Eine weitere Partie Karten wollte er nicht vorschlagen, wer wusste schon, ob er im Traum sein Glück verloren hatte. Oder ob Riley komplett nüchtern ein geheimes Kartengenie war. Nene, das Risiko ging er heute nicht mehr ein. Vielleicht ein anderes Mal, denn seine Revanche würde der Arzt bestimmt einfordern.
Es war ein billigendes, aber auch verständnisvolles Nicken, als Jacob ihm die Geschichte mit dem Kaffee und seiner Schwester auftischte. Generell konnte man mit Kaffee alles machen. Einen Film starten, Freunde gewinnen, das Auto reparieren, den Tag vertreiben und noch vieles mehr. Kaffee war vielseitig und – auch wenn es jetzt nicht die fehelende Komponente des Fahrzeugs war – half trotzdem beim Reparieren. „Ja, stimmt schon.“, bestätigte er letzten Endes zum ersten Mal nicht scherzhaft und wendete die Packung in seiner Hand, „Für eine kleine Insel hier auf dem Meer, sind wir ziemlich gut aufgestellt.“. Und das war ja nicht einmal gelogen. Zeitschriften aus allerhand Ländern, Wein und was es sonst noch alles gab. Man fand beinahe alles was das Westeuropäische Herz begehrte auch in den heimischen Regalen. In den ganzen zwanzig Jahren hier musste er beinahe nichts missen. Nicht mal dem englischen Tee musste er Abstinent werden und das hieß schon einiges. „Aber gut, das müssen sie auch.“, und der Arzt zuckte mit den Schultern, „Die Kleinen kommen ja aus jeder möglichen Ecke des Planten gewuselt. Nur Ramen und Sushi wäre da wohl etwas fehl am Platz, eh?“. Ein Grinsen strich über seine Lippen und mit einem kurzen Ausstoß von Luft – was ein kurzes Lachen sein sollte – beendete er das Thema mental für sich.
Jacob war sowieso wieder auf dem Weg ins Wohnzimmer gewesen, da nahm sich Riley noch einmal kurz die Zeit einen Blick auf die Beute zu werfen. Ja … nicht schlecht. Er sollte sich überlegen, wie er dem Vampir das zurückzahlen konnte. Es gab bestimmt etwas, dass dieser unbedingt haben wollte. Er musste nur noch rausfinden was genau das war. Ein flüchtiger Blick wanderte durch die Küche, aber so wirklich auffällig kam ihm nichts in dem Moment vor. Na gut, dann halt später. „Hat bestimmt schon sehnsüchtig auf deine Nachricht gewartet.“, kehrte der Humor in seine Stimme zurück und das Grinsen zog seine Lippen auseinander. „Hing oben in der Ecke des Zimmers wie eine Spinne und beobachtete das Handy auf neuer Opfersuche.“. Wie er jetzt auf die Spinne kam wusste allerdings auch er selbst nicht. Vermutlich wegen Handy und Netz. Passte ja gut zusammen, auch wenn der Witz so flach war, dass jede Tiefsee-Bohrung im Vergleich einpacken konnte. Passte trotzdem auf das Luder ... irgendwie. „Und sie hat nicht abgesagt, also ist das doch schonmal was.“, oder Jacob hatte genau darauf gehofft. Nun, er hatte Hoffnung für den Schwarzhaarigen. Würde schon nicht so schlimm werden … aber tauschen wollte er trotzdem nicht. Umso energischer war sein Einwand, als der neue Erzieher ihm seine Tagesplanung offenbarte. „Ne du, lass mal.“, hob er abwehrend mit dem Kaffee die Hände hoch und trat symbolisch einen kleinen Schritt zurück. Kaffee war so vielseitig! Sogar beim Ablehnen half er! „Es gibt gewisse Dinge im Leben, da muss man alleine durch. Und das wäre so etwas.“, seine Hände senkten sich wieder, „Und wenn du nur halb so ein neuer Erzieher bist, wie ich denke, dann wirst du das hinkriegen. Im Falle eines Falles hast du immer noch meine Nummer. Ist wie nen Notruf, ich komme dann und rette dich.“. Wie er das anstellen sollte, das hatte sich der Arzt zwar noch nicht überlegt, aber das würde schon werden. „Kostet dich halt einen Kaffee.“, schob er hinten an und ließ die Packung von der einen zur anderen Hand fliegen. „Du weißt schon, damit das Ganze auch lukrativ erscheint.“. Oder damit der Vampir nicht so schnell auf die Idee kam ihn wirklich anzurufen. Welche Perspektive man nun einnehmen wollte, war jedem selbst überlassen.
„Aber, in diesem Sinne, sollte ich mich wirklich verabschieden.“, beendete er das Gespräch und richtete sich kurz die Sonnenbrille auf der Nase. Sie mussten ja nicht länger hier herumstehen, wenn man nun was zu tun hatte. „Du willst duschen und nach den Kids sehen, ich muss noch im Krankenzimmer vorbei. Also machen wir das jetzt so.“, und die Beine trugen ihn bereits in Richtung der Tür. „War nett, ich lad dich mal ein, wenn Vincent und ich wieder grillen.“, kündigte er noch beiläufig an, hob die Hand zum Abschied und ging dann aus dem Zimmer hinaus in den Flur. So! Ab an die Arbeit!