Die Lobby schließt vom Foyer aus direkt an den Westflügel und befindet sich an diesen Übergang. Offensichtlich ist sie auch aufgrund ihrer Lage in äußerster Nähe zum Eingangbereich sehr repräsentativ gestaltet. Denn auch Besucher sollen sich an der imposanten Inneneinrichtung erfreuen können: Man könnte fast meinen, dass die beiden unterschiedlichen Fauteuils samt dem Sofa ähnlichen Stils schon seit der Errichtung des Anwesens stehen. Auch der niedere Tisch scheint dieser Zusammenstellung beizuwohnen. Weiters verfügt die Lobby über eine Vitrine, in welcher ein altes Service dekorativen Zwecken dient. Herrschen etwas kältere Zeiten über die Insel, so zieht man auch in Betracht, ein wohliges Feuer im Kamin zu entfachen. Generell halten sich hier nur vereinzelt und nicht allzu oft Jugendliche auf - aber ein idyllisches Beisammensitzen vor dem Kamin würden wohl auch nur die Wenigsten verwehren.
Ich traf den jungen Kerl wie erwartet in der Lobby. Staunend sah ich mich um und hauchte anschließend "An der Einrichtung haben die aber nicht gespart, was?" Ich lächelte den Mann freundlich an und ließ mich letztendlich auf der gemütlich aussehenden Couch nieder. Meine Hände rochen noch nach dem Putzmittel, obwohl ich vorhin meine Hände wusch. Mich interessierte, was er war. Da ich meine Magie nicht mehr besitze ist es schwer das heraus zu bekommen also sammelte ich meinen Mut und fragte einfach frei heraus. "Sag mal, Tyrus, was bist du eigentlich?" Diese Frage klingt immer komisch und aufdringlich. "A-also... ich meine deine Rasse..." Nein nein! Das klang alles so falsch! Ich war mir sicher ich bin ein wenig rot angelaufen. "Also, ich bin ein Mensch.", erklärte ich und hielt wieder inne. Sind wir nicht alle irgendwie Menschen? "Nur... ein Mensch." Ich blickte nachdenklich zu Boden. Es ist ein komisches Gefühl, ich habe es noch niemandem erzählt, selbst Shiina nicht.
Ein Magier, der seine Magie in einen Stein im Wald mittels Rune versiegelt, ist seltsam. Ich merke es, wenn ich es ausspreche. Ein Magier ohne Magie ist nur ein Mensch, das stimmt doch? Nur warum fühlt es sich so falsch an das zu sagen? "Also...", begann ich schließlich und setzte wieder ein unsicheres Lächeln auf. "Du musst mir natürlich nichts erzählen, wenn du nicht willst." Ich verspürte den Drang, mich abermals zu entschuldigen, steckte es mir diesmal aber. "Wie ist denn der Job so?", fragte ich schließlich um vom Thema abzulenken. "Klar, wir sind hier, wenn die Kinder Hilfe brauchen..." Ich machte nebenbei den Staubfinger-Test auf der Tischplatte des Kaffeetisches vor mir. "Aber eigentlich sind die meisten ja doch ziemlich erwachsen. Ist das nicht ganz schön entspannend für uns?" Die letzte Frage sollte mehr scherzhaft rüberkommen als ernst und ich ließ ein leises Lachen erklingen.
"Ich hab die letzten 6 Jahre hier verbracht.", erklärte ich und seufzte. Man, so lange schon? Ich war 17 als ich hier herkam. "Ich kann noch nicht glauben, dass das alte Waisenhaus weg ist." Es klang ein wenig wehklagend, wie ich das alles heraus murmelte. Ich sah auch nicht sehr glücklich aus, hatte nur ein bittersüßes Lächeln auf den Lippen. "Ich hab so viele Leute kennengelernt und Ewig nicht gesehen. Ich muss sagen, ich hab ein bisschen Angst davor einige Leute wieder zu sehen.", erklärte ich und blickte hilfesuchend zu meinem Kollegen. Oh man, wenn ich meiner Exfreundin begegne... Wird sie mich zerfleischen? Ich weiß ja nicht mehr ob sie noch auf der Insel ist. Ich glaube, ich muss auf andere Gedanken kommen. "Seit wann bist du den hier?", fragte ich schließlich lächelnd. Meine Hände lagen neben mir auf dem Sofa und streichelten den Stoff. Alles fühlt sich so neu an. Wie lange diese Überwältigung wohl anhält? "Hast du auch schon im alten Waisenhaus gearbeitet?", fragte ich schließlich neugierig und dachte kurz darüber nach. Ich glaube, zu meiner Zeit gab es keine Erzieher hier. Jedenfalls hatte ich nie einen benötigt, ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Die Lobby konnte man mit einem Wort perfekt beschreiben: dekadent. Dafür dass das Wohnheim eher wenig Geld zur Verfügung hat und wir immer an allen Ecken und Kanten sparen müssen, wurde in diesen Raum viel Geld reingesteckt. Eine Vitrine mit hübschen und noch nie benutzen Geschirr, ein größer, offener Kamin und natürlich auch ein Kronleuchter an der Decke. Jedes Mal, wenn ich diesen Raum betrat, konnte ich nur den Kopf schütteln. Dass man so viel Geld, in so unnötige Sachen investierte, konnte und wollte ich einfach nicht verstehen. Schnell entsorgte ich die Scherben im Mülleimer und verstaute dann auch wieder das Kehrblech und den Feger. Shiki war mit bisher nicht gefolgt und somit ging ich davon aus, das er sich andere Sachen widmen würde oder vielleicht auch noch ein paar Sätze mit unserem anderen Erzieherkollegen austauschte. Was er auch tat, mir war es Recht. Ich ließ mich auf den Sessel fallen, welcher mitten im Raum vor einem kleinen Tisch stand und lehnte mich zurück. So lange alle Bewohner in der Schule waren, konnte man sich wenigstens noch entspannen und mal durchatmen, aber sobald die letzte Unterrichtsstunde zu Ende war, würde hier wieder der ganze Trubel losgehen. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, als ich hörte, wie jemand weiteres die Lobby betrat und stellte fest, dass es der junge Mann mit der Brille war. Ich beobachtete, wie er staunend die Aufmachung des Raumes betrachtete und ebenso feststelle, das hier nicht am Geld spart wurde. “Das Geld hätten die tatsächlich besser Investieren können.“ meinte ich dazu nur und wurde gleich darauf von Shiki gefragt, zu welcher Rasse ich, den gehören würde. Er schien sich etwas ungeschickt anzustellen mit seiner Wortwahl, aber da war ich nicht so empfindlich, wenn ich nur an meine Anfänge in diesem Jahrhundert dachte... Eine passende Ausdrucksweise war nun mal nicht so einfach. “Ich bin ein Dschinn und es macht mir in keinster Weise etwas aus, dir das zu erzählen.“ Leicht zog ich meine Augenbrauen zusammen, über seine Aussage, dass er nur ein Mensch sei, denn ich wusste, dass dies nicht so ganz stimmen konnte. Doch wenn Shiki mir das so mitteilte, dann wird es schon seine Richtigkeit haben. “Ist doch vollkommen okay ein Mensch zu sein. Bis vor ein paar tausend Jahren war ich auch noch ein Mensch gewesen, also nur ein Mensch.“ Immerhin betrachte ich mich auch jetzt noch als Mensch. Als ich in meiner Wunderlampe gelebt hatte, fühlte ich mich nicht, wie einer aber seitdem ich befreit wurde und meine Freiheit wieder habe, nahm ich mich wieder, als ein Mensch war. Mein Kollege hatte eindeutig noch ein paar Fragen an mich und ließ nach einander los, so das ich fast gar nicht dazu kam, sie direkt zu beantworten, da er dann auch schon gleich wieder etwas von sich erzählte. Er schien eindeutig sehr nervös zu sein, weswegen ich schmunzeln musste. “Klar, so wie jetzt, wenn sie alle in der Schule sind, kann man sich entspannen, aber es gab schon nervenaufreibende Tage.“ Ich richtete mich in meinem Sessel ein bisschen auf. “Ich bin zwar erst seit Januar hier, also auch noch nicht so lange.“ Aber wie es scheint, der längste von allen. “Aber ich habe schon so einige stressige Arbeitstage erlebt. Immerhin sind es Jugendliche, die oft ihre Grenzen austesten wollen und der ein oder andere schlägt dabei mehr als nur über die Strenge.“ Leicht verzog ich bei den Gedanken an gewisse Situationen mein Gesicht. “Streitereien unter einander schlichten, bei Liebeskummer trösten, bei Hausaufgaben helfen, sich Sorgen und Ängste anhören. An manchen Tagen, scheint es allen Schülern gutzugehen und an anderen wollen sie alle was von dir und du weißt gar nicht, wem du zuerst zuhören sollst.“ Ich zuckte mit meinen Schultern, denn so war unser Job halt. “Und warte mal ab, bis einer krank wird. Dann ist keiner mehr von denen erwachsen, sondern wieder drei Jahre alt.“ Unsere Waisenkinder konnte einen manchmal echt den letzten Nerv rauben und besonders wenn sie krank waren, weswegen ich die Kranken immer versuchte einen anderen Erzieher aufs Auge zudrücken. Für so etwas hatte ich meistens, einfach nicht genug Feingefühl. “Ich glaube, es ist vom Vorteil, wenn man hier selber gelebt und viel erlebt hat. Dann kannst du dich gut in die Kinder hineinversetzten und wenn sie dich schon von früher kennen, dann hast du auch gleich einen extra Vertrauenspunkt.“
Interessant. Da war wohl doch einiges an mir vorbeigegangen damals. Bei allem was Tyrus so erzählte huschte mir ein seichtes Lächeln über die Lippen. Auch er war einst so wie ich, da fühle ich mich gleich etwas verstandener. "Ah, ein Dschinn hatte ich schon mal getroffen!", fiel mir wieder ein. Damals, als ich Seth kennen lernte nötigte er mich dazu, ihm Heilmagie beizubringen. Erst schien er unfreundlich, aber je mehr er über sich erzählt hat, desto mehr konnte man verstehen warum er so war wie er eben war. Ob er auch noch hier ist? "Kinder sind was tolles.", murmelte ich fröhlich nachdem er mir eine kurze Übersicht über meine Aufgaben gegeben hat und ich konnte ein amüsiertes Lachen nicht unterdrücken als Tyrus erwähnte wie jeder noch so erwachsene Teenager doch wieder zum Kind wird wenn er krank wird.
"Dann werden wir ja doch jede Menge zu t-" Ich konnte gar nicht zuende quasseln, denn ich spürte ein penetrantes vibrieren in meiner Hosentasche. Als ich merkte, dass es nicht bloß eine Textnachricht war sonder wahrscheinlich gerade jemand versuchte anzurufen sank mein Herz etwas und ich kramte es schnell aus der Hosentasche. Auf dem Bildschirm des veralteten Smartphonemodelles erleuchtete in weißen Buchstaben der Name Jukia Bardera. Ich schluckte, hatte ich etwas am ersten Tag schon etwas falsch gemacht? Werde ich gefeuert? Ich stand schnell vom Sofa auf und warf Tyrus ein unwichtiges Lächeln zu. "Da muss ich eben ran gehen." Auch wenn ich eigentlich nicht möchte. Ich wartete nicht auf eine Antwort sondern verließ schnell den Raum und ging dann ran um die Schulleiterin nicht länger warten zu lassen.
Es fiel eine riesige Last von meinem Herzen als ich merkte, dass ich gar keinen Mist gebaut habe, sondern lediglich eine kleine Aufgabe bekommen habe. Ein Mädchen namens Vivian Edwards soll vom Krankenhaus abgeholt werden und ich bin dafür verantwortlich. Ich wurde angewiesen mich zu beeilen, da eigentlich schon längst wer unterwegs sein sollte, doch anscheinend hat jemand versäumt das Waisenhaus rechtzeitig zu informieren. Mir blieb nichts anderes übrig als zuzustimmen, war ich doch sichtlich nervös neue Leute zu treffen. Aber ich brauche das, glaube ich.
Letztendlich hatte ich das Gespräch beendet und ging zurück in die Lobby um Tyrus zu informieren. "Hey, ich hab grad die Aufgabe bekommen eine Schülerin vom Krankenhaus abzuholen.", erklärte ich beim betreten des Zimmers und lächelte. "Ich mach mich jetzt gleich auf dem Weg und weiß nicht genau wie lang es dauern wird." Mein Handy verstaute ich wieder. "Nur damit du Bescheid weißt." Bevor ich mich auf die Socken machte winkte ich zum Abschied und beeilte mich, die Schülerin an der Yasumi-Klinik nicht noch länger warten zu lassen.
Kurz bevor Jacob endlich die Lobby betreten konnte, kam ihm Shiki entgegen. Er wollte ihn schon nach den benötigten Putzutensilien fragen, doch wirkte der Jüngere etwas gestresst, sodass er die Sache lieber für sich behielt. Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn bereits beim Betreten des Raumes fiel sein Blick sofort auf Tyrus, welcher es sich in einem Sessel bequem gemacht hatte. Der Vampir musste kurz etwas schmunzeln. War ja auch keine so schlechte Idee, sich bis zur Ankunft der Kinder einfach in die Ecke zu setzen und etwas zu entspannen. Doch wenn sie erst einmal eingetroffen sind blieb sicherlich nur noch wenig Zeit für andere Arbeiten. Immerhin kamen sie ja aus der Schule und der ein oder andere wird sicher Hausaufgaben bekommen haben, bei denen die Kinder vielleicht Hilfe brauchten. Oder sie hatten etwas anderes auf dem Herzen, was sie bei einem Erzieher abladen wollten. So ganz einschätzen konnte er noch nicht, was in wenigen Stunden auf sie zukommen wird. Doch schlimmer als die zahlreichen Vampirjäger konnte es kaum werden, oder?
Er nickte dem anderen Erzieher kurz zu, bevor er sich auf den Weg zu ihm machte und etwas entfernt von dem Sessel stehen blieb. Erst jetzt sah er sich den Raum einmal genauer an, es wirkte alles sehr edel. Noble Möbel, viel Schnickschnack und ein goldener Kronleuchter. Es war fast so wie in der Villa seines alten Herrn, weshalb er sich direkt etwas heimischer fühlte. Das würde sicherlich nicht jedem so ergehen. Bevor er jetzt aber noch länger wortlos neben seinem neuen Kollegen stand, rückte er endlich damit raus, weshalb er ihn ursprünglich aufgesucht hatte: „Ich dachte mir, dass die Kinder den Partykeller gestern sicher in einem ziemlichen Saustall zurück gelassen haben und wollte mich mal etwas nützlich machen. Könntest du mir vielleicht helfen, oder zumindest sagen, wo ich hier Putzsachen finden kann?“ Jake wollte nicht zu aufdringlich auf den anderen wirken, doch würde er sich über etwas Gesellschaft im Keller nicht beschweren. Es wäre bestimmt eine gute Gelegenheit, ihn besser kennen zu lernen. Allerdings würden sie sicherlich noch die nächsten Jahre zusammenarbeiten, weshalb das jetzt nichts war, was man nicht auch auf später verschieben konnte. Das war allerdings nicht der einzige Grund, weshalb er Tyrus noch einmal aufsuchte. Da die beiden eben in ihrem Gespräch unterbrochen wurden, konnte er gar nicht weiter auf die Sache mit Ivy und ihrem verstorbenen Freund eingehen. Und was das anging hatte er absolut keinen Schimmer, wie er dem Mädchen die Nachricht wohl am schonendsten überbringen konnte. Ihm war klar, dass sie in Tränen ausbrechen würde. Doch gab es vielleicht etwas, damit sie nicht länger als nötig in ihrer Trauer versinkt. „Noch mal wegen dem verstorbenen Jungen… kanntest du ihn gut?“ Tyrus hatte auf ihn den Eindruck gemacht, die Kinder hier sehr gut zu kennen. Vielleicht hatte er ja auch näheren Kontakt zu dem Jungen gehabt, doch dann würde er sicherlich einen bestürzteren Eindruck machen. Einen Versuch wert war es jedoch allemal. „Ich habe nämlich keine Ahnung, wie ich das Ivy beibringen könnte. Hättest du da vielleicht eine Idee?“ Er wirkte etwas ratlos. Wie sagt man jemandem, dass eine ihm nahestehende Person verstorben ist? Eigentlich war das nichts Neues für den Vampir, doch war es das erste Mal, dass er diese Nachricht einem Kind überbringen musste. Und Erwachsene reagieren bei so etwas meist weniger emotional, als ein sich in der Pubertät befindendes junges Mädchen.
Shiki und ich waren gerade in unserer Unterhaltung vertieft, als plötzlich ein lauter und vor allem schriller Ton ertönte. Mein ganzer Körper fing an sich anzuspannen und ich sah mich in der Lobby um. Aus dem schrillen Ton wurde eine Melodie und irgendwo in meinem Kopf meldete sich eine Gehirnregion, die mir teilen wollte, dass ich genau wusste, was nun hier vor sich ging. Dann stand mein Kollege vom Sofa auf, verkündete das er 'daran gehen' müsste und verließ die Lobby. Es dauerte einen Moment, aber als ich dann Begriff, dass er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche zog, verstand ich endlich die ganze Situation. Diese komischen Geräte, womit man magischer Weise mit anderen Menschen reden konnte, egal wo diese sich gerade befanden, waren mir einfach nicht geheuer. Es dauerte noch eine Weile bis ich mich wieder einigermaßen entspannte. Zwar besaß ich selber auf so ein Mobiltelefon, aber meins war eins von den ganzen alten Modellen, ohne diesen ganzen Schnickschnack und die meiste Zeit vergaß ich es eh in meinem Apartment, so wie heute auch. Shiki kam wieder in die Lobby rein und erklärte mir dann, dass er eine Schülerin aus dem Krankenhaus abholen muss. Ich stand von meinem Sessel auf und verabschiedete mich von ihm, nur um mich dann wieder hinzusetzten. In Gedankenverloren schüttelte ich meinen Kopf. Ob ich jemals die Technik des 21ten Jahrhunderts verstehen werde? Lange konnte ich in diesen Gedanken jedoch nicht schweifen, denn schon wurde der Raum erneut betreten. Jacob kam rein. Mit etwas Abstand zu mir blieb er stehen und sprach dann sein Anliegen an. Er hatte vor, den Partykeller zu putzen und wollte fragen, ob ich ihm da helfen könnte oder ihm zu mindestens zeigen, wo sich die Reinigungsutensilien befanden. Ich stand erneut von meinem Platz auf und lehnte mich am Sessel an. “Also wenn ich ganz ehrlich bin, dann sehe ich es nicht als unsere Aufgabe an, den Partyraum sauberzumachen. Das sollten schon die Schüler selber machen.“ Immerhin waren wir keine Reinigungskräfte oder Hausfrauen, die den Kindern alles hinterhertragen. “Außer du siehst das natürlich anders, dann zeige ich dir gerne, wo du alles findest.“ Ich lächelte meinen Kollegen an, denn meine Meinung sollte nicht böse rüber kommen. Er konnte gerne andere Ansichten haben. Die ersten Schüler müssten bald aus der Schule kommen und mein Plan war es, sie gleich an die Tür abzufangen und ihnen am besten gleich einen Besen in die Hand drücken. Dann kam Jacob auf das Gesprächsthema von vorhin zurück, bevor wir von den anderen beiden Männern unterbrochen wurden. “Besonders gut würde ich nun nicht sagen, ich hatte eher wenig mit Jaden zu tun gehabt.“ Doch die Frage danach, wie man so etwas jemanden am besten beibringen sollte, brachte mich kurz zum Nachdenken. “Eine gute Art so eine Nachricht zu überbringen gibt es wohl nicht. Einfach gerade heraus und nicht groß drum herumreden, würde ich sagen und dann einfach auf die Reaktion eingehen.“ Gerade als wir mit dem ernsteren Thema anfingen, hörte ich, wie die ersten Schüler von Schule zurückkamen. “Entschuldigung, Jacob, aber ich würde mir gerne die ersten Schüler schnappen und sie in den Partykeller schicken, bevor sie wieder verschwinden können.“ Ich lächelte ihn an. “Du kannst gerne mit kommen oder hier warten, falls du noch weiter reden möchtest, ich würde dann gleich wieder kommen.“
So ganz deuten konnte der Vampir die Aussage seines Gegenübers nicht. Tyrus schien von dem Gedanken, die Partyüberreste der Kinder zu beseitigen nicht sonderlich angetan. Dennoch bemühte er sich, einen freundlichen Eindruck zu machen. Vielleicht wollte er Jake nicht am ersten Tag auf den Schlips treten und schickte deswegen ein Lächeln hinterher, immerhin hatte dieser ja nichts Verwerfliches vorgeschlagen. Was auch immer sich sein erfahrener Kollege dabei gedacht haben muss, wirklich abschlagen konnte man seine Argumente nicht. Es würde den Kindern ja nicht schaden, ihren Dreck selber wegzuräumen – eher im Gegenteil. Vielleicht machte Jacob sich selbst einfach nur zu viel Stress und wollte sich seinem neuen Kollegen gegenüber von Anfang an von einer guten Seite zeigen, was gar nicht nötig zu sein scheint. Einsichtig nickte er schließlich: „Stimmt, immerhin steht ja nicht in unserem Vertrag, dass wir Reinigungspersonal sind.“ Gab es so etwas hier im Wohnheim überhaupt? Gesehen hatte er zumindest noch niemanden, aber vielleicht war er auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Etwas entspannter lehnte er sich gegen die Armlehne eines Sessels und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Was das Thema mit Ivy anbelangte, konnte Tyrus ihm auch nicht wirklich helfen. Jaden kannte er kaum und einen guten Einfall für die Überbringung der Nachricht hatte er auch nicht parat. Es blieb also nichts anderes übrig, als sich entweder kurzfristig etwas einfallen zu lassen, oder es einfach auf sich zukommen zu lassen. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür erhaschte sich schließlich seine Aufmerksamkeit und auch Tyrus ist es nicht entgangen. Doch anders als dieser kam Jake gar nicht so schnell auf die Idee, wieder in das Foyer zu gehen und sie zu begrüßen. Und ehrlich gesagt wollte er auch nicht direkt neben ihm stehen, wenn Tyrus den Schülern einen Besen in die Hand drückt und sie zum Aufräumen verdonnerte. Man musste sich ja nicht direkt unbeliebt machen. So rutschte der Vampir die Sessellehne hinunter, bis er in den weichen Polstern landete und drehte sich so, dass die Füße wieder normal auf dem Boden standen. Ob @Ivy auch bald kommen würde? Kurz überlegend, ob er hier auf sie wartet oder sie suchen geht, fiel ihm etwas ein. Sie hatte ihm auf der Party doch ihre Handynummer gegeben! Einfacher konnte man es sich nun wirklich nicht machen, also tippte er ihr kurzerhand eine Nachricht. Jetzt hieß es nur noch auf die Antwort warten, dann würde der Plan für den heutigen Nachmittag stehen. Bereits wenige Sekunden nachdem die Nachricht abgesendet war, bekam er von Ivy eine Antwort. Sie schlug vor, sich mit ihm auf der Terrasse zu treffen. Und da er nicht wusste, wie schnell sie dort sein würde, machte er sich lieber direkt auf den Weg. Auch wenn das bedeutete, dass er den gemütlichen Sessel verlassen muss. Tyrus war sicherlich noch lange mit den Schülern beschäftigt, so fällt es ihm vielleicht gar nicht auf, wenn sich der Vampir kurz verdrückt.