Käse, Pizza, noch mehr Käse! Die guteingerichtete, italienische Pizzeria brachte der Stadt großen Stolz mit. Viele romantische Abende wurden bereits in dieser Pizzeria verbracht, hier sollen sich auch der Bürgermeister und seine Frau sich kennen gelernt haben. Die zwei Ladenbesitzer Pietro und Chiara sind Werwölfsgeschwister aus dem Süden Italiens, die es vor mehr als 30 Jahren nach Isola verschlagen hat. Auch sie haben die Shima no Koji Oberschule besucht und im Waisenhaus gewohnt, kennen daher alle wichtigen Gesichter der Insel, sind immernoch top informiert und haben fast immer die richtigen Antworten auf die Fragen "Wer...?". Italienische Fahnen schmücken das Innere und Äußere der Pizzeria und bereits von weitem kann man den Geruch einer frisch gebackenen Pizza aus dem Pizzaofen vernehmen. Eine Pizza Hawaii solltet ihr jedoch nur wählen, wenn ihr spöttischem Gelächer seitens der Italiener auch standhalten könnt.
Die bösen Blicke, die Lydia dem Schwarzhaarigen zuwarf, hatten wohl nicht den Effekt, den sie erwartet hatte. Im Gegenteil, es sah eher so aus, als ob der Werwolf gar nicht wusste, warum sie sauer war. War das wirklich sein ernst? Konnte er nicht einmal ein paar Tage zurückdenken und verstehen, warum sie sauer war? Nein, konnte er wohl wirklich nicht. Aber jetzt hier am Tisch wollte sie ihn auch nicht darüber ansprechen. Dies wär ihr viel zu peinlich gewesen und sie wollte auch nicht Ivy, ihre beste Freundin, verletzen. Ein Blick zu ihr und die Wölfin merkte, dass sie Mike auch mit schmalen und bösen Augen ansah. Hatte sie es durch die Reaktion der Irin gemerkt? Es sah fast so aus, aber die Schwarzhaarige hoffte es nicht, denn sie wollte ihre beste Freundin wirklich nicht verletzen. Oder hatte sie ihr bereits weh getan? Lydia war sich nicht sicher, aber sie musste unbedingt nochmals mit der Weißhaarigen darüber reden, das war ihr klar.
Nachdem Lydia dank Ivy und Leviathan nun doch noch nicht sterben musste, war sie sichtlich erleichtert. Sie hatte schon ein Glück, dass sie solch hilfsbereiten Freunde hatte, die sich um sie kümmerten, wenn sie kurz vorm Versticken war. Nicht jeder konnte dies von sich behaupten. Mike legte seine Hand auf die Schulter der Wölfin und sie zuckte sofort zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Einerseits hüpfte ihr Herz wieder und sie war für eine Sekunde lang glücklich. Doch dann musste sie wieder an das denken, was sie zuvor gehört hatte. „J… ja“, sagte sie nur und sah ihm nicht in die Augen. Sie sah derweil auf den Tischrand und hoffte, dass alles nur ein schlechter Traum war. Aber das war es nicht, denn spätestens jetzt wünschte sie sich sicher zum zehnten Mal wieder aufzuwachen. Die drei am Tisch fingen an über Mike im Kleid zu reden an. Lydia wusste, dass sie Mike ins offene Messer laufen lassen hätte können, sollte sie es auch wirklich tun? Ach, ein wenig leiden konnte er wohl auch einmal, oder? Die Irin grinste frech auf die Aussage von Ivy hin. „Na dann Ivy, will ich dich nicht enttäuschen. Du hast nämlich mit Levis Handy Fotos von Mike im Kleid gemacht. Ob die Bilder gut geworden sind, weiß ich nicht, aber das Kleid passte ihm wie angegossen und alle fanden es richtig süß“, sagte sie frech grinsend. Ja, auch eine nette Lydia konnte manchmal auch böse sein. Sie sah zu Mike und beobachtete seine Reaktion ganz genau. Immerhin wusste sie jetzt nicht, was kommen würde. Vielleicht würde er versuchen die Bilder zu löschen, aber ob er wirklich eine Chance gegen Levi hatte? Egal, sie war gespannt, was jetzt gleich noch kommen würde. Währenddessen trank sie ihre Cola aus, da sich ihr Hals mittlerweile sehr trocken anfühlte. Zum Glück verschluckte sie sich nicht wieder.
Besonders viel hatte der Themenwechsel zu Mike im Kleid dann auch nicht zu einer positiveren Stimmung beigetragen. Zumindest Ivy und Lydia schienen ihr eigenes Süppchen zu kochen, so schnell kam von ihnen nämlich keine Reaktion, als Mike die Geschichte mit dem Kleid noch einmal erzählte. Levi hingegen war sichtlich froh über die Story, er hatte keine Lust mehr sich Gedanken, um einen völlig irrelevanten Kuss als Resultat eines Unfalls zu machen und sich weiter in die Opferrolle zu befördern. Hin und wieder spürte er Ivys Blicke auf sich ruhen, denen er jedoch allesamt aus dem Weg ging – so ignorant kannte man den Engel eigentlich gar nicht. Man musste ja nicht unbedingt mit allen ein Gespräch führen, nur weil man am gemeinsamen Tisch saß, oder?
Die Kommunikation mit Mike reichte doch vollkommen! „Ahh, der Typ von heute morgen.“, ging ihm endlich ein Licht auf, ehe er in Gedanken versuchte, die fehlenden Puzzleteile der Ballnacht zusammenzufügen – viele waren nicht mehr ausständig, auch wenn er sich Ivys Kuss im Nachhinein betrachtet gerne erspart hätte. Im Moment war aber etwas ganz anderes Auslöser für die verdatterte Reaktion des Engels. Langsam kippte seine Kinnlade nach unten und er beobachtete Mike fassungslos. Nicht, weil er es als scheinbar einziger am Tisch schaffte, eine ganze Pizza zu verdrücken. „Hä, versteh ich nicht, warum du so nett zu Fremden bist. Passt nicht zu dir.“, verlieh er seiner Verwunderung Ausdruck und entschied sich angesteckt durch seinen Freund dann doch noch dazu, sich ein weiteres Stück Pizza auf dem bereits weggeschobenen Teller zu genehmigen. „Für *mampf* mich hättest du das nie *mampf* gemacht“, fügte er übertrieben argwöhnisch und mit vollem Mund an und war sich nicht sicher, ob ihn jeder verstehen konnte, aber egal.
Okay, vielleicht war auch eine Kommunikation mit Lydia in Ordnung, deren Gesichtsausdruck ohne große Umschweife vom traurigen Hündchen zum diabolischen Teufel gewechselt hatte, während sie erzählte, dass es auf Levis Handy scheinbar Fotos von seinem Kumpel in der Ballnacht gab. „Was, echt?“ Ungläubig fummelte er daraufhin in seiner Hosentasche, um kurze Zeit später das Handy hervorzukramen und die Galerie zu öffnen. Da er kein großer Fotograf war, stach ihm Mikes reizendes Antlitz sofort als oberstes Bild entgegen und er musste laut auflachen. „Scheiße, das steht dir ja echt perfekt.“, prustete er in Mikes Richtung, zeigte ihm sein Handy und wurde den Gedanken nicht los, dass er gerade voll das Deja-Vu erlebte. Als hätte er die Worte schon gesagt. Und Mike schon so gesehen. Was ja auch irgendwo stimmte. „Aber nicht löschen!“, fuhr Levi ihn an und zückte seine Hand kurz zurück, um seinen Sitznachbarn mit mahnendem Blick zu prüfen. Auf die Idee, das Handy mal eben über den Tisch zu reichen, sodass auch Ivy und Lydia (erneut) in den Genuss dieses Fotos kommen würden, dachte der Engel aber nicht einmal eine Sekunde. Einerseits saß Ivy neben Lydia, der er ja gerade keine Beachtung schenken wollte, und die somit zwangsläufig mitgeschaut hätte. Anderseits war es auch nicht so schlecht, ein Druckmittel gegen den kleinen Trottel zu haben, nur für den Fall der Fälle. Im Moment wollte Levi ihn jedenfalls verschonen. Nicht, dass er am Ende noch beide Verehrerinnen verlor. „Ist privahaaat.“, schäkerte er über den Tisch, ehe sein Handy wieder den Weg zurück in die Hosentasche fand.
Diverse Fotos, auf denen der Engel mit Jul zu sehen war und die direkt an Mikes Fotos in seiner Galerie angeknüpft waren, brachten die Erinnerung an seine Ziehmutter und ihre Wandlung über Nacht mit sich und für den Bruchteil einer Sekunde fand der Engel sowohl seine Reaktion, als auch die Gesamtsituation irgendwie lächerlich. Wahrscheinlich war es nun mal das, wo jeder Teenager mal durch musste, aber war es wirklich so wichtig, die Zielperson eines Kusses im Flaschendrehen zu sein? Aus irgendeinem Grund, an dem der Gedanke an @Julia Bardera wohl nicht ganz unschuldig war, konnte Levi sich genauso wenig leiden, wie er Ivy im Moment nicht ausstehen konnte. Warum auch immer. „Eh, ich hab ganz vergessen, dass ich noch was vor hab.“, gab er der Pizzatruppe bekannt, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. „Schlagt euch nicht die Köpfe ein, oke?“ Jupp, es war definitiv das richtige, den Scherbenhaufen, den er mitunter verursacht hatte, hinter sich zu lasen. Mike würde er spätestens bei der AG wiedersehen – dass auch Ivy sich dafür angemeldet hatte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Wir sehen uns später, Prinzessin.“, verabschiedete er sich von seinem Kumpel, klatsche ihm freundschaftlich gegen den Hinterkopf und nickte zum Abschied auch Lydia und Ivy zu, wobei er Ivys Blicke wirklich nur äußerst dezent streifte.
Die Erklärung dazu, dass der Grund, weshalb er das Kleid angezogen hatte, weniger darin lag dem Neuen eine Blamage zu ersparen, und eher darin Caiwens Kleid zu retten, sparte Mike sich an dieser Stelle mal. Es änderte am Endergebnis sowieso nichts – nämlich, dass er stattdessen in eine endpeinliche Situation gerutscht war, die auch noch auf Fotos verewigt wurde. „Du hättest auch fast in mein Zimmer gekübelt, Alter“, konterte er Levis Vorwurf unbeeindruckt, während er sich beiläufig kurz über den wiederkehrenden Appetit seines geflügelten Kumpels wunderte. Aber Pietros Pizza konnte man eben nicht dauerhaft widerstehen, schlechte Laune hin oder her. Mike wusste nicht, ob er Lydia im nächsten Augenblick am liebsten köpfen oder danken wollte. Irgendwie eine Mischung aus beidem, denn ihr Hinweis sorgte sowohl dafür, dass diese ätzenden Bilder hervorgekramt wurden als auch dafür, dass sich die Stimmung am Tisch wieder etwas mehr lichtete. Er wägte es kurz ab und beschloss, dass ihm die Fotos weniger unangenehm waren als die dicke Luft zwischen ihnen. Irgendwann hätte Levi sie sowieso wiederentdeckt, also spielte es keine Rolle, wann es passierte. Er musste jedoch zugeben – das laute Lachen und die schiere Begeisterung in Levis Gesicht, als er die Bilder durchguckte, sorgten dann doch dafür, dass Mike leicht genervt die Augen verdrehte, während er an seiner Pizzakruste knabberte. „Seeehr witzig, was haben wir alle gelacht…“, brummelte er vor sich hin und schenkte Levi und den Fotos nur einen kurzen halbwegs irritierten Seitenblick. Früher oder später, wenn er es am wenigsten erwartete, würde er Levis Handy schon noch in die Finger bekommen. Er konnte schließlich nicht zulassen, dass sich so ein Druckmittel in den Händen seines schelmischen Freundes befand. Die schreckliche Vorstellung, dass jemand wie diese Miyaki die Fotos sehen könnte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Nein, je schneller er sie loswurde, desto besser.
Etwa zeitgleich mit Levis Abgang, kam Chiara an ihren Tisch. Sie hatte sich wohl absichtlich Zeit gelassen, um die kleine Bilder-Session nicht zu unterbrechen… wie außerordentlich zuvorkommend von ihr. „Arsch. Wehe du kommst zu spät!“, rief er Levi nach dem unnötigen Klaps noch hinterher und seufzte anschließend resigniert. Wieso ließ er ihn hier überhaupt alleine mit den beiden sitzen? Verräter. Mike drückte Chiara das Geld für seine Bestellung in die Hand, beteuerte, dass Pietros die beste Pizza der Insel machte, und krallte sich noch das letzte Stück von seinem Teller für unterwegs, bevor sie sich daran machte den Tisch abzuräumen. Nachdem sie wieder gegangen war, schaute er kurz räuspernd zwischen Ivy und Lydia hin und her. Huh … unangenehm. Langsam rutschte er von seinem Stuhl und schlug ein paar Mal leicht nervös mit der Handfläche gegen die Rückenlehne. „Ich äh… hab auch noch was vor. Wir sehen uns dann später, ne?“, wandte er sich erst an Ivy und zwang sich zu einem holprigen Lächeln, das bereits wieder anfing zu bröckeln, als sein Blick Lydia erreichte. „Wirsehenuns“, verabschiedete er sich im Rekordtempo von ihr und eilte aus der Pizzeria.
Die Sache mit Mike in einem Kleid hatte die Situation ein wenig aufgelockert, auch wenn es nur sehr oberflächlich war. Die Tatsache, dass Mike so gar nicht auf die wütenden Blicke von Lydia eingegangen war, war irgendwie komisch. Er wollte sich wohl einfach ablenken. Als Lydia dann meinte, dass Ivy mit Levis Handy Fotos von Mike gemacht hatten, zückte Levi sofort das Handy, aber zeigte den beiden Damen einfach nichts. Ivy zeigte einfach keine Reaktion darauf. Sie war zu verwirrt gewesen, um irgendwie sauer oder beleidigt zu sein. Sollte Levi das doch machen, damit er sich abregen konnte und dann endlich nicht mehr beleidigt war. Ich sollte Fotografin werden. Scherzte Ivy deshalb einfach nur ein wenig locker. Es dauerte nicht lange, da hüpfte Levi wie von einer Tarantel gestochen auf und verabschiedete sich. Er sah Ivy fast gar nicht an, weshalb sie nur seufzte. Kurz darauf verschwand auch Mike und verabschiedete sich ebenfalls im Rekordtempo. Naja es war ihnen nicht übel zu nehmen, denn das Essen war nicht gerade super gelaufen und da wollte man eigentlich nur noch weg und vergessen, was überhaupt passiert war. Nun saß sie alleine mit Lydia da. Etwas nervös spielte sie an ihrem Handy rum. Naja was sollten sie denn jetzt machen?
Ja, Lydia hatte Mike wirklich ins offene Messer rennen lassen. Viel zu sehr war sie von ihm enttäuscht, als dass sie dieses kleine Detail für sich behalten hätte können. Außerdem schien es so zu sein, als ob Mike die Schwarzhaarige ignorierte. Vielleicht wusste er ja wirklich nicht was los war? Oder er wusste was los war und er wollte nur nichts sagen? Wie konnte sich der junge Mann nur im Spiegel ansehen? Die Irin verstand es nicht. Aber was sie noch mehr nicht verstand, war ihr Herz. Es schmerzte und war glücklich zur selben Zeit. Wieso? Wieso konnte die Wölfin sich so fühlen? Die Gefühle, die sie für Mike empfand, konnte sie nicht einfach so von heute auf morgen ausradieren. Ob sie das überhaupt in Zukunft musste? In die Zukunft konnte Lydia zum Glück nicht sehen, denn sie wollte jetzt nicht wissen, ob der Herzschmerz schlimmer werden würde oder komplett verging und sie glücklich werden würde. Leviathan suchte gleich darauf das Bild von Mike im Kleid heraus und zeigte es danach Mike. Ein Lachen konnte sich die Irin nicht verkneifen, als Levi die Passform des Kleides ansprach. Die Schwarzhaarige pflichtete ihrer Freundin anschließend bei und grinste sie an. Leider konnten die beiden Mädchen am Tisch das Bild nicht sehen, da Levi es ihnen einfach nicht zeigte. Warum tat er dies? Hatte es ein Grund oder hatte er vielleicht einfach nicht daran gedacht? Egal, Levi steckte sein Handy wieder ein und verabschiedete sich anschließend von den anwesenden am Tisch. „Tschüss“, verabschiedete die Irin ihn noch mit einem freundlichen Lächeln. Doch auch Mike machte sich daraufhin auf den Weg. „Tschüss“, sagte sie zu ihm und zwang sich förmlich zu einem freundlichen Lächeln. Sie war zwar sauer auf ihn, aber er hatte dies wohl einfach noch nicht bemerkt, deswegen ließ sie es erst einmal dabei.