Dieses Cafe ist eines der ältesten auf der Insel. Es lädt nicht nur zum Frühstücken, sondern auch zum Chillen unter Tags ein und verspricht gute Mahlzeiten sowie Getränke. Besonders bekannt ist hier aber das Frühstücksangebot, denn der Inhaber des Cafes sorgt dafür, dass es jeden Morgen bereits um 6 Uhr seine ersten Kunden begrüsst. Wenn es zu dieser Uhrzeit draussen noch zu kalt oder zu dunkel ist kann man es sich auch drinnen gemütlich machen. Unter Tags spenden die Schirme hier genug Schatten - Sitzmöglichkeiten gibt es hier genügend, sei's drinnen oder draussen. Ausserdem befindet sich dieses Cafe im Herzen der Stadt und ist für alle sehr leicht zu finden.
Das hatte Ayato natürlich nicht erwartet. Wie konnte man sich Informationen über diese Schule besorgen, wenn man kein Wesen war? Es war ihm wirklich ein Rätsel. Aber er würde ihn auch später noch ausquetschen können. Jetzt müsste er irgendwie erstmal sein Vertrauen für sich gewinnen. Dann musste Ayato schmunzeln. "Ob ich welche kenne? Oh wenn du wüsstest. Sowas passiert hier tagtäglich. Zwar kenne ich niemanden, aber riechen kann man es. Dieser Nase entgeht nichts", dabei zeigte er sich auf seine Nase und grinste. "Wieso willst du das überhaupt wissen? Sag mir nicht du bist ne Art Detektiv und ich muss dich jetzt kalt machen?" Noch immer lächelnd legte er den Kopf schief und achtete jetzt genau auf Schweißausbrüche oder nervöses Zucken. Ayato würde es sofort bemerken wenn er Lügen würde. Dann lachte er aber wieder heiter auf. "Nein keine Angst ich mach nur Spaß. Verzeih mir, mein Humor ist ein wenig .. gemein", sagte er herzlich, nur das letzte Wort klang zu ernst.
"Wie das geht fragst du dich? Es ist schmerzvoll. Aber ich weiß nicht genau wie es sich anfühlt, ich wurde schon so geboren." Oh nein, pass auf. Verrate nichts über deine Vergangenheit du Idiot!, tadelte sich der Vampir selbst und verkrampfte seinen Mund. "Aber ein Biss allein reicht nicht. Sonst würden wir ja jeden verwandeln den wir beißen. Das ganze ist ein wenig kompliziert. Man wird gebissen - das kann entweder Glücksgefühle oder Schmerzen auslösen. Dann entscheidet der Vampir ob er dem Opfer das Gift aus den Zähnen gibt, nur ein paar Schlücke trinkt oder das Opfer vollkommen aussagt." Ayato stützte sich seinen Kopf mit seiner Hand ab und sah Elion mit ernsten Gesicht an. Oder auch nicht - da könntest du recht haben.
Sein Gegenüber hatte wohl einen guten Geruchssinn und Elion strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht. „Das bedeutet also, dass du mich riechen konntest? Du wusstest, dass es sich bei mir um einen Menschen handelte...“, er sprach ein bisschen leiser, versuchte weiterhin darüber nachzudenken. Was wollte Ayato von ihm. Und wieso war der weißhaarige immer noch am selben Ort.. er konnte sich keines der beiden Fragen so schnell beantworten und entschied sich dennoch bei diesem Jungen zu bleiben. Wahrscheinlich würde er ihm noch mehr Informationen sagen können, wie es war hier als Mensch zu leben. Mittlerweile hatte sich der 16-jährige alle schlimmen Dinge ausgemalt, doch er wollte optimistisch bleiben. Als wären wirklich alle Menschen gestorben. Der rothaarige hatte gesagt, dass einige auch zu Vampiren geworden waren. Das heißt Elion war auch in der Lage verwandelt zu werden. Und in diesem Punkt hatte Ayato sein Interesse voll und ganz geweckt. „Detektiv? Das ist nicht lache. So etwas machen nur Leute aus dem Mittelstand und da gehöre ich ganz bestimmt nicht zu!“, er hob sich schon immer ein wenig von den anderen Leuten ab, weswegen er es dem Jungen auch übel nahm. Ayato sagte, dass es eine schmerzvolle Prozedur sein musste und das er schon seit seiner Geburt ein Vampir war. Elion sah sich mehrere Male um, war sich nicht sicher, ob er wirklich noch mehr Fragen stellen konnte, ohne dass es so offensichtlich war. Ja, Elion wollte sich in einen Vampiren verwandeln lassen, aber vielleicht machten die Vampire das gar nicht mehr so gerne. Und es könnte auch sein, dass es verboten war und die Leute das illegal machten. „Klingt alles interessant. Haben Vampire eigentlich großes Interesse daran die Menschen zu verwandeln? Vielleicht kostet es sie viel Kraft, oder sie hassen Menschen. Obwohl ich mir denken kann, dass Menschenblut ihnen gut schmeckt. Wie ist es bei dir?“, Elion fragte direkt und wollte genau wissen, ob sich allgemein jemand auf ihn einlassen würde. Er hatte genaue Ziele, jemand musste ihm dabei helfen. Ohne ein anderes Wesen würde das alles einfach nicht funktionieren und der weißhaarige war umsonst hier hin gekommen. Wieder senkte Elion den Blick: „Wie.. findet man denn so einen?“
Ayato wurde entspannter. Hatte er seinem Gegenüber endlich Angst eingejagt? "Ja ich konnte dich riechen", gab er dann knapp und trocken von sich. Was dachte Elion sich eigentlich? Dachte er Ayato habe keine Fähigkeiten? Etwas enttäuscht über die Sache musste Ayato mit dem Kopf schütteln. Er war aus der Oberschicht, das stand fest. Wie wohl sein Blut schmecken würde? Würde es genau so teuer schmecken? Ayato versuchte es sich vorzustellen. Dabei musste er schwer schlucken.
"Junge, du hast keine Ahnung auf was du dich da einlassen würdest." Ayato hatte gemerkt, was der Weißhaarige vor hatte. Wollte er sich verwandeln lassen? "Ob sie Interesse haben? Bestimmt gibt es ein paar. Kommt immer auf den Vampiren an. Es gibt Vampire die das gerne machen und welche die es nicht gerne machen. Manche haben eine schwere Vergangenheit hinter sich und wünschen deswegen niemanden das gleiche Schicksal." Der Vampir zuckte mit seinen Schultern. "Und es kostet keine Kraft, sondern viel Selbstbeherrschung. Manche beißen los und trinken ihr Opfer einfach aus. Manche können nicht aufhören, obwohl sie es wollen. Man weiß nie. Und ja - Menschenblut schmeckt gut. Und naja, ich habe keinerlei Erfahrung in sowas - habe es noch nie gemacht. Aber reizen würde es mich bestimmt." Ayato hatte eindeutig zu viel geredet. Jetzt hieß es erstmal abwarten und schauen was als nächstes passiert.
Wahrscheinlich hatte er auch nur Lust auf das Blut des weißhaarigen gehabt, doch dieser löcherte ihn nur mit tausend weiteren Fragen. Er hatte sich nur aus einem einzigen Grund dort hin gesetzt. Elion atmete tief ein und aus, bevor er sich weiterhin mit dem Jungen unterhielt. „Du willst mein Blut.“, stellte er klar fest und sah sein Gegenüber an. Weswegen sollte er sich sonst hier hin gesetzt haben. „Oder erschnüffelst du Neulinge und bietest ihnen Rundführungen an..“ Die Kräfte der Vampire waren echt nicht zu unterschätzen. Der rothaarige musste es wohl in sich haben und war anscheinend doch nicht so schwach, wie Elion sich das vorgestellt hatte. In seinem Inneren Stritten sich sein Gewissen und sein allergrößter Wunsch miteinander. Es war einfach zu riskant gewesen, vielleicht würde es wirklich Nachteile zu sich ziehen. Und wenn nicht? Elion war doch schon immer stark genug gewesen. Wahrscheinlich würde er sich alles entgehen lassen, wenn er jetzt davon rannte. Unsicher über das was er machen sollte schob er den Gedanken zur Seite und versuchte sich wieder auf Ayato zu kontentrieren. Als Ayato meinte, dass Elion keine Ahnung hatte, fiel er ihm ins Wort. „Ich weiß ganz genau was ich will und was nicht!“, es klang fast schon so, als hätte sein Diener ihm widersprochen. So etwas gefiel ihm ganz und gar nicht. Was der weißhaarige wollte, musste auch erfüllt werden. Außerdem hatte ihn niemand nach seiner Meinung gefragt. Er hatte den rothaarigen noch nicht einmal gebeten hier zu bleiben, er wollte ihm doch unbedingt diese Rundführung anbieten. Er sollte sich mal nicht so anstellen, nur, weil er schon einige Zeit länger als Elion hier war. Die nächsten Sachen die Ayato erzählte, ließen ihn ein wenig zittern. Das konnte wirklich schief gehen. Er biss sich auf die Unterlippe. Sollte er sich tatsächlich auf so etwas einlasen? Brachte es dem Jungen wirklich etwas, ein anderes Wesen zu werden? Aber wo sollte er denn jetzt hin? Es gab im Grunde genommen gar keinen Ort, wo er hin gehen konnte. Er war gezwungen es zu tun. Und vielleicht würde es sich am Ende sogar lohnen. „Das heißt du machst so etwas? Hast du denn keine Angst, die Menschen umzubringen, oder, dass du die Kontrolle über dich selbst verlierst?“, fragte der weißhaarige nach und senkte seinen Blick wieder. Wie konnte man das so locker nehmen, wenn das Leben eines Menschen auf dem Spiel stand?
Und wieder dachte sich Ayato Schlaues Kerlchen. Der Vampir zuckte nur mit seinen Schultern. "Vielleicht will ich es. Vielleicht bin ich aber nur freundlich und biete dir eine Führung an", dabei grinste er und fuhr sich mit einer Hand durch seine roten Haare. Doch sein Grinsen verflog als Elion ihm ins Wort fiel. Ayato hob provozierend eine Augenbraue an und zog seine Oberlippe nach oben. Das würde sich Elion in Zukunft unterdrücken müssen, sonst würde er dran glauben müssen.
Tief durchatmen Ayato. Bald hast du es geschafft. Ayato räusperte sich und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. "Wovor sollte ICH Angst haben? Um zu überleben muss ich töten. Denkst du, du willst als Vampir austrocknen?" Ayatos grüne Augen klebten dann an den roten von Elion. "Aber wenn du es so sehr willst - ich stehe dir zur Verfügung. Aber da gibt es ein paar .. Sachen .. die du bedenken solltest." Wieder lehnte sich Ayato vor. "Ich würde deine Gefühle zu spüren bekommen und vieles vieles mehr", dabei machte Ayato Bewegungen mit der Hand, als wäre es Nichts.
Momentan war alles anders, als Elion es am Anfang erwarten hätte können. Eigentlich wollte er sich nur einen Kaffee gönnen, doch auf einmal war der rothaarige in sein Umfeld gekommen. Erst sprachen sie ganz 'normal' miteinander, bis es detaillierter auf Die Situation spitzte sich zu und Elion wusste nach einer Weile nicht mehr genau, was er sagen sollte. Die beiden unterhielten sich schon ziemlich lange über das Thema und der weißhaarige war den Gedanken, das Ayato Interesse hatte einfach nicht los geworden. Mittlerweile versuchte er innerlich mit seinen Gefühlen zu kämpfen, er zweifelte daran, diesen Schritt wirklich zu unternehmen. Wie ein Krieg zwischen Herz, Bauchgefühl und Verstand verdrehte es dem Jungen einfach nur noch den Magen. Er fühlte sich nicht gut, sollte er vielleicht einfach auf sein Zimmer gehen? Elion hatte dies noch nicht einmal besucht oder gefunden. Als der rothaarige sagte, dass er keine Angst hatte wurde dem kleineren ziemlich flau im Magen. Wahrscheinlich hatte er sich einfach mit dem falschen Vampiren angelegt. Elion traute sich kaum dem anderen in die Seelenspiegel zu blicken, jedes mal musste er seine Augen von Ayato abwenden. Nicht, weil er ihn irgendwie hässlich fand. Seine Art konnte ein wenig Angst machen. Mittlerweile war sich der weißhaarige gar nicht mehr sicher, was er tun sollte. Schließlich war es soweit. Seine Vorahnung wurde schnell zur Realität: Der Junge gestand, dass er es machen würde! Er wäre bereit dazu Elion in einen Vampiren zu verwandeln. Allein schon bei dem Gedanken. Er müsste diesen Typen ziemlich nah an sich heran lassen. Elion wurde rot. Das schien bei Mädchen so einfacher zu sein. Monique und er hatten viel unternommen und es störte ihn nicht. Aber bei einem fremden wurde er gleich bei dem Gedanken schon komisch. „Ahm.. ich weiß nicht. Ich muss jetzt los, bis dann!“, mit diesen Worten war er aus dem Café geeilt – übrigens sehr unruhig, obwohl er doch die Ruhe genießen wollte – und hoffte so schnell es ging in sein Zimmer zu gelangen.
Und schon war er weg. Jaja, lauf nur. Ich würde dich sogar mit halbe Stunde Vorsprung einholen. Ayato lehnte sich unbeeindruckt zurück und genießte die Ruhe. Wohin würde er auch laufen wollen? Sie waren von nun an auf der selben Schule. Er würde Ayato nicht mehr so schnell los werden. Nein, dazu hatte er jetzt viel zu viel Interesse geweckt. Er träumte schon davon wie er seine Fangzähne in den pulsierenden Adern am Hals vergrabte. Einen Moment noch fantasierte Ayato vor sich hin. Dann musste er aufstehen und den Jungen verfolgen um den Geruch nicht zu verlieren. Und die Richtung kam ihm ziemlich vertraut vor. Ja ich krieg dich. Lauf nur. Das reizt mich nur umso mehr. Um nicht allzu sehr aufzufallen, bewegte sich Ayato in normaler Geschwindigkeit und pfeifte dabei harmonisch vor sich hin. Konnte es heute noch besser kommen? Erst lernt er ein süßes Mädchen kennen und jetzt wurde ihm eine tolle Mahlzeit serviert. Ja, der Tag konnte nicht besser werden.
Eigentlich hätte ich es mir sehr leicht machen können. Sicher wussten viele Leute auf dieser Insel von dem Waisenhaus und der dazugehörigen Schule, und sicherlich waren diese Gebäude auch sehr groß. Also müssten die Einwohner einem eigentlich sehr gut den Weg weisen können, würde man sie denn auch fragen! Leider sträubte sich etwas in mir, wahllos eine Person von der Straße anzusprechen und sie nach dem Weg zu fragen - dabei hatten doch eigentlich nur Männer dieses Problem, oder? Ich war fest der Überzeugung, dass ich es auch noch alleine schaffen würde; demnach stand mir also mein Dickkopf im Weg und wenn ich Pech hatte, dann würde ich noch heute Nacht hier rumirren und meine Tasche schlussendlich als Kopfkissen missbrauchen. Aber wer wusste das schon, vielleicht war der Boden auf der kalten Straße ja bequemer als die Betten in dem Waisenhaus? Vielleicht war es ja ein wirklich furchtbarer Ort und ich konnte mich glücklich schätzen, anscheinend nichtmal in die Nähe davon zu kommen? Ich verzog das Gesicht und starrte auf den Boden vor mir, während mich meine Füße immer weiter in unbekannte Richtungen trugen und ich verschiedene kleine Steinchen vor mir herkickte. Nach wenigen Minuten sprang mir ein kleines Geschäft ins Blickfeld. Es war nur ein Café und eigentlich hatte ich kein Geld für irgendetwas, aber es sah so einladend aus und ... ich war wieder an einem Punkt angelangt, wo ich mich hinsetzen und meine Pläne überdenken wollte. Also schlurfte ich zu dem süßen Café und setzte mich an einen freien Tisch, der Schatten tat gut und zufrieden schob ich meine Tasche einfach unter den Tisch, schnappte mir eine Speisekarte und studierte sie, indem ich sie ganz nah an mein Gesicht hielt. Tatsächlich hätte ich mir sogar das ein oder andere hier leisten können, aber ich war mir nicht sicher, ob ich direkt Geld rausschmeißen wollte, bevor ich nichtmal mein neues Zuhause gesehen hatte. Mit verengten Augen schaute ich über meiner Speisekarte hinweg zu den Leuten an den Tischen um mich herum, inspizierte, was sie sich bestellt hatten und ob ich mir nicht davon einfach heimlich was klauen sollte. Leider waren die meisten zu aufmerksam und überall wirbelten auch Kellner herum, die mich mindestens 5 mal fragten, ob ich schon wüsste, was ich haben wollte. Nach einiger Zeit gab ich es auf, ließ die Speisekarte fallen und legte meinen Kopf seitlich auf den Tisch, während ich auf das kalte Getränk eines anderen Kunden starrte. „Ich bin verloooren~“, jammerte ich und meinte damit nichteinmal meinen eventuellen Durst, sondern dachte wieder an dieses verflixte Waisenhaus. Vielleicht sollte ich die Insel einfach wieder verlassen und meine Eltern überraschen? Wäre bestimmt zum totlachen.
Es war ein angenehmer, morgendlicher Spaziergang in die Stadt, der dafür sorgen sollte, dass ich einen etwas klareren Kopf bekommen und mich von dem Gejaule der Schüler im Waisenhaus, die zum Großteil ja dank des Feiertags dort anzutreffen waren, erholen sollte. Die Sonne schien angenehm auf meine Haut, sodass ich es keinenfalls bereuen musste, keine Jacke mitgenommen zu haben. Generell war es auf Isola eher selten der Fall, dass man ausser einem Shirt noch etwas anderes zum Drüberziehen brauchte. "Cafe Morges - klingt wie ein Verein alter, faltiger Rentner.", sprach ich mit mir selbst, als ich vor dem alten Cafe im Stadtzentrum stand. "Genau das, wonach ich suche!", murmelte ich weiterhin und streckte mich ausgiebig, bevor ich mich an einem freien Platz in der Sonne niederliess. Die anderen Gäste interessierten mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, mein Kopf und mein Magen interessierten sich lediglich für die sperrige Frühstückskarte. Erst als am Tisch neben mir, der nicht weit von meinem entfernt war, eine junge, jammernde Frauenstimme erklang und ich aus dem Augenwinkel erstmal Reiko erkannte, fiel mir das Gesicht beinahe zu Boden. Nachdem ich mir allerdings mit ein paar Blicken zur Seite versicher konnte, dass es sich bei dem Mädchen nicht um Reiko handelte, beruhigte ich mich wieder einigermassen, atmete erleichtert aus und liess die Karte wieder auf den Tisch fallen. "Neeein, Isola ist so klein, da kann man sich doch nicht verlieren.", kommentierte ich ihr Gejammer und schnippste im nächsten Augenblick auch schon mit den Fingern, um einen der Kellner auf mich aufmerksam zu machen.
Und schon wieder irgendein Fremder, der irgendetwas zu mir sagte. Ich konnte meinen Blick nur schwer von dem Getränk des anderen reißen, aber meine Neugierde war dann doch groß genug, wer denn da behauptete, dass ich anscheinend übertrieb. Die männliche Stimme gehörte zu einem... Mann. Um ihn genauer zu betrachten musste ich meinen Kopf dann doch wieder heben, welchen ich auf meiner Hand abstützte und somit auch den Ellbogen auf dem Tisch abstützte. Meine blutroten Augen lagen auf dem Kerl und ich musterte ihn ganz offen ausgiebig. Braune Haare, helle Augen... eigentlich sah er ganz normal aus, aber dafür auch eigentlich ganz gut. Und wenn ich seine Worte ein wenig drehte und wendete, konnte ich es mir so zurecht legen, dass er mir ja bestimmt den Weg zeigen wollte! ... Aber wollte ich ihn fragen? Ich rümpfte die Nase und schaute trotzig in die entgegengesetzte Richtung, da er ja eh nach einem Kellner schnippste und sich sicherlich irgendetwas bestellen wollte. Nach wenigen Sekunden aber hatte ich meine felsenfeste Meinung schon geändert, schnappte mir im Aufstehen einen Zipfel meiner am Boden liegenden Tasche und zog diese rüber zu dem Tisch wo der braunhaarige Kerl saß, ließ sie dort unterm Tisch liegen und setzte mich gegenüber von ihm auf den Stuhl. Und das alles in nur wenigen Sekunden! Ich lächelte ihn so liebenswürdig wie es ging an und überlegte, was ich ihm jetzt eigentlich an den Kopf werfen wollte. „Du scheinst dich ja auszukennen, dann kannst du mir bestimmt helfen!“ Gut, vielleicht war es garnicht so schwer gewesen, und die Hälfte von nach-dem-Weg-fragen hatte ich schon geschafft. Ich schaute mich kurz um und sah, wie ein Kellner auf diesen Tisch zukam. Da ich mir von ihm aber nicht dazwischen reden lassen wollte, warf ich ihm einen bösen Blick zu, bis er es schaffte, diesen zu deuten und vorerst einen anderen Tisch besuchte. Wieder lächelnd wandte ich mich an den Fremden - eigentlich wollte ich garnicht so viel Zeit hier verlieren. „Wo ist das Waisenhaus?“ Wenn ich gewusst hätte, dass vor mir genau der Kerl saß, der wohl für die Neuankömmlinge zuständig war, wäre ich wohl nicht ganz so freundlich gewesen - aber jetzt war er für mich auch nur irgendein Mann, der eben zufällig hier rumsaß und von mir um Hilfe gebeten wurde. Mehr oder weniger, wir wollen ja nicht übertreiben. „Und warum rennen so viele Leute zu diesem seltsamen Schrein?“, fragte ich noch, während ich mich im Stuhl zurücklehnte. Gut, das war eigentlich eher Nebensache, aber irgendwie war ich in Plauderlaune und fragte mich schon die ganze Zeit, warum ich so viele Leute dort vorbeigehen sehen hab. Oder war das jeden Tag normal hier? Seltsame Insel.
