Betritt man die Wohnung im ersten Stock, so erreicht man unmittelbar nach dem Eingangsbereich gerade aus das Wohnzimmer als zentralen Raum der Behausung. Bleibt man noch kurz in der Garderobe stehen, fallen auf der linken und rechten Seite jeweils eine Türe ins Auge. Die rechte führt zur Küche, deren Herd und Kühlschrank zwar nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, aber zumindest noch gut funktionieren. Auf dem Esstisch haben außerdem 6 Leute Platz, auch wenn es etwas beengend sein kann. Linkerhand des Eingangsbereich befindet sich eine kleine Toilette. Das zentrale Wohnzimmer besteht aus einem ausziehbaren Sofa mit Fernseher und Tisch. Auf der anderen Seite des Raumes findet sich des weiteren ein kleiner Arbeitstisch mit einem Küchenstuhl und Standcomputer, der bestimmt auch schon einige Jährchen auf den Buckel hat. Über das Wohnzimmer gelangt man einerseits in das bescheidene Schlafzimmer, anderseits in das Badezimmer, dem es an nichts fehlt und das stark den Eindruck vermittelt, vor kurzem renoviert worden zu sein. Wohnzimmer und Balkon sind nach hinten ausgerichtet, vom Schlafzimmer aus hat man jedoch einen Meer- und Straßenblick. Für Mieter dieser Wohnung bleibt nur zu hoffen, dass sie einen tiefen Schlaf haben, denn wenn der Straßenlärm nachts etwas abflaut, kommen gerne die partywütigen Teenager aus ihren Löchern gekrochen, um am Strand die Sau rauszulassen.
Sich die Decke vom Kopf schüttelnd, blickte der Rotschopf zu seinem Liebsten, welcher die brandheißen News über dessen Paps sehr unerwartet trafen. Ok, ihn selbst auch, brauchte er nur einige Momente, um es selbst richtig zu realisieren. War seine Reaktion jedoch anders, weder schockiert oder eingeschnappt, sondern eher erstaunt, positiv überrascht: ,,Paps hat also auch noch Hormone? Wie toll! Das merkt man ihm nie an." Indirekt wurde Vincent als inpotenter, alter Knacker abgestempelt, was Lyall natürlich nicht so meinte, sondern sich eher freute, dass der Weißschopf noch sexuellen Spaß im Leben hatte und er nicht einsam seine Werwolfskills einsetzen musste, um sich selbst die Klöten zu lecken. Man musste seinen Begabungen eben einsetzen zu wissen, Biegsamkeit ahoi! Während sein Schatz ihn dann aus dem zerwühlten Bett zog, fragte er neugierig: ,,Ob wir sie schon kennen? Wäre doch lustig!"
Wäre Cyril nicht verletzt und sie wären sich sicher, dass ihr Paps erst in einer Stunde oder später kam, dann hätte er sowas von vorgeschlagen, beide könnten ja nacktkochen. Allerdings wäre Vincent sicher weniger begeistert gewesen, wäre das erste was er riecht, wenn er seine Wohnung kommt, die sexuellen Hormone seiner Welpen und dann hätte dieser sicherlich nichts vom Essen gespeist. Davon abgesehen, da sie sich nicht sicher waren, wann genau er kommt, wäre es zu riskant, wenn dieser mitten im Akt reinplatzte. Das - würde dann ein sehr kurzer oder ein sehr langer Abend werden, voller Peinlichkeit und Standpauke. Daher blieb es bei gekuschel und geknutsche, was schon unbeschreiblich schön war, spätestens wo das Fleisch in der Pfanne war, konnte sich der rote Wolf eh nicht mehr richtig konzentrieren, sondern beobachtete dieses aus der Ferne, mit großen Augen, zuckender Nase, leisem Gemurre und Sabberfäden im Mundwinkel. Da kam der Wolf in ihm durch, der Fleisch so liebte. Doch wusste der Schwarzschopf, wie er seinen Schatz ablenken konnte, so wurde der Tisch gedeckt.
,,Du Dir auch, mein Wö-", setzte er an, als sie zu essen beginnen wollten, da hielt Lyall inne und schnupperte aufmerksam. ,,Paps kommt!", verkündete er freudig, da hörte man auch schon den Schlüssel im Schloss kratzen und drehen, dann öffnete sich die Tür und der Augenklappenträger trat hinein. ,,Hallo Paps!", rief er freudig, wobei ihm förmlich der nicht vorhandene Schweif wedelte. Mit großen, lavendelfarbenen Augen sah er zu, wie der Ältere erstmal seinen Freund begrüßte und dann den roten Wuff selbst, jedoch nicht mit Kuss. Diesen würde er sich noch verdienen! Doch war das Haare wuscheln auch toll, was ihn freudig murren und kurz die Augen schließen ließ. ,,Es gibt Steak!" Als ob man dies nicht sah und roch, aber dennoch, wartete er noch, bis sich Vincent dazusaß, ehe er sich über sein eigene Steak hermachte. Dabei fiel ihm etwas ein, als er an die Worte von VIncent zurückdachte und was ihn wieder schön als Ex-Buschkind outete: ,,Warum heißt das eigentlich "Kohldampf"? Nicht jeder bekommt Hunger, bei dampfenden Kohl. . ", fragend legte er den Kopf schief und blickte seinen Gegenüber an. War dies eine Formulierung, aus welcher er sich noch nie einen wirklichen Reim draus machen konnte.
[Lyall's letzter Post, vor dem Timeskip am 14.10.2019]
Noch während er auf dem ersten Bissen herumkaute, kündigte sein Liebster das Eintrudeln des Alpha an. Das war nun doch etwas früher als erwartet, doch so mussten sie das Essen wenigstens nicht erneut aufwärmen. Mit einem verliebten Grinsen beobachtete er die freudige Begrüßung des Rotschopfs, der bestimmt mit dem Schwanz wedeln würde, würde er mit vier Pfoten am Esstisch sitzen. Die Vorstellung davon war einfach zu genial, auch wenn er einen halben Nervenzusammenbruch bekommen würde, wenn Ly einfach so vom Teller frisst. Wo das Essen dann alles landen würde… in den Gardinen, auf dem Teppich, womöglich auf Taffys Federn. Ein grausamer Gedanke. Immerhin waren sie nicht mehr im Wald und hatten Besteck, was vieles erleichterte. Ein Luxus, von dem er nie gedacht hätte, ihn irgendwann mal zu vermissen. Doch die Zeiten sind ja schon länger vorbei. Nachdem die Frage nach dem Essen schnell geklärt war, setzte Vinny seine Begrüßung fort und konnte sich ein Küsschen natürlich nicht verkneifen. Kurz verzog Cyril das Gesicht, um zu zeigen wie begeistert er von der Knutschattacke war, wischte sich dann aber lieber den Sabber aus den Haaren. Zweimal am Tag duschen reichte definitiv und so schlimm war der aufgezwungene Körperkontakt dann doch nicht. Nur peinlich. „Du musst dir das endlich abgewöhnen, wenn du das Draußen irgendwann mal machst…“, murrte er trotzig. Es gab für ihn kein schlimmeres Szenario, als das öffentliche Geknutsche seines Vaters. Womöglich noch vor seinen Freunden oder Klassenkammeraden. Wenn Lyall dabei war, war das zwar nicht weiter schlimm, doch er musste schließlich konsequent bleiben, wenn er das dem Alten aberziehen wollte.
Bevor sich Vinny vor lauter Hunger noch über ihr Essen hermachte, stand Cyril lieber auf und holte ihm seinen eigenen Teller. Fast hätte er den schmerzenden Knöchel vergessen, doch zum Glück meldeten seine Nerven die lästige Verletzung noch rechtzeitig, sodass er etwas vorsichtiger Auftrat. In der Küche befüllte Cy den bereitstehenden Teller mit dem letzten, noch warmen Steak und schaufelte so viel Tomatensalat drauf, dass man vom Porzellan lediglich den Rand sehen konnte. Alle war der Salat damit zwar immer noch nicht, doch das würde sicher nicht lange so bleiben. Während es sich sein Paps bequem gemacht hatte, stellte er den Teller vor ihm ab und ließ sich ebenfalls wieder auf den Stuhl sinken. "Ist noch Salat da", warf er kurz ein. Während die zwei noch über den Kohl philosophierten, widmete sich der Schwarzhaarige wieder dem Fleischstück auf seinem Teller und überlegte, wie er das Thema mit dem Weibchen wohl am galantesten ansprechen sollte. Denn das Vinny damit von alleine rausrückte, war sehr unwahrscheinlich. Also mit der Tür ins Haus fallen, rausreden konnte er sich nun eh nicht mehr. Immerhin war der Geruch noch nicht ganz verflogen und so eingerostet war Vin dann ja doch noch nicht. „Hattest gestern wohl eine tolle Nacht, warum kennen wir die Dame deiner Begierde noch nicht?“, sah er seinen Paps fragend – mit einem Hauch Vorwurf im Blick - an. Wahrscheinlich würde sich dieser nun wieder eine lahme Ausrede einfallen lassen, oder gar nicht drauf eingehen. Doch die Hoffnung blieb, dass er sich womöglich auch endlich verliebt hatte.
Vincent, Dienstag 17.03.2015 noch vor dem Timpeskip mit Lyall und Cyril van Nykvist
Steak mit Tomatensalat kam auf den Tisch, ich wusste zwar nicht, was die Jungs angestellt hatten aber ich beließ es dabei. Das Essen war wie immer ausgezeichnet. Und der Salat würde ganz bestimmt nicht über bleiben. Cyril war eben begabt darin und kam eben ein wenig nach mir. Wir hatten schon öfters zusammen gekocht. Im schlimmsten Fall gab es ja noch genügend Kochbücher in meiner Wohnung. Beim Essen erklärte ich dem Rothaarigen auch noch die Redewendung, die ich vorhin verwendet hatte. Es war aber auch ein dummer Spruch, musste ich mir eingestehen. Ich durfte auch mal dumm daher reden, wenn ich schon den ganzen Tag im Wohnheim schlau sein musste, oder zumindest so tun. Als wir dieses Kohlthema abgehakt hatten, flog mir auch schon die nächste Frage um die Ohren mit einem Hauch von Vorwurf in den Worten. Die Frage brachte mich sogar ein wenig aus dem Konzept, denn nach dem gestrigen Abend hatte ich mich bereits wieder an Karinas Duft gewöhnt, sodass er mir gar nicht mehr auffiel in meiner Wohnung. Aber den Spürnasen meiner Jungs entging die kleine aber feine Nuance nicht. Verflucht waren die Werwolfgene. Mit ein wenig grimmiger Miene, erklärte ich den Umstand des fremden Geruchs. »Ihr werdet sie ganz bestimmt noch kennenlernen. Sie wird nämlich als Lehrerin an der Schule anfangen. Ich will also keine Beschwerden über euch hören. Da sie erst seit gestern hier ist, haben wir ein wenig unsere Reunion gefeiert und ihre Wohnung ist noch eine einzige Katastrophe. Daher hat sie hier geschlafen und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.«, damit beendete ich meine Ausführung und damit war für mich das Thema erledigt.
Nach dem Essen hatte ich die Jungs auch wieder ins Wohnheim gebracht, mir aber vorher noch Cyrils Fuß angeschaut. Der Junge war einfach ein kleiner Tollpatsch aber damit wusste ich umzugehen. Notfalls würde Lyall ihn eben Huckepack oder im Prinzessinenstyle durch die Gegend tragen. Nach der Ablieferung der Jungs kehrte ich auch wieder in meine Wohnung zurück. Eigentlich hätte ich die beiden Wölfe gerne hier behalten, aber Regeln waren Regeln.
Der Weg zum Strand stellte sich langweiliger heraus, als Cyril ihn in Erinnerung hatte. Meistens kam er mit Lyall her, da gab es immer genug Unterhaltung – doch jetzt war es einfach nur Still. Still genug, um sich etwas in den eigenen Gedanken zu verlieren. Wie der Abend wohl laufen würde? Ob er mit dem Blumen wieder ins schwarze traf, oder fehlte hier etwas Abwechslung? Wie würden die anderen drauf sein, hatte jemand etwas dagegen, wenn er mit seinem Freund eng umschlungen tanzen würde? Immerhin war jeder zu dem Ball eingeladen und wenn dort mehrere so wie Lavinia drauf waren, könnte das Streit geben. Den würde sein Vater zwar schlichten, doch bestimmt nicht, ohne dabei auszuplaudern, dass sie eine Familie waren. Es konnte einfach so verdammt viel schief gehen! Dann waren da ja auch noch die Blumen, die er seinem Kumpel mitbringen sollte. Damian war nicht mal ein paar Minuten weggewesen, da war er sich schon nicht mehr sicher gewesen, ob es wirklich ein Strauß sein sollte – auch, wenn der echt hübsch war. Als das Haus in Sichtweite kam, gelang es ihm halbwegs, die rauschenden Gedanken wieder in ihr dunkles Hinterzimmer zu verscheuchen. Das würde schon alles gut gehen. Zumindest, wenn er sich endlich mal etwas entspannte. Sonst müssten heute doch noch ein paar Zigaretten von seinem Paps dran glauben, sollte dieser eine Schachtel zuhause gebunkert haben.
Die Haustür aufschließend checkte er noch kurz das Handy, ob Vinny schon geantwortet hatte und ging hinein. Die Blumen in einer Hand haltend, machte er sich auch an der Wohnungstür zu schaffen und trat endlich ein. „Paps?“, rief er kurz hinein, jedoch ohne eine Antwort. Lediglich Taffys leises Geschnatter hallte durch die Zimmer. Vor dem Eintreten putzte er sich die Schuhe an der Fußmatte gründlich ab und zog direkt in der Wohnung seine Schuhe aus, die er ordentlich an die Seite stellte. Die Blumen wurden erst einmal auf dem Wohnzimmertisch zwischengeparkt, um zwei passende Vasen zu suchen. Doch bevor er sich daran machte, schreichelte er kurz den alten Papagei und räumte ein paar herumliegende Socken seines Vaters weg. Das war mal wieder typisch. Die Suche nach den Vasen zog sich länger als gedacht – er gab irgendwann auf und nahm einfach große Wassergläser, die er füllte und auf den Esstisch stellte, ehe er die beiden Sträuße darin platzierte.
Sobald das geschafft war, ließ er sich gähnend aufs Sofa fallen. Was musste Oliver auch so früh so viel Lärm machen. Ihm würden für heute Abend definitiv diese paar Stunden Schlaf fehlen. Es war vielleicht gar keine so schlechte Idee… Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, kuschelte er sich schon mit der Wolldecke auf dem Sofa ein und schloss zufrieden die Augen. Vor dem Einschlafen spürte er noch den sanften Windhauch von Taffys Flügeln auf seinen Wangen, der es sich bei ihm gemütlich machte.
Nach einigen Stunden schreckte er panisch hoch, wobei ihm die schief sitzende Brille von der Nase flog. Etwas verplant suchte er mit den Händen nach ihr und setzte sie sich wieder auf, bevor er auf die Uhr sah und sich wieder etwas beruhigen konnte. Er hatte den Ball nicht verschlafen. Zum Glück. Aber er wollte sich noch mit Luana und Ly am Strand treffen. Wirklich begeistert war er von dem Treffpunkt zwar nicht, doch was tat man nicht alles. Beim Aufstehen ignorierte er den verurteilenden Blick des befiederten Bewohners - der sicher genauso erschrocken war wie er eben - und ging ins Bad. Dort wusch er sich kurz mit kaltem Wasser durchs Gesicht, ehe er die Packung Sonnencreme aus dem Schrank holte, die er hier für Notfälle bunkerte. Man wusste ja nie. Großzügig schmierte er die freiliegenden Körperstellen mit der weißen Creme ein, er wollte heute Abend ja nicht aussehen wie eine Krabbe und flitzte schnell zur Tür, um sich die Schuhe anzuziehen. Sollte er seinem Vater noch einen Zettel dalassen? Er schüttelte leicht den Kopf, die SMS sollte genügen. Hastig zog er sich die Schuhe an, ließ den Blick noch einmal kurz durch die Wohnung schweifen, um sie auf Unordnung zu prüfen und machte sich auf den Weg.
Im Eiltempo war ich nachhause gefahren um noch genügend Zeit zu haben. Im Grunde brauchte ich auch nicht lange im Bad und was das Anziehen betraf. Das war wohl einer der Vorteile ein Mann zu sein. Ich musste mir keine Spachtelmasse ins Gesicht schmieren ob gut auszusehen. Entweder man sah gut aus, oder eben nicht. Und ich hatte wahrlich genügend gutes Aussehen, würde sogar für eine weitere Person reichen. Einbildung war auch eine Bildung, dachte ich mir kurz, während ich herzhaft über meine Idiotie lachte. Jetzt konnte ich noch lachen, aber spätestens auf der Bühne würde das Lachen einem Schweißausbruch weichen. Hoffentlich blamierte ich mich nicht. Wie Cyril darüber dachte, war mir zwar nicht egal, immerhin wollte ich als Vater eine gute Figur machen. Aber das hatte ich garantiert mit dem Posten des Heimleiters verspielt. Egal. In meiner Wohnung schmiss ich geradewegs meine Umhängetasche in die Ecke, die Schlüssel auf den Tisch, die Augenklappe noch während dem Gehen aufs Sofa. Immerhin musste ich bin jetzt doch schon ein wenig beeilen. Die Dusche war nicht so ausgiebig wie sonst, aber das musste reichen, ein wenig Parfüm und die Sache war gegessen. Beim Duschen fiel mir wieder ein, dass ich die Blumen nicht vergessen durfte, sonst würde ich Zeit dieses Jahres wieder Gutmachung leisten müssen. Darauf konnte ich verzichten, schließlich zog mir der Rotzbengel so schon genügend Kohle aus den Taschen. Ein Kind war wirklich eine kleine Sparkasse auf zwei Beinen. Vor allem wenn das Kind technikversiert war. Trotzdem würde ich den Rabauken um nichts in der Welt wieder eintauschen wollen. Mit dem Handtuch bekleidet, trottete ich ins Schlafzimmer um meinen Anzug aus dem Schrank zu nehmen. Grau mit violett und einem Hauch von schwarz. Beste Kombi ever. Es dauerte auch nicht lange und da konnte ich mein wahnsinnig attraktives Spiegelbild betrachten. Wenn ich nicht hetero wäre, würde ich bei diesem Anblick glatt schwul werden. Eigentlich machte mich die Narbe noch heißer, als ohnehin schon, aber ich wollte die jungen Küken nicht verschrecken und so schnappte ich mir eine passende Augenklappe. Tat meinem Aussehen auch keinen Abbruch. Rundum mit mir zufrieden, schlenderte ich aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer. Immerhin musste ich meine Rede noch feinsäuberlich auf Papier bringen. Also kramte ich die Notizen aus der Umhängetasche und fing gleich damit an, damit ich demnächst auch wirklich meine Bude verlassen und zur Schule düsen konnte. Mit einem lauten Aufschrei, verkündete ich die Fertigstellung meiner Rede. Es gab sicher noch Luft nach oben, aber war das nicht immer so? Perfekt war sowieso langweilig. Handy, Rede, Geld, Schlüssel und Blumen, mehr sollte ich nicht brauchen. Somit konnte der Start in die Ballnacht beginnen.
Nachdem das Kaffeeproblem kein allzu großes Problem mehr darstellte – denn die Milch wurde nach Karinas Hinweis schnell gefunden – ignorierte er den Kommentar zu seiner SMS gekonnt und streckte der Blondine nur frech die Zunge raus. So weit kams noch, dass er die Erwachsenen in sein Geheimnis einhüllte. Familie hin oder her. Doch es dauerte nicht mehr lange, bis sich die zwei Männer verabschiedeten und den Heimweg antraten. Einmal über den Flur. Zum Abschied drückte er seine Mutter in spe noch einmal – warum überhaupt? Muss ganz schön müde gewesen sein. Und dann ging es rüber in die Wohnung des Heimleiters, wo Taffy sie bereits mit einem empörten krächzen empfing. Was bildeten sie sich auch ein, so spät erst zurück zu kommen. Um den Flattermann wenigstens etwas milde zu stimmen, zog Cyril sich schnell die Schuhe aus und lief zu ihm rüber. „Weißt du was?“, fing er an, sprach dann allerdings so leise weiter, dass sein Paps es hoffentlich nicht hören konnte. „Wenn Papa schläft, hab ich schon eine tolle Idee, was wir zwei dann machen.“ Selbst, wenn er wirklich nichts gehört hatte – spätestens das diabolische Grinsen würde dem Alpha genug sagen, damit er wusste, was Sache war. Aber er sollte sich mal nicht so anstellen, schließlich war seine letzte Nacht erholsam genug. Da sollte er sich von ein paar Störungen heute nicht stören lassen. Auch, wenn er noch nicht ganz sicher war, wie besagte Störungen exakt aussehen sollten. Taffys Lieblingskörner in seinem Bett verstreuen? In die Socken? Oder doch lieber sämtliche Kaffeevorräte verstecken, sodass er morgen früh erst einmal suchen müsste. Hm. So viele Möglichkeiten. Aber es blieb ja noch genug Zeit zum Nachdenken, während sein alter Herr in den Federn lag. „Ich geh zuerst ins Bad!“, kündigte der Schwarzschopf schließlich an, nachdem der Papagei liebevoll unter dem Schnabel gekrault wurde. Anschließend machte er seine Drohung wahr und schlüpfte schnell ins Bad. Zum Glück lebte er hier eh halb, hatte seinen eigenen Becher samt Zahnbürste im Spiegelschrank stehen und auch so flogen hier genug seiner Sachen herum. Wobei herumfliegen nicht ganz stimmte, als würde hier nicht alles seinen festen Platz haben. Was offenbar nur ihn zu interessieren schien. Während er sich ordentlich die Zähne putzte, wuselte der junge Werwolf durchs Bad und brachte hier und dort etwas in Ordnung. Die Seife zurechtrücken, das Handtuch ordentlich aufhängen, die Duschablage ordnen. All das, was seinem Vater herzlich egal war. Nicht, dass es dadurch wirklich unaufgeräumt aussah. Zumindest für jeden Normalsterblichen, Cyril sah das ganz anders. Nachdem er im Bad fertig war ging es an das Herrichten seines Nachtlagers. Wobei es da nicht mehr viel zu tun gab, denn liebevoll wie sein Paps war, hatte er ihm Kissen und Decke bereits frisch bezogen und alles auf der Schlafcouch bereitgelegt. Ein Traum. Doch vorher musste er sich ja noch umziehen, so ging es einfach an den Kleiderschrank seines Vaters, aus dem er sich ein großes T-Shirt zog. Musste reichen, es war ja eh viel zu heiß. Zwar hatte er hier auch ein paar seiner eigenen Klamotten… aber das war einfach nicht das gleiche! So zog er sich bis auf die Unterwäsche aus, schlüpfte in das Shirt und legte seine getragenen Klamotten ordentlich zusammen. In der Zwischenzeit kam auch Vincent wieder aus dem Bad, musste sich von dem Jungen noch einen Knutscher auf die Wange geben lassen und dann ging es endlich in die Koje. Nagut, auf die Couch. Die Decke hätte er sich eigentlich sparen können, so warm wie es war. Aber man sollte sich ja nicht beklagen. Und obwohl er noch warten wollte, bis sein Vater schlief, driftete er schnell ins Land der Träume.
Zeitsprung zum Mittwoch, 24. Juni 2015
Wenigstens in seinem Traum hatte er seinem Paps einen ordentlichen Streich gespielt. Die hellen Haare wurden zu einem Vogelnest toupiert, in dem Taffy sich unglaublich wohl gefühlt hatte. Doch nicht nur Taffy alleine, nein, der alte Charmeur hatte nämlich eine hübsche Papageiendame aufgerissen. Und die zwei Turtelpapageien nutzen das Nest kurzerhand, um eine Familie zu gründen. Leider wurde Cyril von irgendeinem störenden Geräusch aus seinen Träumen gerissen, bevor die niedlichen Dinger schlüpfen konnten.
Nachdem sich auch noch Cyril bei Karina verabschiedet hatte, ging es die paar Schritte zu meiner Wohnung. Zum Glück war Taffy ein braver Papagei und stellte keinen Unsinn an, wenn niemand zuhause war. Da konnte man schon fast vergessen, dass es sich bei Taffy eigentlich um kein lebendes Exemplar eines Papageien handelte. Dass mein Sohnemann gleich zu dem Vogel rannte, war irgendwie vorherzusehen. Er mochte ihn ebenso wie ich, wobei er mir auch manchmal gehörig auf den Keks ging. Jeder Haustierbesitzer kannte dieses Gefühl. Mit einem Grinsen schlenderte ich kurz beim Bad vorbei und meine Dreckwäsche in den Wäschekorb zu schmeißen. Nur mit meiner Unterhose bekleidet machte ich mich wieder auf den Weg ins Wohnzimmer, wo er Cyril dabei beobachtete wie er Pläne mit Taffy schmiedete. Nichts anderes war das Zusammenstecken der Köpfe. Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. Zum Glück hatte ich es heute nur mit einer wölfischen Plage zu tun. Lyall war vermutlich noch ganz K.O. wegen dem Alkoholkonsum. Da musste ich vielleicht noch ein Wörtchen mit ihm reden. Das sollte wirklich nicht zur Gewohnheit werden. Hoffentlich lernte er daraus, dass ein Kater alles andere als vorteilhaft war und ließ die Finger vom Alkohol. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Das der Geek nach seiner Unterredung mit Taffy sofort das Bad für sich beanspruchte, brachte mich zum Grinsen. Ich war gerade auch gar nicht müde. Daher konnte ich das Bad auch später noch benutzen. Der Pfirsichduft auf meiner Haut war zumindest noch nicht ganz verschwunden, wie ich feststellte. Da fiel mir auch wieder ein, dass ich Karina wegen dem Duschgel im Laufe der Woche noch einmal anhauen musste. Immerhin hatten wir auch Pläne geschmiedet. Nicht nur die Kids waren dazu in der Lage. Während sich der Schwarzhaarige im Bad verbarrikadierte, legte ich ihm sein Bettzeug auf die Couch. So wie ich ihn kannte, bevorzugte er die Couch als Nachtlager, als neben seinem Dad im Bett zu liegen. Das Bett war jedenfalls groß genug, wenn er seine Meinung noch einmal revidieren wollte. Da ich während der Wartezeit nichts zu tun hatte, beschäftigte ich mit meinem Vogel. Ab und zu konnte man ihm schon ein wenig Zuneigung schenken, was er auch sichtlich genoss und seinen Hals nach mehr Streicheleinheiten reckte. »Braver Vogel.«, lobte ich ihn, als das die Badezimmertür hörte und kurz darauf Cyril mit einem meiner Shirts im Wohnzimmer stand. Kurz wuschelte ich ihm durch die Haare bevor auch ich kurz ins Bad schlüpfte, um mich für die Nacht vorzubereiten. Cyril hatte es sich in der Zwischenzeit auf der Couch gemütlich gemacht, was mich allerdings nicht davon abhielt mich noch einmal von ihm zu verabschieden, ehe ich mich in mein Schlafzimmer begab. Jedenfalls nutze ich die Zeit, um noch ein wenig im Internet zu surfen, als ich deine Nachricht auf mein Handy bekam. Von Jake. Die Nachricht klang ein wenig verheißungsvoll, weshalb ich auch sofort eine Antwort tippte. Könnte durchaus sein, dass ich morgen doch früher ins Wohnheim musste, als gedacht. Aber das würde mir Jake noch sagen.
Mittwoch 24.06.2015 Mein Handywecker war wie immer zuverlässig, als ich danach fischte, um ihn auszustellen. Träge schlüpfte ich aus dem Bett. Nach einem Abstecher ins Bad, machte ich mich in der Küche ans Werk das Frühstück vorzubereiten. So leise wie möglich natürlich. Immerhin schlief der Schwarzhaarige noch, es würde aber wohl nicht mehr lange dauern, bis auch er aus seinem Schlaf erwachte und da wollte ich das Frühstück schon so gut wie fertig haben. Derweil leistete mir Taffy Gesellschaft, der zur Abwechslung sogar mal den Schnabel hielt. Nicht umsonst wurde er von mir als Plappergei bezeichnet. Ein Murren war aus dem Wohnzimmer zu hören. »Guten Morgen. Gut geschlafen? Soll ich dich eigentlich mit zum Wohnheim nehmen, damit du mit Lyall an die Schule gehen kannst?«, richtete ich mein Wort an meinen Sohn, der noch immer halb schlief.
Konnte man nicht einmal ausschlafen?! Der alte Wolf schon wieder, ey… Murrend zog sich Cyril die Decke über den Kopf und gab sich alle Mühe, wieder ins Land der Träume zu verschwinden. Wenn das mal so einfach wäre. Wo war er stehen geblieben? Die Vogeleier, richtig. Bei einem war die Schale bereits leicht angeknackt, Taffy und seine Frau sitzen Erwartungsvoll am Rand des Nests. Das Papageienjunges pickt voller Kraft gegen die Schale, versucht mühselig, sich zu befreien- Verdammt, Paps! Ein weiteres lautes, protestierendes Murren war unter der Decke zu vernehmen und er versucht noch immer, zurück in seinen Traum zu verschwinden. Doch vergebens. Das wars. Hinüber. Frustriert kroch er aus seinem warmen Deckenkokon, die Frage seines Vaters vorerst ignorierend. Müde… mit einem herzhaften Gähner sucht seine rechte Hand noch etwas unkoordiniert auf dem Couchtisch nach seiner Brille. Und in der Zeit, bis er sie fand, war er schon wieder halb eingeschlafen. Würde sein Vater in der Küche nicht so einen Lärm veranstalten. Da! Endlich. Beinahe triumphierend schob er sich das Gestell auf die Nase und rappelte sich langsam auf, zunächst das Bad ansteuernd. Musste einfach sein. Nach dem Hände waschen bekam auch sein Gesicht einen Schwack kaltes Wasser ab – natürlich hatte er vergessen, sich dafür die Brille abzusetzen. Wow… super Start in den Tag. So viel Talent musste man auch erstmal haben. So ging es mit der tropfenden Brille in der Hand zunächst in die Küche, wo er sich ein Tuch der Küchenrolle abrupfte. Erst dann wurde der Heimleiter mit einem halbherzigen: „Morgn“, begrüßt und die Brille getrocknet. Wenigstens war er mittlerweile halbwegs wach, sodass er über die vorhergegangene Frage nachdenken konnte. Eigentlich wäre das gar keine so schlechte Idee. Zumindest, wenn er mittlerweile nicht auf sein Handy geschaut hätte, welches er auf dem Weg in die Küche selbstverständlich mitgenommen hatte. „Musst du nicht, Lyall ist schon in der Schule.“ Er brauchte etwas, bevor er das Bild im Anhang der Nachricht seines Freundes zuordnen konnte. Nicht zuletzt, weil er seine Brille erst nach kurzem Grübeln wieder auf die Nase setzte. Doch als es soweit war, fiel ihm entsetzt die Kinnlade runter. „Was soll das denn?!“, fing er schon vor dem Frühstück an zu fluchen und vergewisserte sich mit einem weiteren Blick, dass er das gerade richtig gelesen hatte. Tatsache. Waren die irre? „Papa!“, wandte er sich aufgebracht an seinen Vormund. „Die haben Lyall einfach in eine andere Klasse gesteckt? Wusstest du davon?“, schob er direkt den ersten Vorwurf des Tages mit hinterher. Denn wenn dem so wäre und der Alpha dieses Vorhaben nicht aufgehalten hätte, dann konnte er sich auf was gefasst machen. Doch nicht, bevor er endlich etwas gegessen hatte. Zum Glück stand auf dem Tisch bereits alles bereit, sodass er direkt zum Frustfrühstück übergehen konnte. Auch, wenn sich das bei ihm – wie immer an einem Schultag – wohl in Grenzen halten würde. Ein Glas Wasser, eine Scheibe Toast mit Marmelade. Während er die rote Kuvertüre auf dem leicht gerösteten Brot verteilte, fixierte er seinen Vater noch immer mit seinem Blick. Das konnte doch nicht wahr sein. Da hatte er Lyall schon beinahe 24 Stunden nicht mehr gesehen – und jetzt? Durften sie nicht mal zusammen in einer Klasse sein. Wenigstens die Dangernudel hatte er an seiner Seite, sofern er das Richtig gelesen hatte. Aber dennoch… Während er einen großen Bissen nahm, legte er das Handy mit der freien Hand auf den Tisch und tippte mit dem Zeigefinger die Antwort an seinen Freund.
Bevor sich Cyril zu einer Erwiderung meines Morgengrußes hinreißen ließ, schlenderte er zuerst ins Bad. Typischer Morgenmuffel. Aber daran war ich bereits gewöhnt und schüttelte nur meinen Kopf. Somit hatte ich auch noch genügend Zeit den letzten Rest des Frühstücks vorzubereiten. Einen Kakao mit ganz viel Liebe für meinen Lieblingssohn, schließlich musste ich seine "Mutter" ausstechen. Mein Kakao war sicher besser zubereitet als der von Karina. Alles andere würde meinen Stolz verletzen. Es brauchte auch nicht lange und das Getränk war fertig auf dem Tisch, da kam auch bereits Cyril vom Bad zurück. Allerdings mit einer tropfenden Brille, was ich mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte. Er war am Morgen eben doch ein wenig verpeilt, wenn man das so sagen konnte. Aber das war ja auch nichts schlimmes, machte ihn nur liebenswert. Was ich natürlich niemals laut aussprechen würde. Wäre Cyril vermutlich zu peinlich. Der Schwarzhaarige ließ sich sogar noch zu einem "Morgen" hinreißen. Wie überaus reizend. Nachdem auch seine Brille trocken gerubbelt war, konnte man sich auf das Frühstück stürzen, daher setzte ich mich auch an meinen angestammten Platz. Meine gefüllte Kaffeetasse greifend, hörte ich Cyril zu. Lyall war anscheinend schon an der Schule. Der frühe Vogel fängt den Wurm, so zumindest ging ein Sprichwort. »Ist aber noch ein bisschen früh. Ich hab dir übrigens noch einen Kakao gemacht, mit viel Liebe.«, grinste ich, ehe ich mir zwei getoastete Scheiben Weißbrot schnappte. Vielleicht verstand er die Anspielung ja. Und sagte mir, als braver Sohn, dass mein Kakao wesentlich besser schmeckte. Aber vermutlich wartete ich darauf vergebens. Konzentriert schmierte ich mir meine Scheiben Toastbrot, als Cyril in Ragemode geriet. Da war wohl jemand doch mit dem falschen Fuß aufgestanden. Als allerdings ein anklagendes Papa folgte, wurde ich doch hellhörig und hob meinen Blick. Ich hatte absolut keine Ahnung was jetzt folgen würde. Ich konnte eine Unterstellung hören. »Was? Nein, wusste ich nicht. Ich hatte zwar mal mitbekommen, dass an einem neuen Klassensystem gearbeitet wurde, aber mehr weiß ich nicht. Die Schule ist ja auch nicht mein Revier.«, rechtfertigte ich mich. Julia brauchte mich auch nicht um Erlaubnis fragen, wenn sie die Klassen neu einteilte. Schließlich war sie die Direktorin. Als Direktorin hatte sie sich auch nicht in die Belange des Wohnheims einzumischen. »Es wird aber wohl seine Gründe haben, wieso die Klassen neu eingeteilt wurden.«, appellierte ich an seine Vernunft, damit er nichts Blödes anstellte. Ich wollte ungerne einen Anruf von Julia erhalten, die mich über das Benehmen von Cyril aufklärte. Ich tat es dem Schwarzhaarigen gleich und beschmierte meinen Tost fertig, ehe ich ebenfalls einen großen Bissen davon nahm. Man konnte die Spannung noch immer deutlich spüren. Ich hoffte wirklich, dass er noch runterkommen würde, ehe es in die Schule ging. »Soll ich dich sonst an der Schule absetzen?«, fragte ich den noch immer genervten Wolf, der gerade sein Handy vergewaltigte. Vermutlich um eine äußerst genervte und vulgäre Nachricht zu schreiben. Die Jungend von heute. Ein Klassenwechsel war wohl wirklich kein Weltuntergang, zumal man die meisten Mitschüler sowieso kannte. Und ein paar seiner Freunde würden wohl auch in der neuen Klasse sein. Insgeheim fand ich die Trennung der Beiden nicht unbedingt schlecht. Schließlich konnten sie die Finger nur schlecht voneinander lassen. Da grenzte es ja beinahe schon an ein Wunder, dass Cyril heute bei mir geschlafen hatte, anstatt im Wohnheim.
Ja, Lyall war eindeutig zu früh an der Schule. Zumindest für Cyril-Verhältnisse. Naja, wenigstens einer von ihnen musste es ja sein. Und dass er selbst nicht der Pünktlichere von beiden war, das musste man dem Heimleiter bestimmt nicht auf die Nase binden. Wäre schräg, wenn er das mittlerweile noch nicht gemerkt hatte. Denn das konnte man definitiv nicht auf das fehlende Auge schieben. Nachdem sich die kleine Familie an den Tisch gesetzt hatte, schnupperte der junge Werwolf kurz an dem Kakao. „Ist das ein neues Pulver?“, fragte er, während er an der Tasse nippte und kurz zu überlegen schien. Nein, das war es nicht… irgendwie schmeckte der Kakao schokoladiger als sonst. Und dafür gab es für ihn nur eine Lösung. „Hast du die neue Trinkschokolade gekauft, von der ich dir erzählt hab?“ Wenn man genau hinsah, weiteten sich die lavendelfarbenden Augen etwas vor Begeisterung. Die schmeckte ja noch besser, als er vermutet hatte! Ja, seine Empfehlungen waren eben gut. Besonders, wenn es um Süßkram ging. Bei anderem Essen sollte man sich besser nicht auf seine Meinung verlassen. Denn alles, was dem Bauch nicht gut bekam, schmeckte prinzipiell scheiße (im wahrsten Sinne des Wortes). Und da die meisten Lebensmittel in diese Kategorie fielen – ja, man sollte es sich vermutlich denken können.
Mit einem trotzigen Schnauben kommentierte der Teenie das Unwissen seines Vaters. War ja mal wieder klar! Immer dann, wenn es wichtig wurde, zog er den Schwanz ein. Typisch. „Toll, und was für ein Grund sollte das sein?“, giftete er zurück. Es gab nichts, wirklich gar nichts, was die Trennung der beiden rechtfertigen konnte. Klar, Lyall war im Unterricht manchmal etwas aufgeschmissen. Aber gerade deshalb musste er doch bei ihm sein! Wie sollte sein rotes Wölfchen denn sonst klarkommen? Vermutlich würde es darauf hinauslaufen, dass sie nach Unterrichtsschluss den Rest des Tages zusammensaßen und er seinem Freund nochmal alles Schritt für Schritt erklären durfte. War ja nicht so, als hätten sie auch mal besseres zu tun, als Schule und Hausaufgaben. Der nächste Frustbissen vom Toast folgte kurz nach dem Absenden der Nachricht und irgendwie schmeckte der Kakao mit einem Mal gar nicht mehr so toll. Musste an der versauten Stimmung liegen. So ein Mist… Da sank seine Laune zur Schule zu gehen direkt gen Null. Und das Angebot seines Paps konnte auch nichts mehr retten. „Ne, ich laufe lieber“, schlug er es in Folge dessen direkt aus. Das wäre ja noch schöner. Während er die letzten Bissen seines Frühstücks vernichtete, lag sein Blick immer wieder auf seinem Handy, welches noch immer neben seinem Teller lag. Und es dauerte nicht lange, bis die Antwort seines Herzenswolfes kam. Allerdings waren es nicht gerade die Worte, die er hören wollte. Entweder er musste alleine schwänzen, oder sich doch zur Schule quälen. Na super… Doch damit sein Vater nicht direkt Verdacht schöpfte, leitete er das: „Liebe Grüße von Lyall“, direkt mal weiter. Lediglich die versprochenen Stunden allein konnten die Stimmung etwas heben, wenn auch nicht beachtlich. Hm… Isa hatte Geburtstag. Da fiel ihm doch Glatt der Auftrag der kleinen Katzenlady wieder ein. Ja, nach dem Frühstück würde er erst einmal daran weiterarbeiten. War bis zur Schule ja noch genug Zeit. Und vielleicht ging das ja schon als Geschenk durch? Noch immer in sein Handy vertieft tippte er direkt die nächste Antwort und schlürfte gedankenverloren die letzten Reste aus seiner Kakaotasse.