Diese Wohnung befindet sich im zweiten Stock des Yashidori Wohnbaus und ist mit dem Großteil seiner Räumlichkeiten zum Stadtpark ausgerichtet, auf welchen man von einem Balkon in dieser Höhe einen wunderbaren Ausblick hat. Dieses Domizil schließt direkt an die Wohnung an die Wohnung Nr. 13 an, die Balkone beider Wohnungen sind lediglich durch eine untermannshohe Trennwand separiert.
Betritt man die Wohnung, so steht man in einem kleinen Eingangsbereich, der durch eine weitere Zimmertüre geradewegs mit dem Wohnzimmer verbunden ist. Bleibt man jedoch noch kurz im Eingangsbereich stehen, schließt rechterhand eine kleine Küche an, die über einen kleinen Bogen zu betreten ist. Die Theke der Arbeitsflächen sind zum Wohnzimmer hin geöffnet, es handelt sich bei der Küche also nicht direkt um einen eigenen, geschlossenen Raum, sondern lediglich um eine Küchennische, die man über den Eingangsbereich, oder - wenn man beweglich genugt ist - über einen Sprung über die Halbwand erreichen kann. Der große Wohnbereich teilt sich in einen Ess-, sowie daran anschließend einen schlichten Wohnbereich. Vom Wohnzimmer aus führt eine Türe in das quadratmetermäßig bescheidene Schlafzimmer, eine weitere in ein Badezimmer mit Toilette. An die Wohnecke anschließend erreicht man durch eine große Glasschiebetür den Balkon. Sowohl Wohn-, als auch Schlafzimmer sind mit einer Klimaanlage für die unzähligen, heißen Tage auf der Insel ausgestattet.
Matheo
Mathéo Tristam
309 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: grüne Haremshose mit orientalischem Muster, schwarzes Leinenhemd, kein Stirnband, Augenklappe
Es stimmte ihn sehr nachdenklich, dass Julia davon ausging, er würde eine Narbe unter seiner Augenklappe tragen. Einerseits konnte er froh sein, dass sie es in dieser Form akzeptierte und deshalb nicht weiter nachhaken sollte; andererseits grämte es sie, weil es nicht die Wahrheit war. Mathéo war niemand, der gerne log und vor allem nicht, weil ihm etwas unangenehm war. So war er nicht und so wollte er nie sein. Ein Mathéo Tristam war direkt und offen, sprach, was ihm auf der Seele lag. Aber vielleicht war dieser Mathéo auch nur eine große Mauer, die sich breit machte und dabei die kleinen Übel im Schatten verdeckte, die dahinterlagen. Eine Farce oder gar eine Lüge war diese Mauer dennoch nicht. Der Dämon war grundsätzlich so, wie er sich selbst beschrieb. Doch wie Julia es so passend formulierte: Jeder von ihnen besaß Narben, die er mit sich herumtrug. Manche waren offensichtlich und manche versteckt. Mathéos Narbe war irgendwie beides. Hätte er die Augenklappe nicht, wäre sie offensichtlich. Doch gerade durch das Textil war sie gleichzeitig versteckt. Sein Herz pochte stark, als er Julia dabei zuhörte, wie sie sich anstrengte, ihn aufzumuntern, ihm Verständnis entgegenzubringen. Fast schon fühlte er sich wieder deutlich jünger als sie, was plötzliches Unbehagen in ihm erzeugte. Er wollte sich nicht jünger fühlen. Er wollte sich auf einer Ebene mit ihr fühlen – ihr gleichgestellt sein. Solange er das nicht schaffte und solange sie nicht genauso dachte, würde er ihre Gefühle wohl nie auf die Art erreichen können, nach der er verlangte. Und doch stand er da und stand wie ein verlorener Tropf. Die Hand auf seiner Schulter, mochte sie auch nur für einen kurzen Moment dort gewesen sein, hätte er viel lieber genossen. Angesichts der Stimmung hatte er sich dagegen schwergetan, sie vollends zu spüren, zu genießen. Es tat ihm leid, dass er es nicht gekonnt hatte.
Julias Lob hallte noch etwas nach. Angeblich war er mutig und selbstbewusst in der Form, wie er mit seiner offenen Wunde umging. Dabei versteckte er sie doch, versteckte den Mut, den sie da zu sehen meinte. Gut verstecken konnte man es. Das Versteck selbst fiel nur auf. Und bisher hatten nur weniger ihre Neugier geäußert. Niemandem sonst hatte er gezeigt, was sich dahinter verbarg. Julia, sie tat ihr Nötigstes, ihm Verständnis zu schenken, Beistand zu leisten. Mathéo meinte, zu spüren, wie viel hinter ihren Worten lag, dass Aufmunterungen nicht ihre Stärken waren. Ohne sie zu kritisieren, musste er ihr zustimmen. Zeitgleich aber wärmte es ihn, zu begreifen, dass sie es dennoch versuchte. Julia war nicht die perfekte Frau, die alles im Griff hatte. Hier zeigte auch sie die Mängel, an denen sie zu arbeiten hatte. Unter den Menschen würden die Philosophen sagen, sie zeigte ihre menschliche Seite, denn sie zeigte Fehler, zeigte Unzulänglichkeiten. Mathéo hatte davon gelesen, dass Irren menschlich sei. Irren war dasselbe, wie Fehler zu begehen. Ein Mensch war nicht perfekt – und vermutlich war es auch kein Dämon. Wie Mathéo seine Kanten hatte, die unausgefüllt waren, so hatte auch Julia sie. Und sie scheute sich nicht, sie ihm zu zeigen. Obwohl … der Tristam erinnerte sich zurück an die Zeit im Büro, da hatte die Bardera einen Eindruck durchschimmern lassen, dass ihre Narben wohl nicht so offensichtlich waren wie die des Tristams, wenn auch Mathéo ebenfalls Dinge in seinem Herzen mit sich herumschleppte.
»Ich glaube nicht«, schaute er Julia fest entschlossen in die Augen, suchte ihre saphirblauen Seelenspiegel und wollte sie nie mehr weichen lassen, »dass ich so mutig bin, wie du sagst, wenn ich meine Narbe hinter einer Augenklappe verstecke. Aber ich möchte dich auch nicht enttäuschen. Du sollst nicht glauben, dass es anders wäre, deshalb …« Mathéos rechte Hand fuhr ihm wieder durch den Schopf und hob die Strähnen über der Augenklappe an. Die linke Hand folgte und legte ihre Finger an den Rand des Textils. Zögerlich und immer noch unsicher hob er es an, klappte es nach oben um. Ein roter, kräftiger als ein blutiger, eher lodernder wie ein feuriger Augapfel zeigte sich, in dessen mitten die dämonische, schwarze Pupille zuckte, so schmal und spitz, als gehörte sie ursprünglich einem Drachen. »Das ist mein Familienerbstück. Mein Dämonenauge, welches ich nicht zurückverwandeln kann.« Noch ein, zwei Sekunden verharrte er, dann senkte er die Klappe wieder ab und richtete seine Haare.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Julia verharrte in ihrer Position, welche sei eingenommen hatte um dem Dämon vor sich eine Stütze zu sein. Ihr Blick wärme ausstrahlend und der Griff an der Schulter sanft gehalten. Egal was er jetzt sagen würde, sie wäre darauf vorbereitet. Immerhin hatte die Blondine ja schon zugegeben, das sie nicht gut in solchen Sachen war und eindeutig noch Übung brauchte. Eine Ablehnung oder etwas harschere Reaktion wäre also genauso zu erwarten, wie eine positive. Doch nie hätte sich Julia erträumen lassen, das Mathéo nun den ganzen Weg gehen würde. Zumindest was die Offenbarung seiner Narbe anging, wie sie es bezeichnete. Dementsprechend schüttelte sie sanft den Kopf um im eigentlichen Sinne zu verneinen, was er da gerade sagte. Da stockte ihre Geste bei den Worten, das der Rothaarige sie nicht enttäuschen wollte. Mit fokussiertem Blick und beinahe schon in Zeitlupe, musterte die Blondine den Weg, welchen seine Hände zurücklegten und wartete wie im Theater auf die Öffnung des Vorhangs.
Was die Bardera zu Gesicht bekam, faszinierte und erschrak sie zugleich. Ein Auge so hell wie ein Feuer, als würde die Hölle selbst darin lodern, zusammen mit einer Pupille, welche selbst der argwöhnischsten Katze Konkurrenz machen würde. Sprachlos schaute sie in das Auge, welches nun zurück in ihr Gesicht starrte und erst als der Vorhang sich wieder schloss, erwachte Julia aus ihrem Trance ähnlichen Zustand. „Unglaublich.“, war das erste was sie voller erstaunen herausbrachte und schon danach wieder zu einer sanften Mimik zurückkehrte. Es war um einiges interessanter als so manch andere Fähigkeiten, welche sie hier auf der Insel gesehen hatte. Umso mehr verstand sie, das er es nicht offen trug und damit herumstolzierte, als wäre es etwas alltägliches. „Ich verstehe dich, glaube ich.“, gab sie etwas unsicher zu erkennen und wandte dabei kurz den Blick ab, um ihn wenige Sekunden später wieder zurückkehren zu lassen. Das meinte er also mit nicht enttäuschen. „Danke, dass du es mir gezeigt hast. Ich weiß dieses Vertrauen zu schätzen. Es bedeutet mir wirklich sehr viel.“, sprach sie mit einer zarten Stimme, die wohl nur Levi bis jetzt zu hören bekommen hatte und niemand anderes sonst. Er hatte in ihren Augen eindeutig an Geschmack gewonnen.
Ihre sanfte Mimik wich einem entschuldigenden Lächeln. Sie überlegte, ob sie ihm auch etwas von sich zeigen sollte. Einfach nur, um die Gleichheit aufrecht zu erhalten, ohne ihn damit zu erschlagen. Einen kleinen Blick in die Manege der Direktorin werfen lassen, ohne zu viel zu offenbaren. „Nun…“, sie stockte kurz. Eine kleine Kostprobe würde es sein. Nicht allzu fiel. Es würde nur eine simple Übertragung von Gefühlen werden. Denn so wie sie sich bei dem Denken an ihren Vater fühlte, das ließe sich einfach schwer mündlich beschreiben. „…ich würde das Gleichgewicht gerne erhalten. Wenn du möchtest, dann zeige ich dir eine dieser Narben. Oder besser gesagt, lasse sie dich spüren.“, ihr Blick war fragend und unsicher. Aber sie hatte das Angebot gestellt und würde sich auch daran halten, sollte er es annehmen.
Nicht dass er Julia als jemand eingeschätzt hätte, der angewidert von ihm weichen würde. Aber diese herzliche und irgendwie auch niedliche Wärme, die sie ihm entgegenbrachte, ließen ihn nicht schlecht staunen. Es war wieder dieser Eindruck, den sie von sich gab. Sie versuchte, ihm Verständnis zu schenken, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass es ihr schwerfiel, dass sie nicht sicher sein konnte, ob sie ihn total verstand. Aber sie schien es zu versuchen und das war sehr viel wert. Ihre Worte, wie hoch sie selbst die Aktion des Tristams schätzte, lösten ein heißes Pulsieren in seiner Brust aus. Auch sein Kopf wurde wärmer. So ganz wollte er nicht glauben, was sie da sagte. Aber tatsächlich, es freute ihn, dass er sie nicht enttäuscht hatte.
Doch auch wenn er meinte, Entspannung sollte ihn heimsuchen, war die Atmosphäre immer noch sehr angespannt. Vermutlich lag es an der Offenheit, mit welcher sich die beiden Dämonen zwischen Kühlschrank und Herd begegneten. Aus der lockeren und scherzenden Zweisamkeit, war plötzlich ein intimes, doch offenes Gespräch geworden. Mathéo brauchte nicht erwähnen, dass er von sich selbst überrascht war. Es war auch für ihn manchmal schwer zu greifen, weshalb ihm dieses Auge zu scher an der Seele lastete. Sobald er seine dämonischen Kräfte vollends aktivierte, änderte sich auch das linke Auge. Einzig der Fakt, dass er sich nicht vollständig zurückverwandeln konnte, stellte den Haken an der Sache dar. Die Dämonenform war etwas, die ihn am meisten an seine Sippe erinnerte. Vater hatte er fast nie in dieser Gestalt gesehen. Auch er vermied sie, so gut es ging. Einzig für besonders anspruchsvolle Experimente hatten sie beide darauf zurückgreifen müssen. Ansonsten … diese menschliche Gestalt war etwas, was er mit seinem Vater verband und der Zeit, welche die beiden Tristams miteinander verbracht hatten. Sie symbolisierte seine Ruhe, seine Ausgeglichenheit, seine innere Sicherheit. Nur war hier niemand ausgeglichen oder entspannt. Angespannt waren sie. Zumindest Mathéo.
Julias zarte Stimme schmiegte sich wie schmelzende Eiscreme über die Seele des Dämons. Einerseits war sie bissig und kalt, weil so ungewohnt, andererseits war sie süß und anschmiegsam, auf Grund ihres Klanges und der Harmonie ihrer Emotion. Das Lächeln, welches nun ihre Lippen zierte, verzauberte den Tristam ein weiteres Mal. Wie gerne hätte er es noch näher an sich herangezogen. Wenn auch der Moment in seiner Intensität keine wilden Fantasien zuließ, so verkorkst war er nun auch wieder nicht, erzeugte sie einen unwillkürlichen Drang nach Nähe, die ihm in seinem einsamen Haus im Park oder mit seinen ständig wechselnden Mitbewohnern und Schulkameraden sehr unbekannt war. Distanz war es wohl gewesen, die ihn davor bewahrt hatte. Wo er nun jedoch den ersten Schritt gemacht hatte, sich zu öffnen, schwand auch diese und gab auf ein Neues Platz für das Unterbewusstsein. Mathéos Augen, welche sich allmählich beruhigt hatten und nicht mehr verblüfft die Mimik der Bardera musterten, lagen nun wartend auf ihren Zügen. Dass sie etwas sagen wollte, hatte sie bereits angekündigt. Nun wartete er nur noch darauf, was ihr auf der Seele lag, denn es schien ein ähnliches Gewicht zu besitzen wie das Geheimnis, welches er ihr präsentiert hatte.
Wieder pochte es stärker in seiner Brust, als Julia ihren Wunsch äußerte, das Gleichgewicht halten zu wollen. Es war ein Zeichen, sich mit ihm auf einer Ebene austauschen zu wollen und nicht wie ein Wasserfall, der einen See füllte oder ein Abfluss, der an einem Teich nagte. Noch viel wilder pochte es, als sie umschrieb, was sie im Schilde führte. Mathéo hatte vermutet, dass die Erlebnisse in der Vergangenheit sie gezeichnet hatten in irgendeiner Form. Doch von diesen hätte man berichten können. Was war es, was man jemanden stattdessen spüren ließ? Mathéo wollte es wissen. Er wollte es unbedingt wissen. Doch zu sagen, dass er es gerne wissen wollte, klang taktlos. Darum zögerte er mit seiner Antwort und wollte erst darüber nachdenken, wie er sich anständig äußerte. Eine Ehre wäre es ihm, doch das würde das Gleichgewicht wieder aus dem Lot bringen. Es musste etwas anderes sein. »Lass es mich bitte erfahren«, waren schließlich die Worte, die er einfühlsam, aber selbstsicher zu ihr sprach. Dieselbe Einstellung spiegelte sich auch in seinem Auge wieder, welches nach wie vor auf der wunderschönen Frau vor ihm fokussiert war.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Die Dämonin im Hausfrauenoutfit, schaute dem Rothaarigen noch einmal prüfend ins Gesicht, als wollte sie ihm noch einmal die Aussage entlocken, das er das eigentlich gar nicht wollte. Aber sie entdeckte weder Unschlüssigkeit, noch Verunsicherung in seiner Stimme sowie Mimik. Er meinte es ernst und das gab ihr selber dann seine Zustimmung, das sie mit ihrer Vorführung beginnen konnte. „Also gut.“, sagte sie in einem leisen Ton und stieß sich von der Küchenzeile ab. Es sollte eine kleine Vorführung werden, ein kleiner Einblick. So wie sie es ihm Angeboten hatte. Ein leises atmen entfuhr der Blondine, dann schloss sie einen kurzen Moment ihre Augen.
Konzentrieren musste sie sich, jeden einzelnen Moment heraussuchen und die Gefühle davon in ein kompaktes Paket bündeln. Es in mancher Hinsicht sogar abmildern, so das es nicht überwältigend auf Mathéo wirken würde. Ein Fakt der weniger mit seiner eigenen Stärke zu tun hatte. Es war die Tatsache, das es nicht seine Gefühle und Wahrnehmung waren, die er nun zu spüren bekommen sollte, das konnte den eigenen Geist schon einmal überfordern. Julias Mimik änderte sich wieder in diese kühlen, herzlosen Präsenzen, welche man schon am Nachmittag mehrmals in ihrem Gesicht erkennen konnte. Die Abgründe das Abyss, tauchten in den leblos wirkenden saphirblauen Seelenspiegeln der Direktorin auf. Nun löste Julia einer ihrer Barrieren, welche ihre Fähigkeiten blockierten und die Aura relativ stark verschlossen. Eine Nötige Maßnahme, weil sie ansonsten nicht in der Lage gewesen wäre diese Übertragung aufrecht zu erhalten. „Bereit?“, fragte sie etwas kühl und ihre Hand, welche nun von einem schwarzen, leichten Schimmern umgeben war, legte sich auf die Schulter des Tristams.
Eine immense Welle aus den verschiedensten Gefühlen bewegte sich auf den Tristam zu. Hass, wie er höher nicht sein könnte. Dieses Gefühl abgrundtiefer Abneigung in Verbindung mit Trauer, Sehnsucht und Wut. Endlose, schiere Wut. Aber nicht gegen jemand anderen, nein, vielmehr gegen sich selber. Dieses Gefühl eines zutiefst dämonischen Grinsens, welches wohl aus ihren Gedanken stammte, aber einen unbekannten Herkunftsort barg. Dann brach die Übertragung ab, weil Julia ihre Hand hinunternahm und ihre erste Barriere wieder in den Ursprungszustand zurücksetzte. Das plastische wich aus ihrem Gesicht und ein leichtes Lächeln bildete sich wieder auf ihren Lippen. „Ich hoffe, das war jetzt nicht zu überwältigend.“, sprach sie den Blick von Mathéo fixierend und blieb wieder angelehnt an der Küchenzeile stehen. Sie wusste selber das es wohl nicht so vielsagend gewesen war, wie ihr Gast es sich vielleicht vorgestellt hatte. Doch hegte sie die Hoffnung, das er diese Emotionen vielleicht selbst zuordnen konnte, es in einem gewissen Teil wenigstens Versuchte. Sie war schwer zu verstehen, das wusste sie selber sehr gut. Allerdings konnte sie den Rothaarigen auch verstehen, wenn er nun abstand von ihr gewinnen wollen würde. Ganz unverständlich war es nicht. Unmut machte sich in Julia breit. Vielleicht war sie ja zu weit gegangen.
Mathéo wusste einfach nicht, womit er nun rechnen sollte. Julia erklärte ihm eigentlich gar nichts. Sie fragte nur, ob er sich sicher war, prüfte seine Entschlossenheit, indem sie ihn eine halbe Ewigkeit mit ihrem stechenden Blick durchbohrte. Dass ihre Augen für Mathéo eher einem Balsam für seine Seele ähnelten statt der Speerspitze eines Pikenier, wusste die Blondine scheinbar nicht. Trotzdem kam Mathéo nicht drumherum, schwer zu schlucken. Die erotische Atmosphäre wollte nicht wirklich zum Erblühen kommen, dafür war die Situation einfach zu angespannt und zu ernst. Noch bevor Julia ihre Hand wieder auf seine Schulter legte, merkte er, wie sich irgendetwas in ihr heranbraute. Ihre geschlossenen Augen, ihre stille Konzentrationsphase. Im Kopf des Tristams malten sich verschiedene Fortführungen aus. Ein Muttermal auf ihrem Busen, welches ihr zu Schaffen macht, würde er wohl nicht sehen. Aber Julia schien eben kein äußerliches Problem zu besitzen. Es lag in ihr. Und genau dort kramte sie es nun vermutlich hervor. Als sich die Augen der schönen Frau wieder öffneten, ahnte Mathéo nur Übles. Mit dem seelenlosen Ausdruck in ihrem Gesicht vermutete der Dämon zuerst, sie hätte irgendetwas in sich freigesetzt, was sie nun auf ihn loslassen würde. Und als sie ihn dann schließlich berührte, traf es ihn wie ein Schlag.
Viel mehr war es wie eine Wand, du unsichtbar vor ihm auftauchte und ihn zurückpresste. Schlagartig rieselte es schwarze Punkte in Mathéos Sicht. Seine Gefühlswelt spülte verrückt. Von der Wand ausgehend saugte sich ein starkes, unerklärliches Gefühl in das Zentrum seines Körpers. Von dort aus riss und zerrte es an allen Gliedern, allen Lidern, allen Emotionen, die der Tristam besaß. Es war eine selbstzerstörerische Kraft, die sich einzig und allein gegen ihn selbst gewandt hatte. Widerstand machte sich in ihm breit. Wie ein Gefängnisinsasse, der sich gegen seine Fesseln wehrte. Gleichzeitig wurde ihm warm, wärmer und heißer. Es kochte förmlich in ihm, wie in einem wütenden Kessel. Er hasste es. Wie er sich fühlte, wie es in ihm tobte. Er hasste es. Aber warum er es tat, war für ihn unerklärlich. Mathéo sah förmlich zu, wie sich in ihm der Hass schnürte, ein Eigenleben entwickelte. Machtlos, etwas dagegen zu tun, hatte er das Gefühl, als würde ihn jemand an seinen Puppenspielerfäden tanzen lassen. All das, was er spürte, war so surreal, so fremd, so … nicht seins. Und sobald er sich dies bewusst sagte, ebbte die Flut ruckartig ab. Julias Hand verließ seinen Körper und Mathéo musste seine wackeligen Beine wieder zur Vernunft rufen.
»Ich hoffe, das war jetzt nicht zu überwältigend«, sagte sie zu ihm, doch Mathéo konnte darauf kaum eingehen. Überrascht, für einen kurzen Moment entsetzt, dann aber erschrocken starrte er Julia an. »Was um alles in der Welt war das?!« Seine Blicke reichten nicht, um die Antwort aus ihr herauszuholen. Hastig griff er nach ihren Oberarmen, ohne sie zu zerdrücken, ohne an ihnen zu zerren. Er hielt sie nur, als müsse er fürchten, sie würden sich in den nächsten Sekunden auflösen. »Das war … es war als wäre da etwas in mir und es würde mich bekämpfen. Als wolle es mich auffressen. Und ich konnte bei allem nur zusehen. Ich war wie ein Zuschauer, der sein Innerstes betrachtete, aber trotzdem alles so fühlte, wie er es sah. Da war eine Wut, ein unglaublicher Hass, der mich antrieb.« Mathéo ließ von der schönen Frau vor sich ab, fasste sich an die Stirn, um die Gedanken zu sortieren. Seine Augen verschwanden aus ihrem Blick, verschwanden hinter seinen massierenden Händen. »Was war das? Was hast du da in dich hineingefressen?« Die Formulierung war vor einer Frau freilich nicht die günstigste Wahl, aber bei diesem Ausmaß an negativer Präsenz konnte man fast nichts anderes mehr sagen. Mathéo hatte immer noch keine Ahnung, was es wirklich war, was ihn da erwischt hatte. Allerdings wusste er, dass Julia etwas in ihrer Vergangenheit begrub, was ihr wohl schwer zugesetzt hatte. Diese bodenlose Leere in ihren Augen, die er heute bereits ein Mal gesehen hatte, wirkte fast wie das Wirken eines Traumas, das bei einer Dämonin ganz andere Formen annehmen konnte als bei einem niederen Menschen. Ein Dämon in einem Dämon, der durch einschlagende Erlebnisse geboren wurde. Der Tristam stellte wilde Vermutungen an; doch konnte es nicht zu weit entfernt sein. Wie er ihr durch das Auge auch die Narbe in seiner Seele gezeigt hatte, musste sie ihm ihre gezeigt haben. Dass Narben auch im Inneren liegen konnten, hatte sie selbst am heutigen Tage erwähnt. Es musste einfach so sein. »Julia, das ist schrecklich.« Nun endlich schaute er sie wieder an, schaute sie zu tiefst besorgt an.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Das Lächeln, was Julia nach ihren vermittelten, abgeschwächten und komprimierten Wahrnehmungen auf den Lippen trug, sollte schon gleich danach ersetzt werden. Im ersten Moment tat sie es noch als eine kleine Nachwirkung der Übertragung ab, als der Rothaarige dann aber wie entsetzt in ihre Augen starrte, machte sich in der Dämonin das Gefühl breit, das es sehr wohl zu viel gewesen sein musste. Sie hatte ihm zu viel zugetraut und ihn damit auf das äußerste verschreckt. Seine Augen sprachen Bände und je mehr Bände sie fabrizierten, umso mehr verschloss sich die Direktorin als Folge davon. Seine Nachfolgenden Worte verstärkten das Ganze noch einmal zusätzlich und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht und wurde von einem eher neutralen Teint eingeholt. Natürlich wollte er jetzt wissen, was sie mit ihm gemacht hatte. Es war ein Fehler gewesen ihm sowas zu ermöglichen. Die Vorwürfe in ihr begannen sich wortwörtlich aufzutürmen. „Das war…“, begann sie und stockte dann wieder in ihrem Ansatz, denn der Tristam dachte gar nicht daran, mit seiner Erklärung zu stoppen und Julia versank wie in einer Art starre und wandte den Blick von ihm ab.
Diese löste sich erst auf, als ihr Gegenüber mit seinen beiden Händen nach ihren Armen griff. Es rüttelte sie wach und ihre blauen Augen landeten, wieder auf seinem Gesicht. Verdutzt schaute sie in sein Gesicht, als die beiden sich näher waren als es in den Ganzen Situationen vorher der Fall gewesen war. Immer noch etwas paralysiert stand sie dort. Die Selbstvorwürfe in ihrem Kopf wollten nicht aufhören und der Dämon – natürlich nichtsahnend von dieser Tatsache – vertiefte das Thema noch weiter. Still und starr lauschte sie seinen Ausführungen. Alles was er beschrieb, die Sachen, die er verdeutlichte. Es trieb ihr ein leichtes Schmunzeln aufs Gesicht, aber ein eher nüchternes. Es waren immerhin nur die abgeschwächten Emotionen, nicht die gesamte volle Stärke. Umso erstaunlicher, wie fassungslos der Rothaarige war. Doch so viel Zeit um dieses Schauspiel zu bewundern hatte sie bei weitem nicht. Erneut rüttelte sie das fehlende warm seiner Hände an ihren Oberarmen wach und langsam folgte der Blick ihre Seelenspiegel den Händen des Tristams und wie sie vor sein Gesicht wanderten. Wie er sich versteckte, wie er sich vor ihr versteckte. Es glich einem Paradoxon, so erschien es ihr, das dabei eine Aussage gesprochen wurde die etwas hinterfragte, aber nicht abwertend gemeint war. Eigentlich hatte die Dämonin mit genau so etwas gerechnet, hätte es verstanden und akzeptiert. Doch eine Antwort würde der Ersatzkoch nicht bekommen. Die Wörter blieben der Blondine quasi im Hals stecken. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Als sich der organische Vorhang vor Mathéos Augen lichtete, so wandte sie ihren Blick in Richtung des Topfes ab, welcher immer noch unberührt dort stand. Mitten in den Vorbereitungen hatten sie aufgehört. Seine letzte Aussage ging wie eine kurze Brise an ihren Ohren vorbei. „Es ist nicht so schlimm, wie es für dich den Anschein macht.“, kam es etwas leise über ihre Lippen gekrochen und sie nahm einen großen Schluck aus ihrem Weinglas. Was sollte sie ihm nun erzählen? Die Wahrheit? Nein, die würde er nicht vertragen und sie ging ihn auch nichts an. Klar verstanden sie sich gut. Aber das war kein Grund, jetzt jemandem alles über die Seele zu schütten. Außerdem, zu welchem Preis? Dafür, das er sich dann Vorwürfe an ihrer Stelle machte? Nein, das würde sie nicht zulassen! Ein kleines Lächeln fing sich wieder auf ihrem Gesicht. „Du warst es nur nicht gewohnt. Das tut mir auch leid, das hätte ich wissen müssen.“, eine kurze Pause folgte, „Es tut mir leid, dich in diese Lage versetzt zu haben. Vergib mir.“. Dieses Mal gab es keinen freundschaftlichen Kontakt mit den Armen. Sie wollte ihn gerade nicht berühren, nicht noch mehr leid verursachen. Sie wollte diese Situation einfach nur Rückgängig machen. Seine Mimik der puren Sorge änderte da nichts dran. Sie wandte sich ab. „Wir sollten…“, eine erneute Pause folgte in ihrem Satz, „…weitermachen. Sonst wird das Essen noch schlecht.“. Die alte Fröhlichkeit kam so langsam wieder durch und mit diesem Satz, offenbarte Julia indirekt auch ihr Rezept für das Überleben in ihrer Jugend. Das Überlebensrezept gegen ihren Vater, gegen ihre Erziehung, gegen alles was sie nicht wollte um nicht alles von sich selbst zu verlieren. Dieses Rezept lautete weitermachen und das tat sie nun auch aus vollster Überzeugung. Aber ihre Bewegung blieb stehen. Mitleid wäre in jedem Falle nicht ihr Stil. Sie brauchte keinen der sie bemitleidete. „Es ist manchmal besser, alte Geister vergraben zu lassen.“. Ihre Mimik kühlte langsam wieder ab, als sie kurz auf das Weinglas schaute. Lange konnte sie es wohl nicht mehr halten, oder doch?
Der Dämon traute nicht recht, was sich da vor ihm abspielte. Das eben erlebte begann allmählich, sich in seinem Kopf zu ordnen. Er begriff immer mehr, was da alles über ihn hereingebrochen war und wie plötzlich er darauf reagiert hatte. Vermutlich hatte er Julia förmlich überfallen mit seinen direkten Worten. Aber der Tristam konnte diese Momente selten kontrollieren. Aus dem Nichts heraus mit etwas konfrontiert zu werden, was er von vorne bis hinten nicht verstand, löste in ihm den willkürlichen Drang danach aus, die Sache aufzuklären. Nun aber, wo Julia sich von ihm abgewandt hatte und Mathéo merkte, was für ein Gesicht er gerade trug, dämmerte ihm einiges.
Zuerst beruhigten sich seine Gesichtszüge wieder. Der Dämon versuchte, gefasster zu sein und mahnte sich zur Ruhe. »Tut mir leid«, begann er mit einer Entschuldigung. »Das war ziemlich plötzlich von mir. Ich hätte dich nicht so anfallen sollen.« Und als nächstes wollte er etwas nachholen, was er direkt zu Beginn hätte machen sollen. »Danke, dass du mir das gezeigt hast. Wirklich.« Er schaute sie eindringlich an, merkte aber, dass sie ihn mied. Ihr Blick lag auf dem Weinglas, welches auf der Küchezeile stand. Mit einem Ausfallschritt schwenkte der Dämon schnell zur Seite und steckte den Kopf genau in die Sichtlinie von Julias Augen. »Julia?« Er schien sie wieder bei sich zu haben. Ihre Augen folgten seiner Bewegung, während er sich wieder aufrichtete. »Ich mein’s ernst. Danke sehr.« Mit entschlossener Miene nickte er ihr zu, hoffte darauf, dass sie ihn verstand und ihm Glauben schenkte. »Ich war einfach überrascht, hab‘ erst mal nichts verstanden.« Er schüttelte den Kopf. »Dass ich dich direkt so anfahre, war eine unterbewusste Reaktion. Das tut mir leid.« Mathéo verzog etwas die Schnute, dachte über seine folgenden Worte nach. »Ich weiß, wir kennen uns kaum und es wäre zu viel verlangt, dass dir mir jetzt alles erzählst. Vielleicht war’s auch falsch, dass wir überhaupt plötzlich damit angefangen haben, vielleicht hätten wir uns einfach nur um das Essen kümmern sollen. Aber es ist nun mal so gekommen. Und …« Nun stieg sein Puls wieder, doch war es dieses Mal mehr, weil er die Wut, die er bis eben unterdrückt hatte, nun durch seinen Körper rennen ließ. Die dämonische Aura pulsierte, machte den feinen Gefühlen eines anderen Dämonen klar, dass die Ruhe im Tristam in Gefahr geriet – ohne dabei aber ein Zeichen von Gefahr ausströmen zu wollen. »Du kannst jetzt nicht so weitermachen, wie du es in deiner Vergangenheit gemacht hast!« Angestrengt zogen sich die Brauen des Tristams zu einer wütenden Mimik zusammen. Auch wenn er sich nie ausgemalt hätte, dass er Julia jemals so ansehen würde, war der Moment doch plötzlich gekommen. »Ja, wer bin ich, dass ich mich hier hinstelle und das zu dir sage. Aber … Das was du mir gezeigt hast, das sind doch Emotionen, die du immer nur für dich behalten und in dir verschlossen hast. Ich hab‘ gespürt, wie du etwas in dir in Gang setzen musstest, einen Prozess vollführen, irgendwas freilassen. Das waren diese Gefühle, die du verschlossen hast. Und nun verschließt du sie wieder. Du verschließt auch, was du jetzt gerade fühlst, weil du sie mir gezeigt hast – oder irre ich mich?« Mathéo würde ihren Blick nicht von ihm abschweifen lassen. Es tat ihm leid, wenn er sie damit strapazierte, aber er konnte einfach nicht zusehen, wie sie die Fehler von damals wiederholte. »Ich weiß nicht genau, was alles dazu geführt hat, ich kann es nur erahnen, es mir ein wenig zusammenpuzzeln, was du mir gegeben hast. Du musst es mir auch nicht erklären. Aber Julia, du bist nicht mehr dort. Du bist jetzt hier. Wenn dir etwas unbehagt, dann kannst du es sagen. Sei wütend auf mich, wenn du das sein möchtest. Oder sei wütend auf dich selbst. Aber schluck es bitte nicht einfach hinunter.« Mathéo hasste es einfach, nicht ehrlich zu sich selbst zu sein, sich vor anderen zu verstellen. Julia tat dies sicher nicht aus Gründen der Feigheit. Es musste eine Folge ihrer Erlebnisse sein, vielleicht die einzige Möglichkeit, die sie in Betracht ziehen konnte, um damit zurecht zu kommen. Dennoch … Mathéo konnte das nicht ignorieren. Und wenn sie ihn nun aus der Wohnung schmeißen sollte, dann wäre das eben so. Er sah nichts Falsches darin, was er tat.
»Und alte Geister vergräbt man nicht. Man stellt sich ihnen.« Die Wut in ihm war abgeebbt. Melancholie erhielt ihren Einzug. Seine Gedanken flogen seiner Mutter zu, die diesen alten Geist darstellte, welchen er wohl auch am liebsten begraben und vergessen hätte, jedoch feststellte, dass dies keine Lösung für ihn war. Deshalb hatte er sich diesem Geist stellen müssen bzw. hatte sich ihm gestellt, als er das letzte Mal die Insel verlassen hatte. »Ich dachte auch mal, dass es das Beste wäre. Aber ich hatte mich geirrt.« Sein gedankenverlorener Blick klarte wieder auf und fokussierte Julia aufs Neue. »Du trägst nur eine schwere Last mit dir herum. Aber du musst sie abstreifen. Irgendwie. Entledige dich ihr.«
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Irgendwie konnte sie das nicht ernst nehmen, was er da gerade aus seinem Mund von sich gab. So sehr sie es ihm auch glauben wollte, dass dies nicht seine Absicht gewesen war, so harsch mit ihr ins Gericht zu gehen. Was sich auch in der Stille Julias äußerte, welche nun nicht genau wusste, was sie dazu sagen sollte. Falls das nun überhaupt eine gute Entscheidung war. Vielleicht sollte sie still bleiben. Doch ein Kopf in ihrem Blickfeld, unterbrach diese Überlegung im gleichen Moment, wie sie gekommen war. Aber erst ihr Name war das Schlüsselwort, um sie vollständig wieder zurückzuholen. Mit langsamen Bewegungen stellte sich ihr Blick auf das von dem Dämon ein und haftete nun wieder an seinen Gesichtszügen. Nochmals betonte der Tristam, wie ernst er es meinte. Die Blondine selbst brachte nur ein leichtes Nicken hervor. Wofür dies allerdings stand, das konnte man sehr schwer sagen. Nicht einmal sie wusste es. Aber das würde doch sicherlich nicht alles sein, oder? Fragend blickten ihre blauen Augen zu ihm und da kam tatsächlich noch etwas. Ihre Mundwinkel zogen sich ein kleines bisschen nach oben, aber nicht genug, um ein schönes Lächeln zu bilden. Was hier auch ziemlich unangebracht war. Dementsprechend nickte sie nur zustimmend zu seiner Aussage. Natürlich war das auch ihr Gedanke gewesen. Vielleicht wäre es besser gewesen das nicht zu tun. Aber sie hatten es getan und die Zeit zurückdrehen konnte man nun einmal nicht.
Der Rothaarige stockte plötzlich. Eine kleine Welle dämonischer Aura sammelte sich an und Julias Blick war zum allerersten Mal sehr überrascht von diesem plötzlichen Umschwung. Sogar auf ihrer Haut konnte sie die leichten Temperaturschwankungen spüren, welche vom Tristam ausgingen und diese Transformation in einem gewissen Maße bestätigen sollte. Dennoch war es keine Aggressive Ausstrahlung, die sich der Bardera dort zeigte. In einem gewissen Sinne wirkte sie normal, gedämpft. Oder um es in Anderen Worten zu sagen: kontrolliert. Auch seine Mimik spiegelte das nun wieder. Der freundliche Mathéo von vorhin, glich einem verschwunden Phantom. Stattdessen lernte sie nun eine Seite von ihm kennen, welche die Direktorin schon im ersten Satz aus ihrer Trance zu rütteln vermochte.
Tausende Gedanken schossen in ihrem Kopf umher. Wieso konnte sie das denn nicht? So weitermachen wie bisher? Es war doch alles in Ordnung, so lange man eben nicht zu sehr in ihr Gemüt schaute. Doch alle Argumente die ihr selber spontan einfielen, entkräftete er während seiner immer länger werdenden Ansprache. Welche für sie persönlich fast schon den Charakter annahmen, als würde er sie erziehen wollen. Eine Tatsache die man ihr gegenüber vielleicht sogar aus Sicht des Dämons mal als Notwendig betrachten konnte. Aber dafür musste erst einmal jemand dort sein, der das in Angriff nahm und durchsetzt. Wen hatte die Dämonin denn, als dass sie sich jemals aussprechen konnte? Ihre Kollegen? Oh nein, nicht einmal im Traum! Leviathan? Nein. Er wusste zwar was in ihrer Vergangenheit los war, jedoch war sie für ihn die Ansprechperson und nicht umgekehrt. Sie wollte hier nicht die Rollen verdrehen. Freunde hatte sie auch nicht viele. Also fiel alles das schon einmal weg. Wenn sie nicht von innen zerfressen werden wollte, dann musste sie den Weg des Wegschließens wählen. Einen anderen Ausweg gab es für sie bis jetzt nicht. Oder hatte der Dämon mit seiner Aussage, sie wäre jetzt hier, gar nicht so unrecht? Wehmut machte sich in ihrem Körper breit. Sie fühlte sich träge und schwer. Etwas das sie nur selten bis jetzt erlebt hatte, aber er traf den Nagel auf den Kopf. Natürlich wollte sie ihre Emotionen wieder wegschließen. So, das diese nicht an sie herankamen, sie nicht beirrten und an ihren Aufgaben hinderten. Aber genau das fiel ihr gerade so unmenschlich schwer. Ihr Blick wollte sich abwenden, zurück zum Glas schweifen oder auf den Boden vor ihren Füßen. Aber es ging nicht. Irgendwie war sie gerade gefangen in dieser Erklärung. Gelähmt von den Worten die aus seiner Kehle entsprangen und paralysiert von ihren eigenen Gedanken und Gefühlen. Denn es war kein Mitleid was er ihr hier Ausdrückte. Es war Beistand, zumindest in einem kleinen Maße. Sorge, eine abgeschwächte Art von Zuneigung. Das Gefühl, was sie anderen immer entgegenbrachte, seit sie auf der Insel war. Aber so gut wie nie zurückbekam. Es war ungewohnt für sie und sie mochte es nicht, verabscheute es in diesem Moment. Konnte sich aber zur selben Zeit nicht mehr davon lösen, weil es irgendwie…schön war.
Damit stand sie nun dort, in der Küche. In ihrem Kopf ein Krieg am Gange, ob sie die ganzen Jahre auf Isola fehlgewandelt war, oder ob es rechtens war, wie sie sich verhalten hatte. Wie es hier gerade noch weitergehen sollte. Dennoch war es wohl der Denkweise Julias zu verdanken, das sie hier innerhalb weniger Minuten, nachdem sie alles geordnet hatte, zu einem Endergebnis kam. Ihrer persönlichen Schlussbilanz. Man konnte förmlich mitbeobachten, wie ihr Blick sich langsam wieder in die Nähe der Normalität begab. Nur würde es wohl noch dauern, bis der Rest ihres Körpers folgte. Denn so wie sie ihre Arme gerade positionierte und vor Mathéo stand, wirkte die sonst so solide junge Frau ziemlich verletzlich - wie ein Weinglas. „Du hast recht.“, flüsterte sie leise hervor und suchte einen eindringlicheren Blickkontakt. „Aber wie soll ich das machen Mathéo?", ein hilfesuchender Blick streifte den seinen und wanderte kurz im Raum umher. „Wie soll ich mich meinen alten Geistern stellen? Wie soll ich etwas abstreifen, was ich eigentlich gar nicht loswerden kann, weil ich das Problem bin?". Sie landete mit ihren blauen Seelenspiegeln wieder bei den seinen. Wie sollte das gehen? Die Frage, welche nun vorherrschend war. Das sie Hilfe dabei brauchte, war ihr selbst klar geworden. Das sie nicht alles alleine machen kann, das es so einfach nicht ging. „Ich dachte, so lange ich funktioniere, ist das einfach nicht relevant. “, eine kleine Pause folgte und die Dämonin schluckte kurz, „Außerdem hast du doch selbst gesagt, wie sehr dich das mitgenommen hat. Und das war nur ein kleiner Teil davon.“. Sie überlegte kurz, was sie dazu noch sagen sollte. Immerhin wurde daraus nicht wirklich klar, was sie ihm damit mitteilen wollte. Ich Blick wanderte zum Weinglas, wieder zum Dämon, in den Raum und wieder zurück zu seinem Gesicht. „Es gibt niemanden der sich damit freiwillig auseinandersetzen würde.“, etwas betrübt klang sie dabei, „Wenn sogar ich mich manchmal vor mir selbst fürchte. Verstehst du das?“. Innerlich hoffte sie es natürlich. Das ganze Thema war sehr komplex geworden. Nicht nur, weil es um Probleme ging, welche immer ein schwieriges Thema waren. Nein, sondern weil es eben auch um sie persönlich ging. Und über sich selbst reden war immer schwer, weil man Gefahr lief, der jeweils andere könnte es nicht verstehen. Aber in diesem Falle müsste er nur Fragen. Julia war so selbstreflektiv, dass ihm dieses Vorgehen möglich war und erst recht war sie nicht so impulsiv, um ihn dann aus ihrer Wohnung herauszuschmeißen. Sie stand ihre Frau in dieser Küche, so ironisch das klingen mag. Wegrennen tat Julia noch nie. Denn feige, das war sie nicht.
„Zeig mir einen Weg um das zu bewerkstelligen, ich würde ihn gehen.“, sprach sie entschlossen aus und kam langsam wieder zum alten Ich zurück. Was an der sich aufbauenden Stimmlage zu erkennen war. „Oder helfe mir, ihn zu finden, denn ich selbst habe diesen noch nicht gefunden.". Wieder einmal wollte sie die Sache alleine angehen. Was wohl eher ihrer Persönlichkeit zu verschulden war als das es böswillig gemeint war. Julia, so musste man verstehen, war eine Einzelkämpferin. Doch das Bild bröckelte. Immerhin fragte sie gerade um Hilfe und indirekt - wenn man es so verstehen wollte - um Unterstützung. So ganz auf eigenen Beinen schien die Blondine dann doch nicht mehr zu stehen.
Immer wieder versuchte Julia zu lächeln, während Mathéo ihr seinen Vortrag hielt, sie regelrecht belehrte. Wer war er, jünger und unerfahrener als sie, dass er versuchte, sie zu erziehen; oder war es das nicht? Mathéo dachte nur, dass er aufhalten wollte, was Julia da tat, deshalb plapperte er, deshalb schaute er sie eindringlich an und deshalb dachte er gut über seine Worte nach, hatte er das letzte vorerst gesprochen. Die Zeit, die er ihr gab, um seinen Vortrag zu verarbeiten, nutzte er, um dasselbe zu tun. Da wurde ihm erst bewusst, wie harsch er erneut war. Zwar hatte er deutlich gemacht, dass er sich wohl einiges herausnahm, aber er wollte auch Druck auf den Fakt ausüben, dass er nicht dabei zusehen konnte, was sie mit sich anstellte. Mochten sich die beiden Dämonen auch noch so kurz erst kennen; allein wegen dem, was Mathéo in der kurzen Zeit für Sympathie – gar Zuneigung - für die blonde Dämonin entwickelt hatte, machten es ihm schwer, wegzusehen.
Im Moment von Julias Zustimmung fiel eine enorme Last von seinem Gewissen ab. Hatte er sich bis eben noch darum gesorgt, ob er die Sache falsch angegangen war, fühlte er sich plötzlich so an, als würde er vom Boden abheben. Ihre nachfolgende Frage jedoch riss ihn mit aller Macht zurück auf den Boden. Die kurzweilig entspannten Züge in seinem Gesicht nahmen wieder eine strenge, ernste Haltung ein. Nachdenklichkeit mischte sich seicht unter. Natürlich: Wer kritisierte, war dazu angehalten, im nächsten Atemzug Verbesserungsvorschläge zu eröffnen. Wenn man den Fehler erkannte, musste man doch unweigerlich wissen, wie es besser ging – oder? Zumindest war es die Devise seines Vaters gewesen, dass man nicht einfach andere kritisieren sollte, wenn man nicht gleichzeitig darüber nachgedacht hatte, wie es besser ging. Fehler zu nennen, war ein Anfang, doch wenn es keine Lösung gab, demotivierte es die Untergebenen nur. Dass Julia nicht seine Angestellte war, war klar. Aber darauf lag auch nicht der Fokus. Der lag nämlich darauf, dass sie sich hilfesuchend an den Tristam wandte. Sein Name auf ihren Lippen pulsierte in seinen Ohren. Keinen einzigen Moment konnte er die Augen von ihr lassen, während sie zu ihm sprach. Zwar hatte er mit vielem gerechnet, doch dann genau diese Wendung der Handlung mitzuerleben, brachte ihn trotzdem ins Stocken. Er wollte sich Zeit nehmen und gut darüber nachdenken, was er ihr antworten sollte. Währenddessen lauschte er gebannt ihren Worten, ließ sie nach wie vor keinen einzigen Moment aus den Augen.
»Also erst mal …«, wollte er beginnen, nachdem Julia ihre letzten Worte gesprochen hatte und nun auf seine Antwort wartete. »… habe ich dich eben freiwillig darum gebeten, dass du mir etwas von dir zeigst. Auch jetzt stehe ich noch vor dir und bin sogar entschlossen dazu gewesen, auf dich einzureden, nicht in dein altes Muster zu verfallen. Ich glaube, ich muss dir nicht mehr sagen, dass du sehr wohl einen Freiwilligen gefunden hast. Klar hat mich das irgendwie geschockt, aber ich war auch unvorbereitet. Ich kenne es nun zumindest zu einem Teil und kann deinen Gefühlen nun bewusster und gefasster entgegentreten.« Mathéo lächelte sie an, lächelte ehrlich, lächelte warm. Es fiel ihm einerseits nicht schwer, wackelte dennoch bei der Ausführung, weil er sich selbst irgendwie noch etwas schwach fühlte. Diese Lage war sehr überraschend für ihn gewesen. Das sie ihm gezeigt hatte, wie er reagiert hatte, wie sie nun reagierte – das geschah in so wenigen Sekunden, dass er es immer noch Stück für Stück begreifen musste. Dennoch stand sein Entschluss bereits jetzt fest. Das waren wohl die Momente, wo der Held die Hände der zitternden – viel zu hübschen – Frau nahm und ihr genau das sagte, was sie hören musste, um ihm schluchzend um den Hals zu fallen. Doch Mathéo glaubte nicht daran, dass er sich gerade in einem dieser Filme befand. Außerdem wollte er nicht ausschließen, dass es falsch rüberkommen würde, wenn er sie jetzt mit Körperkontakt überraschte. Zwar wollte er immer noch mehr von ihr, als ihr bewusst war, doch war ihm nach wie vor bewusst, dass er zum einen nicht mit der Tür ins Haus fallen durfte und zum anderen es gerade etwas unangebracht war – oder? »Ich bin kein Psychodämonologe«, gestand er erst mal ein, »aber ich kann mich zu dir setzen und dir zuhören, wenn du darüber reden willst, was dich so sehr beschäftigt.« Wieder grinste er sie an, um ihr mitzuteilen, dass sie ihm vertrauen konnte. »Ich kenne keine Musterlösung und ich würde es auch nur durch Probieren angehen. Aber ich glaube, dass es nicht verkehrt ist, wenn du erst mal darüber redest. Sicher nicht alles auf einmal und nicht sofort. Aber vielleicht Stück für Stück, wenn dir danach ist, wenn dir etwas in den Sinn kommt. Du solltest es vermutlich nicht forcieren, aber verdrängen noch weniger.« Mathéo atmete tief ein, suchte Kraft tief in sich drin und atmete dann langsam wieder aus. »Und wenn du dich davor fürchtest oder eben vor dir selbst, dann kannst du mir bescheid sagen und ich komme vorbei, damit du dich an mir festkrallen kannst.« Verlegen rieb er sich an der Nase und schaute kurz zur Seite. Ein wenig peinlich war ihm das schon. »Vielleicht hilft es, in solchen Momenten nicht allein zu sein, sondern jemanden bei sich zu haben, dem man vertraut und von dem man weiß, dass er einem wirklich zuhört. Wie gesagt, ich bin kein Doc, der sich mit so was auskennt. Aber ich kann dir beistehen, wenn du deine Vergangenheit konfrontierst. Du musst das nicht alleine machen.« Kälter wurde ihm nicht mehr. Ihm wurde nur wärmer und wärmer. Mathéo hoffte, dass sich das nicht unbewusst auf seine Umgebung abfärbte. Gefühlsschwankungen eines Tristams konnte man nicht selten an der Veränderung der Luft um ihn herum ausmachen. »Außerdem hast du ja auch noch Levi. Ihr beide kennt euch sicher gut und bestimmt wird er dir auch sofort ein offenes Ohr schenken, wenn du ihn darum bittest.« Jetzt ärgerte er sich innerlich, dass er ihr das anbot. Er wollte es doch selbst sein, auf den sie sich verlassen konnte und nicht Levi. Er wollte nicht der Vermittler sein, er wollte der Akteur sein. »Wobei ich schon, na ja, also ich wäre schon glücklich, wenn du mir da mehr … vertrauen … würdest.« War das jetzt zu viel? Zu tief? Zu offensichtlich? Mathéo wich ihrem Blick aus, dachte darüber nach, was er gesagt hatte und was es verursachen könnte.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Da stand sie nun und wartete auf die ratsamen Worte des Rothaarigen, welche sie sich gerade eigentlich sehnlichst erhoffte. Immerhin hatte er Erfahrung im ähnlichen Bereich angedeutet. Das konnte doch heißen, das er einen Ausweg oder eine Hilfestellung für sie haben würde, oder? Wenigstens einen kleinen Grashalm, nachdem die Dämonin in ihrem kleinen Hilferuf greifen konnte, damit ihre Öffnung dem Tristam gegenüber nicht in vollendeter Enttäuschung endete und sie sich wieder vor allem verschloss. Wieso sollte sie sich weiterhin mitteilen, wenn derjenige damit nichts anfangen konnte? Das wäre die Problematik gewesen, die sich aufbauen würde, wenn der Rothaarige geschwiegen hätte. Was er zum Glück nicht tat. Allerdings ging ihr Gegenüber nicht direkt auf ihre Anfrage ein. Sondern klärte erst einmal die Missstände auf, welche sich während ihrer Redezeit gebildet hatten. Wie vorher auch stand sie dort und lauschte seinen Worten, während die Paralyse langsam nachließ; aber ihre leicht verletzlich wirkende Pose immer noch anwesend war. Rechtfertigen tat sich der Tristam. Ausführen warum er was gemacht hatte und das er durchaus bereit war sich mit ihren Emotionen auseinanderzusetzen. Ein überraschter Blick fokussierte den Dämon vor ihr. Wie ein Paket Steine fiel ihr die Last von den Schultern. Obwohl ein wenig Skepsis an der Aussage noch hängen blieb. Ob es so ganz stimmte, das konnte sie natürlich nicht sagen. Aber der Großteil von Julia glaubte ihm seine Worte. Aber sein Lächeln konnte sie ihm nur schwerlich erwidern. Sie versuchte es, doch mehr als ein paar leicht angehobene Mundwinkel bekam er nicht von ihr. Dieser Moment zeigte ihr, wie mitgenommen sie eigentlich doch von der ganzen Sache war.
Doch mit dem folgenden Kommentar schaffte er es diese Blockade einen Punkt weit aufzustoßen. Sie lächelte nun etwas breiter. „Das stimmt wohl.“, warf sie mittendrin ein und versank dann wieder in Stille. Mit Reden sollte sie es versuchen und das Problem schrittweise angehen. Eine Taktik die sie vorher noch nicht probiert hatte. Sie überlegte innerlich. Vielleicht half ihr das ja wirklich ihr Kernproblem aufzuschlüsseln. Die Erinnerungen zu verarbeiten und sich damit auch direkt zu konfrontieren. Langsam und Zielstrebig in leichten Abschnitten. Einen wirklichen Partner, der sich ihrer annehmen wollte, hatte sie ja gefunden. Die Grundsteine schienen also gelegt. Vorausgesetzt sie konnte ihm auch wirklich vertrauen. Klar, er war ein Freund von Leviathan und machte einen wirklich sehr guten Eindruck auf sie. Das konnte auch Julia nun nicht mehr leugnen. So wie er sich benahm, sich in ihren Augen bemühte, hatte er es sich eigentlich verdient. Wobei die Blondine den Gedankengang irgendwie schon wieder lustig fand. Denn was bedeutete „verdient“ in diesem Moment? Es wäre wohl besser zu sagen, sie war es ihm Schuldig dieses Vertrauen entgegenzubringen.
Da machte sich ein Gefühl breit, das die Dämonin noch nie so wirklich verspürt hatte. Das Gefühl von Geborgenheit. Obwohl es nicht überwältigend stark war, so spürte sie es sehr deutlich, als sie das Gesicht des Tristams so auf und ab betrachtete. Jede einzelne Kontur zum ersten Mal realisierte. Seine Worte erwärmten ihr Gemüt ungemein. Ein Fels in der Brandung wollte er für sie sein. Sie stützen, wenn möglich und vorbeikommen, wenn sie es brauchte. Genauso wie sie bei Levi verfuhr. Einen kurzen Moment stockte dieser Gedanke, sie war doch nicht seine Tochter! Aber die nächsten Sätze machten klar, so sah er das auch gar nicht. Hier sprach niemand herablassend über ihre Person oder versuchte sich als Vormund zu etablieren. Hier redete er auf einer Ebene mit ihr und bot ihr seine Hilfe an. Ob die Blondine am Ende ihre Unterschrift unter diesen Vertrag setzte, war eine ganz andere Geschichte. „Danke.“, wisperte sie etwas leise zu diesem Angebot, weil ihr auch sonst gerade nichts Sinnvolles dazu einfiel. Mehr musste auch nicht von ihr gesagt werden, so ihr Gedanke. Dem Dämon war sicherlich bewusst, wie einzigartig sein Angebot war. Das erste Mal sorgte sich jemand um sie. Die blonde, kalte Managerin die sich den Job als Direktorin erworben hat. Nicht sie war die gebende Rolle, sondern die empfangende und es fühlte sich gut an. Verdammt gut. So musste sich Levi wohl fühlen, wenn sie sich um ihn kümmerte.
Umso lustiger das gerade er auch dann angesprochen wurde. Etwas ungläubig schaute sie zu ihm hinüber, dann schmunzelte sie leicht. „Levi ist kein Junge der sich so einfach den Problemen anderer annimmt. Er hat auch schon genug mit sich selbst zu tun und was ihm sonst noch im Kopf herumschwirrt.“, etwas sinnierend betrachtete Julia kurz die Einrichtung, „Ich würde ihn mit meiner bitte nur überlasten und das will ich nicht. Das würde wahrscheinlich nur die ganze Thematik auf ihn Verlagern, weil er dann nicht mehr aufhört darüber nachzudenken.“. Ja, so war der Engel nun einmal. Wer ihn mit seinen Sorgen vertraut machte, der konnte sich zwar eines offenen Ohres sicher sein. Aber im Endeffekt zog es den Engel dann meistens genauso in Mitleidenschaft wie den Betroffenen. Also war er keine Option in diesem Thema, so harsch es auch klang. Vielmehr wollte die Direktorin auf Mathéos Worte eingehen, welche er als ganz letztes von sich gegeben hatte. „Ich werde auf dich zurückgreifen, wenn du nichts dagegen hast.“, ging sie nun auf sein Angebot ein und lehnte sich wieder mit dem Rücken an die Küchenzeile. Außerdem folgte ein Schluck aus dem Glas Wein, welches neben ihr stand und vorhin weitestgehend unbenutzt war. Als das Glas ihre Lippen wieder verließ, setzte die Dämonin erneut an. Auch, wenn sie sich nun wieder wiederholen würde. „Du bist ein cleverer junger Mann, Mathéo und ich danke dir für deine Unterstützung, Und das Vertrauen von mir, hast du sicherlich auf deiner Seite.“, sie sah ihm direkt in die Augen. „Dementsprechend würde ich es wirklich ruhig angehen lassen. Bevor ich mich in dieses Thema hineinwage. Ich will mich selber bereit dafür fühlen.“. Ein Lächeln streifte zum ersten Mal wieder ihre Wangen. „Damit ich auch ernsthaft an dem Problem arbeiten kann. Was meinst du dazu?“, fragte sie in sanfter Stimme und ihre Pose an der Küchenzeile löste sich wieder auf. Damit stand sie nun wieder vor dem jungen Mann.
Sie lächelte nun aus vollstem Herzen warm zu ihm zurück. Ein Lächeln das vorher nur Levi bekommen hatte, war gerade nur für ihn auf der Leinwand der Dämonin erschienen. Natürlich hatte sie gemerkt wie verlegen der Rothaarige an einem Punkt geworden war. Es aber als eine Reaktion des Moments stehen gelassen. Nur jetzt war sie sich ein Stück weit sicherer, das da wohl vielleicht mehr sein könnte als pures, „normales“ Interesse. Aber das ironische in diesem Moment war, das es der Blondine egal war. Er war der erste und einzige, der den Schneid hatte den Mund aufzumachen, sich darum sorgte und es nicht aus eigenem Nutzen tat, sondern wohl wegen ihr. Sie ging diesen Schritt jetzt einfach. Einmal im Leben musste man eben spekulieren um zu akkumulieren. Ihre Hand setzte sich dementsprechend auch wieder auf seiner Schulter ab. „Danke…“, wiederholte sie sich noch ein weiteres mal. Dann schwieg sie. Sie sollten bald mal weiterkochen, ansonsten würden sie wohl hungrig hier in der Küche verenden.