Die Straße, die die gesamten Läden und sonstigen Gebäude miteinander verbindet. Hier sind stets viele Leute unterwegs, doch Autos dürfen hier nicht fahren, es ist eine reine Fußgängerzone.
Der Arzt war amüsiert und gleichzeitig erstaunt darüber, wie richtig er vermutlich mit seiner Erwartung dem Mädchen gegenüber war. Versteift war sie nicht, keinesfalls. Eine kleine Prüfung folgte trotzdem noch einmal in Bezug auf ihre Stimmlage – nein – verklemmt war Sky Love wohl auch nicht. Gut, so musste auch er sich nun mit absoluter Sicherheit nicht an irgendwelche Konventionen dieser hochgestochenen Art halten. Wenn man betrachtete wie leicht die Dame neben ihm das „Du“ akzeptierte war es eine angenehme Überraschung unter den Bekanntschaften. Auch wenn er gleichzeitig wusste, das im Waisenhaus wohl einige der Schüler so sein würden. Jugendliche eben, so der Gedanke. Obwohl auch der Blondschopf nicht so ganz erwachsen werden wollte, wenn man sein Verhalten in den letzten Minuten noch einmal Revue passieren ließ. Nein, trotz seines - für einen Menschen wohlgemerkt – hohen Alters verweigerte Riley sich der schlechten Laune alter Leute beizutreten und der jungen Generation Sachen wie „Zu meiner Zeit…“ oder „Damals….!“ Hinterher zu schimpfen. Das war im ersten Moment viel zu anstrengend und zweitens würde es wahrscheinlich nur bedingten Effekt erzielen. Also konnte er es auch gleich sein lassen. Sein Test gegenüber seiner neuen Bekanntschaft, gab ihm aber nun nur bedingt Auskunft über die Person, welche da vor ihm Platz gefunden hatte. Immerhin war sie völlig aus dem Häuschen so einen magischen Trick vorgeführt zu bekommen. Ein Lachen sprudelte aus dem Blonden heraus, als er ihre Begeisterung in ihrem Gesichtsausdruck sehen konnte, welche sich so sehr ausbreitete, als wolle sie ihn gleich ebenfalls in Beschlag nehmen. Es machte seine Einschätzung schwer, aber so „gelassen“ wie sie mit der Szenerie vor sich gerade umging, erschloss er sich einfach mal die Waisenhaus-Geschichte. In jedem Fall unterbrach der junge Mann Sky nicht bei ihrem Versuch die Figuren zu berühren. Dieser kleine Trick war doch schon immer wieder faszinierend. Die einzigen, welche diesen wohl schon zur Genüge kannten, waren die Schachspieler aus dem Park. „Naja, irre würde ich jetzt nicht sagen.“, erwiderte er ihre grenzenlose Begeisterung mit Bescheidenheit.
Zumindest ihre Reaktion fand der Arzt in jedem Falle sehr löblich. Dieses spontane ihm zuwenden auf der Bank war zumindest eine sehr amüsante Szenerie. Sie gab wohl auch nicht viel darauf, was andere von ihr dachten. Schließlich sollten die Füße bei einer Bank auf dem Boden bleiben und nicht auf der Sitzfläche. Er grinste nur als er kurz durch seine Brillengläser die Umgebung nach Blicken absuchte. Unnötig zu sagen, dass der Mediziner fündig wurde. Besonders im Hinblick der letzten Ereignisse war diese Szenerie wohl mehr als ungewohnt für die meisten geworden. „Na dann wollen wir die eingerosteten Schachkenntnisse doch mal auffrischen.“. Er schaute zum Schachbrett und ließ dieses, verbunden mit einer Körperdrehung seinerseits, nun noch mehr zwischen die beiden schweben.
„Natürlich ist das alles ein Plan um leichter zu gewinnen.“, gab er mit einer Handgeste die andeuten sollte, das dies wohl selbstverständlich ist. „Ich meine, die Taktik hat bis jetzt immer funktioniert. Warum sollte ich diese also Aufgeben? Höllensicher!“. Sichtlich amüsiert ließ er noch einmal ein kurzes Lachen von sich hören, dann wandelte sich sein Gesicht in eine freundliche Mimik. „Nun, dann will ich mal anfangen.“, begann er seinen nun folgende Lehrstunde. „Schon einmal vom Spruch gehört? Weiß beginnt, Schwarz gewinnt?“, fragte der Blonde Sky nun direkt und fuhr auch gleich fort. „Die Weiße Farbe fängt beim Schach für gewöhnlich an.“ Seine Hand ging über die blauen Figuren auf dem Schachbrett, welche nur sehr markante Konturen besaßen, welche fröhlich vor sich hin schimmerten. „Das ist weiß in diesem Fall.“. Dann zeigte er auf die massiver Wirkenden Bausteine des Spiels. „Das ist schwarz. Wähle welche Farbe auch immer du möchtest.“, bot er ihr an und drehte das Feld einmal um 360 Grad so das seine neue Mitspielerin merkte, das sie das Feld auch auf der Stelle drehen konnte, damit sie nicht die Bankposition tauschen mussten und sie wirklich jede der zwei Seiten wählen konnte. Dann ging seine Erklärung weiter. „Die Bauern hier in der vorderen Reihe können bei ihrem ersten Zug entweder einen oder zwei Felder vorangehen. Danach allerdings nur konstant eines. Sie können weder die Spur wechseln, noch geradeaus eine Figur aus dem Spiel entfernen. Das geht nur quer.“, seine Hand nahm gleichzeitig eine der Figuren und speilte ihr das Ganze vor. „Der Läufer wiederum kann nur auf seiner Farbe Diagonal herumlaufen und auch nur in dieser Richtung schmeißen. Der Turm hier hinten kann, als Gegensatz dazu, nur geradlinig laufen.“. Einmal kurz vergewisserte er sich mit einem schnellen Blick Skys Aufmerksamkeit. „Der Springer, also das Pferd ist die einzige Figur, welche vorhandene Figuren überspringen kann. Was man sich sicher ableiten kann. Dafür hat er aber ein begrenztes Bewegungsmuster.“- Nach dieser Erklärung atmete der Arzt erst einmal kurz aus. „Der König hier kann immer nur ein Feld weit gehen, dafür aber in jede Richtung. Er ist also sowas wie die lahme Ente im Spiel. Aber das meiner Meinung nach gefährlichste...“, sein Finger blieb über der Damen-Spielfigur stehen, „…ist diese Frau hier, welche in jede Richtung ohne Begrenzung laufen kann. Sehr gefährlich.“. Bei letzterer Aussage grinste Riley selber in sich hinein. Schach, eines der wenigen Spiele wo diese Emanzipationsdebatte wohl keinen stören würde. Ebenso wie Rassismus. War doch beides auf dem Brett vorhanden, oder nicht? „Soweit verstanden? Für drei Zen erkläre ich es gerne nochmal.“. Natürlich war das ein Witz von ihm, als ob er dafür Geld verlangen würde. Nichts lag dem Briten ferner. „Sag mal, ohne jetzt überaus neugierig sein zu wollen, wo kommst du eigentlich genau her?“, fragte er schließlich und klang dabei auch wirklich sehr interessiert. Zwar hatte er auch seine Vermutung am Anfang für sich erschlossen gehabt, nun wollte er es aber wirklich wissen. Dabei war es ihm unter anderem natürlich wichtig, nicht in irgendeiner Weise als unheimlich oder etwas ähnlicher herüber zu kommen. Er erwartete von Sky zwar so eine Einschätzung nicht, vor allem da sie sehr offen zu sein schien, aber er blieb trotzdem noch skeptisch – vorerst.
“Hah! Jetzt hast du aber deinen Plan verraten!“ Ich zog meine Augenbraue übertrieben in die Höhe und verdrehte meine Augen. “Das war nicht sehr schlau von dir. Nun werde ich auf keinen Fall auf diesen billigen Trick hereinfallen!“ Ich versuchte nicht zu grinsen, immerhin war das Thema super ernst. Riley schien für einen Arzt wirklich okay zu sein und vor allem versteht er wohl Spaß. Weiß beginnt und Schwarz gewinnt, hmm... Ob man auf so einen Reim viel geben konnte, wusste ich nicht, also drehte ich das Schachbrett so herum, dass vor mir die weißen Figuren standen. Weiß war einfach die schönere Farbe und ich fing gerne an. Zufrieden schaute ich wieder zu Riley hoch. “Weiß ist meine Farbe, sie wird mir heute Glück bringen!“ Aufmerksam hörte ich den Erklärungen vom Arzt zu, nickte dabei immer wieder oder gab eine “Achjaaa“ von mir. In meinem Kopf machte es regelmäßig 'klick' und die Erinnerungen kamen langsam wieder. “Ehm... ich komme aus England.“ Antwortete ich auf seine Frage und kaute an meiner Unterlippe, während ich auf das Schachbrett starte. “Aufgewachsen bin ich in einer kleinen Stadt, gute 40 Minuten von London entfernt. War schön friedlich dort.“ Ich setzte zu meinen ersten Zug an, zog meine Hand dann aber doch wieder zurück. Den ersten Spielzug empfand ich immer am kniffligsten. Es gab so viele Möglichkeiten und ich konnte mich einfach nie entscheiden. “Aber irgendwann hat dann die Großstadt nach mir gerufen und so musste ich gehen“ Erzählte ich dann weiter. So viel dazu, dass ich nicht auf seinen Plan hereinfallen würde, denn das Reden nebenbei störte tatsächlich meine Konzentration und das, obwohl wir noch nicht mal angefangen hatten. Ohne noch länger darüber nachzudenken, ging ich mit einem Bauer zwei Felder nach vorne. “Naja und von der Großstadt bin ich nun hier gelandet... auf einer Insel“ Ich zuckte mit meinen Schultern und sah ihn an. “Und wo kommst du her?“ Er hat bestimmt schon deutlich mehr erlebt als ich, allein schon, weil er Arzt ist. Die Zeit verging, nachdem wir die ersten Züge getätigt hatten und ich anfangs noch sehr am Zögern und nachdenken war, fiel es mir dann leichter. Es war wirklich schon ewig her. “Mein Papa hatte mir damals das Spielen beigebracht.“ fing ich an zu erzählen, als ich wieder am Zug war. Natürlich sah es bisher nicht ganz so gut für mich aus, aber eigentlich hatte ich von Anfang gewusst, dass ich nicht gewinnen würde. “Ich habe nie gegen ihn gewonnen, er hat mich noch nicht mal aus Mitleid gewinnen lassen.“ Meine Lippen zuckten nach oben bei der Erinnerung und ich ließ meinen Springer zwei Felder nach vorne und einen nach links gehen, warf damit einen seiner Bauern raus. Trotz allem waren seine schwarzen Figuren Zahlenmäßig überlegen.
Riley musste schmunzeln, als Sky sich für die weiße Farbe entschied. Es war wirklich sehr amüsant. Eine Menge Leute mit denen er in seinem Leben Schach gespielt hatte, entschieden sich nach diesen Worten immer für Schwarz. Wer konnte es ihnen verdenken? Der Spruch war nun einmal ziemlich einprägsam. Dabei hatte es ja auch durchaus seine Begründung, wenn man mal so reflektierte. Zwar hatte weiß den Vorteil gleich zu beginnen und war dementsprechend am Anfang die erste Fraktion, welche einen Zug machen durfte. Aber Schwarz konnte immer auf die Aktionen reagieren. Was bedeutete, das die vorherige Partei immer einen aktionentechnischen Nachteil hatte. So zumindest seine Ansicht des Sachverhaltes. Dementsprechend musste man als weiß gerissener, kalkulierender spielen. Er grinste vergnügt. Das Gefiel ihm, vielleicht konnte sie ihn ja überraschen? Vorher jedoch musste der Brite seine Erklärung zu Ende bringen. Es konnte ja schlecht losgehen, wenn seine Mitspielerin die Regeln nicht richtig kannte.
Die Vampirin ging aber vor dem endgültigen Start noch einmal auf seine Frage ein. „England, mh?“ , fragte er interessiert und betrachtete sie. Bevor er stumm und mit einem Bedächtigen Nicken ihren Ausführungen lauschte. Es waren wirklich einige Informationen, welche sie ihm da zukommen ließ. Beide setzten nun nach und nach ihre Figuren. Wie eine streng aufgestellte Armada standen sich die beiden Seiten gegenüber. Blicke wurden getauscht, Vermutungen angestellt. Nicht selten versuchte der Blondschopf seinen Gegenüber am Gesicht abzulesen, was sie als nächstes vorhatte. Doch in gewisser Weise war es wohl das Glück der Vampirin, das sie auch selbst noch etwas Planlos war. Riley machte Fehler, welche er sonst nicht machte. Andersherum aber Konterte er das ganze auch wieder zurück. Ein Reger Schlagabtausch der Figuren erfolgte und Sky am Ende in der Unterzahl war. Der Brite wirkte zufrieden, vorerst. Noch konnte die Dame vor ihm das Spiel jederzeit drehen. Denn, das musste er ihr lassen, dumm war sie nicht. Ganz und gar nicht.
„Ich?“, fragte er schließlich während seine Hand seinen nun freigewordenen Turm ein Feld nach vorne bewegte. „Ich komme ebenfalls aus England.“, gab er seine Nationalität Preis. „Genau genommen aus Oxford, welches ebenfalls in der Nähe von London liegt. Meine Eltern besaßen dort eine Apotheke.“, er schmunzelte bei dieser rückläufigen Erinnerung und sah kurz in den Himmel hinauf. „Allerdings ist das schon etwas länger her. Aber Schach haben mir meine Eltern nie beigebracht, darüber solltest du glücklich sein. Wenn ich das schon so früh gekannt hätte, wer weiß ob ich dann Arzt geworden wäre und nicht immer noch auf dem Dachboden sitzen würde um eine Figur vor die andere zu setzen.“. Ein amüsiertes Lachen entfuhr im bei dieser Vorstellung. Verstärkt wurde das noch einmal dadurch, dass er Sky‘s Vater auf seinen übertrug. Wenn dieser ihn nie beim Schach gewinnen lassen hätte, wenn er es denn überhaupt mit ihm gespielt hätte. Boah! Er hätte sich richtig dahinter gehangen um ihn zu besiegen! Und wie er das getan hätte! „Aber sieh es doch einmal so: Wenn du ihn besiegt hättest, dann hast du wenigstens gewusst, dass es ein ehrlich verdienter Sieg war. Und ich meine, du bist gut, wirklich, auch wenn du es gar nicht realisierst.“. Das Lob musste auch mal ausgesprochen werden. Er hatte nämlich irgendwie den Eindruck bekommen, als ob sie das auch mal gebrauchen könnte. Abgesehen davon das sowieso fast niemand mehr heutzutage Leuten sagte, wenn sie etwas gut machten. Schade, wie der Arzt persönlich fand.
Das Spiel ging nun wieder weiter. Selbst mit den wenigen Figuren, hatte Sky eine echt gute Aufstellung. Der Blondschopf würde Schwierigkeiten haben, seine Überlegenheit richtig auszuspielen. Aber er versuchte es natürlich, schließlich wollte er ja auch gewinnen. Auch, wenn ihn das Verlieren dieses Mal nicht störte. „Wie kam es eigentlich zu dem Wechsel in die Großstadt?“. Es interessierte ihn, wo sie doch jetzt schon so viel von sich erzählt hatte. „Musste deine Familie umziehen? Oder war das einfach nur der Umzug in eine bessere Wohnung und näher an den Arbeitsplatz deiner Eltern?". Klar war die Frage Privat und wie genau er ihr auf den Zahn fühlte, wusste er auch nicht. Sie musste ihm auch nicht antworten. Da zwang er keinen. Er würde dann einfach von sich erzählen. Sich und seinem, wie er fand, unspektakulären Leben.
Nicht oft verirrt sich eine Möwe in das Stadtzentrum von Isola. Zu hunderten sieht man sie an den Küsten der Insel - seltener hingegen im Landesinneren. Viele Passanten strecken ihre Köpfe nach oben, als sie ein merkwürdig aufheulendes Gefieder erblicken, das sich nur sehr knapp über ihren Köpfen im Landeflug befindet und direkt auf eine Bank in der gut gefüllten Einkaufsstraße zusteuert. Die Möwe kennt ihr Ziel genau: Eines ihrer Augen, mit welchem sie das Mädchen Sky Love fixierte, war durch und durch rot. Kein Zweifel. Sie war die gesuchte Person. Blickt man etwas genauer hin, so kann man alsbald den Grund für ihr skurril klingendes Kreischen erahnen. Im Schnabel hält sie eine Schritftrolle fest. Die Möwe stellt sich auf die Laterne neben der Bank mit besagter Zielperson, öffnet lautlos den Schnabel und lässt die Schriftolle nach unten gleiten. Es handelt sich wahrlich um ein Gleiten, beindet sich das Schrifstück doch keineswegs im freien Fall. Stattdessen schwebt sie langsam nach unten und verfestigte sich über den Kopf des Mädchens Sky Love. Dort blieb sie im schwebenden Zustand. Und würde dieser Position über dem Haupt ihrer Zielperson so lange folgen, bis sie von der jener ergriffen werden würde.
Meine Gedanken fingen an leichter zu werden. Seit dem Riley und ich mit der Partie Schach begonnen hatten, fühlte ich mich besser. Zwar hatte ich den ganzen Tag schon meine Gedanken an den Angriff und die Folgen verdrängt und mich etwas zu zwanghaft drum bemüht gut Laune zuhaben, doch das zerrte sehr an meinen Kräften. Aber jetzt wo ich hier auf der Bank saß, mir gegenüber ein gutaussehender und sympathischer, blonder Arzt und zwischen uns ein Schachbrett mit weißen und schwarzen Figuren, da leerte sich mein Kopf von dem ganzen Mist wie von alleine. Ich konzentrierte mich nur noch auf das Spiel und auf die nette, unbedeutende Unterhaltung zwischen uns. Manchmal schien das Leben doch gar nicht so schwierig zu sein. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Riley, als er erzählte das auch er aus England kommt. Mathéo kommt auch aus England, was es doch für große Zufälle gibt. Interessiert hörte ich meiner neuen Bekanntschaft dabei zu, wie er mir erzählte das seine Eltern Apotheker waren. “Von wem hast du denn dann gelernt Schach zuspielen?“ fragte ich nach und lacht dann leise, auf seine Aussage, dass ich glücklich darüber sein sollte, weil er sonst wohl noch immer auf einem Dachboden sitzen und das Spiel spielen würde. “Ja, da sollte ich deinen Eltern wohl besser einen Dankesbrief schreiben.“ Als Riley mir dann ein Kompliment machte, in dem er mir sagte, ich würde wirklich gut Schach spielen geriet ich etwas ins Stocken. Es war nicht so als würde ich nicht mit Komplimenten umgehen können oder als würde ich nie welche bekommen, besonders wenn es um meine Äußerlichkeit ging. Ich versuchte meine Verlegenheit zu verbergen, fuhr mir durch meine braunen Haare und lächelte ihn an. “Haha, Dankeschön. Du spielst aber auch verdammt gut.“ Das man mir sagt, ich sei in etwas gut und dann auch noch in einem Denksport, nun ja solche Komplimente war ich dann doch nicht gewohnt. Ich setzte einer meiner Figuren ein Feld weiter und ging dann auf seine nächste Frage ein. “Ach nene, aus einem ganz anderen Grund.“ Ich machte eine kurze Pause und überlegte, wie ich es Riley erklären konnte ohne das er mich für komplett dumm und naiv hielt. “Ich hatte Träume und war jung, da zieht es einen wohl in die Großstadt, oder?“ Die Zeit verging, die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und mein roter Pullover fühlte sich langsam etwas zu warm an. Das Schachbrett hatte sich weiter geleert aber schon seit mehreren Zügen und Minuten kam keiner mehr von uns voran. Wir schoben unsere Figuren nur noch von einem Feld ins andere, umkreisten uns, aber keiner von uns beiden schaffte es einen weiteren entschiedenen Zug zu tätigen. Ich war wieder am Zug. Mein Kopf wurde von meiner Hand gestützt und ich sah angestrengt auf das Spielfeld. Konnte man bei einem Schach nicht ein Unentschieden ausmachen? In meinem Kopf kam dunkel eine Erinnerung zum Vorschein, wie mein Vater mir vor Jahren einmal so eine Situation erklärt hatte. Es gab ein bestimmtes Wort dafür, aber ich kam nicht darauf. Mein Blick wanderte noch mal genau über jede Figur auf dem Spielbrett und mir fiel keine Strategie ein das Blatt noch mal zu wenden. “Ehm... was hältst du davon, wenn wir uns auf ein Unentschieden einigen, Riley?“ Ich sah ihn ernst an und wartet gespannt seine Reaktion ab, während über uns eine Möwe entlang flog, kurz ließ ich mich davon ablenken, da sie relativ dicht über uns geleitete. “Hä...?“ Ich blinzelte ein paar mal, weil die Sonne mich blendete, aber über mir schwebte plötzlich eine Schriftrolle. Kurz entschlossen griff ich danach, rollte sie mit meinen Händen auf und las mir die Nachricht darauf durch. Ohh... Das Waisenhaus war eingestürzt und es gab schon ein neues Wohnheim. Ich zerknüllte das Stück Papier und warf es hinter mir in den Mülleimer. Ich lächelte Riley wieder an und entschied mich dafür nicht weiter darüber nachzudenken. “Also wie schaut es aus?“
Das würde noch kniffelig werden, das ah der Arzt schon alleine am Feld und der nun herrschenden Figurenkonstellation. Wirklich kniffelig, da gab es wirklich keinen Zweifel mehr dran. Immerhin konnte Sky nicht seinen musternden Blick dem Feld gegenüber sehen, wo sie wahrscheinlich gerade nicht einmal daran dachte, wie das ganze ausgehen konnte. Sie ließ sich lieber von seinem Teil der Geschichte amüsieren. Von seinen Eltern, der Apotheke und dem Fakt mit dem Dachboden, wo selbst er selbst noch einmal sehr genüsslich drüber schmunzelte. „Bloß nicht!“, kommentierte er den erwähnten Dankesbrief, „am Ende kommt sowas wie: Hätten wir‘s mal bloß gemacht, dann hätte er die Apotheke übernommen, zurück.“. Natürlich war das jetzt eine übertriebene Darstellung gewesen, aber so konnte er es sich wirklich gut vorstellen. Wenn man davon absah, dass seine Eltern schon lange nicht mehr auf dieser Erde weilten. Immerhin wurden die beiden recht alt und führten ein gutes Leben, das war die Hauptsache dahinter gewesen. Und klar, er vermisste seine Eltern natürlich hin und wieder mal. Sinnierte darüber sogar in manchen Situationen, was sie nun machen würden, wenn sie nun da wären. Was leider nichts an der kalten Realität ihrer Abwesenheit änderte. Dennoch, die Erinnerungen erwärmten das Herz und kämpften dagegen an. Das war die Hauptsache dahinter.
Sein Kompliment nahm sie mit erstaunlicher Fröhlichkeit entgegen. „Ja sicher, aber du spielst es ja seit eben gerade erst wieder. Hattest ne lange Pause. Ich dagegen spiele regelmäßig, da fühlt man sich schon irgendwie ein bisschen schlecht. Du solltest daran festhalten.“. Das wiederholte er um sein Argument noch einmal zusätzlich zu bekräftigen. Sie hatte was im Köpfchen, so viel stand fest. Wenn sie Mental an einem Problem scheiterte, dann lag es in jedem Fall nicht an ihrer Denkmurmel. Denn bei allem was er auch so gerade von ihr hörte, reagierte sie einfach so auf seine Aussagen, ohne sich großartig davon irritieren zu lassen. Das bedeutete schon was. Nun allerdings war die Zeit des Briten gekommen. Nun stellte er die Fragen um etwas über seine Gegnerin zu erfahren. Dementsprechend interessiert lauschte er mit seinen Ohren ihrer Ausführung mit der Großstadt. Interessiert wanderten seine Augen hoch zu Skys Gesicht, wo sie durch seine Gläser hindurch eine kleine Musterung ihrer Mimik vornahmen. Die Antwort war erstaunlich knapp. Aber ihn störte es jetzt nicht. Jeder sollte nur so viel Preisgeben, wie er wollte. Er hielt ihr ja auch nicht gleich seinen Ausweis unter die Nase. „Verstehe.“, äußerte er nachdenklich und setzte seine Figur. „Nicht zwangsbedingt. Aber da wo viele Menschen sind, liefern sich auch meistens eine Menge Möglichkeiten.“, sagte er bedächtig und legte seine Hand unters Kinn, während er das Spielbrett erneut musterte. Kurz danach wanderte sein Gesicht aber wieder in ihre Richtung. „Ging der Traum wenigstens in Erfüllung?“, fragte er interessiert. Das wollte er jetzt wissen. Träume waren immer so weit gefasst, da konnte es ja theoretisch alles sein. Sogar die Weltherrschaft…oder so.
Der Rest des Spiels verging danach schon wie im Flug. Es ähnelte auf dem Feld langsam einem Stand-off. Ein Duell der Giganten, einem Kampf der Titanen. Denn auch dem Blondschopf gingen langsam die geistigen Reserven aus. Irgendwie musste er doch das Spiel noch drehen können. Da musste es doch noch einen Weg geben. Immerhin hat er sich wieder in einen Gleichstand gespielt. Da war ein Sieg doch sicherlich drin. Aber im Moment, fehlte ihm der Masterplan für sowas. Da riss ihn seine Gegnerin aus den angestrengten Gedanken. „Ein Unentschieden?“, fragte er verwundert und kam um eine erneute Musterung der Dame vor sich durch seine Brille nicht herum. „Du willst also ein Remi aushandeln?“. Er wartete kurz und überlegte angestrengt. Seine Augen noch einmal das Feld vor sich musternd. Da ertönte ein Kreischen in der Luft, welches sich auch bald zu den beiden Gesellte. Eine magische Möwe war dort, das spürte er und dementsprechend interessiert nahm er auch seine Sonnenbrille ab, um diese einmal unverfälscht betrachten zu können. Was er aber nun betrachten konnte. War sehr erstaunlich. Sky nahm den Zettel, las ihn und warf ihn einfach wieder weg. Einfach so! Er zog seine Augenbraue hoch, während er seine Brille wieder auf der Nase positionierte. „So uninteressant?“, fragte er nur so daher um zu wissen, was damit überhaupt gemeint war. Immerhin wusste er nicht, was darauf überhaupt geschrieben war und den Zettel magisch auffangen, um ihn dann selbst lesen zu können wollte er auch nicht. Das gehörte sich nicht. Wenn sie es ihm nicht sagen wollte, dann war es so okay, mit ihm. „Ich meine, ganz schöner aufwand um eine Nachricht zu übermitteln, ziemlich kreativ.“. Er klang begeistert. Auf die Idee war er selbst noch nicht gekommen. Damit konnte man ab und an bestimmt gut Eindruck schinden. Er schüttelte aber kurz darauf den Gedanken aus der vorderen Ecke seines Kopfes.
„Na gut, einigen wir uns auf ein unentschieden, Sky.“, gab er letzten Endes seine Vorstellung eines möglichen Sieges auf und ließ das Schachbrett mitsamt seinen Figuren darauf wieder verschwinden. Eigentlich hatte er jetzt nichts mehr zu tun und müsste auch wieder nach Hause um nach dem rechten zu sehen. Aber noch hatte er ja Zeit. Dennoch fiel der Blick des Briten abermals prüfend auf seine Uhr. Mh, wenn das Wetter so blieb konnte er Grillen gehen. „Und wie sieht dein Plan des Tages nun aus?“, fragte er und setzte sich wieder normal und lässig auf die Bank. „So viel kann man hier im Moment nicht machen. Und…“, er erhob den Finger, „..habt ihr nicht noch was zu lernen?". Er grinste schelmisch, als er auf dieses Schulsache anspielte und wieder zu seiner Begegnung hinüberlinste.
Auf seine Frage, ob mein Traum in Erfüllung ging, antwortete ich nicht direkt. Ich war mir nicht sicher, was die richtige Antwort darauf wäre. An sich ging mein Traum in Erfüllung, wir hatten eine Band gegründet und waren relativ erfolgreich gewesen, es war eine wunderschöne Zeit. “Ja, der Traum hat sich tatsächlich erfüllt.“ Das er sich am Ende dann in einen Albtraum verwandelt hatte und ich am liebsten niemals von Zuhause abgehauen wäre, musste mein neuer Bekannter ja nicht unbedingt wissen. “So und jetzt muss ich mal wieder aufs Spiel konzentrieren!“ sagte ich ehrgeizig und beendete somit dieses Gesprächsthema, aus Angst er könnte noch tiefer Nachfragen.
Ah, klar Remi! Innerlich schlug ich mir mit meiner Hand gegen die Stirn. So ein einfaches Wort und ich hatte es nicht behalten können. Dabei können vier Buchstaben doch nicht so viel Platz in einem Gehirn einnehmen. “Ja ein Remi... oder wäre das nicht passend in dieser Situation?“ Wie gesagt, mein letztes Schachspiel war schon sehr lange her und vielleicht verwechselte ich mehrere Spielsituationen und brachte so einiges durcheinander. Aber so wie Riley nun das Spielfeld erneut musterte, konnte ich ja nicht ganz so falsch liegen. Hoffte ich zu mindestens, denn ein Unentschieden war keine Niederlage und auf eine Niederlage konnte ich eindeutig verzichten. Nervös lächelte ich vor mich hin und wartete seine Antwort ab. “Komplett uninteressant.“ antwortete ich ihm nickend. “Es gibt eine neue Unterkunft für die Schüler. Da hätte ruhig drin stehen können, das ich den Jackpot im Lotte geknackt habe aber naja, dann muss ich mich mit einem neuen Zimmer zufriedengeben.“ Ich zuckte mit meinen Schultern und grinste ihn an. Da ich noch nie in meinem Leben einen Lottoschein ausgefüllt hatte, war natürlich die Möglichkeit, darin etwas zu gewinnen verdammt gering, aber Wunder soll es geben, hatte ich mal gehört. “Hm, findest du? Dein magisches Schachbrett hat mich nun mehr begeistert, als die Art wie ich den Zettel überbracht bekommen hab.“ Ich klatschte begeistert mit meinen Händen als der Arzt mir verkündete, das er auch für ein Remi sei. “Perfekt.“ Etwas missmutig sah ich zu, wie er das Spiel mit allen Figuren verschwinden lässt und wünschte mir, ich hätte auch so coole Fähigkeiten wie er. “Danke für diese schöne Partie Schach.“ Ich lächelte ihn an, weil es der Wahrheit entsprach. Die Zeit während des Spiels war seit Langem, das Angenehmste gewesen, was mir passiert war. Ich stand langsam von der Bank auf und streckte mich genüsslich, da meine Gelenke und Glieder etwas steif vom konzentrierten Sitzen geworden sind. “Du warst mir so sympathisch, warum erwähnst du nun die Schule?“ missmutig verzog ich mein Gesicht. Gott sei Dank, war heute noch Samstag. “Ich denke, ich sollte wohl doch zu meiner neuen Unterkunft gehen und mein Zimmer suchen.“ Immerhin konnte ich mich nicht ewig davor drücken und vielleicht würde ich ja eine neue nette Mitbewohnerin haben. Wieder sah ich ihn mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen an. “Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder für eine Runde Schach und dann werde ich bestimmt gewinnen!“ Gespielt überheblich grinste ich, obwohl ich genau wusste, dass die Chancen dafür sehr schlecht standen. Zum Abschied winkte ich ihm kurz zu und ging dann los, ohne daran zu denken, dass ich keine Ahnung hatte, wo das neue Wohnheim lag. Den Zettel hatte ich mir dafür, viel zu kurz angesehen.
Mit einem leisen Seufzen schlenderte ich die Straße hinab, die ich gefunden hatte, um ein nettes Geschäft zu finden, in dem ich mir neue Kleidung kaufen konnte. Also, zusätzliche Kleidung. Drei Outfits - mein ursprüngliches, das, das mein Held mir geschenkt hatte und meine Schuluniform - waren etwas karg. Nachdem ich im Wohnheim mein neues Zimmer ausfindig gemacht, meine Gitarre dort verstaut und etwas gegessen hatte, fand ich, dass ich das hier dringend in Angriff nehmen musste. Wenigstens hatte ich etwas Geld übrig. Ein Handy sollte ich mir eigentlich auch besorgen, allerdings kannte ich mich mit so etwas nicht aus und wollte auf keinen Fall irgendwas kaufen, das nur ein paar Tage hielt. Vielleicht fand ich jemanden, der mich beraten konnte. In den Geschäften wollte ich nur ungern fragen, weil... weil... darum, einfach. Es war irgendwie peinlich, wenn man bedachte, dass ich nicht einmal wusste, wie man ein Handy benutzte. Soll ich erst ein Handy oder erst Kleidung kaufen?, fragte ich mich nachdenklich, als ich vor einem Geschäft stehen blieb, das gerade für ein neues Handymodell warb. Oder ich schaue mich erst einmal um, ehe ich mich entscheide. Natürlich konnte ich auch weiter meine Zeit damit vertrödeln hier herum zu stehen und mir das Köpfchen zu zerbrechen.
Nun aber genug gelesen. Travis hatte nach ein paar Kapiteln keine Lust mehr gehabt, den Roman fort zu führen. Deswegen hatte er das Buch in sein Zimmer zurück gebracht und sich nun auf den Weg in die Stadt gemacht. Ein wenig Abwechslung sollte der Sonntag immerhin bieten; den ganzen Tag lesen war da nicht das Richtige. Mal schauen was in der Stadt so los war. Travis bewegte sich in die Richtung der Einkausstraße der Stadt. Dort ging er schließlich auch entlang. Eine kleine Zahl der Menschen von der Isola Insel waren gerade am shoppen. Ausschließen wollte er es nicht, dass er sich etwas neues kaufen würde. Ob der Engel etwas finden würde war ein anderes paar Schuhe. Neue Sachen wären für ihn notwendig. Außer die Schuluniform, die er recht gerne trug, hatte er nur eine Handvoll anderer Klamotten, die er nicht so oft an hatte. Zudem waren sich ziemlich alt. Beim Laufen schaute er sich Produkte in den Schaufenstern der Läden an. Zu seinem Nachteil merkte er nicht, dass er auf eine Person zu lief, die ein paar Meter vor ihm stand. Letztlich kam es zur Kollision.
Isalija
Isalija
85 Charakterbogen Aufenthaltsort: ??? Aktuelles Outfit: - schwarzes T-Shirt, lange graue Jogginghose, unterschiedliche Socken (links braun, rechts blau), Puschen
Grübelnd starrte ich die Handywerbung an und fragte mich, was die Informationen die dort standen eigentlich bedeuteten. Was waren Megapixel? Wie viel war ein Zoll? Was war mit Speicher gemeint und was bedeutete dieses RAM? War es gut, wenn die Zahlen hoch waren? Und was genau war hoch? Spielte es eine Rolle von welcher Marke das Handy war? Die Fragen schwirrten mir durch den Kopf, als mich plötzlich jemand anrempelte. Da ich die Person zwar aus dem Augenwinkel bemerkt hatte, aber davon aus gegangen war, dass er um mich herum ging, wie alle anderen, war ich nicht im geringsten darauf gefasst, verlor das Gleichgewicht und stürzte, wobei ich ganz fies mit dem Knie auf dem Boden prallte. Mir kam ein überraschter Aufschrei über die Lippen, ehe ich leise zischte und auf mein Knie sah. Wenigstens trug ich eine kurze Hose, sodass ich kein Loch in meiner Kleidung hatte. Stattdessen zierte nun eine Schürfwunde die sonnengebräunte Haut. Im nächsten Moment sah ich zu dem Mann auf. "Entschuldigen Sie, ich habe wohl im Weg gestanden.", bemerkte ich etwas verlegen und lächelte unsicher. Immerhin hatte ich tatsächlich mitten auf dem Weg gestanden. Mit leicht verzogenem Mund schaute ich wieder herab auf mein Knie und wischte vorsichtig den Schmutz von der Wunde. Dann sah ich nochmal zu dem Fremden auf. "Haben Sie zufällig ein Taschentuch?"