Teilnehmer:[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können], [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können] Startort: Fortsetzung [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können] Zeitpunkt: 25.07.2015, am Nachmittag Beschreibung:Es war ein Mal eine holde Maid mit blond glänzendem Haar und ihr galanter Ritter mit feurig roter Mähne. Zusammen zogen sie hinaus in die Tiefen des Bambuswaldes, um den Drachen des heiligen Teiches zu erschlagen. Das hätte sicherlich interessanter geklungen. Doch stattdessen hatte Mathéo nur vorgeschlagen, den Nachmittag mit der Angel in der Hand zu verbringen. Julia, die nicht schnell genug davonlaufen konnte, nahm seine Einladung kühn an. Nachdem die beiden auch schon an einem großen Teich im Wald angekommen sind, kann ihr feuchtfröhliches Angelabenteuer beginnen!
25.07.2015, Nachmittag mit [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]
Vormachen, erklären, nachmachen, üben - so hieß die goldene Regel. Mathéo hatte es ihr vorgemacht und erklärt. Nun durfte Julia es nachmachen; und das tat sie recht amüsant, wie Mathéo fand. Erst mal stellte sie sich wie Julia Pendragon an das Ufer und hielt die Angel wie ein heiliges Schwert vor sich; jederzeit bereit zuzuschlagen. Das schien sie auch selbst zu bemerken und passte schnell ihre Haltung an. Mathéos Grinsen verschwand danach allerdings nicht. Die neue Haltung war deutlich besser und sogar die anschließenden Trockenwürfe machten einen guten Eindruck. Hier und da hätte man ihr zwar noch in die Seite kneifen können, vor allem damit sie der Steife lossagte, doch unterm Strich sah es für das erste Mal sehr gut aus. Zugegebenermaßen: Sie machte in dem provisorischen Angleroutfit auch eine gute Figur. Dazu die Angel in der Hand … Mathéo kam aus dem Grinsen nicht mehr raus. Irgendwann flog der Haken samt Made auch über den Teich und landete einen Wimpernschlag später mitten im Nass. »Guter Wurf«, lobte der Tristam neben ihr, während seine Augen eine ungewohnt glücklich aussehende Bardera einfingen. Lächeln und Freuen konnte sie sich, das wusste er bereits. Doch hier am See schaute sie so zufrieden ihrer Pose hinterher, wie er es zuvor noch nicht gesehen hatte. Gleichzeitig fragte er sich, ob sie genauso dreinschaute, wenn sie im Büro einen Aktenordner wieder zurück ins Regal stellen konnte. Falls nicht - sollte sie darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln, denn augenscheinlich fand sie außerhalb ihres Büros mehr Zufriedenheit beim Erfüllen von Aufgaben. Leider verdiente man als einfacher Angler nicht so viel wie eine Direktorin. Da musste nicht nur das große Haus dran glauben, sondern auch der Sportwagen müsse verkauft werden. Zu letzterem war Julia bestimmt nicht bereit. Vorher würde sie sich ihre Nase als Angelmodell vergolden lassen. Sicherlich etwas, wo ihre Erfolgschancen wieder höher standen.
Auf Julias euphorische Worte nahm sich Mathéo sogar heraus, zwei, drei Mal in die Hände zu klatschen. Julias freudige Zufriedenheit war einfach zu niedlich, als dass er sie nicht unterschwellig damit aufziehen wollte. Vermutlich war sie bis hierin sehr nervös gewesen, da der Haken auch hätte im Geäst oder ihrer Hose hängen bleiben können. Da nahm er ihr die Erleichterung ohne Probleme ab. Ihre Euphorie war jedoch erst wenige Sekunden alt, da schien sich ihr Gemüt wieder ändern zu wollen. Zuerst war da ein kurzes, unsicheres Eingeständnis, dass das Anglertum doch nicht so einfach für sie war, wie sie es eben noch hatte aussehen lassen wollen. Das war zwar eine gesunde Erkenntnis, auch dass sie es sofort zugab und damit vermied, allzu arrogant zu wirken, allerdings folgte dem auch eine deutlich sichtbare Änderung ihrer Mimik. Eben noch hatte er eine kleine Julia neben sich stehen, die an Weihnachten ihre neue Lieblingspuppe erhielt; und eine Sekunde später wusste sie, dass sie die Puppe irgendwann wieder weggeben musste. Und das passte Mathéo absolut nicht. Sie hatte es doch gut gemacht, also sollte sie sich freuen. Selbst wenn es ihr nur durch Zufall so gut gelungen war, war das kein Grund, sich so tief auf den Boden zurückzuholen. Immerhin hatte er sie mitgenommen, damit sie Spaß hatte und nicht damit sie irgendwelche Erwartungen erfüllen musste. Als Julia dann schließlich davon sprach, es beim nächsten Mal besser machen zu wollen und behauptete, dass ihre Vorführung bestimmt sehr ungeschickt aussah, konnte Mathéo nicht mehr still zuhören. Er nahm einen seitlichen Schritt zu ihr hin und ohne Vorankündigung kniff er ihr herzhaft in die offene Seite. Genau dort, wo 99% aller Lebewesen angreifbar waren, stach er rücksichtslos zu, auf dass sich die Bardera herzlichst erschrecken und recken sollte. »Jetzt erzähl nicht so einen Unsinn, Julia! Das war super! Normalerweise hängt der Haken beim ersten Mal noch in den Bäumen oder zieht irgendjemandem den Ohrring aus dem Ohr. Also sei gefälligst stolz auf dich!« Er grinste sie frech von der Seite an. »Verstanden? Gut.« Auf eine Antwort brauchte er nicht warten, denn es war ja offensichtlich, was sie zu antworten hatte.
Als hätte er nichts Böses begangen, setzte er sich seelenruhig in seinen Klappstuhl und seufzte ein Mal tief seine Entspannung heraus. »Hach. Und jetzt beginnt der beste Teil … in Ruhe auf die Fische warten.« Er schaute flüchtig zu Julia hinauf und hinüber, dann schien ihn ein plötzlicher Gedanken zu erfassen. »Oh, wie wär’s mit was zu trinken? Soll ich dir was mitbringen?«
Tja, dann hing der Haken eben bei manchen ersten Versuchen in den Bäumen – und? Das änderte leider nichts daran, dass es reines Glück war und somit nichts mit Können oder einer guten Vorbereitung zu tun hatte. Also worauf genau sollte sie stolz sein? Sie hatte ja nicht mal etwas gefangen! Nicht gerade etwas, was Julia innerlich als einen Erfolg sehen konnte – und dennoch … fühlte sich auch das falsch an. Julia war gefangen. Gefangen in einem Strudel zwischen Optimismus und Pessimismus. Zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart. Dennoch machte es nicht den Anschein, als ob Mathéo hier lange mit sich diskutieren ließ. Also lächelte die Dämonin wieder leicht und schaute hinaus aufs Wasser. Dort, wo sich die Miniatur-Boje der Angel leicht mit den Bewegungen des Wassers auf und ab bewegte. Zumindest bis Mathéo sie daran erinnerte, dass es hinter ihnen noch ein Paar Stühle gab, auf denen man sich das Warten angenehmer gestalten konnte. Im Gegensatz zu ihr schien ihn die Faulheit aber weitaus schneller am Schopf gepackt und in den Stuhl gedrückt zu haben. Gefolgt von einem Einfall, der in just wieder dazu anleiten würde den gerade gewonnen Sitzplatz zu verlassen. „Was? Etwa, damit du gleich wieder aufstehen kannst?“, verkündete Julia ihre offensichtliche Belustigung über seinen kleinen Fehler und schüttelte leicht ungläubig den Kopf. Vermutlich deswegen, weil es irgendwie angenehm war auch mal Mathéo beim Fehler machen zu erwischen. Es wirkte – auf eine gewisse Art und Weise – befreiend. Ja, so konnte man es vermutlich ausdrücken. „Aber ja … gerne. Ich glaube mit einem Wasser wäre ich erstmal recht zufrieden.“. Sie wollte ihn ja nicht ohne die gewünschte Antwort losgehen lassen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie mehr Wasser als Wein dabei hatten und es aus rein taktischer Sicht einfach besser wäre die ganze Geschichte mit dem Alkohol auf später zu verschieben. Sie sollten nur darauf achten die Flasche nicht als letztes zu öffnen. „Gläser sind ebenfalls im Korb. Aber sei vorsichtig, ja?“, hängte sie noch hinten an, während ihr Hintern sich in ihren Stuhl fallen ließ. Sie konnte ja aus offensichtlichen Gründen nicht mitkommen. Was, wenn in der Zeit ein Fisch den Weg zum Haken finden würde? Eine unverzeihliche Nachlässigkeit. Genauso wie ihr kurzer Rückfall zu den alten Denkmustern. Mh …
„Ach, übrigens …“, empfing sie den Rothaarigen mit der flüssigen Fracht wieder an seinem Stuhl und legte ihren Kopf kurz in die Lehne, „Danke nochmal … wegen vorhin.“. Womit sie hoffentlich genug Respekt aufgebracht hatte, um dieses Verhalten zu würdigen. Sie wollte schlichtweg nicht den Eindruck erwecken, als ob seine Worte vollkommen bedeutungslos für sie gewesen waren. Auch, wenn ihr momentanes Lächeln auf den Lippen nicht ihre innere Stimmung widerspiegelte. „Nette Worte zu verteilen ist eine Sache. Aber sie zu erhalten? Es fühlt sich merkwürdig an … irgendwie.“, und Julia hatte natürlich nicht erst jetzt das erste Mal ein Kompliment bekommen. Doch nie in ihrem Leben hatten diese Worte wirklich das Innere der Direktorin erreicht; ihre Wirkung vollends entfaltet. Stattdessen wurden sie immer in einer Schublade abgelagert, um sie irgendwann vielleicht mal wieder auszupacken – wenn überhaupt. Ein Verhalten, dass Julia um jeden Preis ändern wollte. Doch seit wann gelang einem so etwas über Nacht? Gerade jetzt bemerkte die Blondine einmal mehr, wie wackelig sie gerade auf ihren Beinen stand – obwohl sie das Gleichgewicht augenscheinlich gut halten konnte. „Wie lange dauert es eigentlich, bis Fische normalerweise anbeißen?“, wechselte Julia deswegen das Thema, um nicht die ganze Atmosphäre mit ihren innerlichen Problemen zu ertränken. Am Ende war es sowieso besser, wenn sie eine eigene Lösung dafür fand, anstatt es jedem unter die Nase zu reiben, den sie kannte. Außerdem war das sicherlich keine der Dinge, der rothaarige Dämon gleich nach seiner Anreise unbedingt behandeln wollte. Ein bisschen Schonung, wenn man wieder zuhause ankam, hatte auch er sich verdient. „Und was noch viel wichtiger ist: Müssen wir unbedingt leise sein?“. Ein ziemlich spontaner Einfall, aber es machte für sie irgendwie Sinn. „Ich meine mich zu erinnern, das Wasser Schall sehr gut über seine Oberfläche leiten kann. Weswegen ich mich gerade frage, ob wir aus diesem Grund nicht extrem abschreckend auf die Fische wirken könnten … was meinst du?“, womit sie einen fragenden Blick zu Mathéo warf, der inzwischen wieder in seinem Stuhl sitzen sollte. Hoffentlich keine allzu dumme Frage. Aber hey, sie war ja ein Laie … oder so.
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Von Ärger oder Frust war keine Spur, als Mathéo, kaum hatte er sich hingesetzt, wieder aufstand, um die Getränke zu holen. Tatsächlich dachte er nicht mal eine Sekunde darüber nach. Stattdessen nahm er nickend Julias Bestellung auf und versuchte, möglichst elegant aber auch schnell Flasche und Gläser zu holen. Hätte Julia nichts gesagt, hätte er sogar nur zwei Flaschen mitgebracht. Er konnte sich nicht daran entsinnen, beim Campen schon mal Gläser mitgenommen zu haben. Maximal Becher packte man ein, wenn es beispielsweise Kaffee gab. Becher waren meist aus Kunststoff oder Metall, hielten weitaus mehr aus und zerschellten nicht, wenn sie mal herunterfielen. Draußen in der Natur konnte schnell mal etwas passieren. Daher war man gut beraten, widerstandsfähiges Equipment zu wählen. Dass Julia an so etwas nicht gedacht hatte, war im Grunde nicht schlimm. Es amüsierte den Tristam sogar ein wenig, denn es sprach für ihre Unerfahrenheit in diesem Gebiet. Und eine unerfahrene Julia, so stellte Mathéo erneut fest, war etwas ungemein niedliches und zugleich erfrischendes. Er mochte es jetzt schon so sehr, dass er sich vorgenommen hatte, solche Aktionen zu wiederholen. Gewappnet mit einer glasklaren Flasche und zwei hohen Gläsern kehrte der Tristam also wieder zurück. Während er Julia eines der Gläser reichte, steckte er sein eigenes in eine Halterung in seinen Campingstuhl. Die Teile waren ungemein praktisch. Zwar steckte man im Normalfall eine Bierflasche in diese Löcher, doch ein Glas würde auch passen. Allzu viel breiter waren sie zum Glück nicht. Und als er schließlich auch sich selbst eingegossen hatte, konnte er sich wieder vorsichtig in seinen Stuhl setzen; zu überschwänglich und das Wasser würde verschütt gehen. Noch während er zu Julia zurückgekehrt war, hatte sich diese - für den Tristam überraschend - bedankt. Mathéo stutzte erst nur, denn er fragte sich: wofür? Sie konnte seine kleine Lehrstunde meinen. Dafür konnte man sich schon mal bedanken. Immerhin verlangte er keine Bezahlung dafür. Doch Julia machte im Anschluss klar, dass es ihr darum nicht ging. Stattdessen hatte sie seine aufmunternden Worte gemeint, mit denen er sie gelobt und sie zugleich aufgefordert hatte, positiver zu denken. Wirklich erfolgreich hatte er es nicht eingeschätzt, doch allein der Fakt, dass sie sich dafür bedankte, zeigte ihm, dass sie darüber nachgedacht hatte. Und das war bereits ein kleiner Erfolg. Mathéo musste schmunzeln, als Julia meinte, dass es sich merkwürdig anfühlte, selbst gelobt zu werden. Höchstwahrscheinlich hatte sie dies nur selten bis nie erlebt. Unvermittelt kehrten Erinnerungen an ein gemeinsames Abendessen in Julias früheren Wohnung zurück. Er wusste gar nicht mehr so genau, wie er dorthin gekommen war. Aber er konnte sich noch an ihre Unterhaltungen erinnern und ebenfalls an die … Erlebnisse. Julia hatte ihm damals etwas von ihr gezeigt, was sich seit dem nie wieder wiederholt hatte; fast als hätte es nie stattgefunden. Damals dachte er, er könne ihr auch weiterhin ein Ohr leihen, ihr vielleicht helfen. Doch seit dem hatte sich nichts getan. Stattdessen hatte er ihr hin und wieder einen schmerzhaften Spruch an die Backe geworfen. Ein wenig ärgerte er sich darüber, ein wenig war er allerdings auch beschämt, auf sein Verhalten zurückzublicken.
Hätte Julia das Thema nicht wieder zurück aufs Angeln gelenkt, hätte Mathéo wohl noch länger in seinen Gedanken festgehangen. So aber schaute er erst nur still auf den kleinen See hinaus, dann zu Julia. In dem Moment stellte sie ihm jedoch schon die nächste Frage und versuchte sogar, diese bereits zu beantworten. Mit dem Leise sein hatte sie grundsätzlich recht. Mathéo hatte es sogar vergessen, ihr zu sagen und vor allem hatte er vergessen, sich bewusst so zu verhalten. Doch das würde er sich erst mal nicht ansehen lassen. Ein kleiner Taschenspielertrick sollte helfen. »Also wie lange es dauert, bis einer anbeißt, kann von wenigen Sekunden bis mehreren Stunden variieren. Wenn’s wirklich so lange dauert, sollten wir nachschauen, ob uns der Köder abhanden gekommen ist. Kommt schon mal vor, dass die Fische diesen abknabbern oder er von selbst abgeht. Und was das Leise sein angeht … ja, hast du vollkommen recht. Aber keine Sorge«, behauptete er gelassen, »ich habe bereits vorgesorgt.« Während er dies sprach, ließ er am Ufer eine unsichtbare Wand hochfahren, welche die Schallausbreitung in eine Richtung hemmte. Sie diente also als Schutzmauer und schwächte die Geräusche vom Ufer so stark ab, dass, solange sich Julia und Mathéo gesittet verhielten, kaum ein Ton zur Wasseroberfläche durchdrang. »Ich habe dafür gesorgt, dass unsere Geräusche stark abgeschwächt werden. Solange wir uns also nicht anschreien und kein Schlagzeug spielen, schrecken wir auch keine Fische auf.«
»Aber mal was anderes.« Mathéo hoffte, dass Julia es ihm nachsah, dass er das Thema bereits wieder beendete und nochmal auf das vorherige eingehen wollte. Dass es ihr nicht sehr angenehm war, davon ging er aus; doch nachdem er sich an ganz andere Dinge erinnert hatte, fühlte er sich stückweit dafür verantwortlich, es nicht einfach sausen zu lassen, sondern die Ruhe, während man auf seinen Fisch wartete, dafür nutzte, um sich mit Julia auch mal über etwas Ernstes zu unterhalten. »Weißt du, ich hab’ mich eben an damals erinnert, als wir bei dir in der Wohnung in der Küche standen. Weißt du noch? Du hattest damals Abendessen gemacht. Ich weiß gar nicht mehr, warum ich auch da war. Levi kam später auch noch und … eine Katze tauchte auch noch auf.« Mathéo grinste leicht verlegen, weil er fast erwähnt hätte, dass es Isa war. Ob Julia das damals wusste, wusste er selbst nicht mehr; doch für den Fall, dass es nicht so war, wollte er die Katze jetzt auch nicht mehr aus dem Sack lassen. Außerdem ging es um etwas vollkommen anders. »Weißt du noch, worüber wir uns damals unterhalten hatten?« Mathéo gab ihr einen kurzen Moment; nicht aber dafür, um ihm eine Antwort zu formulieren. »Was du eben gesagt hast, hat mich an damals erinnert. Dir fällt es wirklich schwer, mit Lob umzugehen, wenn es um die Arbeit geht oder einfach nur darum, etwas zu erledigen, hm? Ich hab’ das Gefühl, du redest dir einen enorm hohen Leistungszwang ein. Als du eben meintest, dass du es nächstes Mal besser machen willst, hat mich das schon etwas schockiert. Glaub mir, als du die Angel geschwungen und den Köder erfolgreich ausgeworfen hattest, sahst du sehr glücklich aus. Das war wirklich ein schöner Anblick. Aber schwupp, kurz darauf warst du wieder ganz anders. Und wenn du jetzt noch sagst, dass es sich merkwürdig anfühlt, gelobt zu werden, da klingeln bei mir direkt die Alarmglocken. Verstehst du?« Mathéo, der immer noch gelassen in seinem Stuhl fläzte, drehte den Kopf zu ihr hinüber. »Ich will dir damit nicht auf die Nerven gehen. Wenn es dich stört: okay. Aber ich hab im Kopf, dass ich dir damals angeboten hatte, mit dir über so was zu reden, oder? Und … wir haben grad etwas Zeit … oder auch sehr viel. Je nachdem wie’s unter der Wasseroberfläche aussieht.«
Ernüchterung, so ließ sich das Gefühl in ihrem Inneren am besten beschreiben, als Mathéo ihr eine grobe Zeitangabe für den Angel-Erfolg nannte. Klasse … also entweder sie hatte in fünf Minuten etwas zu tun - oder erst in zwei Stunden. Nicht gerade das, was die Dämonin eine vernünftige Prognose nennen würde. Noch dazu mit der Prämisse, dass die Fische so clever waren und den Köder schluckten, ohne ihr in die extra ausgelegte Falle zu schwimmen. Wenigstens um die Lautstärke konnte man sich effektiv kümmern. „Ich glaube keines von beiden Sachen wird heute der Fall sein.“, erwiderte die Blondine mit einem darauffolgenden Lachen, ehe sie sich mit einem leichten Seufzen wieder auf den See und ihre damit verbundene Aufgabe konzentrierte. Gedanklich noch ein wenig an dem Szenario hängend, ob es am heutigen Tage nicht doch noch laut werden würde. Die allseits berühmte Frage war nur: Warum sollte es? Und ganz ehrlich – Julia wusste es auch nicht. Generell war es ihr fremd, wann sie mal wirklich laut geworden war. So richtig wütend hatte sie – außer ihrem Vater – noch niemand erlebt. Das sollte, wenn möglich, auch so bleiben. Also war es vermutlich besser dieses kleine Gedankenspiel zu nehmen und in einer kleinen Kiste vor Isolas Küsten zu versenken. Immerhin wollte sie den heutigen Nachmittag beim Angeln ja genießen. Mit dem von Mathéo gebrachten Glas – und seiner Gesellschaft – waren dafür schon einmal zwei wesentliche Grundsteine gelegt. Fehlen tat nur noch das Essen … und ein Erfolgserlebnis beim Angeln. Vorausgesetzt sie schaffte es die nächsten Minuten auf ihrem Hintern sitzen zu bleiben und sich davon abzuhalten selbst ins Wasser zu springen, damit sie sich den Fisch mit ihren eigenen Händen holen konnte. Außer der Belustigung ihres Umfeldes über den plötzlichen Badezwang, wäre die Aktion also ziemlich sinnlos.
„Mh?“, kehrte die Aufmerksamkeit der Dämonin zu ihrem Angel-Experten zurück und ließ die saphirblauen Augen sein Gesicht aufsuchen. Sichtlich irritiert über den plötzlichen, leicht ernsten, Unterton in der Stimme des Tristams. Was beschäftigte ihn gerade so, dass er einen solchen Anfang wählte? Eine Frage, der Mathéo schon kurz darauf eine gebührende Antwort lieferte … und Begeisterung sah von Seiten der Blondine auf jeden Fall anders aus. Beinahe schon auf Knopfdruck schlafften ihre gebogenen Mundwinkel ab, ehe sie sich die Freiheit herausnahm doch wieder hinaus aufs Wasser zu schauen. „Ja, ich erinnere mich.“, stimmte sie leicht zögernd mit ein und presste einen Schwall eisiger Luft zwischen ihren Lippen hervor. „Was ist damit?“, hakte sie sofort nach, als ob eine kurze Antwort den gesamten Wissensdurst ihres Angel-Lehrers stillen konnte. Doch Mathéo hatte nicht vor ihr diesen Luxus zu gönnen. Stattdessen wurde sie mit einer Gegenfrage abgespeist, die zusätzlich noch eine wahre Flut an Bildern auslöste, welche allesamt mit jenem Abend in Verbindung standen. Auch das Gespräch, welches die Beiden vor dem eigentlichen Essen geführt hatten drückte sich nun Stück für Stück in den Vordergrund. Wie sie in der Küche standen und über ihre sichtbaren – und unsichtbaren Narben sprachen. In seinem Endstadium dazu führend, dass der Rothaarige ihr die Wahrheit hinter seiner Augenklappe offenbarte und sie ihm einen Einblick in ihre Seele. Ein Ort der ihn damals so hart verschreckte, dass er sie völlig fassungslos – ja fast schon entgeistert – angeblickt hatte. Kein wirklich gelungener Austausch, wenn man sie nun fragen würde. Deswegen wirkte Julia auch leicht abwesend, während die nachfolgenden Worte aus Mathéos Mund quollen und Satz für Satz auf sie hinabprasselten. Tatsächlich aber fand jedes noch so kleine Wort seinen Weg in ihre Gedanken.
Und natürlich hatte er Recht damit, dass sie sich selbst enorm unter Druck setzte. Nie in ihrem Leben hatte sie etwas anderes erkannt, als den ständigen Zwang immer zu funktionieren, abzuliefern, den stetigen Fluss der Arbeit aufrecht zu erhalten und zu neuen Höhen zu treiben. Ihr Kopf war daueraktiv. Selbst, wenn sie auf dem Sofa saß und ihren Wein in sich hineinkippte, war sie Gedanklich eigentlich immer noch am Schreibtisch. Allerdings … das machte sie doch aus, oder nicht? Sie war nun einmal diejenige, die sich um alles kümmerte. Diejenige, die Nachts um 12 rausgeklingelt werden konnte und – wenn absolut nötig – auch 48 Stunden Tage machte, damit alles seine geordneten Wege ging. Aber warum zur Hölle klingeln bei sowas seine Alarmglocken? Ausdruckslos reflektierte Julia den Blick von Mathéo und versuchte stattdessen aus seinem Gesicht die Antworten zu lesen, die er ihr verbal nicht gegeben hatte. Aber … sie erkannte nichts außer einer omnipräsenten Sorge. Einer Sorge um sie … und das machte ihre innere Dämonin krank. Als ob man ihren Stolz – ihre hart erkämpfte Selbstbestimmtheit – genommen hatte und nun wieder einsperrte. „Tse …“, drückte sich ein Funken trotziger Worte an die Oberfläche und sorgte dafür, dass die Blondine in eine andere Richtung schaute. Zerrissen von den zwei Interpretationsmöglichkeiten, die sich in ihrem inneren bei seiner Ansprache auftaten. Eine wohlwollend, die Andere degradierend. Allerdings schaffte es keine von beiden sich wirklich aktiv durchzusetzen. „Wenn du mir damit nicht auf die nerven gehen willst, hättest du es besser nie ausgesprochen.“, kam es fast schon kühl über ihre Lippen, während sie sich in ihrem Stuhl nach vorne lehnte und mit beiden Händen – fast schon verzweifelt - über das Gesicht fuhr. Sie war zwar nicht am Rande eines Nervenzusammenbruchs, aber es wirkte definitiv so. „Weißt du, Mathéo …“, riss sie sich zusammen und wollte gerade ansetzten, da erinnerte sie sich daran es auf keinen Fall so klingen zu lassen, als würde sie bemitleidet werden wollen. „Es fühlt sich einfach merkwürdig an, daran wirst du – egal, was du tust - nichts ändern können.“, und ein deutlich frustrierter Seufzer verließ ihre Kehle, während sie sich wieder nach hinten in ihre Lehne kämpfte. „So bin ich aufgewachsen, schon immer, seit ich klein war. 25 Jahre lang gab es verdammt noch mal nichts anderes als Leistung.“. Womit sie unweigerlich wieder ihren eigenen Vater vor Augen hatte, dessen Doktrinen und Ansagen so tief in ihr Verankert waren, dass sie die Blondine wohl bis ans Lebensende verfolgen würden. „Das ist es, was ich bin. Wenn dir das also Sorgen bereitet: Sei unbesorgt. Es ist mein ganzes Leben lang so gewesen! Und es tut mir wirklich unglaublich leid, wenn mir dann mein Lächeln entgleitet und einen für dich so schönen Moment ruiniert. Aber. Ich. Kann. Es. Einfach. Nicht.“, und dabei funkelten ihre blauen Augen geradezu zornig zu ihm hinüber, während ihre Stimme in eine tiefgreifende Trauer gehüllt war. Eine Mischung aus Enttäuschung und Angst in sich tragend. „Hast du das verstanden, Mathéo? Ich. Kann. Es. Nicht. Ich wünschte, ich könnte es, aber es geht nicht.“. Womit ihre Blicke einmal mehr begannen wieder ziellos umherzustreifen, „Oder, um es in deinen eigenen Worten von damals zu sagen: Was hast du da in dich hineingefressen?“. Womit sie am Vorläufigen Ende ihrer kleinen Erklärung angekommen war. Wieso nur brachte sie das so aus dem Konzept? Das schaffte doch sonst keiner, wenn er so ein Thema ansprach ...
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Mathéo war auf eine Miene getreten - so schien es. Kaum hatte der Tristam seine Gedanken mit Julia geteilt, merkte er den Wetterumschwung, der zwischen den zwei Klappstühlen stattfand. Wenn er ehrlich war, hatte er sich ihre Reaktion anders erhofft; und daran erkannte er, dass er sich nicht präzise genug ausgedrückt hätte. Folglich fühlte er sich etwas schlecht, fühlte eine Art Scham, weil er es nicht richtig angestellt hatte und nun Julia ihm in nicht sonderlich freudigem Ton ihre Meinung dazu ausbreitete. Aber die Stimmung mal außen vor: Julia sprach sehr offen darüber. Weder druckste sie herum, noch schien sie etwas unter den Tisch kehren zu wollen. Sie haperte nicht mit Worten, sondern erklärte sich überraschend direkt. Daher war es nicht nur ihr Ton sondern auch der Inhalt ihrer Worte, die Mathéo mit großen Augen zurückließen.
Der Tristam fühlte sich etwas zurückgedrängt, nachdem Julia durch war. Auch dass sie sich sogar noch ein seine Worte von damals so genau erinnern konnte, wusste er nicht sicher einzuschätzen. Entweder konnte er froh sein, weil sie es so klar im Gedächtnis hatte oder er konnte sich darum sorgen, dass es ihr als negative Gedanken hängengeblieben war. Weiter nachzuhaken hatte er jedoch nicht vor. Stattdessen wollte er etwas anderes klarstellen und sich mit dieser Erkenntnis bei ihr entschuldigen. »Hm, ich glaube, ich habe das Thema ziemlich schlecht gestartet. Verzeih mir bitte. Es war nicht meine Absicht, dich so sehr vor den Kopf zu stoßen. Als ich sagte, dass bei mir die Alarmglocken klingelten, da … ich kann mir gut vorstellen, dass das herablassend gewirkt haben konnte. Ich wollte mich allerdings nicht hinstellen und dir erklären, wie du dich verhältst, was du falsch machst und was anders sein sollte. Diese … Sorge, von der ich sprach … es ist eher eine Art Trauer. Ich wollte damit wirklich nur sagen, dass ich es schade fand, wie dein Lächeln plötzlich verschwunden ist und du dann zu einem ‚Ich muss besser werden‘-Kurs gewechselt bist. Das ist nur meine ganz persönliche Meinung und keine Analyse, deren Ergebnis du dir zu Herzen nehmen sollst, damit du es künftig besser machen kannst. Ich sehe mich in keinerlei Position, so was von mir geben zu dürfen oder gar zu können. Glaub mir das bitte.« Mathéo suchte sie mit einem ernsten, aber zugleich auch verzeihenden Blick. Auch wenn sie ihren Fokus auf den Teich hinauswarf, wollte er ihr in aufrechter Manier begegnen. »Ich habe dir angeboten, dir ein Ohr zu leihen; nicht dein Berater zu sein. Wenn du meine Meinung hören möchtest, teile ich sie dir gerne mit. Dass ich dir gerade meine Meinung ungefragt ins Gesicht geworfen habe, sollte meine Nachricht an dich sein, dass ich mich noch an unser Gespräch von damals erinnere und du immer noch auf mich zählen kannst, wenn du magst. Da wir uns seit damals nicht mehr in die Richtung unterhalten hatten, wollte ich nur sichergehen, dass du keinen falschen Eindruck von mir erhältst.«
Nun blickte auch er auf den Teich hinaus, wo er sich ein paar gescheite Worte zu finden erhoffte, denn er wollte es nochmal richtig machen - nochmal besser machen. Wie er ihr eben noch seine Meinung gegeigt hatte, hatte er vermutlich von oben herab geklungen, wie jemand der so viel Ahnung hatte, dass sie für andere ein Leitbild sein musste. Doch genau das hatte er nicht gewollt und genau das wollte er geradebiegen. »Was ich dir also eigentlich sagen wollte: Du hast so gewirkt, als hätte dich etwas beschäftigt, als hätte dich etwas von deiner Freude abgehalten. Wenn du darüber reden möchtest, habe ich gerade ausreichend Zeit dafür. Und wenn du nochmal Spaß am Angeln haben willst, würde ich mich freuen, wenn du das tust. Es war wirklich schön, dir dabei zuzusehen.«
Julia nickte nur leicht mit dem Kopf, als Mathéo seine ersten Worte aussprach. Natürlich war ihr klar, dass ihre Reaktion selbst nicht die beste war. Auf der anderen Seite sah sie es nicht ein bei einem Thema, welches ihr auch noch sehr nahe ging, einfach ein Pokerface drüberzulegen. Sie hatte ihn ja nicht angeschrien … oder beleidigt. Aber er hatte recht, wenn er davon ausging, dass es wie ein Urteil von oben herab geklungen hatte. Genau genommen lag es aber nicht daran, dass er sie eventuell belehren wollte. Jeder hatte irgendetwas in dem man besser war. So etwas war normal – wenn nicht sogar selbstverständlich. Vielmehr regte Julia dahinter auf, dass es den Anschein machte, als würde er sie in- und auswendig kennen. Als wäre jeder Abschnitt ihres Lebens offensichtlich und die Gründe hinter ihren Reaktionen so trivial, dass man sie innerhalb von einer Minute im Internet suchen, finden – und beheben konnte. Vielleicht war es schlicht und ergreifend auch einfach ihr Fehler. Hätte sie einfach weiter gelächelt, wäre die ganze Sache gar nicht hochgekocht. Welche Variante der Dämonin besser gefiel? Sie wusste es nicht, um ehrlich zu sein. Alles, was sie mit ihrem Theater geschafft hatte, war, sich verletzlich zu geben. Es hatte weder eine Lösung hervorgebracht, noch einen konstruktiven Inhalt geliefert. Nein, stattdessen saß sie hier einfach nur herum. Schaute in die Gegend und hörte dem Tristam dabei zu, wie er seine vorherigen Worte in neue Watte verpackte, damit seine Intentionen deutlicher wurden.
„Kein Berater also? Bist du dir ganz sicher?“, warf sie seine Intentionen zu Mathéo zurück und stützte ihr Kinn auf ihrem Handrücken ab, während sie wieder den Blickkontakt zu ihm suchte. Der Zorn, welcher vorhin in ihren Augen zu sehen war, schien genauso schnell wieder verflogen zu sein, wie er gekommen war. Stattdessen übte sich die Direktorin in intriganter Stille. Eine von der Sorte, bei der man nie wirkliche wusste, was nun eigentlich Sache war. Vermutlich fühlte sich der Dämon deswegen zu veranlagt seine Erklärung weiterzuführen. Doch Julia hatten die vorherigen Worte schon vollkommen gereicht. „Du solltest lieber keine Versprechen machen, die du am Ende nicht halten kannst.“, ermahnte sie ihn leicht belustigt und seufzte leicht angespannt. „Wenn ich eines weiß, Mathéo. Dann, dass die eigene Meinung zurückzuhalten keine deiner Stärken ist.“, und sie lächelte leicht nostalgisch, „Vielleicht ist das durchaus nicht immer und zu jeder Zeit, sowie bei jeder Kleinigkeit, der Fall. Bei den wichtigen Dingen jedoch; sei es nun die Kochkunst … oder eben die schwerwiegenden – und überaus persönlichen – Probleme anderer. Nun, ich denke nicht, dass dir das gelingt.“, und bevor er dazu etwas einwerfen konnte, setzte sie schnell von selbst noch einmal nach. „Und das ist keineswegs was Schlechtes. Falls jetzt der Gedanke aufkommt, dass ich dir hier ein schlechtes Gewissen einreden will; dem ist nicht so.“. Nur, wie führte sie das jetzt weiter? Julia wusste sehr wohl um die Bedeutung ihrer eigenen Worte. Auch wenn sie sich in diesem Zusammenhang – als Betroffene – durchaus ein bisschen mehr Emotionalität herausnehmen könnte. Allerdings, welchen nutzen würde es haben? „Die Sache ist: Ich will keinen eigentlich schönen Ausflug mit einer Welle aus Negativität ertränken. Kannst du das verstehen?“. Sie seufzte ein weiteres Mal. Insbesondere, weil es dafür vielleicht sogar schon zu spät sein könnte. Der Eindruck des ersten Angel-Ausflugs würde – vielleicht – für immer das Stigma einer unschönen Erfahrung tragen … wegen ihr. „Diese Dinge … mit ihnen hängt viel zusammen. Alles, genauer gesagt. Damit das zuhören irgendeinen Sinn hat, müsste ich dir die Geschichte von Anfang an erzählen … und es ist nicht so, dass ich es nicht kann.“, erklärte sie mit einer am Ende immer leiser werdenden Stimme. Denn so offen über sich zu sprechen war nicht nur ungewohnt, sondern auch wirklich – und das darf man hier wirklich wörtlich nehmen – unangenehm. „Ich gebe anderen allerdings nur ungern ein Schwert in die Hand, mit dem sie mich richten können.“. Sie pausierte kurz, während sie sich einfach nach hinten in den Stuhl fallen ließ und den Himmel beobachtete. Wann war das letzte Mal, dass sie nach oben geschaut hatte? „Ich hatte so lange nur mich selbst, da gibt man sich nicht leichtfertig aus der Hand … falls das für dich irgendeinen Sinn ergibt.“. Denn eigentlich ging sie davon aus, dass er es nicht tun würde. Auf der anderen Seite … sie kannte ihn nicht. Es war das Gleiche wie bei ihr. Wie konnte sie über ihn Urteilen, wenn sie nicht unter die Fassade blicken konnte. Hinter die Klappe des fürsorglichen Dämons und direkt in sein dämonisches Auge … „Also, fühlst du dich in der Lage deinen Worten treu zu bleiben?“
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»Hm, hm …« Mathéo lauschte nickend ihren Worten. Eins um andere Mal hätte er selbst gerne die Stimme erhoben und einen Kommentar oder gar Zuruf abzugeben, doch an keiner Stelle machte Julia den Eindruck, als wäre sie bereits fertig - unabhängig der eingesetzten Pausen. Mathéo fühlte sich in diesen Momenten sehr achtsam und zugleich vorsichtig. Er wollte ihr nicht ins Wort fallen und Rücksichtslosigkeit preisgeben. Er wollte bedächtig sein und ihr Wohl schätzen. Andernfalls könnte sie noch mehr negative Eindrücke von ihm gewinnen. Wobei dies auch keine richtige Aussage sein konnte. Nahm er ihre Worte zu Herzen, hätte ihn auch das Gefühl ereilen können, er wäre selbst kein gutes Wesen, als würde er eine Gefahr für sie darstellen. Zum einen stand die Treue seines Wortes auf der Kippe, zum anderen tat sich Julia damit schwer, ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Die Metapher mit dem Schwert war zwar rhetorisch gut gewählt, doch wurden Julias Geheimnisse erst durch den Träger zum Schwert. Wenn Mathéo ihr damit schaden wollte, ja, dann waren sie sicher eine Waffe. Doch wenn er es nicht vorhatte, warum sollte er dann ein Schwert halten? Seiner Meinung nach war die Form variabel; abhängig von Intention und Situation.
»Absolut«, war seine direkte Antwort auf ihre abschließende Frage. Darüber musste er auch kaum einen Augenblick nachdenken. Weder Zweifel noch Unsicherheit hatten ihn bis hierhin verfolgt. »Ein Tristam steht zu seinem Wort«, ergänzte er sich mit zunehmender Zuversicht. Selbstbewusst blickte er sie an und gab dennoch auch Schwächen zu. »Aber wie du schon sagst, die eigene Meinung zurückzuhalten, ist schwer. Sehr schwer. Allein meine Mimik, ob sich die Härchen auf meinen Armen aufstellen oder sonst eine Kleinigkeit - es gibt so vieles, was eine Meinung ausdrückt. Natürlich kann ich sie auch aussprechen und ja, es sollte nichts falsches sein. Meine Meinung ist nur meine Meinung und für dich nichts, was dich in irgendeiner Weise beeinflussen könnte, sollte, muss. Aber meine Meinung wollte ich auch nicht zurückhalten. Wovon ich gesprochen hatte, war die Intention, dich zu maßregeln, zu verbessern. Ich könnte jetzt sagen: Klar, will ich dir helfen; dein Leben besser machen. Klingt jetzt bisschen kitschig, aber das sind so grundlegende Absichten, die man haben kann. Und um die zu erfüllen, könnte ich dir Ratschläge geben. Ich könnte dir aber auch einfach nur ein Ohr leihen, weil ich glaube, dass es dir hilft, insofern du bei etwas Hilfe brauchst. Ich sehe nur, dass es dir nicht vollständig gut geht und denke mir: Drüber reden kann helfen. Mir würde es zumindest höchstwahrscheinlich helfen. Also warum nicht das für dich tun, was ich mir auch für mich in so einem Moment wünschen würde, hm? Well …«
Mathéo dachte nochmal kurz nach, weil er das Gefühl hatte, ein wenig den Faden zu verlieren, den Julia weitergesponnen und dann ihm übergeben hatte. »Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du unseren Trip nicht mit etwas Negativem versauen willst. Ich muss zugeben, ich hätte auch nicht gedacht, dass es direkt so abgeht. Ich dachte mir: Ich sprech’s mal an und dann quatschen wir bisschen drüber, bis ein Fisch anbeißt. Ich dachte mir auch, dass ich dir sehr gerne zuhören möchte, dass ich gerne mehr erfahren würde. Natürlich nicht um dir damit dann ein Schwert in den Rücken zu stechen. Unsinn.« Er schüttelte den Kopf. »Ich war vermutlich sehr leichtsinnig und hab viel an meine eigenen Interessen gedacht, von denen ich glaubte, sie würden sich mit deinem Wohl überschneiden. Hm. Falsch gedacht. I’m sorry.« Darauf nahm Mathéo erst mal einen langen Schluck, denn er wollte nicht umsonst losgegangen sein. Die Kehle wurde außerdem nur trockner vom vielen Reden. »Also wenn du willst, bin ich hier und höre dir zu. Du musst aber nicht. Und ich denke mir dann auch nicht, dass das du schwach bist, wenn du es nicht tust, wenn du es nicht willst. Es ist deine Entscheidung und ich biete nur mein Interesse an - quasi. Oder wir reden über etwas vollkommen anderes. Ich weiß, da denkt man sich, dass es nur awkward wird, wenn man so erzwungen das Thema wechselt und ein anderes ignoriert. Aber ich bin wirklich perfekt in 180°-Drehungen. So don’t worry.«
Julia nickte sichtlich amüsiert über das allseits präsente Selbstvertrauen des Tristams, welches selbst im Angesicht ihrer bedeutungsvollen Erklärung kaum ins Wanken geraten war. Sie wusste nicht, ob sie ihm das einfach so glauben konnte. Auf der einen Seite war er nie durch irgendwelche Wortbrüche aufgefallen. Auf der anderen Seite wusste die Direktorin sehr gut, dass auch dieser Eindruck täuschen konnte. Spätestens dann, wenn die Last des erhaltenen Wissens zu groß … oder die moralische Verwerflichkeit zu hoch wurde. Beides – so ihre Einschätzung – war bei ihrer Geschichte mehr al nur gegeben. Und – um ehrlich zu sein – es erfüllte sie mit einer schier ungebändigten Angst, diese Dinge einfach so weiterzutragen. Nein, dazu war sie noch nicht bereit … und Mathéo auch nicht. Ihn von jetzt auf gleich mit den Fakten zu übergießen, würde selbst ihn treffen wie ein Schlag ins Gesicht. Mh … Es war dieser Moment, in welchem Julia sich vom See abwandte und ihre Aufmerksamkeit vollständig auf dem Tristam ruhen ließ. Alles was er sagte, was er behauptete auch für sich zu wollen. Doch Ratschläge allein würden ihr nicht helfen das bisherige Leben hinter sich zu lassen und einfach von vorne zu beginnen. Mal ganz davon ab, ob man das könnte. Sie hatte noch niemanden kennengelernt, der einen Amnesie-Zauber beherrschte; und selbst wenn: Wollte sie das? Alles vergessen, um wie ein unbeschriebenes Blatt von Grund auf neu zu beginnen? Nein, das wollte sie nicht. Es wäre nicht nur unverantwortlich gegenüber allen, die ihr vertrauten … es wäre auch hochgradig feige von ihr. Ein Verrat an anderen, sowie an sich selbst. Dementsprechend belustigt wirkte sie auch, als Mathéo seine Gesprächsqualitäten hervorhob. „Sehr gut in 180°-Wendungen, mh?“, stellte sie als ersten Kommentar in seinem langen Monolog ihre erste Gegenfrage. Deutete aber mit einer ausgestreckten Handfläche an, dass eine Antwort hier nicht unbedingt nötig war. „Es ist irgendwie faszinierend, wenn ich so darüber nachdenke.“, und Julia nahm sich – so wie der Tristam – den Luxus eines weiteren Schlucks heraus. „Und ich weiß, wie verrückt – oder bescheuert – das klingt. Aber deine Worte vermitteln den Eindruck, als ob ich weiß, was ich mir von einem solchen Gespräch erwarte.“, womit Julia ihre eigene Unsicherheit hervorheben wollte, die sie in dieser Thematik stets begleiten würde. Das war schon damals ersichtlich, als ihr Weg sie nur unter starken Bauchschmerzen zum Haus des Tristams führte. Nur, um dann in einem vergeblichen Versuch zu enden. Eine abschreckende Erfahrung – bis heute. „Allerdings weiß ich es selbst nicht. Ich habe keine Ahnung und stehe, wenn man so will, vor dem großen Unbekannten. Jeder Versuch sich dieser Ungewissheit zu entledigen war mit Rückschlägen behaftet … und irgendwann hört man auf es zu versuchen. Insbesondere, wenn jeder um einen herum ebenfalls sehr stark mit sich selbst beschäftigt ist und kein Raum für weitere Dinge.“. Was ihre Gedanken sehr schnell zu Leviathan wandern ließ, der selbst so viel um die Ohren hatte, dass er sich mit ihren Problemen gar nicht befassen konnte. Stattdessen war sie es, die ihre Dinge hintenanstellte, um für ihn da zu sein. So, wie man es auch von seiner Ziehmutter erwarten würde. Aber mit dem Thema wollte sie jetzt gar nicht anfangen. „Manchmal stehe ich morgens auf und denke mir, dass eine plötzliche Amnesie genau das richtige für mich wäre. Ein Neustart, einfach so.“, ließ sie ihn an ihren vorherigen Gedanken teilhaben und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wasser zu. Trotz der schwierigen Situation wollte sie das Angeln keinesfalls vernachlässigen. „Aber das wäre wie ein 180°-Wechsel in der Gesprächsthematik: Feige. Als ob man vor sich weglaufen würde … und so jemand bin ich nicht. Und ich will es auch nicht sein, ehrlich gesagt.“. Julia lachte belustigt, als ihr das kleine Paradoxon in dem Satz bewusst wurde. „Aber ich frage mich, ob ich es durch das simple Totschweigen nicht ähnlich gelöst habe. Allerdings weiß ich nicht, ob ich die Antwort darauf wissen will. Naja, egal, wir drehen uns im Kreis. Was ich eigentlich sagen wollte ist: Warum nicht?“. Eine Aussage die sie – so wie alles eigentlich – ernster nicht meinen konnte. Es war der letzte Versuch hier noch einmal ihren Fuß auf soliden Boden zu bekommen. Ansonsten würde sie ja nichts aufhalten so wie bisher weiterzuleben. Es funktionierte ja, wie die Praxis jahrelang gezeigt hatte. „Zumindest weiß ich, wenn du mit den Armen erhoben schreiend davonrennst, dass es an mir liegt.“.
25.07.2015, Nachmittag mit [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]
»Naja«, wippte Mathéo den Kopf etwas hin und her. »Es könnte auch an einem Flusskrebs liegen, der mich in die Wade kneift - oder so. So offensichtlich die Dinge manchmal liegen mögen, sollte man doch erst alle Karten umdrehen, ehe man sich für einen Zug entscheidet.«Toller Spruch, dachte sich Mathéo; und er war ihm sogar vollkommen spontan eingefallen. Den müsste er sich später ins Notizbuch schreiben. »Also, verzeih mir den Ratschlag, red die Lage nicht panischer, als sie es ist. Wenn es am Ende fehlschlägt, fällst du nicht tiefer, als wenn du es nicht gesagt hättest. … Das ist zwar wenig aufmunternd, aber du weißt schon, worauf ich hinauswill.« Er zwinkerte ihr hoffnungsvoll zu. Zwar hatte er eben noch versichert, sie weder maßregeln noch beratschlagen zu wollen, doch an der Stelle konnte er es sich nicht verkneifen, denn er sah darin ein sehr generisches Verhalten dieser Welt. Wo Unsicherheit und Angst bestanden, von einem Ast zu fallen, weil dieser brach, redeten sich die Kletterkatzen die Höhe des Baumes gerne niedriger. Doch in Wirklichkeit konnte man keinen Baum klein reden. Er würde immer dieselbe Größe behalten - Wachstum mal unbeachtet. Und wo er gerade bei dem Gedanken Unsicherheit wieder war, so zeigte ihm Julia nun eine ganz andere Form, als zu Beginn ihrer Reise, als sie unwissend durch den Wald geführt wurde und zum ersten Mal so eine lange Rute in Händen halten durfte. Das waren so … äußerliche Dinge gewesen - wie die verhauene Schminke. Da sah man einen halben Tag etwas daneben aus, doch am Abend wäre es wieder hinüber bzw. ließ es sich mit dem passenden Werkzeug schnell beheben. Doch die inneren Dinge, die gingen am Abend nicht wieder und sie zeichneten das eigene Bild dauerhaft für andere; und das konnte Angst machen. Also wollte er ihr möglichst vorsichtig und einfühlsam begegnen.
»Ich werde dir jetzt aber auch nicht sagen, ob ich das gut, richtig, schlecht oder falsch finde. Sonst wären wie genau da, wo wir nicht hin wollten. Zugegeben: Ich bin etwas erstaunt. Dass jemand wie du eine so scheinbar große Unsicherheit in sich schnürt, das erwartet man nicht. Und es ist wohl eine starke Nummer, so gut damit klarzukommen - zumindest nach Außen. Ich könnte dich allerdings verstehen, wenn du diesen Konflikt lieber loswerden willst, statt ihn weiterhin zu ummauern. Es fehlt nur der Weg hinaus, wie auch immer dieser aussehen mag.« Mathéo stimmte sich etwas nachdenklich. Auch wenn er nichts weiter aussprach, so dachte er zumindest darüber nach, was er in so einer Situation machen würde. Doch er scheiterte schnell daran, dass ihm die Details fehlten. Bruchstücke konnte er von ihrem zurückliegenden Gespräch in ihrer damaligen Wohnung nehmen und ins Puzzle einfügen. Doch für die Gänze fehlte noch sehr viel. Nahezu gar nicht half ihm der emotionale Schock, den Julia ihn damals kosten ließ. Es war eine Gefühl gewesen … eine Macht … aber es hatte nur einen kurzen Namen und kaum eine vollständige Beschreibung. Das Gefühl, dass da etwas fehlte, klopfte stark an seine Schädelinnenwand. Es verlangte nach mehr Informationen, nach mehr … Wörtern. Mathéo war mehr der Mann der Worte, der Denker; zwar nicht gefühlskalt, doch abgeschreckt davon, Gefühle detailliert zu deuten. Das führte oft in die falsche Richtung oder ließ einen über zu viele Kreuzungen stolpern, auf das man sich verlief. Spätestens heute sollte jedoch klar sein, dass er so was gerne in Worte verpackte, um ihnen eine klarere Gestalt zu geben und Verständnis bei anderen zu fördern. Solange Julia nun aber die Konturen dieses Problems so scharf beschrieb wie die einer Zuckerwattewolke, würde er mit seinem Verständnis nicht sehr weit kommen. »Bevor ich wegrenne, würde ich auf alle Fälle gerne versuchen, mein Verständnis zu fördern. Um ehrlich zu sein, habe ich bei dir noch nicht vollständig durchgeblickt; bin sogar noch weit davon entfernt. Das einzige unsichere Gefühl, welches ich gerade habe, ist, nicht sicher zu sein, ob ich alle Teile habe, um das Puzzle zusammenzusetzen oder ich nur zu dumm dafür bin, die passenden Teile zu erkennen. Aber wenigstens …«, und da hob er aufmerksamkeitshaschend den Finger, »… bin ich nicht so stark mit mir selbst beschäftigt. Mich treibt lediglich der Gedanke umher, wo ich das Klavier hinstellen kann. Vielleicht sollten wir den Fernseher in den Keller verfrachten, damit es passt …« Nachdenklich wollte er den Eindruck erschaffen, ernsthaft darüber zu grübeln. Allerdings konnte er sich ein schelmisches Grinsen nur schwer verkneifen. Julia würde vielleicht denken, dass alles nur ein Scherz war, doch dass er ein Klavier erwartete, entsprach der Realität; nur die Suche nach dem Standort stellte keine Gefahr für Julias geliebte Mattscheibe dar. Mathéo wäre lebensmüde, wenn er diesen tatsächlich anrühren wollte. Und am Ende wollte er mit diesem Einschub nur die Stimmung weiter lockern, statt nun wirklich seine angekündigte 180°-Drehung hinzulegen.