Teilnehmer:@Mathéo Tristam, @Julia Bardera Startort: Yashidori 16 Zeitpunkt: 24.06.2015 | Abends Beschreibung: Persephone kehrte von ihrem Aufenthalt im Olymp zurück in die heimische Unterwelt. Hades, der es sich in seinem Reich bequem gemacht hatte, konnte schon beim bloßen Erspüren der hohen Totengöttin erahnen, dass seine Ruhe nun ein Ende hatte. Spannung und Ungewissheit lagen in der Luft, nachdem die Türen aufgestoßen und das Essen serviert wurde. Hades wusste um die ungewöhnlichen Launen (und das Temperament) Persephones, also ließ er Vorsicht walten. Doch eine Konfrontation war unvermeidbar.
Mit einem weiteren Glas voll mit Wein, hatte es sich die Bardera am Essenstisch gemütlich gemacht. Beinahe schon penibel platzierte sie das gewärmte Essen, den Teller, sowie das Besteck auf der vor sich dargebotenen Plattform; bevor auch sie sich an die reichlich gedeckte Tafel setzte. Perfektion in den Details, so hatte es Julia immer gerne in ihrem Leben gehabt. Wenn irgendetwas in ihren eigenen Räumen nicht dort war, wo es sein sollte, machte sie das einfach verrückt. Wohlgemerkt sprachen wir hier aber nur von wirklich wichtigen Dingen. Die Fernseh-Fernbedienung – oder eine Dose mit kleinen Snacks, die noch nicht aufgegessen waren – zählten da nicht zu. Die größte Katastrophe, wenn man es denn so nennen konnte, wäre das Abhandenkommen ihres Autoschlüssels. Glücklicherweise musste man Julia maximal töten, um den ohne ihre Zustimmung in die Hände zu bekommen. Man setzte im Leben eben Prioritäten. Doch nun ging es erst einmal darum besagtes Gericht zu testen. Bereits nach dem Erhitzen hatte sich eine leichte Dunstschwade von Curry wie ein stiller Jäger in der Küche breitgemacht und sich in ihre Nase geschlichen. Die Augen hingegen waren derweil abgelenkt von der ungewöhnlichen Kombination, die sich da vor ihr aufbaute. Vorsichtig, als würde die Dämonin ein Gefahrgut auf dem Löffle balancieren, verteilte sie die gewürzte Verlockung auf dem Teller, bevor ein kleiner Test erfolgte. Wirklich davon ausgehen, dass es ein schlechtes Essen war, tat sie nicht. Immerhin ging ihr Verstand davon aus, dass Mathéo sich einem unwürdigen Gericht schon längst entledigt und dabei vermutlich alle Spuren auf eventuelle Partizipanten vernichtet hätte. Wenn nämlich eines klar war, dann, dass beide Dämonen gutes Essen liebten. Sie probierte also und … es war nicht schlecht. Ungewöhnlich, aber nicht unbedingt schlecht. Ohne Umschweife wurde also der Rest des übriggebliebenen Gerichts auf den Teller verfrachtet, bevor eine leicht gefräßige Stille den Raum heimsuchte. Arbeit machte eben unweigerlich hungrig. Wäre die Direktorin weiter draußen geblieben, hätte sie vermutlich wirklich angefangen kannibalistische Züge zu entwickeln.
Doch die Ruhe an sich war ein nur allzu fragiles Konstrukt, dass sich schon bald in Luft auflöste. Zuerst ein Telefonat mit anschließender SMS und dann auch noch das eintreten des Tristams, der sich mit einer lockeren Floskel in Reichweite der Bardera anmeldete. „Ungewöhnlich, aber mundend.“, fixierte sie einen kurzen Moment das Gesicht des Tristams, ehe sie mit ihrem Blick wieder zum Teller zurückkehrte. „Es ist eine ungewohnte Mischung, wenn auch nicht so würzig, wie ich sie erwartet hätte. Die gelbe Farbgebung spielt ein bisschen mit den Erwartungen.“, ergänzte sie das Urteil mit einer leichten Prise von Skepsis in ihrer Stimme. Das lag natürlich nicht an dem Geschmack, sondern vielmehr an der Art der Anrichtung. Das die Dämonin ihr Essen gerne selbst so attraktiv wie möglich gestaltete, sollte in diesem Haushalt keine überraschende Neuigkeit mehr sein. Kein Gericht kam ohne eine visuelle Gestaltung aus. Es war so etwas wie ihr Markenzeichen, wenn sie sich hinter den Herd bewegte. Bei warmgemachten Essen – das noch dazu vorher in eine Box gepackt wurde – stellten sich einem jedoch ein paar Barrieren in den Weg. Ein Mehraufwand, den die Direktorin jetzt nicht auf sich nehmen wollte. Aber vielleicht ging es Mathéo ja gar nicht darum? „Hätte ich dir etwas übriglassen sollen?“, hakte sie einen Moment später leicht spitzbübisch nach und richtete ihre saphirblauen Augen erneut auf den Tristam aus. Eine weitere leichte Provokation, die in seine Richtung geworfen wurde. Ähnlich der Hängemattenaktion, über die der rothaarige Dämon keinerlei Wort verlor. Was sie ein bisschen Verwirrte … aber vielleicht war der junge Mann auch einfach nur vorsichtig geworden. Wer konnte es ihm verübeln? Eventuell war es also besser ein anderes Thema anzuschlagen, als sich lange bei diesen kleinen Plänkeleien aufzuhalten. Am Ende – so Julias Eindruck – würden die sogar eher hinderlich für die Atmosphäre im Haus sein. Obwohl der Gedanke im ersten Moment durchaus verlockend erschien ein bisschen damit zu spielen.
„Ach … ehe ich es vergesse: Ich werde heute Abend übrigens außer Haus sein.“, kam sie ihrem Gedanken auch sogleich nach und pausierte ihre Essensbemühungen einen Moment. Im Anschluss schob sie ihr Telefon ein kleines Stückchen weiter in Richtung der Mitte des Tisches, weit weg von ihrem Teller. Flecken wollte sie nicht auf dem Ding haben, das würde ihr gerade noch fehlen. „Es gibt einen Begrüßungsfeier für einen neuen Kollegen, die relativ spontan hochgezogen wurde. Nur, damit du dich darauf einstellen kannst. Ich werde wohl erst wieder entgegen Mitternacht zuhause sein.“, fuhr sie relativ gelassen fort und legte ihre linke Hand bereits um das erneut gefüllte Weinglas. Vielleicht würde es auch später werden … wieso hatte man sie eigentlich eingeladen? Nachdenklich kaute die Dämonin auf dem nächsten Löffel ihres Essens herum. Ihres Wissens nach stand sie bei den anderen nicht gerade sehr hoch im Kurs. Mh. Naja, egal. Sie sollte das letzte Glas Wein genießen, mehr würde es heute wohl nicht werden. Betrunken oder mit einer leichten Fahne versehen brauchte man nicht bei so einem Treffen auftauchen, das wirbelte nur einen schlechten Eindruck herum und heizte die Gerüchteküche an. Dementsprechend würde hiernach wohl das gute alte Wasser herhalten müssen.
Zwei weitere Dinge passierten in der Zeit, welche Julia zum Antworten nutzte: Zum einen holte Mathéo still ein Weinglas aus dem Schrank und griff ungefragt nach Julias Weinflasche; zum anderen verbarg er seine zweifelnde und zugleich verwirrte Visage tief in sich. Seine Gedanken wiederholten sich, als sie erneut die Frage aufriefen, was mit dieser Frau an diesem Tage nur los war. Am Morgen hatte sie ein Gesicht gezeigt, welches er oberflächlich nicht mehr wiederfand. Nicht zwingend weicher, aber zumindest umgänglicher und sogar ein Stück wieder wie vorgestern - zeigte sich die Bardera. Einzig ihre Aura erinnerte ihn noch an das Erlebnis vom Morgen. Wie sehr konnte er also auf ihre frische und herausfordernde Art bauen? War es eine Falle oder konnte er ihr trauen? Und allein dass er dies in Frage stellte, erzeugte zusätzlichen Kummer in seinem Magen. Bewusst hatte er nicht angesprochen, dass sie ihn eben erst beinahe aus der Matte hätte werfen können. Sicher war ihr dies bewusst gewesen und ebenso sicher war sich Mathéo, dass sie es billigend in Kauf genommen hätte. Sich gegenseitig von der Matte oder gar der Couch zu werfen, das hatten die beiden Dämonen in den letzten Wochen jedoch noch nie gemacht. Sticheleien und derartiges waren mehr und mehr dazugekommen, sie belebten den Alltag, doch Handgreiflich … wobei diese Beschreibung das ganze schnell in ein falsches Licht drängte. Mathéo war sich nicht mal sicher, wie er es in seinem Kopf katalogisieren sollte. Wie schon auf seiner Rückkehr ins Haus überlegt, würde er sich auf anscheinende Unbeschwertheit einlassen. Sie sollte nicht den Eindruck festigen, er wäre wegen etwas auf der Lauer. Stattdessen sollte sie sich selbst verraten, bevor er es tat.
Mathéo nahm einen ersten Schluck, als Julia ihn plötzlich fragte, ob sie ihm etwas hätte übriglassen sollen. Das war gleichzeitig der Startschuss für Mathéo. »Hatte ich so gedacht, ja, aber du kannst ruhig eine Extraportion vertragen. Bei der ganzen Schufterei fällst du mir sonst noch vor Schwäche um«, konterte er mit beiläufigem Ton, als wäre das Glas in seiner Hand gerade das wichtigste für ihn. Erst das Grinsen, welches seine Reaktion abrundete, ließ etwas anderes vermuten. »Wir hatten recht viel gemacht. Bis zum Abendessen komme ich sicher noch aus.« Das war zwar an sich eine Entwarnung, aber auch keine vollständige, sondern stellte ihn immer noch als den Aufopferungsbereiten dar. Allerdings war er in diesem Haus der Schüler, sie die Direktorin und wenn man in so eine Konstellation schaute, dann erwartete man von der Direktorin so viel Fürsorgewillen, um es eigentlich umgekehrt ablaufen zu lassen. Genau darauf spielte Mathéo auch an. Zwar hatten sich die Rollen der Außenwelt auf dem Grundstück mit der Nummer 16 mittlerweile aufgelöst, doch sie als Spielmittel zu nutzen, mochte besonders der Tristam. Für ihn war es auch weitaus weniger unangenehm oder gar verhängnisvoll. Und außerdem: Es war amüsant mit anzusehen, wie Julia damit umging, wenn man sich um sie kümmerte - statt umgekehrt. Das Leben hatte ihr Selbstständigkeit förmlich mit einem Amboss eingehämmert. Es gehörte zu ihr wie die Spitzen einer Gabel. Was also fühlte eine solche Frau, wenn jemand auch nur den Anschein erwecken ließ, den Spieß umzudrehen?
Nicht selten kam es vor, dass der eine von jetzt auf gleich von dem anderen mit etwas konfrontiert wurde, was er nicht hatte kommen sehen. Meist waren es Kleinigkeiten, deren Erwähnung im Tagebuch keinen Wert besaßen. Dass Julia jedoch ankündigte, den späteren Abend in Gesellschaft ihres Kollegiums bei einer Feier zu verbringen, war etwas, was dem Tristam nicht nur erstaunt die Brauen hochschraubte, sondern ihn auch davon überzeugte, heute mal wieder drei rote Kreuze am Kalender zu machen. Die kleine Julia hat Freunde gefunden, hätte er schmunzeln können. Doch Mathéo war noch damit beschäftigt, erstaunt aus der Wäsche zu blicken. »Was? Echt?«, stutzte er verblüfft, als hätte sie ihm stattdessen vom Untergang der Welt berichtet. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut«, war der nächste ehrliche Satz. Danach kehrte bereits das Kalkül des Dämons zurück. Ein spitzbübischer Gedanke kroch ihm in den Sinn und verlangte danach, geäußert zu werden. »Dann seid aber bitte leise, wenn ihr zurückkommt. Ich hab morgen Schule und so. Da möchte ich nur ungern von deinen nächtlichen Abenteuern wachgehalten werden.« Er grinste schelmisch, verbarg seine Lippen dann aber hinter dem Weinglas, welches er für einen neuen Schluck ansetzte.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Wenn es einen Wettbewerb darin geben würde, wie man Julia immer mal wieder langsam einen Kniff in die Seite verpasste, so hatte der Tristam innerhalb seiner kurzen Präsenz eine unglaubliche Perfomance hingelegt. Für einen Moment pausierte Julia ihr Essensbestreben, um dem Rothaarigen in den direkten Augenkontakt zu treten. Das es immer noch deutliche Unterschiede zur vorherigen Art der Dämonin gab, dass war wohl unbestritten. Aber dieser Moment schaffte es die alten Züge der Direktorin wieder aus der Versenkung erscheinen zu lassen. Mit einem auf den Tristam fokussierten Blick schaute sie zwischen ihm und dem Teller hin und her, um am Ende ein von Verlegenheit geprägtes „Oh! Das tut mir leid...“ als Antwort zu geben. Obgleich diese Unangenehme Gefühlslage weder an ihrer Körperhaltung, noch an ihrem Gesicht abzulesen war. Nur ihre Stimme sollte hier eine Fläche zur genaueren Interpretation bieten. Außerdem musste die Dämonin noch etwas klarstellen, bevor hier noch falsche Vermutungen aufkamen. „Ich falle im Übrigen nie vor Schwäche um, das will ich mal klarstellen.“, setzte sie mit einer stolzen Stimmlage nach, ihren Kopf dabei von dem Tristam wegdrehend und das Kinn leicht erhoben. Ein wenig trotzig, würde man meinen, aber keinesfalls unlustig. Zumindest sie selbst musste über die eigene Verhaltensweise leicht schmunzeln. Schwäche zeigen war einfach keine von ihren Stärken. Auch, wenn sie es sichtlich genoss, wenn man sich mal ein bisschen um sie kümmerte. Wenn es doch nicht nur immer so mit ihrem eigenen Ego kollidieren würde… „In diesem Fall bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dieses Verhalten zu entschädigen.“, kehrte sie zur eigentlichen Thematik zurück, dabei ein leichtes hämisches Grinsen auf ihren Lippen tragend und wieder einigermaßen unbeschwert nach dem Essen greifend. Auf der einen Seite war ihr Angebot natürlich eine Wiedergutmachung. Gleichzeitig war das Ziel ihr Selbstverständnis als fürsorgliche Persönlichkeit, als Anbieter von Annehmlichkeiten und Erwachsene von diesem Makel zu befreien. Sie hatte einen Fehler gemacht und ihr Perfektionismus verlangte diesen zu tilgen. Besonders, wenn es ein so leicht zu behebendes Problem war.
Während Julia die letzten Reste vom Teller vorsichtig auf ihre Gabel schob und zu Mund führte. Hielt sie sich keinesfalls davon ab die offene Kinnlade des Tristams zu bewundern. Mit einem beinahe schon in sich ruhenden Blick, lagen die blauen Seelenspiegel auf seinen Gesichtszügen. Nur, um sich leicht zu verengen, als er ihren Mangel an sozialer Kompetenz andeutete. Was – laut ihrer Meinung – nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein konnte. Sie hatte so wenig mit anderen zu tun, weil sie das selbst für sich so festgelegt hatte … oder? Einen kleinen Moment lang drifteten ihre Gedanken in eine selbstkritische Diskussion ab, wurden aber von der abschließenden Aussage des Rothaarigen wieder ins Hier und Jetzt befördert. „Nächtliche Abenteuer?“, warf sie ihm mit ungläubiger Stimme entgegen und wollte sich so vergewissern, ob sie das richtig verstanden hatte. Im Prinzip eine rein rhetorische Maßnahme, denn sie hatte Mathéo sehr gut zugehört. Diese Art der Stichelei war auf jeden Fall neu für Julia. Allerdings nichts, worauf sie sich nicht einstellen konnte. Sie hatte ihre Mittel und Wege. „Selbstverständlich werde ich das, Mathéo,“, erwiderte sie völlig selbstbewusst und platzierte sich anschließend mehr als aufreizend auf ihrem Küchenstuhl. Dabei ganz bewusst ihre leicht geöffnete Bluse zur Schau stellend und damit aufzeigend, dass sie ihre Fähigkeiten von ihrem Geschäftsleben keinesfalls verloren hatte. „Ich kann doch nicht verantworten, dass du zu spät zum Unterricht kommst.“, und das grinsen einer Hyäne zeigte sich mehr als deutlich auf ihren Lippen, dabei leicht einen kleinen Teil ihrer Zahnreihe offenbarend. „Allerdings wäre es doch sicher gut zu wissen, wie dick diese Wände wirklich sind. Was meinst du?“, gab sie spielerisch den Ball zurück an ihren Gesprächspartner, den Teller dabei leicht beiseiteschiebend. Mit einem erwartungsvollen Flair in ihrem Blick, beäugte die Bardera den kleptomanischen Weintrinker und legte ihren Kopf dabei sanft in ihre linke Hand, die mit dem Ellenbogen auf der Tischplatte einen Platz gefunden hatte. Ihr linkes Bein, dass überschlagen auf dem rechten Ruhte, wippte derweil leicht auf und ab. Als wäre es zu einem Schweif geworden, der in Konfrontationsstellung verharrte. Sie musste ihm sicherlich nicht sagen, dass er gerade eine riesige Reihe an Fettnäpfchen umgetreten hatte. Nicht nur hatte er ihr sozialleben – ob berechtigt oder nicht – als non-existent dargestellt. Nein, er musste auch noch auf ihrem Beziehungsleben herumtrampeln. Eines, von dem er ganz genau wusste, dass es nicht präsent war. Es war das letzte an was Julia ihre Gedanken verschwendete. Was nicht hieß, dass es nicht verletzend sein konnte. Nie war es schmerzhafter die eigenen Fehler vorgesetzt zu bekommen. Allem voran, wenn sie so tief in der Persönlichkeit behaftet waren.
Nachdem er sich ausreichend über Julias kleinen Schock amüsiert hatte - mehr innerlich als äußerlich - und sich nicht unwesentlich über ihren Entschädigungsvorschlag gewundert hatte, war da noch sein Versuch geblieben, sie mit neuen Mitteln aus dem Konzept zu bringen. Im besten Fall hätte er sie vom Hocker gehauen, doch Julia schaffte es mal wieder, einen sicheren Sitz zu bewahren. Wie erfolgreich er war, konnte er mal wieder nur schwer abschätzen. Mathéo hoffte, zumindest einen Kratzer in das Bollwerk der Bardera geritzt zu haben. Und diesen galt es nun zu vergrößern.
So weit der Schlachtplan.
Wie sah nun aber die Realität aus? Natürlich hatte Mathéo nicht darauf gewettet, dass Julia in Ermangelung an Konterfähigkeit zusammenbrach und ihm direkt zum Beginn den Sieg zuwarf. Entsprechend nahm er es gefasst auf, dass sie den Schwung aus seiner Attacke nahm, indem sie ihm zustimmte. Glauben schenkte er der Aussage allerdings nicht, aber davon ging Julia sicherlich auch aus. Als sie dann auch noch bestätigte, ruhig sein zu wollen, wenn sie zurückkam, gleichzeitig jedoch androhte, die Dicke ihrer Wände zu testen, wurde dem Tristam ein wenig mulmig zu Mute. Sofort merkte er, dass er selbst ins Schwanken geriet, was unbedingt vermieden werden musste. Also nahm er nochmal einen Schluck und ertränkte somit alle willkürlichen Gedanken in seinem Kopf. Nicht nur dass es schwer vorstellbar war, in seinem Bett zu liegen, während er durch die Wand die stöhnenden Geräusche seiner Mitbewohnerin … ach, allein das Knarzen ihres Bettes hören würde, war Schock und Horror zugleich. Bisher hatte er nur durch Film und Fernsehen oder Erzählungen anderer von solchen Erlebnissen erfahren. Am eigenen Leib hatte er allerdings keine Erfahrungen gemacht. Und je mehr er darüber nachdachte, desto weniger wollte er etwas daran ändern. Außerdem - wie war denn das? Er war hier immerhin der junge Hüpfer, der in der Blüte seines Lebens war und von dem man erwartete, dass er die Liebschaften mit nach Hause brachte. Julia dagegen … ja … Julia war … nun auch nicht alt, aber … Mathéo kam sich etwas dumm vor. Noch ein Schluck vom Wein musste her, um auch den letzten bösen Wikinger nach Valhall zu senden. Bei allem ging dann auch tatsächlich Julias scheinheiliger Angriff mit dem Blusenausschnitt an ihm vorbei. Wenn er das mitbekommen hätte und sich seiner ausgebliebenen Reaktion bewusst wäre, würde er jetzt wohl ein schlechtes Gewissen entwickeln. Tatsächlich aber hatte er quasi drüber hinweggeschaut und der Dame eventuell unbewusst vermittelt, dass ihre Reize nicht ausreichend waren, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Nornen waren mal wieder sehr gnädig mit ihm, wenn man noch beim Wikinger-Thema blieb.
Dank den Schlucken Wein und etwas Selbstermahnung spürte Mathéo schließlich wieder das sichere Ross unter sich - oder eben einen stabilen Tisch. Julia auf der anderen Seite baute ihre Festung höher, indem sie die klassische Julia-Haltung einnahm, bei der sie unterschwellige, aber offensichtliche Sicherheit ausstrahlen wollte und dabei nicht vergessen ließ, dass eine gewisse Gefahr von ihr ausging. Die Katzen-Haltung eben. Kurz dachte Mathéo daran, dass Julia sicher auch eine super Katze abgegeben hätte. Auf ihren in eine Frage gewickelten Rückschlag, wollte Mathéo möglichst gelassen, wenn nicht sogar beiläufig reagieren. Es sollte einfach keinerlei Eindruck entstehen, als würde ihn das kümmern. »Klar, so eine Info kann später mal richtig nützlich sein.« Nicht dass der Satz auf lange Sicht Sinn ergab. Er bestand einfach nur aus einer Wegwerfantwort. Aber auch Mathéo wollte ihr eben den Wind nehmen und ließ ihren Gegenangriff daher stranden. Während er ihr antwortete, kam ihm jedoch ein Gedanke, der schneller heranreifte, als sich seine Lippen bewegen konnten. Schon als er fertig war und kurz ihre Miene musterte, schlich ein schelmisches Grinsen auf seine Lippen. »Wie müsste der Typ denn sein, damit ich mir Sorgen um die Wand machen müsste?«, war die neue Frage, mit der er seinen Vorstoß an Julias Sollbruchstelle vorantreiben wollte. Noch nie hatten sie über so etwas gesprochen. Beinahe fühlte es sich wie ein Tabu-Thema an - warum auch immer. So fühlte sich Mathéo auch, als er seine Worte aussprach. Auf der einen Seite war da die zunehmende Sicherheit aufgrund seiner tollen Idee; auf der anderen Seite war da die Schwerelosigkeit in einem vollkommen neuen Gesprächsthema in diesem Haus. Und was außerdem dazu kam: Mathéo war gerade wirklich neugierig, auf was für einen Typ Mann Julia denn stand. War es das offensichtliche? Musste er so vernünftig, ordentlich und hinterhältig wie sie sein? Stand sie auf Stöcke im Arsch? Oder war ihr heimlicher Typ so eine unzuverlässige Levi-Version? Mathéo würde ihre Antwort - oder auch nur den Versuch - mit höchster Spannung erwarten. Das Grinsen wollte daher gar nicht mehr aus seinem Gesicht verschwinden.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Da saßen sie nun, beide Parteien mit den Geschützen auf den jeweils anderen gerichtet und erpicht darauf den Sieg in dieser durchaus festgefahrenen Situation zu erringen. Das Schlachtschiff gegen den Zerstörer, David gegen Goliath, der Kampf des Perseus gegen die Medusa. Es gäbe viele Szenarien, die diese Auseinandersetzung in Worte fassen könnten. Allesamt jedoch teilten sie sich die Eigenschaft ein unausgeglichener Kampf zu sein. Jedoch nur auf den ersten Blick. Schaute man sich die genannten Szenarien an, gewann meist die kleinere Partei, weil sie ihr Defizit in Feuerkraft und Stärke durch intelligentes Vorgehen gänzlich ausglich – oder zumindest dazu imstande war. Eine Sache, die der rothaarige Dämon gerade nur zu perfekt beherrschte. Mit dem Spiegelschild der Göttin Athene blickte er auf die Direktorin hinab, die Wirksamkeit ihrer Reize gänzlich negierend. Seinen Zerstörer navigierte der wagemutige Kapitän unter den Richtwinkel der gegnerischen Geschütze; und seine Schleuder war gerade soweit, dass er sie unbeschwert loslassen konnte … und das tat er. Verdutzt musste die Dämonin von ihrer Position am Tisch aus beobachten, wie weder ihre Gegenfrage, noch ihr Erscheinungsbild irgendeinen merklichen Effekt hatten. Innerhalb der nächsten Sekunden stand sie komplett Schutzlos da, während all ihre Salven neben dem Ziel ins Wasser platschten, nicht mehr als eine elegante Fontäne fabrizierend. Sie musste sich neu formieren, einen neuen Plan ausarbeiten, wie sie aus dieser Situation herauskam. Genau in diesem Moment kam David um die Ecke und platzierte seinen Schuss so präzise wie noch nie. Seinen Stein direkt in die verletzliche Stelle der Bardera schleudernd.
Wie ihr perfekter Mann aussehen würde? Innerlich geschockt fixierten die blauen Augen das Grinsen des Tristams. In der Hoffnung gefangen ein Indiz auf eine Fangfrage zu erhaschen, doch dort war nichts dergleichen zu sehen. „Du stellst Fragen …“, konterte sie mit einem amüsiert klingenden Unterton, den sie innerlich aber so gar nicht vertreten konnte. Es war eine wahrlich schwache Floskel, mit der sie hier gerade versuchte ihren Boden zu halten. Das Ziel dahinter sollte wohl kein Geheimnis für den Tristam sein: Julia wollte Zeit gewinnen. Zeit, um dem rothaarigen Mitbewohner seine Selbstsicherheit zu nehmen und ihn ein für alle Mal von diesem Thema wegzubewegen. Aber wie sollte sie das machen? In dieser Zwickmühle blieb ihr nichts anderes übrig, als zu antworten. Natürlich konnte sie sich nun irgendeinen Idealtypus von Mann heraussuchen und ihn hier vorpredigen, als wäre er eine Produktbeschreibung in irgendeinem Katalog. Aber wie realistisch war das? Es würde bereits bei ihren ersten Worten mehr als deutlich werden, dass sie es eigentlich gar nicht so meinte. Geschweige denn eine genaue Vorstellung von dem hatte, wonach sie suchte. Sie könnte das Thema an dieser Stelle auch einfach abbrechen. Aufstehen, den Teller abräumen und in ihr Arbeitszimmer verschwinden. Doch gleichzeitig schob sich ihr Stolz so heftig in den Vordergrund, dass ihre Beine keine einzige Bewegung vollführten. Lediglich sie selbst lehnte sich im Stuhl seicht nach hinten, ihre Arme dabei wie ein Schutzwall vor ihrer Brust verschränkt. Sie mochte diese Position nicht, ganz und gar nicht. „Er sollte wissen, was er will.“, folgte das erste Statement und sie fixierte weiterhin starr sein Gesicht als wolle sie eine kleine Schicht aus Eis zwischen ihnen beiden heraufbeschwören. Dann jedoch schien es wie ein Wortschwall aus der Bardera herauszubrechen. „Eine gepflegte Erscheinung sollte er an den Tag legen, lustig sein, sich mir gegenüber nicht verstellen und auf jeden Fall nicht gleich bei jedem Kommentar einknicken.“, arbeitete sie ihre spontanen Gedanken zu dem Thema ab und ihr Kopf wackelte leicht nachdenklich hin – und her, als ob da noch ein kleiner Gedankengang folgen würde. „Eine Vorliebe für Musik wäre gut, aber nicht unbedingt notwendig … und eventuell wäre eine Begeisterung für den Motorsport nicht schlecht. Aber Letzteres ist nicht unbedingt so wichtig.“, verabschiedete sie das letzte Statement mit einer leicht abfälligen Handbewegung, die es wirken ließ, als würde sie dieses Kriterium unbedacht beiseiteschieben. Das ihre Stimme zum Ende hin immer aggressiver wurde, war ihr in ihrem gedankenverlorenen Zustand total entgangen. Als ob die Thematik ihre Sicherungen so umgepolt hatte, dass ihre Mimik und Gestik uneingeschränkt funktionieren konnten. Denn es folgte, was sonst nur Wenige schafften – und weder Leviathan noch Mathéo hatten viele dieser Momente vorzuweisen. Julia wandte für den Bruchteil einer Sekunde ihren Blick ab, ehe die saphirblauen Augen sofort wieder zu ihm zurückkehrten. Eine Nachricht unterschwelliger Wut in sich tragend, die nur in den dunkelsten blauen Tiefen ihrer Seelenspiegel zu erkennen war. Vielleicht sollte sie ihn mal mit seinem dämonischen Auge aufziehen, fände er bestimmt genauso lustig.
Direkt das erste, was sie antwortete, also nicht die zeitschaffende Floskel sondern die Beschreibung ihres Traummannes, passte für Mathéo vollkommen zu seinen Erwartungen. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass sie mit allem anderen zufrieden wäre als einem klaren und bewussten, zielstrebigen Willen und Geist. Sie selbst wollte doch immer stringent sein und sich ihrer Ziele und Absichten bewusst sein. Sie war das, was sie als erstes beschrieb und sie würde mit dem Gegenteil nicht auskommen. Doch ein Mann der eins zu eins so war wie sie, das vermutete Mathéo nicht. Hier und da bestätigte sie dies sogar selbst. Mathéo war etwas überrascht, als die Bardera dann doch in einen Redefluss geriet und mehrere Eigenschaften aufzählte. Einige von ihnen klangen dabei weniger speziell und mehr aus einer Aufzählung herausgerissen, die jede Frau machen würde: hübsch, lustig, authentisch, selbstbewusst. Julia würde sich nicht mit einem schlampigen Typen abfinden, der abends vergaß, sich die Fangzähne zu putzen oder dem das Hemd zur Hälfte aus der Hose fiel. Zumindest glaubte das der Tristam. Dass der Kerl einen starken Charakter haben muss, war schon zu Beginn offensichtlich. Julia selbst teilte gerne aus und da war es wichtig, dass sie nicht gegen ein Kartenhaus trat. Im besten Fall ein Wackelpudding, denn da tat die Hand nach einem Hieb nicht so weh wie bei einer Granitwand und der Betroffene wabbelte sogar unvorhersehbar zurück. Also ein willensstarker, hübsch anzusehender Wackelpudding, der auch mal einen guten Witz auf Lager hatte: das war Julias Wunschmann. Was danach folgte - Musik und Motorsport -, nannte sie zwar, aber nahm den Punkten sofort jegliche Wichtigkeit. Dabei waren Interessen und Hobbys doch etwas sehr wichtiges, die eine Person erst ausmalten. Humor, Schönheit, Willensstärke ... das waren für Mathéo zwar wichtige Punkte, die ein Interesse am Gegenüber entschieden, doch sicher gab es etliche Männer, die so was mitbrachten; und doch saß Julia hier und war noch immer Single. Es fehlte also auch die Farbe, die das Gerüst füllte. Mathéo grübelte. Er tat sich sehr schwer, vorzustellen, dass Julia verlangte, jemand würde bestimmte Hobbys und Interessen haben. So ernst und streng sie sein konnte, er glaubte nicht, dass sie jemandem solch emotionale Dinge vorschreiben würde. Also müsste sie in Kauf nehmen können, dass ihr Partner vollkommen andere Interessen besaß; oder sie traute sich nicht, ihre Hoffnungen und Wünsche als wichtig zu verkaufen. Mit jemandem zur einem Autorennen zu fahren, eine Automesse zu besuchen oder einfach nur auf der Couch in einem Motorsportmagazin zu blättern ... sie könnte ihm nicht glaubhaft verkaufen, dass sie nicht sofort ja sagen würde, wenn es ihr jemand anbot. Und dann war da noch das, was sie nicht ausgesprochen hatte. Es gab bestimmt mehr, was der eine Mann mitbringen musste, um Julia zu überwältigen. Mathéo war davon überzeugt, dass es in der Liebe nicht immer darum ging, Gemeinsamkeiten zu haben oder gegensätzlich zu sein. Am Ende war auch bestimmend, wie man sich ergänzte. Das war nicht sofort dasselbe wie Gegensätzlichkeiten. Es war etwas, das einen zusammenhielt wie zwei passende Puzzleteile. Nur wenn die Seiten ineinanderpassten, konnte man sie auch schwer wieder lösen. Lagen sie aber zu locker ineinander, fielen sie schneller voneinander ab. Ob sich Julia dem auch bewusst war?
Mathéo wollte etwas daran zweifeln, dass sich Julia selbst bewusst war, was sie wirklich wollte, denn auch wenn sie es vielleicht versucht hatte, zu vermeiden, war ein guter Teil ihrer Antworten wenig speziell; ohne dass Mathéo abstreiten wollte, dass sie auf humorvolle Männer beispielsweise stand. Aber es war für ihn einfach keine zufriedenstellende Antwort einer Frau, die wusste, was sie wollte. Und warum störte ihn das? Nun, das war ein gänzlich anderes Mysterium. Bei all den Überlegungen und dem Lauschen ihrer Worte blieben ihr Ton und ihr Ausdruck nicht vor dem Tristam verborgen. Jedoch passte alles nicht ganz zusammen, wie er fand. Ohne Zweifel hatte er sie in ein Thema geschubst, welches ihr nicht angenehm war. Doch Julia wirkte zunehmend ... verärgert. Beinahe aggressiv kam sie ihm rüber, wenn er sich nicht selbst vom Gegenteil überzeugen wollte. Ein kurzer Moment ließ später ihre sonst so harte Eismauer etwas bröckeln, als sie ihre Augen kurz von ihm trennte. Der sonst so starke und festgesetzte Blick einer Pumadame auf ihre Beute war verschwunden und auch wenn sie ihn schnell wieder fokussierte, blieb der gewünschte Effekt ab diesem Moment an aus. Es war einfach nicht so, wie sich Mathéo es vorstellte, wenn jemand über ein unsicheres Thema sprach. Ihre Unsicherheit war stark vermischt mit einer ganz anderen Note. Vielleicht lag es daran, weil es Julia war und jede Person eben auf ihre eigene Art und Weise reagierte. Nur wie Mathéo damit nun umgehen sollte, konnte er nur vermuten. Je länger er drüber nachdachte, desto wackliger wurde der Boden; doch er wollte das Gleichgewicht behalten. Selbst wenn der Tisch so knapp auf Kante stand, dass er jeden Moment umzufallen drohte, würde er es nicht bemerken und weiterhin vorgehen, das Gleichgewicht im Griff zu halten. Also weiter im Kontext. Weiter mit der Befragung.
»Glaubst du denn, Julia, dass du weißt, was du selbst willst?«
Julia
Julia Bardera
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Eine gewisse Erwartungshaltung machte sich innerhalb der Dämonin breit, nachdem sie hier ihre wenigen Kriterien zur Partnerwahl angegeben hatte. Sie erwartete nun eine kurze Antwort, ein kleines Kopfnicken oder zumindest ein leises Murren. Irgendetwas das ihr Verständnis – oder vielleicht sogar Akzeptanz – entgegenbrachte. Schließlich ging ihr das gerade ungemütlich nahe. Ein bisschen Engagement von der Gegenseite konnte man sich, in Anbetracht dieses Umstandes, doch wünschen, oder? Doch weder Worte noch Bewegungen verschenkte der rothaarige Dämon an seine Gesprächspartnerin. Julias innerlicher Wunsch wurde im Moment seiner Entstehung von einer riesigen Schuhsohle zerdrückt, ohne Chancen auf eine zweite Chance. Es verwunderte also nicht, dass diese eisige Aura in den blauen Augen weiterhin bestehen blieb, obgleich sie wegen des vorherigen Ausrutschers ihre hauptsächliche Wirkung verloren hatten. Der Direktorin war die Veränderung in seiner Position freilich nicht entgangen. Aber was tat er jetzt mit dieser neu gewonnen Position, dieser Sicherheit? Wo wollte er hin, was war das Ziel, welches er zu erreichen versuchte? Konzentriert musterte Julia die Gesichtszüge Mathéos und versuchte sich aus der Diagnose folgend einen Schlachtplan zurechtzulegen, der ihr zeigen sollte in welche Richtung das Gespräch laufen würde. Doch die Wut in ihrem inneren, dieses Gefühl einen Finger direkt auf die klaffende Wunde gedrückt zu bekommen, vergiftete ihren Verstand schneller als es ihr lieb war. Wie ein Tropfen schwarzer Tinte in einem Wasserglas breitete es sich in ihrem inneren aus und strebte danach jedem noch nicht infizierten Teil ihres Kopfes diese eine Richtung vorzuschreiben. und ehe sich Julia versah, wollte sie gar keinen Schlachtplan mehr haben. Das Kalkül der Gesprächsführung entglitt der Dämonin aus den zittrigen Händen und ließ sie vollkommen unvorbereitet zurück. Schutzlos saß sie dort mit ihren verschränkten Armen und war dem Tristam vollkommen ausgeliefert … und er nutzte diesen Riss in ihrer Verteidigung. Bereit aus dem Riss eine große Bresche zu schlagen, doch er hatte die falsche Munition geladen.
Mit einer Atombombe, statt konventioneller Munition, verwandelte er die Bresche in einen wahren Suez-Kanal der Psyche. Nicht nur die Partnerthematik, sondern auch Julias Stolz, ihr Selbstbewusstsein, sowie ihre Vergangenheit attackierend. Wenn die DEFCON-Stufe noch einen Level höher gehen könnte, dort wäre der Tristam gerade gelandet. Nur, dass Julia keinen allumfassenden Gegenschlag unternahm, sondern lediglich ihre Fassung verlor. Diese Frage legte so viele gedankliche Schalter bei der Dämonin um, es war unglaublich. „Ob ich weiß, was ich will.“, wiederholte sie die Frage und stieß dabei ein geradezu herablassendes Schnauben aus, ehe sie ihre Arme vor sich auf dem Tisch platzierte und ihn nun mit einem deutlich gereizten Blick einmal von oben bis unten musterte. Sie hatte keine Lust freundlich zu bleiben, wenn ihre Absichten und Meinungen so mit Füßen getreten wurden. „Ich bringe den Respekt und die Anerkennung auf, eine ehrliche Antwort zu geben. Auf ein Thema, welches mir ganz eindeutig sehr unangenehm ist … und das ist die einzige Frage, die mir entgegengeworfen wird?“, erhob sie mit einer ernsten Stimme das Wort und klang dabei so als würde sie gerade einen Schüler rügen oder suspendieren. Nein, mit dieser Dreistigkeit würde er nicht davonkommen. „Ich bin bestimmt nicht die Erfahrenste in der Thematik und ich führe ein Leben, welches für jüngere Leute mehr als nur unverständlich wirken muss. Aber, wenn ich eines immer gewusst habe, dann, was genau ich will. Das ist es, was mich meine ganzen ersten 24 Jahre am Leben gehalten hat.“, und als ob Julia das auf einem Blatt Papier vor sich geschrieben liegen hätte, deutete ihre linke Hand auf die Tischplatte, „Aber das sich jemand anderes – noch dazu bei einem so persönlichen Thema – einfach anmaßt zu wissen, was ich selbst will … nun, das ist doch sehr dreist. Als ob man befürchtet, dass ich hier nicht die Wahrheit erzählen würde. Das wirkt respektlos auf mich, um ehrlich zu sein. Als würde ich nicht selbst nachdenken, bevor ich meinen Mund zum Sprechen aufmache.“. Womit Julias kleiner Vortrag sein Ende gefunden hatte und sie zumindest ihren eigenen Boden wieder unter den Füßen spürte. Mehr hatte sie dazu nicht mehr beizutragen, denn eigentlich war alles gesagt worden. Außer ihrer Stimmlage hatte sich auch kaum etwas verändert. Sie war weder aufgestanden, noch hatte sie sich von ihrem Stuhl erhoben. Alles, was ihre Position zusätzlich untermauern könnte, fiel weg. Die Direktorin hatte gar nicht vor den Dämon in eine Art Duell zu verwickeln, weil es da eigentlich gar nichts zu duellieren gab. Sie hatte ihre Position klar abgesteckt und konfrontierte in lediglich mit ihrer Meinung. In welcher Art er diese Grenzen respektieren oder einreißen wollte, war vollkommen ihm selbst überlassen. Wenigstens gab sie ihm die Möglichkeit sich zu erklären und den Sachverhalt richtig zu stellen. Das Thema totzuschweigen brachte ihr auf persönlicher Ebene rein gar nichts. Es brachte ihr nichts den Tristam geradewegs in ein Minenfeld laufen zu lassen, dass er erst erkannte, wenn er mittendrin stand. Nicht bei solch wichtigen Dingen zumindest.
Direkt nach dem er seine Frage ausgesprochen hatte und die ersten Nuancen von Julias kommender Reaktion wahrnahm, überkam ihn das ungute Gefühl, von seinen eigenen Intentionen geblendet worden zu sein. Zum Teil hatte er sogar bewusst die Augen verschlossen, denn dass an Julias Aufnahme des Themas etwas nicht ganz stimmte, hatte er bereits feststellen können. Trotzdem wollte er seinem eigenen Willen und seinem Ziel treu bleiben, ritt geradezu in den Ofen der Niederhöllen. Die heiße Glut der Unterwelt schickte ihm einen überwältigenden Sturm entgegen. Wenn nicht wegen ihm, dann rutschte der Tristam von selbst auf dem Tisch zurück, bis er über die Kante glitt und wieder auf den Füßen stand. Der plötzliche Ausbruch der Bardera kam - vermeidlich - überraschend und presste jegliche Sprachlosigkeit aus ihm heraus. Zumindest während sie ihrer Laune Ausdruck verlieh, waren seine Lippen versiegelt und seine Zunge bebte vor Unsicherheit. Mit jedem Satz und jedem Wort wurde ihm klarer, dass das Gespräch nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte. Dabei wollte er doch nur ...
Vor allem die Eingeständnisse, die Julia ungewohnt offen ausbreitete, beschwerten die Last auf dem Haupt des Tristams umso mehr. Dass sie so wütend war, über solche Dinge unverblümt zu sprechen, war ein deutliches Zeichen. Und das Zeichen stand sicher nicht mehr für tiefes Vertrauen. Hier waren Enttäuschung und Wut am Werk, so viel stand fest. Mathéos Starre löste sich erst zum Finale, dem Vorwurf der Anmaßung. An dem Punkt zeigte sich ihm glasklar, wo der Haken hing und wo er zustach. Beschwichtigend hob er die Hände langsam vor sich, nachdem wieder Stille in die Küche eingekehrt war. Besorgt, ob um sich oder das Haus, rückten seine Augenbrauen näher und näher, wichen kurz vor einer unmöglichen Berührung nach oben aus. »Puh, äh, Julia, ich glaube ... du hast mich missverstanden.« Seine Hoffnung begann also mit einer Anschuldigung, wenn man es besonders negativ betrachten wollte, denn der Tristam unterstellte ihr falsches Verständnis. Wenn man es dagegen positiver betrachtete, mit dem Wunsch einer Auflösung, war es die Luke, die den Wind abschloss und das Segel zur Ruhe brachte. »Ja, ich hab das gesagt und ja ich zweifle an deiner Antwort, aber nicht, weil ich es besser weiß, sondern weil du einfach einen unsicheren Eindruck auf mich gemacht hast. Gut, man kann es auch als besser wissen bezeichnen, wenn ich meinen Eindruck über deine Worte stelle, aber ich dachte mir, vielleicht merkst du das ja selber nicht und wenn ich das Gefühl habe, du hast da deine Probleme, weil du auch selber gesagt hast, dass das Thema nicht einfach für dich ist und du nicht sicher wirkst, dann sage ich das einfach mal. Vielleicht hilft das; oder ich liege eben falsch. Aber ...« Mathéo wedelte emsig mit den Händen. »Nie und nimmer wollte ich sagen, dass ich besser weiß, was du willst. Woher auch? Ich kenne dich kaum. Ich hab’ keine Ahnung, was du willst. Sonst hätte ich dich ja nicht gefragt und es dir direkt ins Gesicht geklatscht und ...« Die Worte entschwanden ihm, die man noch sagen könnte. Vermutlich lag es aber mehr daran, dass er ein passendes Ende verpasst hatte und somit in der Schwebe hängen blieb. »I‘m sorry, wenn das falsch rüberkam.« Die Schultern des Tristams sanken nach unten, während die Luft schnell und hörbar durch seine Lunge nach draußen gedrückt wurde. Ein wenig Anspannung fiel von ihm ab, wenn auch beim nächsten Atemzug sie wieder zurückkehrte. Geklärt war das Missverständnis immerhin erst, wenn Julia es ihm bestätigte.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Eigentlich erwartete Julia nach ihrer Offenbarung keinerlei wirkliche Gegenwehr mehr. Ihre Erfahrung hatte der Dämonin gezeigt, dass die Gegenseite bei einer solchen Stellungnahme immer sehr zurückhaltend agierte. Was, wenn sie die Stille richtig interpretierte, ja auch eingetreten war. Nur mit dem Thema der Gegenwehr hatte sie auf das eindeutig falsche Pferd gesetzt … zumindest dachte sie das in den ersten Momenten. Dementsprechend aggressiv war der Ausdruck in ihren Augen, als diese Worte seine Lippen verlassen hatten. Als würde sie sich jeden Moment in ein Monster verwandeln, dessen Klauen zentimeterlange Krallen besaßen, von ihrem Stuhl aufspringen und mit eifrigen Bewegungen nach seiner Kehle lechzen. Aber, genau so wie bei den Eröffnungsworten des Tristams, konnte der erste Eindruck täuschen. Wie gut Julia ihre Emotionen letzten Endes unter Kontrolle hatte, bewies die stetig abebbende Wut in ihrer Haltung, während sie Mathéo beim eifrigen Gestikulieren beobachten konnte. Wie die Skala eines Thermometers konnte man die Stufen der Bardera beim abkühlen benennen. Zuerst war dort der Siedepunkt, oder besser gesagt die Wut, die Enttäuschung. Dann folgte brodelnde Skepsis, dicht mit Misstrauen verbunden und mit einer Erwartungshaltung – sowie verschränkten Armen – gekoppelt. Als die Zimmertemperatur erreicht war, ruhten die saphirblauen Augen der Dämonin beinahe schon wieder neutral zu dem rothaarigen empor. Lediglich ihre kaum gekrümmten Lippen ließen durchscheinen, dass die Geschichte noch lange nicht vom Tisch war. Um ehrlich zu sein hatte Julia auch gar keine Zeit dafür ihrem inneren Vulkan weiteren Spielraum zu geben. Mathéo redete so viel, dass das zuhören schon eine echte Herausforderung darstellte. Vor allem redete er so unglaublich verschachtelt, dass ihre mentalen Kapazitäten manchmal einen halben Satz zurückspringen mussten, um dem ganzen seine finale Bedeutung abzugewinnen; und je mehr er von sich gab, umso klarer konnte sie seine ursprünglichen Motive dahinter erkennen. Selbstverständlich erwähnte er die auch von selbst, aber vielmehr faszinierte Julia die Art und Weise „wie“ er es ausdrückte. Noch nie war ihr ein solcher Redeschwall von ihrem Mitbewohner untergekommen. Was den Gedanken aufkommen ließ, wie heftig sie wohl gerade um sich geschlagen haben musste. Doch die Flucht nach vorne war ihre einzige Chance gewesen. Der einzige Weg, den sie in diesem Moment wahrnehmen konnte um weiteren Schaden zu vermeiden. Mit der klaffenden Wunde auf ihren Gegner zuzustürmen war nie ihre erste Wahl, das wusste man, wenn man sie ein bisschen kannte. Vielleicht war es auch der Riss in dem sonst so undurchdringlichen Kokon, den sie sich selbst geschaffen hatte, welcher sie so verunsichert hatte. Es war eine Zwickmühle. Während der Schaden von außen an seiner Hüller abprallte, hielt er den Schmetterling im Inneren von seiner Entfaltung ab. Aber vielleicht ging das ja nicht nur ihr so. Vielleicht war diese lange Erklärung auch eine Sache, die ihm näher ging, als sie es anfänglich vermutete. Sein kleiner Riss, sozusagen. Die sonst so gewählte Ausdrucksweise zwischen den Beiden, welche in den letzten Minuten verflogen war, schien die Bardera darin zu bestätigen.
„Mh … schon gut.“, kamen nach seiner langen Ansprache die ersten – wenn auch immer noch leicht mürrischen – Töne in seine Richtung geworfen. Vergeben tat sie dem Dämon auf jeden Fall. Nur war sie trotz dessen noch nicht fertig damit sich die Wunden zu lecken. Ein eindeutiges Indiz dafür war ihr vorzeitiges verlassen der Sitzposition, damit sie dem Tristam nun auf wortwörtlicher Augenhöhe gegenübertreten konnte. Ein leiser Hauch von Distanz lag in der Luft. Allein wie sie sich hinter den Stuhl stellte und ihre Hände auf dessen Lehne platzierte; wirkte es, als wolle die Dämonin im Notfall einen Schutzschild zwischen ihm und ihr wissen. Die Flucht ergriff sie auf jeden Fall nicht, noch nicht. „Vielleicht sollte man sich besser kennenlernen, bevor man wieder solche Themen ausgräbt.“, kramte sie ihren ersten spontanen Gedanken heraus, der im Nachhinein ein wenig surreal klang. Immerhin waren es hier schon drei Monate oder mehr, die sie unter einem Dach verbrachten. Trotzdem war man sich, bis auf die anfänglichen Schwierigkeiten, immer sehr dezent aus dem Weg gegangen. Der Rest hatte sich zu Gunsten der Gewohnheit so eingerichtet. „Wobei man die Leute in solchen Momenten wohl besser kennenlernt, als einem lieb ist, schätze ich.“, ein tiefes Seufzen verließ ihre Kehle. Denn tief in ihrem Inneren wusste Julia, dass sich für sie nicht alles einfach so in Wohlgefallen auflöste. Mit ihren Fingern auf dem Material der Lehne entlangwandernd, als ob sie das Material auf seine Feste überprüfen wollte, hielt sie danach kurz inne. „Aber auch mir tut es leid.“, versuchte sie wieder den Augenkontakt zwischen ihnen herzustellen, brachte ihre Worte aber wohl besser auf den Punkt als Mathéo. „Dir so etwas zu unterstellen ... nun, das war ein Fehler. Ich konnte es nicht wissen, so wie du bei mir.“. Abgerundet wurde das Ganze von einem kleinen Zucken ihrer Mundwinkel, die sich danach wieder eines dezent freundlicheren Antlitzes bemühten. Innerlich hätte sie jetzt am liebsten ein Glas Wein auf einmal hinuntergekippt. Entschuldigungen waren eigentlich nicht so ihr Metier, auch wenn sie sie ab und an benutzte. Im Grunde genommen ärgerte sich die Direktorin nur über sich selbst und ihre Objektivität, sowie ihre Selbstreflexion, die sie zu dieser Einsicht getrieben hatte. Auf der anderen Seite stand ihr die Rolle der nachtragenden Frau auch einfach nicht. Es war nicht ihr Stil und obendrein auch viel zu anstrengend. Ein bisschen Erholung konnte ihr der rothaarige Dämon trotzdem noch gönnen. Nur zur Sicherheit, versteht sich.