Teilnehmer: Julia Bardera & Leviathan Nakamura Startort: Vor der Blackbird-Kneipe Zeitpunkt: 24./25. Juni 2015, nachts Beschreibung: Dies ist die Fortsetzung des Hauptplays. Der Engel macht sich Sorgen um Jul, die seit dem heutigen Tag ohne Barrieren durch das Leben stolziert. Da ihr Schützling nicht weiß, ob er ihren beruhigenden Worten Glauben schenken kann, macht er sich verkleidet auf dem Weg in die Innenstadt, wo sich Jul mit ihren anderen Kollegen in der Kneipe trifft. Seine Undercover-Mission flog nach nur wenigen Minuten auf und schneller als ihm lieb war stand sein Zielobjekt plötzlich vor ihm. Da war nun bestimmt eine Erklärung fällig ...
Caiwens Antwort ließ nicht lange auf sich warten, was den Engel etwas von seiner eigentlichen Mission ablenkte, der nun bedeppert grinsend auf seinem Handy herumtippte, um dem Mädchen auf ihre Fragen zu antworten. Sie hatte voll Recht. Er war wirklich am falschen Ort – aber was sein musste, musste nun einmal sein. Mit dem vollen Tunnelblick widmete er sich seinem Smartphone und bekam so überhaupt nicht mit, wie sich sein Zielobjekt langsam von der Gruppe entfernte und sich auf den Weg zu ihrem Stalker machte. „WAHHHH!“ Es klang mehr wie das Kreischen eines Mädchens als das eines pubertierenden Engels, als ihm die Stimme der Direktorin so sehr erschreckte, dass sein Handy ihm aus der Hand fiel, er es im letzten Moment aber noch einfangen konnte. Anders verlief es mit der Zigarette in seiner anderen Hand, die er tatsächlich fallen gelassen hatte und den letzten Rauch so unauffällig wie möglich versuchte wegzublasen. Mit angstgeweiteten Augen blickte er in Juls Gesicht und stapfte mit einem Fuß auf die Zigarette, um sie einerseits abzutöten und anderseits um sie vor der Direktorin bestmöglich verstecken zu können, „Was erschreckst du mich so?!“, raunzte der Nakamura, der seine Fassung erst wieder erhielt, nachdem er tief ein- und ausgeatmet hatte. Dann aber fiel der Groschen. Zumindest zur Hälfte. Unstet strich er sich die weiße Strähne aus der Stirn und fragte sich im selben Atemzug, wie um alles in der Welt sie den Engel unter seiner Undercover-Verkleidung so schnell ausmachen konnte. „Was machst du denn hier? So ein Zufall, dass wir uns gerade hier über den Weg laufen, nicht wahr?“, stammelte er sichtlich nervös und schaffte es als schlechter Lügner nicht, der Direktorin dabei in die Augen zu schauen. Stattdessen schabte er immer weiter mit seinem Schuh über die mittlerweile abgetötete Zigarette. Dann aber klatschte er sich mit einer Hand gegen die Stirn. „Ach, stimmt ja, du hast ja gesagt, du bist hier verabredet … ha ha … das hatte ich nicht mehr auf dem Schirm.“ Vor allem hatte er seine prekäre Aufmachung auch nicht mehr ganz auf dem Schirm, für die er sich ebenfalls eine Erklärung einfallen lassen hätte müssen. Für den Fall, sollte die Bardera ihrem Schützling überhaupt etwas von seinen tiefgründigen Kauderwelsch abkaufen. Was zu 99,9% nicht der Fall war. Der Engel schluckte, ehe er mit seinem Augenpaar doch kurz bei Juls anhielt und so cool wie möglich ein „Und? Wie isses so?“ über die Lippen brachte.
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
So unbeeindruckt wie Julia ihren Weg zu Leviathan angetreten hatte, so unbeeindruckt zeigte sich ihr Antlitz, als er fast sein Heiligtum – also sein Handy – ins ewige Nirwana beförderte. Wer sich beim hinterherspionieren so dumm anstellte, der wäre mit so einer Strafe vermutlich ziemlich glimpflich davongekommen. Mal abgesehen davon, dass sie dem Hobby-Sherlock womöglich am nächsten tag schon ein Ersatzgerät gegeben hätte. Irgendwelche Vorteile musste die Direktorin ja mit in diese ziehelterliche Beziehung bringen. Selbst, wenn diese nur materieller Natur waren. Aber wie es aussieht war da wohl bald auch noch ein bisschen Geld für eine neue Lunge fällig, wenn das so weiterging. Mit einem unterschwellig-kritischen Blick der Verachtung beobachtete sie den Fuß des Nakamura dabei, wie er das letzte Leben aus der Zigarette herausquetschte, bevor ihre blauen Seelenspiegel sich wieder voll und ganz auf die Augen des Nakamura versteiften. Kurz darauf verschränkte sie schon die Arme und gab sich ihrer gewohnten Warteposition hin. Zusammen mit ihrem Pokerface, wo man weder wusste was die Bardera wollte, noch was sie gerade dachte, brachte es Leviathan dazu einen wahren Zirkus der Emotionen auszuführen. Unbewusst den Katalog fütternd, der Julia eine Rekonstruktion der ganzen Ereignisse, einzig und allein auf seinem Verhalten basierend, ermöglichte. Statt ihm aber mit Verständnis zu erlösen, übte sich Julia in kalkulierter Stille. Spielte die Enttäuschte Ziehmutter. Sie wusste, dass der Nephilim sich gerne um Kopf und Kragen redete. Wenn sie also irgendwelche Anhaltspunkte haben wollte, dann musste sie ihren Schützling erst einmal wie ein Fisch auf dem trockenen liegen lassen, bevor sie ihm dann wieder zurück ins Wasser schickte. Fragen ihrerseits würden ihm nur den Spielraum geben um den heißen Brei herumzureden. Wäre der Nakamura bei ihr im Familienbetrieb ansässig geworden, hätte er dem Hausmeister womöglich nicht einmal den Arbeitsvertrag schmackhaft machen können. Mal ganz davon abgesehen, dass sie der Hobby-Detektiv sowieso mitten im Satz unterbrochen hätte.
„Ganz gut, eigentlich. Ich kann mich nicht beklagen.“, antwortete sie ihm schließlich auf die Frage als hätte er nichts merklich Schlimmes getan und trat einen Schritt näher an ihn heran. Die Dämonin machte es mehr als offensichtlich, dass nicht mal annähernd alles in ihrem Kopf schon den Weg über ihre Lippen gefunden hatte. „Die Frage ist nur, was du hier wirklich machst.“, löste sie ihre Pose auf und zupfte mit ihrer linken Hand einmal kurz an seiner Perücke. Sogar leicht neckisch eine Strähne um ihren Finger wickelnd. Es sah wirklich lächerlich aus. „Denn ich glaube zwar an Zufälle, Leviathan Nakamura, aber nicht an eine Kostümparty hier in der Nähe, die du mit deinen Freunden besucht hast. Mal ganz abgesehen davon, dass ihr eigentlich schon alle im Wohnheim sein solltet.“, und das war noch nicht einmal annähernd alles was sie auf dem Herzen hatte. Vor allem was er so eifrig mit seinem Handy gemacht hatte, als sie ihn auf frischer Tat ertappte. So wichtig war das Thema allerdings momentan nicht. „Also … warum sagst du mir nicht, warum du wirklich hier bist, Levi?“, ließ sie ihre kalte Maske fallen und bediente sich einem wärmeren Gesprächston, der eine gewisse Tendenz der Vergebung in sich trug. „Wenn du mich anlügen willst, dann musst du schon früher aufstehen.“, ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen. Eigentlich müsste sie ihm noch ordentlich die Leviten dafür lesen, dass er um die Uhrzeit noch draußen unterwegs war … aber auch sie hatte eben ihre Schwäche. Levi war halt ihr Kryptonit … gleich neben der Beziehungs-Thematik. „Außerdem: Eine Brille? Wirklich? Da hättest du dich auch gleich als Clown verkleiden können. Die Strategie funktioniert leider nur bei Clark Kent.“. Und Levi war weder Letzteres, noch ein Superman-Klon in geheimer Mission. Einzig und allein beim Fliegen würden sich beide höchstwahrscheinlich die Hand reichen können.
„Echt? Das klingt ja s-..“, setzte der schlechte Verfolger zu einer Antwort an und für den Bruchteil einer Sekunde hatte er doch tatsächlich die Hoffnung, er könne hier mäßig guten Smalltalk mit Jul führen, ohne das Gefühl zu haben, auf frischer Tat ertappt worden zu sein. Das Gefühl beschlich ihn aber spätestens, als er ihre eindringlich strengen Blicke fühlte und die Direktorin sich ihrem Schützling einen weiteren Schritt näherte, woraufhin der Verkleidungskünstler zwar instinktiv zurückwich, seine Perücke aber dennoch nicht vor Berührungen verschont blieb. Oh, stimmt ja, die Perücke. Die allen Anschein nach voll ihren Zweck erfüllt hatte. Fast schon geknickt darüber, dass sie ihn so schnell identifiziert hatte und wohl auch nicht an eine Kostümparty in näherer Umgebung glaubte, seufzte der Nephilim und ließ ihre eigentliche Frage vorerst in den Hintergrund rücken. „Echt jetzt? Hast du mich gleich erkannt?“, fragte er bedröppelt und schielte mit beiden Augenpaaren mittig zusammen – zu jener Stelle, wo Julia seine weiße Strähne um den Finger gewickelt hatte. „Aaaalter, ist die schon wieder raus gerutscht!“, beschwerte sich der Engel lautstark und patschte Julias Hand weg, um sich die weiße Strähne wieder unter die Perücke quetschen zu können. „Du hast mich doch nur daran erkannt.“, nuschelte er während der beschwerlichen Prozedur und linste immer wieder verstohlen zur Dämonin, während er sich alle Mühe der Welt gab, die - "scheiß Strähne!" - wieder zu verstecken. Warum auch immer. Es sah fast schon erbärmlich aus, wie er es immer wieder probierte und das weiße Haar mit jedem Mal, wo es sich abermals aus der Perücke löste, widerspenstiger wirkte. Erst, als die Direktorin ihrem Schützling geradlinig nach dem tatsächlichen Grund seiner Anwesenheit fragte, gab er den ewigen Kampf mit der Strähne auf, ließ den Kopf etwas hängen und die Arme fast schon teilnahmslos neben seinem Körper baumeln. „Weil … na ja …“, begann er zögerlich und schabte mit der Fußspitze betreten über den Straßenboden. Dass sie eine Lüge nicht einfach so hinnehmen würde, machte sie sogleich deutlich. Ohne den Kopf anzuheben, linste er unsicher zu ihr auf und wusste nicht so recht, wie er ihr Lächeln nun zu deuten hatte. Bislang hatte sie keinen sonderlich fremden Eindruck auf ihren Schützling gemacht – aber wer wusste schon, was da noch kommen hätte können? „Willst du mir sagen, mir steht die Brille nicht, oder was?“, ging er auf die Frage ein, die wohl am ehesten dazu gedacht war, die Stimmung wieder etwas aufzulockern, immerhin war dem Nephilim deutlich anzusehen, dass es ihm schwer fiel, hier die richtigen Worte zu finden. Wieder atmete Levi schwermütig, ehe er sich die Brille von der Nase klaubte und sie langsam zusammenlegte. „…Ich wollte nur nach dir sehen…“, nuschelte er und nutzte diese Gelegenheit, um der Direktorin dabei nicht in die Augen sehen zu müssen und sein Gesagtes so beiläufig wie nur irgend möglich klingen zu lassen. „… ob nach dem, was letzte Nacht mit dir passiert ist, wirklich alles okay ist.“, fuhr er fort und ließ die Brille in seine Hosentasche gleiten. Erst jetzt sah der Nakamura der Dämonin wieder in die Augen. „Außerdem ist es ungewohnt, dich mit Kollegen in einer Bar zu sehen. Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich hier warst, oder ob du...… keine Ahnung.“
Julia
Julia Bardera
63 Charakterbogen Aufenthaltsort: Aktuelles Outfit: Violettes Sommerkleid mit einem weißen Zusatz in der Mitte und schwarzen Sandalen (Siehe Signatur)
Es war noch nie so einfach gewesen jemanden aus dem Konzept zu bringen. Wann immer Julia es mit Levi und seinen Schandtaten zu tun hatte, wirkte es wie eine Kurzform der Law&Order Serie, die in weniger als zehn Minuten zu ihrem Schluss kam. Lediglich die Identifizierung des Täters und die Festnahme wären auf Video, zusammen mit einem sechs Minütigen Geständnis, weil man ihn so gut ablenken konnte. Es war also nicht verwunderlich, dass Julia eine gemäßigte Menge an Freude durchströmte, als sie mit Zuckerbrot und Peitsche nach und nach seine Verteidigung zerpflückte. Mit einer liebevollen Peitsche, wohlgemerkt. Als ihr Schützling genoss man eben durchaus ein paar Privilegien. Die man sich, wenn man es sich nicht verspielen wollte, jedoch nicht ausreizen sollte. Das sah der Nephilim auch so, als er auf die direkte Frage seines wahren Anliegens sofort die weiße Fahne hisste. Übertragen gesprochen, versteht sich. Seine von unten heraufschielenden Blicke waren ein mehr als deutliches Signal, an die Direktorin. Wenn auch sein leichtes Zögern gewisse Fragen in ihr aufkeimen ließ. Hatte er etwa noch etwas auf dem Herzen? Dabei offensichtlich vergessend, dass es ihr Barrierenbruch – sowie das daraus resultierende Verhalten – war, welches für diese leichte Skepsis von seiner Seite sorgte. „Vielleicht will ich das, wer weiß das schon?“, machte sie ein rhetorisches Mysterium aus der Brillen-Frage des Nephilims und stützte so seine leichten Lockerungsversuche. Ein kleines, dafür aber amüsiertes, Lachen schaffte ebenfalls den Weg über ihre Lippen. Da seine Antwort auf ihre eigentliche Frage aber noch ausstand, verzichtete die Direktorin aber vorerst auf weitere Scherze. Ihrem Schützling so vorzeitig einen Ausweg aus der Sache zu liefern, würde auf lange Sicht nur zu weiteren Problemen führen. Sie hatte wenig Interesse daran ein Geheimnis zu fördern, welches eigentlich keines sein sollte. Die Art wie er kurz darauf die Brille von der Nase nahm, sich nicht traute ihr in ins Gesicht zu sehen, gab der Ziehmutter recht in ihrer Vorgehensweise. Aber, um es mal so zu sagen, Geständnisse waren Leviathans große Stärke. Ergriffen von den Motiven des Engels erhielt ein warmes Lächeln auf den Lippen der Direktorin Einzug. „Ich danke dir, Levi.“, waren die ersten Worte nach einer langen Zeit der Stille, während der Blick des dunkelhaarigen Privatdetektivs mit einer altbekannten Wärme in den blauen Augen erwidert wurde. „Aber mir geht es gut, wirklich. In Fakt fühle ich mich sogar besser als vorher.“, und sie schaute kurz zu den verstaubten Fenstern der Kneipe. Man konnte ganz leicht das Treiben im Inneren sehen. Die Details blieben allerdings, wie bei Milchglas, verborgen. Nur Silhouetten waren zu erkennen. Wenn Julia Glück hatte, würde sie keiner der anderen beobachten können. Falls überhaupt jemand das Treffen hier genauer unter die Lupe nahm. „Dennoch muss ich zugeben: Ich wäre bei einem Kneipenbesuch mit Kollegen auch skeptisch geworden, hättest du mir so etwas letzte Woche gesagt. Verübeln kann ich es dir also nicht.“, gestand sie mit einem beiläufigen Schulterzucken und musste dann leicht grinsen. Wenn sie genau darüber nachdachte wusste Julia nicht einmal selbst, ob sie sich in diesem Moment vertraute. Schon ironisch, wenn man sich selbst in dem Punkt nicht über den Weg traute. Doch je höher ihr eigenes Misstrauen, umso mehr vertraute sie ihren heutigen Begleitern. Keiner der Anwesenden würde ihr einen Schaden zufügen, davon war sie überzeugt. „Außerdem habe ich Bernardo, Vincent und Deirdre hier. Ich bin also in sicheren Händen, sollte etwas passieren.“, was in ihren Augen ein ziemlich solides Argument darstellte. Selbst wenn der Nephilim Probleme hatte ihr zu vertrauen, die anderen hatten keine Barrierenbrüche und sie war nun kein gedankenkontrollierendes Monster. Vielleicht half ihm das dabei sich etwas sicherer zu fühlen. Apropos sicher: Wenn man ihn hier draußen erwischen würde, nahm das sicherlich kein gutes Ende. „Du allerdings solltest dich schleunigst auf den Rückweg machen. Am besten bevor irgendjemand merkt, dass du weg bist … oder Vincent dich auf seinem Nasenradar aufspürt.“, und sie zeigte einmal symbolisch in Richtung der trüben Fenster, „Auch meine Autorität hat Grenzen, wie du weißt.“.
Es fühlte sich wie eine halbe, qualvolle Ewigkeit an. Die Zeit, die verstrich, nachdem der Engel der Direktorin seine Beweggründe für sein Verfolgen schilderte. Nervös biss sich der Junge auf die Unterlippe und hantierte mit der Hand in seiner Hosentasche auf der eben darin verschwundenen und zusammengeklappten Deko-Brille herum. Immer wieder linste er verstohlen zwischen Juls Augenpaar und dem Boden hin und her und blieb erst gänzlich an ihrem Gesicht haften, als ein warmes Lächeln ihre Lippen umspielte. Mit vielem hatte er gerechnet; nicht aber mit einer solchen Reaktion und schon gar nicht mit einem solchen Lächeln, von dem er vermutete, es so schnell an Julia nicht wiedersehen zu können. „W..as?“, hinterfragte der Nakamura perplex und konnte ein leichtes Zurseitekippen seines Kopfes nicht verhindern. Sie bedankte sich? „Aber-…“, begann er schließlich seine Gedankengänge, die jedoch ein abruptes Ende fanden, als die Direktorin ihm mitteilte, es würde ihr sogar besser als zuvor gehen. Nun war es der Schwarzhaarige selbst, der in seiner Position verharrte, während kein einziges Wort den Weg über seine Lippen fand und auch als sich Julias Blick auf die Fensterscheibe der Bar richtete rührte er seinen Kopf keinen Millimeter. Sogar die Hand in seiner Hosentasche hielt inne. Stattdessen stand der Junge in seiner lächerlichen Aufmachung einfach nur der adrett wie eh und je gekleideten Direktorin gegenüber und sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Er gab sich alle Mühe der Welt, von seiner ohnehin nur gering vorhandenen Menschenkenntnis Gebrauch zu machen; doch so sehr er es auch versuchte: So schnell fand er keinen Grund, den Worten seiner Ziehmutter zu misstrauen. Er wusste, wozu eine titanische Dämonin wie Julia alles imstande war zu tun oder vorzutäuschen. Ihre Stimme jedoch, ihre Wortwahl, ja sogar ihr Auftreten kamen ihm jedoch so vertraut vor; wenn auch in leicht abgewandelter Fassung. „Tut mir Leid. Ich wollte dir nicht nachstellen.“, entschuldigte sich der Nephilim als die Dämonin erklärte, sie wäre ob des Kneipenbesuchs wohl genauso misstrauisch geworden. Ob ihm die Tatsache über overpowered Bernardos, overpowered Vincents und Deirdres Anwesenheit nun mehr verängstigte oder beruhigte, konnte der Schwarzhaarige nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Da er das Thema aber nicht groß ausreizen wollte, nuschelte er ein „Sehr beruhigend.“ und lächelte verstohlen. „Haha, wie soll das jemand merken, wenn alle bei der Ratsversammlung hocken?“, konterte der Engel zwar, überdrehte dann aber ganz schnell die Augen, als es um den Nasenradar des Heimleiters ging. Ein Blick durch das Fenster verriet ihm, dass wohl noch keiner der Alten Notiz von der Anwesenheit eines unter ihrer Aufsicht befindlichen Schülers gemacht hatte. Oder, dass niemand Bock hatte, sich mit einem Flegel herumzuschlagen, wenn man sich stattdessen getrost einen hinter die Binde kippen konnte. „Ist gut.“, versicherte Leviathan seiner Ziehmutter, und kramte die Brille wieder hervor, um abermals in den höchst wirkungsvollen Icognito-Modus zu übergehen. „Sag bitte niemandem, dass ich hier war.“, bat er Julia mit flehendem Dackelblick, war sich zeitgleich aber sicher, dass sie so oder so kein Wort darüber verlieren würde, immerhin lag es auch in ihrem Interesse, ihren Schützling so gut es eben ging zu beschirmen. Auch aus eigenem Interesse. Er schenkte der Direktorin noch ein Lächeln, ehe er sich umdrehte und sich in Bewegung setzte. Nach einigen wenigen Schritten jedoch linste er über seine Schulter nach hinten und blieb kurz stehen. „Es freut mich, dass es dir gut geht, Jul. Es ist immer besser, man selbst zu sein als etwas zu unterdrücken oder sich verbiegen zu müssen. Gute Nacht.“ Mit diesen für Leviathan eher ungewöhnlichen Worten verabschiedete sich der Engel und drehte seinen Kopf wieder nach vorne, während er seine Flügel materialisierte und sofort emporflog. Mit kräftigen Flügelschlägen stieg er höher und höher, bis er eine Luftströmung fand, die ihn auf schnellem Wege zurück zum Wohnheim bringen sollte. Wo anstelle eines Bettes eine unbehagliche Parkbank auf ihn wartete.