Etwas ungläubig sah sich Cyril in dem noch menschenleeren Klassenzimmer um. Was war denn jetzt los? Er ging ein paar Schritte rückwärts, um sich noch einmal die Nummer des Klassenzimmers anzusehen – doch er war richtig. Das musste bedeuten… er war nicht zu spät! Er selbst war pünktlich und die anderen kamen zu spät! Einen kleinen Freudensprung vollführend, holte er einen mit Putzsachen beladenen Rollwagen in den Raum und verschaffte sich erneut einen Überblick über das Übel. Das hohe Regal und die Fenster fielen in den Aufgabenbereich seines Paps, so ersparten sie sich die Leiter und der alte Wolf konnte seinen kleinen Kontrollzwang etwas befriedigen. Nacktputzen wäre zwar eine schöne Option gewesen, ohne zugezogene Vorhänge aber keine gute Idee und das würde garantiert Aufmerksamkeit erwecken. Also konnte ihr Beobachter auch gleich mit im Raum sein. Natürlich ließ sich Cyril auch nicht die Gelegenheit entgehen, seinem Vater ein paar Putzlektionen zu erteilen – vielleicht würde sich das in Zukunft ja in seiner Wohnung bemerkbar machen. Mit einem kurzen Blick in den Gang vergewisserte er sich, ob sein Liebster mit Begleitung schon auf dem Weg war, doch bis jetzt war noch nichts zu sehen. Anstatt nur rumzusitzen und zu warten, konnte er genauso gut schon anfangen. Den fast lebenden Tafelschwamm entsorgend, nahm er sich das kreidebeschmierte Monstrum als erstes Opfer vor. Zum Glück hatte Cyril sich bereits vorher angesehen was alles zu tun war und dementsprechende Vorbereitungen getroffen. So musste er jetzt nicht lange nach einem neuen Schwamm suchen, sondern konnte den mitgebrachten benutzen. Die Verpackung davon landete mit in dem Müllbeutel, sodass sein Werkzeug einsatzbereit war. Das Waschbecken hatte auch schon sauberere Zeiten gesehen, doch es sah bei weitem noch nicht so schlimm aus wie das Kreidemonstrum. Um zunächst die gröbsten Reste der Kreide zu entfernen, wurde die Tafel nur mit dem nassen Schwamm gewischt. Danach wird zu härteren Mitteln gegriffen. Während der Schwarzhaarige in einen leeren Eimer etwas Essig gab, öffnete sich auch endlich die Tür und seine Helfer trafen ein. Lyall würde bei dem stechenden Geruch wahrscheinlich lieber das Weite suchen, doch da mussten sie jetzt durch. Den Eimer auf das Waschbecken stellend mühte er sich vergeblich ab, den Wasserhahn zum laufen zu bekommen. Wer bestellte denn Leute zum Putzen her, ohne Zugang zum Wasser?!
Ich fragte mich ein uns andere Mal wieso ich mich eigentlich darauf eingelassen hatte die Chaoszwillinge zu beaufsichtigen. Ich war der Heimleiter und nicht die Aufsicht. Ein wenig genervt über meinen guten Willen schlug ich den Weg in das zu putzende Klassenzimmer ein. Zu meinem Erstaunen stand die Tür sogar offen und ich konnte einen nur allzu bekannten schwarzen Schopf ausmachen, der bereits mit der Arbeit begonnen hatte. Putzfreak eben. Was mich aber staunen ließ, war die Tatsache, dass Cyril bereits vor Ort war, wo man normalerweise immer mindestens 10 Minuten auf den Knirps warten musste. War das wirklich mein Sohn? Skeptisch zog ich eine Augenbraue nach oben und blieb im Türrahmen stehen. Der Geruch von Essig war mir bereits auf dem Weg ins Klassenzimmer in die Nase gestiegen. Kurz zog ich meine Nase kraus und betrat den Raum, gefolgt von Lyall, der ebenfalls den Weg zum Klassenraum gefunden hatte. Hier gab es eine Menge zu tun. Eine Menge war definitiv noch untertrieben. Da fragte man sich, wie lange wurde der Raum schon nicht mehr geputzt?! Und jetzt wurden die armen Schüler dazu verdonnert den Raum zu säubern. Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen als ich meinen Sohnemann dabei beobachtete, wie er versuchte den Wasserhahn aufzudrehen. Da lag wohl ein minderschwerer Fall von Wasserhahnklemmerei vor. »Habt ihr beiden eigentlich etwas ausgefressen oder wieso müsst ihr hier den Klassenraum säubern?«, stellte ich den Beiden die berechtigte Frage. Eigentlich wollte ich mich gegen einen der Tische lehnen, ließ es aber gerade rechtzeitig noch sein. Die Tische hatten ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen, geschweige denn von den armen verdorrten Pflanzen. Da kam bereits jede Hilfe zu spät. Trockenblumen traf es ganz gut. Eigentlich wollte ich bereits wegen des Wasserhahns einschreiten, ließ es aber noch bleiben. Vielleicht wollte Lyall seinen Schatz beeindrucken und den Ritter in schillernder Rüstung mimen. Konnte ich mir auf alle Fälle gut vorstellen. Daher stand ich einfach an Ort und Stelle und schaute mich noch einmal im Klassenraum um. Darüber konnte ich einfach nur den Kopf schütteln. Ekelhaft.
Kurz war Lyall zurückgefallen, als er und sein Schatz wie jeden Morgen in der Woche auf dem Weg zum Klassenraum gewesen waren. Er hatte nur eben für den Unterricht Wasserflaschen geholt, damit beide etwas zu Trinken hatten, während Cyril den Putzwagen aus der Abstellkammer holen wollte. Aufgeteilter Weg, würden sie sich in der Klasse treffen. Heute sollte ein Putztag sein, alle Schüler sollten helfen, damit mal alles ordentlich sauber wurde. Eigentlich keine schlechte Idee, schließlich waren sie es, die alles dreckig machten. Die Putzkräfte taten ihm manchmal Leid. Und als gesagt wurde, sie sollen putzen, oh, wie süß hatten die Augen seines Schatzes dadurch gefunkelt. Diese Leidenschaft, welche er für das putzen aufbrachte, war für andere komisch, für Lyall einfach zum Verlieben. Für ihn war der schwarze Wolf einfach perfekt. Vor sich hin lächelnd, wo er an Cyril dachte, begab er sich zu ihrem Klassenraum, vor welchem er gerade Vincent erblickte, welcher auch in den Klassenraum ging. Nanu, gab es etwas wichtiges. ,,Hey Paps!", begrüßte er seinen zukünftigen Schwiegervater freudig, nachdem er nach diesem direkt die Klasse betrat. Und dort erstmal irritiert dreinblickte. ,,Nanu? Wo sind denn alle?", fragte er und sah zu seinem Schatz, welcher sich bereits an die Arbeit gemacht hatte. Er ging zu dem Lehrerpult und stellte dort einfach die Flaschen ab, war er gerade dezent geflasht davon, dass keiner da war. Die Worte von Vincent ließen ihn gespielt schmollen. ,,Gar nichts! Wir sind doch reine Engel." Darüber würde der Weißschopf sicher nur lachen können. Waren beide zwar wirklich lieb, doch konnten sie es auch faustdick hinter den Ohren haben. Dies hatten sie woh auch schon einige Male bewiesen, doch eher in ihrer Familienbeziehung und nicht in der Schulzeit. Meistens. ,,Und was machst Du hier?", fragte er dann doch neugierig. Schien der alte Herr nichts vom Putztag zu wissen? Dabei hätte Lyall schwören können, dass dies dessen Ideen gewesen ist. Ihm fiel aber dann auf, dass Cyril wohl Probleme mit dem Wasserhahn hatte, denn hantierte er dort herum, aber es passierte nichts. ,,Was ist los, klemmt er?" Der rote Wolf ging zum Größeren und drehte auch mal am Hahn, der sich problemlos drehen ließ. Aber Dürre. ,,Hmm. . ." Hochkonzentriert hockte sich er Rotschopf hin und starrte die Rohre an, welche vom Waschbecken aus gingen. Vielleicht war was verstopft. Er haute einmal gegen. Der Hahn blieb trocken, wie er ist. Und Lyall wusste nicht weiter, sah er nun doch überfordert die Rohre an. ,,. . . wurde das Wasser abgestellt, Paps?"
Mit einem zufriedenen Grinsen registrierte Cyril den skeptischen Gesichtsausdruck seines Vaters, als dieser den Raum betrat. „Na, hast dich auf dem Weg hierher wohl verlaufen?“ Ehrlich gesagt überraschte es ihn schon, dass der Alte erst nach ihm eintraf. Doch das musste man ihm ja nicht unter die Nase reiben. Den mit Essig gefüllten Eimer abstellend, gab er sich schließlich geschlagen. 1-0 für den Wasserhahn. Stattdessen wandte sich sein Blick wichtigeren Dingen zu – Lyall. Ratlos mit den Schultern zuckend konnte er auch nur Vermutungen anstellen, warum niemand sonst hier war. „Vielleicht sind sie ja in anderen Räumen. Gibt bestimmt mehr solcher Müllhalden und es wurden alle aufgeteilt.“ Sein Blick wanderte zu dem Ältesten der Runde. „Oder hier will uns jemand veräppeln und tut nur so unschuldig“, stellte er einen weiteren Verdacht auf und streckte dem Weißhaarigen kurz die Zunge heraus, der mit seinem Hemd gerade fast einen Tisch gewischt hatte. Nach einem weiteren vergeblichen Versuch, den Wasserhahn zum Laufen zu bekommen entdeckte er die von Lyall mitgebrachten Wasserflaschen. Zur Not müssten diese eben zum Putzen herhalten. Doch bevor der Schwarzschopf die Gelegenheit dazu bekam, ihr Trinken in den Eimer zu kippen, nahte Rettung. Zumindest sah es im ersten Moment danach aus. Bevor sich Lyall seinem Problem annehmen konnte, nutzte er die Nähe aus und klaute sich einen kleinen Kuss, bevor er einen Schritt zurückging, um den Meister nicht bei der Arbeit zu stören. Sah ja schon verdammt heiß aus, wie der Rothaarige das Rohr fachmännisch musterte und einmal dagegen schlug. Doch um eine Standpauke zu umgehen behielt er seine Hände bei sich und sah sich im Raum nach der nächsten Aufgabe um. „Die wollten bestimmt, dass wir tausend Wassereimer schleppen müssen und haben das mit Absicht abgedreht.“ Ganz so ernst meinte er diese Worte zwar nicht – wäre bei einigen Lehrern aber nicht verwunderlich. Um nicht weiter untätig rumzustehen und die verbleibende Freizeit weiter zu reduzieren, machte er sich daran, die abgestorbenen Pflanzen in den Müll zu werfen. Selbst einen Kaktus hatten sie auf dem Gewissen. Dafür musste man ja schon einen schwarzen - nicht grünen - Daumen besitzen, um so etwas zu schaffen.
Ich hoffte für meinen Sohn, dass er die Aussage mit dem Verlaufen nicht ernst meinte. Mein Orientierungssinn war einsame Spitze. Außerdem war mein Geruchssinn ebenfalls auf einem hohen Niveau. Daher zog ich eine Augenbraue nach oben und ließ seine Stichelei unkommentiert. Die heutige Jugend war einfach nur frech. Der Rotschopf machte da weiter, wo Cyril aufgehört hatte. Er stellte einfach irgendwelche abstrusen Behauptungen in den Raum. Ein kehliges Lachen folgte auf dem Fuße. Engel. Davon waren die Wölfe weit entfernt. »Du träumst ja auch von heißen Eislutschern.«, gab ich mit einem Grinsen von mir schüttelte dabei meinen Kopf. Hoffentlich blieb das Wort Lutscher unkommentiert. Das perverse Gerede war eindeutig fehl am Platz. Das konnten sie gerne in ihrem Zimmer fortführen. Und das am besten leise und gesittet mit allen Klamotten an ihren Leibern. Ich schob meine Gedanken wieder ein wenig zurecht, ehe ich auf Anschuldigung Cyrils eingehen konnte. Anscheinend war mein Sohn der Meinung, dass ich meine Finger mit im Spiel hatte, was das Putzen anging. Wie die Klassenräume aussahen, war mir im Grunde ziemlich egal. Mich kümmerte es wesentlich mehr, wie es in meinem Wohnheim aussah. Und da legte ich Wert auf Sauberkeit. Hier und da ein paar Staubkörner konnte ich verkraften aber das Ausmaß, welches in diesen Wänden herrschte, war absolut unzumutbar. Das man so von mir dachte, traf mich wirklich. Nicht. »Ich bin hier um euch zu knechten. Also an die Arbeit, Jungs.«, ließ ich verlauten. Aber da tat sich bereits das erste Problem auf. Der Wasserhahn schien auch nach Lyalls Zutun nicht zu funktionieren. Da fragte man sich, welcher Idiot schickte Schüler zum Putzen, wenn der verdammte Wasseranschluss nicht funktionierte? Da griff man sich ja echt an den Kopf. Was ich getrost unterließ. »Wassereimer schleppen würde deinen dünnen Ärmchen nicht schaden.«, gab ich zurück und streckte Cyril meinerseits die Zunge raus. Wie du mir so ich dir. Ich konnte den jungen Leuten beim besten Willen nicht erklären, was es mit dem fehlenden Wasser auf sich hatte. Ich wurde als Aufsichtsperson auserwählt. »Keine Ahnung. Man hat mir diesbezüglich nichts mitgeteilt. Also hier herrscht eindeutig Informationsmangel.« Ich war genervt von solch unorganisiertem Verhalten. Sollte ich denjenigen in die Finger bekommen, Gnade ihm Gott. Lyall hockte noch immer auf dem Boden und begutachtete die Röhren des Waschbeckens, vielleicht musste man an den Rädchen drehen? Mehr wie nicht klappen, konnte es sowieso nicht, daher hockte ich mich ebenfalls dazu und versuchte mein Glück. Möglicherweise wäre es von Vorteil gewesen, vorher den Hahn wieder ein wenig zuzudrehen, da bereits das Wasser spritzte. Daher richtete ich mich wieder auf und schlug mir prompt den Kopf am Waschbecken an. Meine Hand wanderte automatisch an die angeschlagene Stelle. Alles noch intakt, nichts blutete. Das konnte ich wahrlich nicht gebrauchen. Immerhin konnte es jetzt endlich losgehen. Je eher desto besser, desto früher konnte man wieder abhauen. »Husch, husch, ab an die Arbeit.«, scheuchte ich die Jungs an.
,,Hmm, gut möglich", meinte er auf die Worte von Cyril her, dass vielleicht alle Schüler zum Putzen aufgeteilt wurden. Da war er froh, dass er mit seinem Liebsten zusammen sein durfte. Das Essig in der Luft lag, hatte Lyall schon vor der Tür bemerkt. Jedoch war der Geruch noch recht erträglich, da er diesen recht gewohnt war - ok, zugegeben, er versuchte den Starken zu markieren, etwas Würde hatte er ja auch noch. Welche aber quasi doch noch verflog, als sein geliebter Schwiegerpaps seine Engelsaussage verspottete. Bei dem Wort "Eislutscher" glitt sein Blick sofort zu seinem Freund, welchen er direkt musterte. ,,Oh, jep", murmelte der rote Wolf eher unbewusst, war er kurzzeitig in eine Schwärmerei zu seinem Freund gefangen. So schnell wie das ging und wie er bei der kleinsten Andeutung direkt an Cyril dachte, war es wirklich ein Wunder, dass Vincent beiden Jungen noch keinen Keuchheitsgürtel oder ähnliches angelegt hatte. Oder sie in verschiedene Klassen und Zimmer gesetzt hatte. Sicherlich war ihm einfach bewusst, was die Jungs dann für Mist bauen würden, um zusammen sein zu können. Zwar tat der Weißschopf oft so, aber wusste Lyall doch, wie sehr ihr Paps die Beziehung beider doch schätzte und froh über diese war - immerhin waren beide überglücklich. Von all dem abgesehen, war er Essiggeruch schon gewohnt, bei einem Putzliebhaber als Freund. Zu gerne erwiderte der Rotschopf den kurzen, aber sanften Kuss, hatte er wohlig dabei geseufzt. Und dann etwas gegrinst, wo Vincent davon sprach, er sei hier, um sie zu knechten. ,,Er hat uns einfach nur vermisst, Schatz~" Dann saß er auch schon vor dem Waschbecken und wollte einen auf sexy Klempter machen. Doch da schlug sein "16 Jahre Buschkind" an. Er hatte keine Ahnung von soetwas. Null. Keiner schien von der Tatsache begeistert, dass es nicht klappte, was auch zu verständlich war. ,,Wenn es nicht geht, kann ich ja eben etwas holen gehen. Bevor wir hier ewig stehen", sprach er und blickte auf, da kam aber schon sein Paps herbei, der sich dazuhockte. Und dieser löste es mit einem gekonnten Handgriff, schon spritze der Wasserhahn. Lyall war nun begeistert und total beeindruckt von seinem Vorbild, so blickte er diesen auch an: ,,Paps, Du bist ein Genie!" Welches sich beim Aufstehen den Kopf anstieß. Autsch. Er stand vorsichtiger auf und betrachtete dabei Vincent, welcher den Kopfstoß gekonnt ignorierte. Wenn es wehtat, konnte er ja ruhig mit einer Wasserflasche kühlen. Jetzt ließ er aber erstmal den Heimleiter raushängen und scheute beide dazu, zu arbeiten, was Lyall schmunzeln ließ. ,,Aye, Paps!", grinste er und nahm die Hand vom Schwarzschopf, welchen er sachte zum Putzwagen zog. ,,Füllst Du den Eimer? Ich schiebe dann die Tische zur Seite, damit wir Platz beim Wischen haben." Und wo er es dann ausgesprochen hatte, begab er sich nach einem Kussklau an die Arbeit. Wobei er im Tun auch direkt wieder innehielt, sich dabei umblickend. Sein Blick fiel zu seinem Freund: ,,Oder wäre es besser, wenn zum Schluss? Weil ja all der Schmutz zwischendurch auf dem Boden fällt. . . oder?" Man merkte dezent, da hatte jemand nicht die leiseste Ahnung vom Putzen.
Ein zartes Rosa breitete sich auf den Wangen Cyrils aus, als sein Freund ihn nach dem Kommentar seines Vaters mit einem schwärmerischen Blick musterte. Doch um nicht direkt die nächste Standpauke des alten Wolfs zu provozieren, behielt er seine Gedanken lieber für sich und schenkte dem Rotschopf lediglich ein zuckersüßes Lächeln. Dass Vincent nicht für die Putzaktion verantwortlich war, überraschte ihn tatsächlich etwas – wer kam denn dann auf die Idee? Doch ehe er dem knechten widersprechen konnte, warf sein Liebster etwas ein, was den Schwarzschopf kurz prusten ließ: „Vermisst, ist klar.“ Dennoch lächelte er seinen Vater dabei an und war irgendwie froh, dass er es war, der sie "knechten" musste. Einer der Erzieher – wie war noch gleich sein Name? - hätte ihnen vermutlich noch mehr Arbeit aufgedrückt als nötig und grinsend daneben gestanden, während sie sich mit dem Wasserhahn abmühten. Anders so Vinny. Während eine abgestorbene Pflanze nach der anderen in den Müll wanderte, beobachteten die violetten Augen gebannt das Geschehen am Waschbecken. Bis er - statt einfachen Blumen - einen alten Kaktus erwischte, dessen Nadeln sich prompt in seine Finger bohren. Leise fluchend warf er die Kacktusse in den Müllsack und musste mit einem kleinen Grinsen feststellen, dass sich sein Paps soeben den Schädel angeschlagen hatte. Natürlich machte er sich etwas Sorgen – aber seien wir mal ehrlich, das sah einfach zu gut aus! Zumindest hat sich sein Opfer gelohnt, denn endlich lief das Wasser. „Danke, alter Mann!“, gab er fröhlich von sich und ließ den Müllsack, welcher mittlerweile mit sämtlichen Pflanzen des Zimmers gefüllt war, erst einmal zurück. Stattdessen griff er nach einem kleineren Lappen, ließ kaltes Wasser auf diesen laufen und wrang ihn etwas aus, ehe er das rosa Stoffstück seinem Vater in die Hand drückte. „Zum kühlen. Es sei denn, es tut nichts mehr weh, dann kannst du damit gerne auch wischen.“ Sein Blick wanderte zu den hohen Fenstern. Vielleicht ließ sich der Größte der Runde ja dazu erweichen, ihnen etwas unter die Arme zu greifen? Ansonsten müssten sie irgendwo eine Leiter auftreiben oder auf einen der Stühle klettern. Und bei ihrem aktuellen Glück waren die Stühle nicht nur dreckig, sondern auch morsch und brachen zusammen. „Wäre lieb von dir, Paps.“ Dem Weißhaarigen einen Kuss auf die Wange drückend, grinste er diesen noch kurz an und wandte sich Lyall zu. Es war immer wieder süß anzusehen, wie er mit den einfachsten Dingen überfordert zu sein schien. Doch wie konnte man es ihm auch verübeln, er hatte es nie gelernt und wenn es etwas zu Putzen gab, übernahm Cyril das meistens sofort. Mit seinem sanften Lächeln schüttelte er den Kopf: „Hast schon Recht. Wir wischen zuerst oben, also die Schränke, Stühle und Tische. Die Fensterbank kommt auch noch, aber zuerst müssen die Scheiben sauber sein. Der Boden dann ganz zum Schluss.“ Nachdem der Eimer mit Wasser gefüllt war, griff er erneut zu dem Tafelschwamm und tunkte diesen in den Eimer. Durch den Essig müssten auch die letzten Reste der Kreide verschwinden, so zumindest die Theorie. Während er sich daran machte, das grüne Monstrum zu reinigen, fiel sein Blick auf das Bücherregal. „Das müssten wir auch mal abstauben… Paps, weißt du, ob die alten Schinken noch gebraucht werden?“ Die Bücher hatten ihre goldenen Zeiten definitiv hinter sich. Einigen fehlte der Buchrücken, bei anderen hingen eingerissene Seiten heraus und manche sahen aus, als wären sie gebadet worden. Die Schrift konnte man garantiert nicht mehr lesen. Doch um sich selbst davon zu überzeuge legte er den Tafelschwamm zur Seite, zog kurzerhand eines heraus und wurde dabei in einen Regen aus Staub gehüllt. Niesend ging er ein paar Schritte zurück und legte das Buch auf einen Tisch, um es aufzuschlagen. Der Titel war fast vollständig verblasst und aus dem Inneren starrten ihm nur irgendwelche Hieroglyphen entgegen. „Was ist das denn?“
Natürlich war ich ein Genie, diesen Worten konnte ich mit bestimmter Sicherheit zustimmen. Den Umstand, dass ich mir meinen Kopf angeschlagen hatte, ließ ich dabei gekonnt unter den Tisch fallen. Ich war mir zwar sicher, dass meine Jungs dieses kleine Missgeschick sicher demnächst wieder ausgraben würden, wenn es passte. Ganz bestimmt. In dieser Beziehung kannte ich meine Pappenheimer wie meine Westentasche. Daher schaute ich auch ein wenig benommen, als mir Cyril den nassen Lappen hinhielt. Vermutlich bemerkte er meinen fragenden Blick, da er damit auf meine Beule ansprach. Zum Kühlen! Wer war ich denn? Eine Pussy? - Ganz bestimmt nicht. Als würde ich mir einen nassen Lappen auf meine Frisur drücken nur um den dumpfen Schmerz zu betäuben. Soweit kam es noch. Meine Augenbraue schoss wieder einmal nach oben als der Schwarzhaarige mich doch tatsächlich zum Putzen verdonnern wollte. Ein paar Mal musste ich blinzeln, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Das war ja mal wieder so typisch. Papi Bonus. Und das schlimmste daran war, das ich mich meistens sogar darauf einließ. Ich war einfach zu gut. Wurde mir schon oft genug gesagt. So auch jetzt. Mit einem Grummeln nahm ich den Lappen entgegen, hielt aber inne. »Sollte man Fenster nicht eigentlich mit Fensterputzmittel und einem trockenen Lappen putzen?«, stellte ich dem selbsternannten Putzteufel die Frage. Ich würde ganz bestimmt keine Fleißaufgabe machen. War vielleicht auf dem Wagen ein Schaber? Dann konnte man die Fenster auch mit einem Eimer Wasser und Putzmittel sauber wischen. Auf eine Antwort meines Sprösslings zu warten, dauerte mir zu lange, er hatte gerade mit Lyall zu tun. Daher sah ich mir den Putzwagen ein wenig genauer an und siehe da, es fand sich sogar ein Schaber, Eimer und das passende Putzmittel. Der Eimer war auch schnell mit Wasser gefüllt, da der Hahn - dank meiner Meisterleitung - wieder einwandfrei funktionierte. Das Putzmittel war ebenfalls schnell mit ins Wasser geschüttet und nun konnte ich mich daran machen diese dreckigen Fenster zu putzen. Einfach ekelhaft. Das Wasser konnte ich ganz bestimmt nach dem ersten Fenster wieder austauschen. Die Diskussion der beiden Werwölfe ignorierte ich gekonnt, ich wusste auch gar nicht worum es ging. »Ihr solltet mal anfangen, sonst sind wir noch den ganzen Tag hier, ergo: weniger Zeit für euch.«, sprach ich und blickte kurz mit einem Grinsen über meine Schulter. Cyril würde sicher viel Freude daran haben Lyall in die Kunst des Putzens einzuführen. Heute sollte den Anfang darstellen. Der Rotschopf musste noch eine ganze Menge lernen, aber die Jungs hatten noch genügend Zeit vor sich. Wenn sie sich nicht allzu blöd anstellten. Vor mich hin summend verrichtete ich meine auferlegte Fensterputz-Arbeit. Sollten Schlieren zurückbleiben war es mir egal. Nicht mein Klassenzimmer. Ich würde hier auch nicht aus dem Fenster sinnieren. Dazu hatte ich mein ganz eigenes Büro. Hach, mein Büro. Ich mochte mein Büro. Weil es eben MEIN Büro war. Dort saß ich in der Machtzentrale. Ein herrliches Gefühl.