Was versteckt sich hinter den Türen Zimmernummer 110 im Westtrakt des Yanega Anwesens? Öffnet man die leicht quietschende Tür, so steht man inmitten einer doch recht großen und hellen Räumlichkeit. An den grün tapezierten Wänden befinden sich vereinzelte Wandleuchten. Mit Vorhängen kann man das Zimmer nachts abdunkeln. Drei Betten, die mindestens genauso alt wie das Gebäude selbst, aber dennoch gut in Schuss sind befinden sich an der rechten Seite des Raumes. Jedem Bett ist ein Nachtkästchen mit einer dazugehörigen Lampe beigestellt und bietet den Bewohnern desweiteren Platz für persönliches Hab und Gut. Gegenüber der Betten befinden sich die Schreibtische. Jeder Bewohnerin steht einer dieser Tische zu. An einer Wand befinden sich ein paar Wandboards, die zur Verstauung von Büchern oder ähnlichem genutzt werden können. Neben dem äußersten Schreibtisch in der Ecke führt eine weitere Tür in einen kleinen Nebenraum, der an allen Wandseiten mit Kleiderschränken zugestellt ist, die sich die Bewohnerinnen unter sich zuteilen. Ein klamottenbezogenes Platzproblem sollte in diesen Räumlichkeiten also nicht herrschen.
Der letzte Abend verlief eigentlich ziemlich ruhig. Ruhig deswegen, weil nach dem Ausflug in die tiefen Gefilde der Küche nicht mehr viel passiert war. So beließ man es bei ein paar netten Worten und einem freundschaftlichen Austausch von Toast-Hawaii in der kleinen Runde. Die Französin genoss dieses Ereignis, obgleich sie bei den zwei unerwarteten Gästen nicht über den Gedanken hinwegkam, dass sie doch wie Wasser und Feuer aufeinander wirkten. Sky, die so offen wie niemand anderes auf sie wirkte und Lust auf mehr machte und als Gegenpol dazu Inori, das schüchterne Lämmchen, wie es Helena im Kopf an dem Abend öfters herumgeisterte. Es hatte etwas Niedliches, das musste die Engelin zugeben. Allerdings hielt sie sich erstmal von zu weitgehenden Freundschaftsvorstellungen entfernt. Klar war sie selber Kontaktfreudig, aber Freunde sollten gut – und vor allem mi bedacht gewählt werden. Echte Freunde konnte man schließlich an einer Hand abzählen und die Blondine bevorzugte eben mehr so ein Umfeld, als nur eine Ansammlung an „guten Bekannten“ zu pflegen. Die drei neuen Gesichter, welche sie aber an diesem Abend kennenlernte, weckten in ihr die Hoffnung das darunter vielleicht eine solche Person zu finden sei. Vielleicht sollte sie mit jedem der Drei mal ausreichend Zeit verbringen, das wäre wohl die beste Lösung.
Immerhin war sie mit einem dieser Gesichter auf einem Zimmer gelandet. Was sie allerdings davon halten sollte, das wusste die Blondine selbst noch nicht. Immerhin war das ganze Zimmer von Federn bedeckt, als sie es zum ersten Mal betrat. Fast so, als ob jemand eine riesige Kissenschlacht veranstaltet hätte. Da sie damit in jedem Falle nichts zu tun hatte, konnten es wohl nur die beiden anderen Mädchen gewesen sein. Aber so genau fragte die Pariserin nicht nach. Stattdessen verbrachte sie die Nacht damit das ganze Chaos aufzuräumen. Nur um danach völlig fertig in eines der Betten zu fallen, welches sie damit als das Ihre in Besitz nahm. Es dauerte demzufolge nicht lange, bis sie eingeschlafen und in ihrem Reich der Träume versunken war. Immerhin war das Bett gemütlich, auch wenn es nicht an ihr zuhause rankam, nicht einmal ansatzweise. Aber das war nur wieder der kurze, aufkeimende Gedanke, den die Französin schon seit Monaten auf dieser Insel bekämpfte. Vielleicht würde sich das ja nun auch endlich einstellen.
Wohl ausgeschlafen ließ Helena am nächsten morgen erst einmal ein leichtes und sanftes Stöhnen durch den Raum wandern. Es war schon etwas später, als man normalerweise aufstehen würde, aber sie war gestern Abend ja noch ordentlich beschäftigt gewesen. Es wunderte sie also nicht, das beide ihrer Zimmergenossinnen schon aufgestanden und demzufolge nicht im Bett aufzufinden waren. Sie war alleine in dem Zimmer. Nicht, das es sie nun großartig stören würde. Immerhin war sie mit zwei Mädchen auf dem Zimmer, die wohl eindeutig jünger warne als sie selber. Ein weiterer Seufzer in der morgendlichen Atmosphäre ertönte. Sie würde abwarten, wie sich das entwickeln würde. Also richtete sich die Engelin erst einmal innerhalb ihres Bettes auf und nahm sich ein paar Minuten, um sich an ihren wachen Zustand zu gewöhnen. Sie wollte zwar am liebsten einfach weiterschlafen, aber mit dem Faulenzen wollte sie an einem Sonntag in jedem Falle nicht anfangen. Morgen ging es immerhin wieder los, der Ernst des Unterrichts. Einmal streckte sich die junge Dame noch, dann zog sie ihre Bettdecke zur Seite und bewegte sich gekonnt elegant mit ihren Füßen auf den Zimmerboden. Es wurde wohl Zeit sich erst einmal fertig zu machen. Immerhin sollte eine Frau von Welt nicht unpräpariert in gesellschaftlichen Räumen erscheinen. Sie fackelte also nicht lange und schnappte sich die Kleidungsstücke, die sie sich bereits gestern noch zurechtgelegt hatte. „Dann wollen wir mal.“, ermutigte sie sich noch einmal selbst, dann machte sich die Französin auf zu den Waschräumen.
„Nein, das war ich nicht.“, kommentierte die Blondine die fehlende Einladung zur Kissenschlacht. Gleichzeitig stellte sie sich in einem ihrer inneren Monologe die Frage, ob sie denn überhaupt bei so etwas mitgemacht hätte. Die Antwort darauf fiel ihr verhältnismäßig schwer. Es würde wahrscheinlich darauf ankommen wer diese startete und wie gut man sich in diesem Moment kannte. Dann, so schlussfolgerte sie für sich selbst, würde das womöglich sogar mit ihr funktionieren. So spontan entschieden hätte sie es aber wohl eher abgelehnt. Allerdings kam sie um ein kleines und bedächtiges Schmunzeln nicht herum, was auch einen kleinen Moment den Weg an die Oberfläche der Blondine fand und sogleich zu einem kleinen Lachen aufblühte, als Damian andeutete, das sie die beiden anderen nur unter ihre Kontrolle bringen müsse. „Wahrscheinlich.“, bestätigte sie seine Vermutung und nickte noch einmal kurz dabei. Der Plan war ja wirklich nicht schlecht. Aber sie wollte, wie von ihr schon gedacht, nicht zur Zimmer-Mutti werden. Kontrolle ging da irgendwie mit ihrem Selbstverständnis dieses Sachverhalts einher. Sie würde wohl eine andere Balance finden müssen. Peinlich war es Inori, da war sich die Pariserin sicher, eindeutig.
Es kam die Zeit, wo es endlich in Richtung der letzten Station gehen sollte. So wie Damian es in ihrer Gegenwart betonte, klang es fast so als wolle er die Gemächer einer Prinzessin besuchen. Doch sie war weder adelig, noch eine Prinzessin irgendeinem Sinne. „Na ob es so luxuriös wird, das kann ich dir nicht versprechen.“, dämpfte sie so ein bisschen den Enthusiasmus. „Ein Zimmer aus Gold werde ich wohl nicht zu bieten haben.“, hängte sie noch etwas sporadisch scherzend hinten an und lächelte dabei dem Italiener ins Gesicht, während sie noch kurz darauf wartete, bis er die Tür zu seinem Wohnraum geschlossen hatte, Dann ging es auch schon ohne umschweife los. Mit einem Zielstrebigen, wenn auch lässigen Gang führte die Französin den Blondschopf hinaus aus dem Bereich der Jungen, über einen Flur hinweg und schließlich hinein in den Westlichen Teil des Stockwerkes. Der Teil, wo die Damen der Schöpfung ihr Dasein fristeten. Helena kam ins Grübeln. Was wenn man sie jetzt mit dem jungen Mann zusammen sehen würde und sich die Tuscheleien ausbreiten würden? Eine Sache die ihr nur spontan gerade in den Kopf stieg, sie aber dennoch bis zur Tür gänzlich beschäftigte. Zu ihrem Glück, kam den beiden niemand entgegen. Dann kamen sie schließlich mitten im Gang zum Stehen. „Zimmer 110“ stand da mit drei darunter eingetragenen Namen. Einer davon war unverwechselbar der Name von ihr. Immerhin hießen nicht viele hier Helena. „Da wären wir, mein Herr.“, griff sie die Etikette das letzte Mal auf und öffnete ihm die Tür um dieses mal ihm den Vortritt zu lassen, während eine Handgeste den Blondschopf unterstützend aufforderte. Der Blick auf das Zimmer wurde schon an diesem Punkt zu einem kleinen Teil freigegeben. Allein jetzt würde wohl schon deutlich werden, dass die Raumarchitektur hier eine ganz andere war. „Tritt ruhig ein und keine Sorge, niemand wird dich umbringen, Ohrfeigen, oder anschreien, wenn du einen Fuß hier hineinsetzt.“, ihr Blick schaute noch einmal prüfend in den Raum. „Ja, ich denke du kannst dich in Ruhe umsehen.“. Ein neckisches Lächeln zierte die Lippen der Blondine und die blauen Augen schauten auffordernd in seine Richtung. Eine Mini-Mutprobe, wenn man so wollte. Auch wenn diese im Endeffekt keine war. Es war schließlich nur ein Zimmer. Nur, weil da Mädchen wohnten, war das kein Weltuntergang oder verwerflich. Außerdem war es ja nicht so, als ob sich gerade jemand da drinnen umziehen würde.
Wenn er nun eintreten würde, konnte sie auch folgen und die Tür hinter ihm schließen. Ungestört umsehen sollte man sich immerhin auch können, oder nicht? Schließlich war ihrer Wenigkeit das bei ihm ja auch vergönnt.
Der Weg zu Helenas Zimmer war wirklich nicht weit. Aber das hatte der Bianchi auch nicht erwartet, schließlich befanden sich die Zimmer der Jungs und Mädels in demselben Stockwerk. Nur die Gemeinschaftsbäder waren dazwischen. Hoffentlich würde sich der Blondschopf nicht einmal vertun und plötzlich in dem Gemeinschaftsbad der Mädchen stehen. Würde wohl nicht gut ankommen. Lieber nicht weiter darüber nachdenken, also schob der Italiener diesen angsteinflößenden Gedanken ins Hinterstübchen. Helena verlangte nach seiner Aufmerksamkeit, als sie über den nicht vorhanden Prunk aus Gold sprach. Wie immer machte der junge Mann einen gespielt geschockten Ausdruck. Wie konnte man den Damen nur das Gold verwehren? »Kein Gold?! Unerhört.«, gab der Blondschopf von sich und machte einen empörten Ausdruck. Nebenbei bemerkte Damian, dass sie bereits vor besagtem Zimmer standen. Das Zimmer in eine neue Welt. Der Römer musste sich echt heftig zusammenreißen, dass ihm nicht schon wieder ein fettes Grinsen in sein Gesicht schlich. Er wollte schließlich nicht, dass Helena ihn für geistesgestört hielt. Das würden schon andere übernehmen oder eine ganz bestimmte Person. Diese Person hielt ihn sowieso schon für gestört, ein wenig gestörter machte da auch keinen Unterschied mehr. Damians bernsteinfarbene Irden hefteten sich an die Zimmernummer. Diese Nummer würde er sich einprägen. Helena schien ebenfalls nicht von ihrem Schauspiel abzulassen, ob nun freiwillig oder nicht, sei mal dahingestellt. Die Blondine öffnete dieses Mal die Tür für Damian, man konnte schon ein wenig von der Einrichtung erhaschen ohne dabei auch nur einen Schritt in das Zimmer zu tun. Bei ihren nächsten Worten konnte das Mischwesen nicht mehr an sich halten und ließ ein Lachen verlauten. Niemand würde ihn ohrfeigen. Dafür mussten die Mädels sowieso ein wenig früher aufstehen und eine Leiter mitnehmen. Genug dieser irrwitzigen Gedanken von hüpfenden ihn ohrfeigenden Mädchen. Er folgte Helenas Aussage und trat in das Zimmer ein. »Zum Ohrfeigen müssten deine Mitbewohnerinnen aber sicher noch ein Stück wachsen.«, gab der Blondschopf von sich und schenkte Hel ein schiefes Grinsen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass 13-14-jährige Mädchen über 1.80 Meter sein würden. Da müssten sie wohl der Gattung der Riesen angehören und das stellte sich Damian wiederum ein wenig schwierig vor. Hier war nämlich nichts riesengerecht eingerichtet. Was machte die Heimleitung eigentlich, wenn ein solches Wesen auf dieser Insel strandete? Zum Glück war es nicht sein Problem. Sein Problem bestand darin, sich jetzt in diesem Zimmer umzuschauen.
Helena hatte nicht gelogen, als sie meinte, dass es keine Stockbetten gab. Der Neid kam wieder ein wenig hoch. Wenn er es sich hätte aussuchen können, dann wäre er auch lieber in einem solchen Zimmer gelandet. Nichts ging aber über die Zweierzimmer im Waisenhaus. Das war noch immer die bequemste und komfortabelste Lösung gewesen. »Du hast nicht zu viel versprochen. Nur 3 Betten, kein Gold.« , gab der Bianchi grinsend von sich und drehte sich wie zuvor Helena einmal um die eigene Achse. Von der Größe her, würde er es ebenfalls als ungefähr gleich einstufen. »Was die Größe angeht, im Raten bin ich echt schlecht. Aber wird wohl ungefähr gleich sein.« Somit wurde das Thema Größe ebenfalls noch einmal behandelt und von dem Blondschopf kommentiert. Es gab hier auch 3 Schreibtische. Für jeden einen. In seinem Viererzimmer musste man sich die Schreibtische teilen, dafür konnte man aber auf einem Tischchen ebenfalls Hausaufgaben machen oder aber besagte Hausaufgaben abschreiben. Hoffentlich konnte Matthew für dieses Unterfangen herhalten. Und ansonsten würde er sich einfach auf in Hels Zimmer machen und sie solange bezirzen, bis es ihr zu blöd wurde und sie ihm die Hausaufgaben freiwillig gab, nur damit er endlich aufhörte. Perfekter Plan. Einfach nur perfekt. »Welches der 3 Betten ist deines?«, fragte der Blondschopf mit wackelnden Augenbrauen. Diese Frage wurde ihm immerhin auch gestellt. Und da war es nur fair, wenn er die Frage ebenfalls beantwortet bekam. Auf die Antwort wartend drehte sich der Blondschopf nochmal um die eigene Achse, nur dieses Mal langsamer, damit er keinen Drehwurm bekam. Es gab in diesem Zimmer noch eine weitere Tür. Kritisch beäugte der Italiener diese, als er mit seiner Drehung fertig war. »Sag mal, diese Tür..«, und damit zeigte er auf besagte Tür, »..führt in euer geheimes Spielzimmer?«, grinste er schief und beäugte die Blondine aus bernsteinfarbenen Irden.
Ein kleines Lachen entfloh Helena, als sich bemerkbar machte wie ernst Damian ihre Aussage mit dem Gold wohl genommen hatte. Bei dem Edelmetall waren bei ihm wohl alle Sinne geschärft worden. Da bahnte sich doch etwa kein Materialist in dem Italiener an, oder? Zumindest konnte die junge Dame eines sagen. Würde er jetzt noch an ihr hängen, vor allem nachdem er das jetzt wusste, ging es ihm zumindest nicht ums Geld. Eine positive Eigenschaft entlarvt durch einen kleinen Scherz am Rande. Sollte halt auch mal passieren. „Ich bin nicht so die Dame für Übertreibungen.“, gab sie schlicht und zurückhaltend als Statement ab und grinste leicht in seine Richtung. Das hieß nämlich nicht, dass sie es nicht konnte. Aber das war ein anderes Thema für später. Im Moment war es einfach umso faszinierender den Blondschopf beim Umschauen zu beobachten. Ob sie auch so ausgesehen hatte, als sie versuchte sich ein paar der Details anzusehen? Ein paar Ähnlichkeiten warne bestimmt vorhanden. „Bestimmt sind sie das.“, erwiderte sie dem Italiener und stellte sich in einem gewissen Abstand neben ihn, „Aber wir können das ja auch später noch einmal extra nachmessen.“. Ein grinsen zierte ihre Lippen, als ein nicht ganz jugendfreier Gedanke ihren Kopf passierte. An welches Wort in Damians Aussage dieser wohl angelegt war, konnte man nur erahnen. Fürs erste galt es nun, die Fassade aufrecht zu erhalten und zu einem sympathischen Lächeln zurückzukehren. Immerhin wollte sie doch einen recht vernünftigen Eindruck machen.
Ein Versuch der ihr durch das fokussierte Fragen ihrer Begleitung, welches der Betten denn ihr gehörte, unterstützt wurde. „Ich würde dich ja raten lassen…“, begann sie kurz etwas spannungsaufbauend und ein klein wenig schnurrend von sich, „…aber ich mach es dir mal einfach. Ansonsten hörst du nie auf mit den Augenbrauen zu wackeln.“. Mit dieser Aussage begab sie sich zu dem Bett ganz links und legte ihre Handtasche darauf ab, jedoch ohne ihm beim wegdrehen kein Augenzwinkern zukommen zu lassen. Ihre persönliche Kontermethode für die tanzenden Striche über seinen Augen. „Dieses hier ist es.“, fugte sie noch einmal an um Missverständnisse zu vermeiden und ihr Blick ging zwischen ihm und dem Schlafplatz der Pariserin hin und her. Eigentlich hätte man es auch am Duft erkennen können, so ein schneller Gedanke von ihrer Seite aus. Aber es war wohl kaum das Ziel des Klassenkameraden, in ihr Zimmer zu gehen und dann an der Decke zu schnüffeln. Was, auch von ihrer momentanen, hormonisierten Perspektive, sehr merkwürdig erscheinen würde. Wenn es nicht sogar der größte „Abturner“ der Geschichte war. Doch dieser Spur der Fantasie wollte sie ebenfalls nicht folgen und verbannte das sich anbahnende Kopfkino. Auch dieser Gedanke würde wohl unausgesprochen bleiben…zum Glück. Als der Fokus schließlich auf die andere Tür im Zimmer wechselte, verschränkte Helena zufrieden die Arme vor der Brust. Das war die Überraschung die sie ihm Vorenthalten hatte. Der Punkt, welchen sie nicht erwähnt hatte. Aber der junge Mann wäre wahrscheinlich von selbst auch nicht darauf gekommen, hier einen begehbaren Kleiderschrank zu finden. „Aber natürlich…“, schoss es mit ungewohnt ruhiger Stimme und einem Grinsen aus ihr heraus, welches Damians durchaus Konkurrenz machen würde. Es war unnötig zu erwähnen, dass dieser Kommentar den ohnehin schon angeworfenen Motor der Zweideutigkeit noch weiter in Betrieb nahm, „Das ist unser Spielzimmer, Damian. Unaussprechliche Dinge werden dort drinnen veranstaltet.“. Sie ging wieder zu Damian hinüber und stand nun mit vor der Tür. „Wenn du wüsstest…“. Etwas schockiert wanderte die linke Hand vor den Mund der Blondine und ein Erschrockenes einatmen folgte. „Oh nein! Jetzt habe ich es auch noch verraten!“, ließ sie noch in schauspielerischer Manier verlauten und ließ sogleich danach die Maskerade fallen. Das imitierte Grinsen des Italieners war verschwunden und ihr sympathisches Lächeln kehrt auf die Lippen Helenas zurück. „Jetzt habe ich wohl keine andere Wahl mehr, als dich einzuweihen.“, rappelte sie sich verbal wieder auf und nickte in Richtung der Tür. „Es ist ein Kleiderschrank, begehbar.“, klärte sie ihn auf, „Ein bisschen unfair, wenn du mich fragst, da ihr sowas nicht habt. Aber vielleicht ist es auch nur Zufall.“. Das war ihr vollster ernst. Egal ob Jungen nun so etwas brauchten oder nicht, es ging ums Prinzip. Sie konnten den Wohnraum ja auch anders benutzen, wenn sie wollten. Aber die Viererzimmer der Herren waren wohl nicht dafür ausgelegt. Wenn es Damian nicht passte, konnte er ja in ihr Zimmer ziehen. Aber da würden die aufschreie ihrer Zimmergenossinnen wohl zu groß werden. Außerdem müsste er auf dem Boden schlafen…obwohl, in den Schrank passte sicherlich auch ein Bett.
Das Zimmer zu vermessen, war zwar nicht auf seinem Plan gestanden, aber man konnte es versuchen. Man müsste nur irgendwoher einen Zollstock finden, ansonsten würde das Unterfangen ganz schnell in die Hose gehen. Damian ging aber nicht davon aus, dass Helena es wirklich ernst meinte. Im Grunde war es auch ziemlich irrelevant, wie groß die einzelnen Zimmer waren, solange ein Bett und ein Kleiderschrank darin vorkamen, konnte man Damian bereits glücklich machen. Zwar war er, was das Bett angeht, noch immer ein wenig skeptisch, aber wenn es in den nächsten Tagen nicht den Geist aufgab, konnte er wieder ganz beruhigt schlafen. »Wird schon irgendwie passen.«, gab der Italiener von sich und winkte mit der Hand ab. Er konnte bestimmt 100 Sachen aufzählen, die spannender waren, als das Zimmer zu vermessen. Aber danach fragte ihn niemand, darum hielt er brav seinen Mund und betrachtete weiterhin die Zimmereinrichtung des Mädchenzimmers.
Helena war wirklich ein sehr nettes Mädchen, wie Damian feststellen konnte. Sie beantwortete seine Frage nach ihrem Bett sehr schnell. Eine seiner Augenbrauen zog sich nach oben. Sie störte sich an seinem Augenbrauengewackel?! Das war doch nicht zu fassen. »Mach dich das nervös?«, grinste der Blondschopf und wackelte wieder weiter mit seinen blonden Brauen. Irgendwann sollte er aufhören so viel Blödsinn von sich zu geben. Das war wirklich nicht mehr feierlich. Aber solange Helena nicht die Beine in die Hand nahm, lag noch alles im grünen Bereich. Die Blondine würde ihn schon darauf hinweisen, wenn er endlich damit aufhören sollte. Der Römer beobachtete das Mädchen dabei, wie sie zu ihrem Bett schritt und ihre Handtasche darauf ablegte. Hel schlief auch links. Da hatten sie wohl eine Gemeinsamkeit. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Es war allerdings nichts, was Damian kommentierte. Er behielt seine Meinung für sich. Nun war seine Neugierde allerdings auf die besagte Tür gerichtet.
Gespannt hing der Italiener an den Lippen des Mädchens. Unaussprechliche Dinge wurden hinter dieser Tür veranstaltet, diese Aussage ließ sein Kopfkino nur so rattern. Nicht alle Gedanken und Bilder waren jungendfrei. Aber das war von Helena sicher beabsichtigt, nicht umsonst hatte sie eine solche Wortwahl in den Mund genommen. Die Blondine wollte wohl nicht so schnell mit der Sprache herausrücken und druckste noch ein wenig herum, ließ ihrem Schauspiel freie Bahn, welches der Italiener mit einem amüsierten Grinsen beobachtete und sich ein paar Schritte zu Helena gesellte. Schließlich wollte er ihre Mimik ein wenig genauer studieren. Er war kurz geneigt dazu sich zu ihr hinunterzubeugen, ließ es aber doch bleiben und richtete sein Augenmerk wieder in ihr Gesicht. Die Französin war der Meinung, dass sie gar keine andere Möglichkeit mehr hatte, als ihn in das Geheimnis des Spielzimmers einzuweihen, da sie bereits vorhin schon genug verraten hatte. Das war doch alles ganz nach seinem Geschmack und ein schelmisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er konnte es sich auch nicht verkneifen noch einmal kurz seine Augenbrauen tanzen zu lassen. Und dann kam die vernichtende Antwort. Hinter der Tür versteckte sich nur ein Kleiderschrank, aber dafür ein begehbarer Kleiderschrank. »Der Traum einer jeden Frau, nicht wahr?«, grinste der Blondschopf und richtete seinen Blick auf die noch geschlossenen Tür. Einen begehbaren Kleiderschrank brauchte der Italiener nicht, aber wenn es in seinem Zimmer einen gegeben hätte, hätte er ihn auch nicht verschmäht. »Ach, wir werden seine Abwesenheit verkraften.«, sprach Damian und nickte zur Bestätigung. »Darf man das Spielzimmer mal von Innen sehen?«, stellte er ihr sogleich die Frage aller Fragen. Darauf hatte die Blondine sicher schon gewartet. Schließlich hielt der Bianchi auch nicht mit seiner Neugierde hinter dem Berg. Und außerdem interessierte es den Römer, wie viele Klamotten sich hinter dieser Tür befanden. Man hörte schließlich immer nur Gerüchte über den Kleiderkonsum der Frauenwelt.
Ob ein Kleiderschrank mit begehbarem Interieur nun ein Segen für die Frauenwelt war, das vermochte sogar Helena nicht zu sagen. Zuhause hatte so etwas auch nicht gebraucht. Sie war zwar was Mode angeht immer oben mit dabei, aber man musste es ja auch nicht übertreiben, oder? Allerdings achteten manche Frauen ja wirklich immer penibel auf ihr Äußeres. Als gäbe es nichts wichtigeres auf der Welt. Das waren dann aber auch meistens die, welche Helena unter „Außen Hui und innen Pfui“ abstempelte. Außerdem kamen die alten Sachen sowieso irgendwann wieder in Mode, wie sie es bei den ganz alten Jacken und Überziehern ihrer Mutter immer wieder feststellen musste. Diese hatte sich die Blondine dann immer ausgeborgt, wenn es gerade passte. Aber sie driftete zu sehr ab. Mit ihrem ehemaligen Leben wollte sie sich nicht auseinandersetzen, zumindest nicht in diesem Moment. Deswegen fiel die Antwort der Pariserin auch nicht so enthusiastisch oder frech aus, wie man es eigentlich erwartet hätte. „Kann durchaus sein. Für manche ist das bestimmt ein Segen.“, kommentierte sie das ganze etwas defensiv und platzierte ein schnelles und entschuldigendes Lächeln auf ihren Wangen. „Ich muss meine Klamotten in jedem Falle nicht quetschen. Das ist meine positive Bilanz daraus.“.
Ihr ansteckendes Lächeln kehrte nun nach kleiner Abwesenheit wieder an die Oberfläche zurück. Es wäre auch nicht angebracht gewesen den Blondschopf vor sich nun mit ihrer neutralen Launen abzuspeisen die irgendwo tief in ihr lungerte. Das war für die Momente, wenn sie alleine war. „Na da bin ja erleichtert. Ich dachte schon ihr hättet so etwas bitter nötig.“, keck grinste sie Damian dabei ins Gesicht. Wer weiß? Sie hätten den Raum ja nutzen können um ihre dreckige Bettwäsche zu verstecken. Der innere Teufel der Französin lachte bei diesem Gedanken. Aber so einen schlechten Ruf hatten die Jungs hier gar nicht. Es würde die Pariserin nicht einmal wundern, wenn es nicht eher umgekehrt wäre. Sie persönlich zählte sich natürlich nicht in diesen Gedanken mit ein. Logisch, immerhin war ihre Erziehung gut gewesen. „Och..puh!“, stieß sie gespielt überwältigt von der Frage des Italieners aus und fixierte ihn mit ihren blauen Augen, schaute kurz weg, dann wieder zu ihm. „Das ist aber eine ganz schön schwierige Frage.“, ein grinsen zierte ihre Lippen und sie stemmte ihre beiden Arme an die Hüfte. Kurz danach verschränkte sie eben diese wieder vor der Brust. „Lass mich mal kurz reinschauen.“, verzögerte sie das erst einmal und schlängelte sich an ihm vorbei um die Tür einen Spalt lang zu öffnen. Es könnte ja gut sein, dass ihre Zimmergenossinnen etwas herumliegen hatten, was nicht für die Augen von Jungs geeignet war. Gott weiß, was Vierzehnjährigen so alles peinlich sein konnte und bevor das passierte, schaute die Blondine lieber einmal kurz rein. Dabei achtete sie natürlich darauf, dass die Neugierigen Augen eines bestimmten Jungen nicht viel zu sehen hatten. Allerdings, so wie sie es sah, war da nichts Verwerfliches. Nur Helenas Seite war etwas gefüllter als die der anderen beiden. Aber das war ja auch kein Wunder, zumindest nicht für sie selbst.
„Kannst dich umsehen.“, gab sie dem Blondschopf bescheid und öffnete die Schranktür so weit, das man nun reingehen und sich umsehen konnte. „Aber nur gucken, nicht anfassen!“, ermahnte sie ihn mit einem diabolischen Lächeln und verschränkte die Arme vor der Brust als wolle sie ihn ab sofort genaustens im Blick behalten. Dabei war es ihr im Grunde genommen eigentlich egal. Er konnte gerne ihre Kleider ansehen, die dort auf einem Bügel hingen. Nur bei den Schubladen würde die junge Dame ihm einen gehörigen Riegel vorschieben. Das ging ihr dann doch zu sehr ins private. Als wäre eine Zimmerbesichtigung nicht schon genug gewesen. Wobei sie selbst das nun absolut nicht als tragisch ansah. Sie verbrachte die Zeit die Damian zum begutachten des Schrankes brauchte damit, ihn genauer zu mustern. Etwas wozu sie nun die ideale Gelegenheit hatte. Schämen tat sie sich dafür nicht, warum auch? Durfte er ja auch machen und – das war ihre Meinung – hatte er bestimmt auch schon.
Anscheinend war die Blondine nicht so begeistert von einem begehbaren Kleiderschrank wie Mädels eigentlich sein sollten. Aber das war schon in Ordnung, machte sie sogar noch ein wenig sympathischer. Sie verbrachte wohl auch keine Stunden damit, sich in ihrem Kleiderschrank ihren Klamotten zu widmen. Das war auf alle Fälle ein Pluspunkt auf seiner noch imaginären geführten Liste. Diese Liste würde bestimmt bei Zeiten erstellt werden. Helena musste ihre Klamotten laut eigener Aussage zumindest nicht quetschen, was sie als äußerst positiv empfand. Dem konnte der Blondschopf nur beipflichten. Bügeln war keines seiner Steckenpferde, da konnte er vom Glück reden, wenn er ohne Brandblase aus seiner Bügelsession rauskam. »Na solange noch genügend Platz vorhanden ist, wirst du auch weiterhin kein Problem damit haben« , gab der Italiener von sich und nickte zur Bestätigung seiner Worte.
Helena machte sich über das Fehlen des begehbaren Kleiderschranks im Jungenzimmer lustig. Als hätten die Herren der Schöpfung einen solchen Raum nötig. »Pfffft. Was du schon wieder denkst.«, kommentierte er. Mehr musste man dazu auch nicht sagen, er wollte keine Diskussion darüber vom Zaun brechen. Jungs hatten ja bekanntlich nicht so viele Kleidungsstücke, natürlich gab es Ausnahmen. Aber meist wiesen diese Ausnahmen eine gewisse sexuelle Orientierung auf, darauf wollte er jetzt nun wirklich nicht näher eingehen.
Die Frage nach dem Hineinspähen in den Kleiderschrank war wohl ein wenig zu komplex, um sie gleich von Helena beantwortet zu bekommen. Natürlich wusste er um den Umstand Bescheid, dass sie ihn nur ein wenig ärgern wollte. Die Pariserin wollte ihn nur ein wenig auf die Folter spannen, damit er nicht gleich das Interesse verlor. Aber da war sie bei ihm an der falschen Adresse, so schnell gab er nicht klein bei, schon gar nicht wenn ihn etwas interessierte. Dabei war er recht geduldig, auch wenn es hieß, dass er Tage darauf warten musste. Die Blondine wollte zuerst selbst in den Raum spähen, bevor sie zu einer Antwort kam. Anscheinend gingen dort wirklich unaussprechliche Dinge vor, wenn man zuerst schauen musste, ob nicht etwas Peinliches zu finden war. »Ich warte.« , grinste der Blondschopf. Schade, dass Helena genug Köpfchen besessen hatte, um den Spalt gerade großgenug zu halten, damit die bernsteinfarbenen Seelenspiegel nichts darin erhaschen konnten. Verflixt aber auch. Dabei war der Riese wirklich super neugierig. Mit verschränkten Armen wartete er darauf, dass er sich endlich im unbekannten Ort umschauen durfte. Einen begehbaren Kleiderschrank hatte der Römer eigentlich noch nie von innen gesehen, dass war aber der Tatsache geschuldet, dass er selbst noch nie einen besessen hatte.
Nach ein paar Augenblicken war die Blondine wohl mit ihrer Besichtigung fertig und ließ verlauten, dass sich Damian getrost umschauen durfte. Er musste nur seine Flossen bei sich behalten. »Aber dann macht das Ganze doch gar keinen Spaß.« , schmollte er vor sich hin, ging jedoch die paar Schritte zum Kleiderschrank, damit er seine Neugierde befriedigen konnte. Nun stand er also in diesem sagenunwobenen Kleiderschrank und konnte nichts anderes sehen als Klamotten. Schnell war die Seite von Helena ausgemacht, sie besaß mehr an Kleidungsstücken als ihre beiden Mitbewohnerinnen. Schließlich hatte sie ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Es war aber immer noch im Rahmen, wie Damian fand. So viele Klamotten hatte bestimmt der Großteil der weiblichen Belegschaft vorzuweisen. Der Italiener verweilte kurz bei den Klamotten der anderen Bewohnerinnen, ehe er sich zielsicher zu Helenas Eck aufmachte. »Das ist also deine Ausbeute der letzten Jahre? Oder doch des letzten Jahres?« , grinste er und zeigte dabei auf besagtes Eck. Auf diese Antwort war er gespannt. Seine Augen gingen die aufgehangenen Klamotte n von Helena durch, dabei konnte er das Zucken seiner Hand nicht verhindern. Gerne würde er die Kleidung ein wenig genauer unter die Lupe nehmen, aber er musste seine Griffel bei sich behalten. Ein leises Muren zeugte von seinem Unmut darüber.
Der Italiener hatte die Erlaubnis bekommen das Reich der Damen der Schöpfung zu betreten und ließ es sich, das sah Helena jetzt schon, auch nicht lange bitten. Schien so als hätte sie ihn wirklich auf die Folter gespannt. Oder aber er suchte einfach nur ganz schnell nach einem Kleidungsstück, welches die Pariserin in Verlegenheit bringen würde. Aber da konnte er lange suchen! Er würde nie im Leben ihr eines, verdammt kurzes, Kleid finden. Das war in einer der Schubla…moment. Ein kleines zucken bewegte sich durch die blauen Augen der Französin, während sie ihre Position wechselte um hinter Damian vorbei an die Kleiderstangen zu schauen, wo ihre anderen Sachen hingen. Erleichterung! Es hing doch nicht dort! „Vielleicht überbelege ich es mir ja noch anders…wer weiß.“, griff sie seine Enttäuschung über das Anfass-Verbot auf und grinste leicht, wohl auch ein bisschen vor Erleichterung. Glück gehabt! Das dumme war nur, das sie sich jetzt nicht mehr so gut auf Damian konzentrieren konnte. Ihr Plan ihn zu begutachten, während er dort fasziniert stehen würde, war also nicht so erfolgreich gewesen. Nur einen kurzen Musterungsblick konnte sich die Blondine erlauben, bevor ihr Klassenkamerad mit der kurzen Besichtigung fertig war. Hauptsache er merkte nichts, das war ihr wichtig. Eines konnte sie aber schon einmal sagen: Der Oberkörper konnte sich, wenn seine Kleidung nicht log, in jedem Falle sehen lassen. Der Rest sah da bestimmt auch nicht schlecht aus. Sie sollte ihn mit in die Planung einschließen die sie schon seit ein paar Monaten hatte. Aber noch musste sie ja nichts überstürzen.
In jedem Falle folgte die bescheidene Pariserin dem Blondschopf einen kurzen Moment später. Nur, um sein Zucken in der Hand zu betrachten, als er sie auf ihre Kleidersammlung ansprach. Ein schmunzeln breitete sich in ihren Gesichtszügen aus, bevor es sich in einem etwas spitzbübischen Lächeln verlor. Der Reflex des jungen Mannes war ihr nur zu gut bekannt. Immerhin war es immer schöner etwas auch zu ertasten, wenn man es schon betrachtete. Das sorgte dafür, das man es besser in Erinnerung behielt. Ein kleiner zweideutiger Gedanke huschte Helena in diesem Moment durch den Kopf, aber den verwies sie auch sogleich wieder in die Schranken. „Vielleicht ist es ja beides?“, fragte sie etwas frech in seine Richtung und streifte einmal kurz mit ihrer linken Hand über eines ihrer Kleider. „Aber Spaß beiseite.“, gab sie von sich und zeigte auf die linke Seite der aufgehängten Mode. „Das sind die Kleider, die ich mitgenommen hatte.“, erläuterte sie mit zeigender Hand. Dann zog sie nach recht rüber. „Und das sind meine neuen Sachen.“, sie zog ein zweites weißes Kleid, anderer Machart hervor um es einfach als Beispiel zu nutzen. Die Kleidung würde ihn wohl nicht interessieren, wenn sie nicht an ihrer Haut kleben würde. Auch wenn sie dem Blondschopf ein gutes Modebewusstsein zutraute. „Ich habe sie nach ein paar Wochen nach meiner Ankunft angeschafft. In den Schubladen ist natürlich auch noch etwas.“, fuhr sie fort und zeigte unter und neben die Kleider. Das waren allerdings Sachen, die nicht für seine Augen bestimmt waren. Doch das war gerade nicht der führende Gedanke. Wenn er wüsste, wie schwer hier auf de Insel ein bisschen Mode aus Frankreich zu kriegen war. Das hatte ungefähr den gleichen Schwierigkeitsgrad wie eine Partie Schach gegen den Computer auf extrem hart zu gewinnen. Wenn nicht sogar noch härter!
„Aber na gut.“, begann sie schließlich kurz die Stille zu unterbrechen, „Du darfst die Sachen auch anfassen…wirklich.“. Ein ehrliches Lächeln entstand auf Helenas Gesichtszügen und sie stand in normaler Pose neben dem Italiener. Sie war immerhin nicht in der Kleidung, da konnte es ihr auch egal sein. „Kannst sie ja auch anprobieren…“, scherzte sie nebenher und grinste dabei etwas verstohlen in die Luft hinein. Ihr war vollkommen klar, dass ihm das in erster Linie nicht passen würde und auf die Zweite Überlegung hin es auch einfach unnötig wäre. Ihr Blick wandte sich entlang ihrer Kleider zu dem dort hängenden, marineblau gefärbten, Überzieher, den sie immer im Winter trug. Komisch, seit wann ist da ein Funken rot…oh nein. Da hatte sie das Ding reingepackt, verdammt. Der Blick der Blondine wandte sich fröhlich gen Damian. Hoffentlich würde er genau diesen nicht herausnehmen. Wobei, es war das einzige was er wirklich anprobieren könnte. Im Grunde genommen war es ja nicht anders wie ein Mantel…übertrieben versimpelt natürlich. Jetzt half nur noch beten.
Helena war ebenfalls mit in den Kleiderschrank gekommen um seine Fragen zu beantworten. Natürlich wollte sie ihn weiterhin auf die Folter spannen und druckste ein wenig herum, was die Anschaffung ihrer Kleider anging. Frauen. Immer musste man zwischen den Zeilen lesen oder sich die passende Antwort zusammenreimen. Aber die Blondine gab ihm kurze Zeit später eine zufriedenstellendere Antwort. Links waren die bereits vorhandenen Klamotten, welche sie mit auf die Insel genommen hatte und rechts waren die neu dazugekommenen Kleidungsstücke. Es ließ sich ein Muster ableiten. Es war einiges an weiß und blau vorzufinden. Vermutlich blieb sie weiterhin ihrer Heimat treu. Kleider schien Helena ebenfalls gerne zu tragen, wie sie mit einem weißen Kleid untermalte. Es ähnelte dem ihren, welches sie heute trug. Aber Damian war kein Modeexperte. »Da kommst du sicher ein paar Wochen aus, ohne auch nur ein Kleidungsstück zu waschen.«, grinste der Blondschopf. Man konnte schließlich einige Dinge öfter als einmal tragen. Außer man transpirierte unglaublich stark, dann müsste man wohl jedes Kleidungsstück gleich in die Wäsche pfeffern. Das Thema Schubladen ließ den Italiener wieder hellhörig werden. Er konnte sich schon denken, was sich in den Schubladen befand, daher würde er auch sicher nicht darin herumstöbern. Wobei das ja sowieso nicht ging, da das Nicht-Anfassen-Verbot noch stand. Selbst wenn es nicht bestehen würde, würde er sich nicht wie ein Bergtroll über die Schubladen hermachen. Eine Frau brauchte eine gewisse Anzahl an Geheimnissen. Machte die ganze Sache nur ein wenig interessanter. Seine bernsteinfarbenen Irden wanderten von der Schublade wieder zu den Kleidern. Geschlossene Schubladen waren nicht wirklich interessant zu begutachten. Mit in den Hüften gestemmten Händen stand der große Junge vor besagten Kleidern und versuchte sie mit seiner bloßen Willenskraft in Bewegung zu versetzten, damit er einen besseren Blick darauf hatte.
Seine Konzentration wurde von Helena unterbrochen. Das Gesprochene klang wie Musik in seinen Ohren. Die Blondine hatte ihm offiziell die Erlaubnis erteilt, ihre Sachen anzufassen. So schnell konnte sie gar nicht schauen, da war der Römer bereits mit seinen Händen an den ersten Bügeln. Mit prüfendem Blick musterte er ihre Kleidung. Sie war sehr geschmackvoll, ein wenig süß und einfach irgendwie Helena. »Mit dem Anprobieren wird es ein wenig schwierig werden.«, grinste der Italiener an Helena gewandt, mit einem Kleid behangenen Bügel mit Jacke drüber in der Hand. Das Kleid war in einem sehr auffälligen Rot und ob dieses Stück Stoff überhaupt noch als Kleid durchging, war eine berechtigte Frage. Damian hielt sich den Bügel mit Behang einmal kurz vor seinem Körper. »Ich glaube nicht, dass das genug verdecken würde. Das steht dir bestimmt besser als mir.«, gab der Blondschopf schief grinsend von sich und stellte sich gerade Helena in diesem Fummel vor. Zu welchem Anlass sie dieses Kleid bereits getragen hatte? Damian ließ seine Augenbrauen wieder einmal wackeln, schließlich war Helena diesem Gewackel schutzlos ausgeliefert, da sie sich ebenfalls noch im Kleiderschrank befand. »Das schreit förmlich nach einer Vorführung.« und damit reichte er ihr bereits den Bügel während er noch hinzufügte, »Ich warte solange draußen.« Mit einem schelmischen Grinsen und einem kurzen Nicken trat er aus dem Schrank und machte sogar die Schranktür hinter sich zu. Schließlich musste er ihr eine gewisse Privatsphäre einräumen, wenn sie schon das Kleid für ihn anziehen würde. Geduldig ließ sich der Blondschopf auf ihrem Bett neben der Tasche nieder und konnte nur hoffen, dass Hel diesen Spaß mitmachen würde. Natürlich hatte sich Damian ein ganz bestimmtes Kleidungsstück rausgesucht, man(n) wollte eben etwas geboten bekommen.
Ein Nicken streifte den Kopf der Blondine, als Damian meinte sie könne das waschen bei so vielen Klamotten auch mal sausen lassen. Klar konnte sie das, wenn sie ihren gesamten Kleiderschrank wirklich einmal durchprobieren wollte. Aber jeder wusste wohl wie das war, wenn man viele Klamotten hatte. Schnell waren Lieblinge herausgesucht und diese dann auch meistens öfters getragen. Die Französin würde also um das vorzeitige waschen nicht drumherum kommen. Es sei denn sie würde jemanden finden, der das für sie erledigt. Aber da war sie dann doch zu eigen, als dass sie diese Aufgabe an andere abtreten würde. Ihr Kleidung, ihre Verantwortung! So einfach war die Sache für ihre Wenigkeit geklärt. Doch das schien hier nicht weiter von Belang zu sein. Sie hatte den Blondschopf immerhin nicht in den Kleiderschrank gelassen, um ihre Waschgewohnheiten zu diskutieren. Zumindest nicht in erster Linie. Außerdem war es aus ihre Hinsicht wenig reizend nun das Waschmittel für weiße Kleider zu einem interessanten Gesprächsthema zu machen. Da hätte selbst sie den Italiener komisch angeschaut, auch, wenn sie es wohl über sich hätte ergehen lassen.
Zum Glück war das nicht der Fall und das ganze fing wieder an interessant zu werden, als die Pariserin ihrem Gast erlaubte bei den Kleidungsstücken auch selber mal Hand anzulegen. Ihre Blicke beobachteten den Italiener also dabei, wie er mit dieser Erlaubnis umzugehen vermochte. Griff er einfach drauf los? Oder ging er nach Interesse und bedacht? Die Neugier der Französin war beinahe übergroß, als sie sich darauf fokussierte genau diese Anspannung vor Damian zu verbergen. Eine junge Dame sollte sich immerhin nicht so leicht in die Karten schauen lassen. Es sei denn sie wollte es. So oder so bereitete Helena das nicht auf den Moment vor, der nun kommen würde. Denn ihre schlimmsten Befürchtungen wurden Wirklichkeit! Vielleicht gab es ja noch Hoffnung…nicht. Das Grinsen Damians sprach Bände und trotz ihres Lächelns kam sie um einen kleinen, beschämten, Seitenblick nicht herum. Was sollte sie jetzt noch dazu sagen? „Ja…ehm…“, drückte sie sich etwas träge aus, während ihr Kopf nach einem Ausweg aus der Misere suchte. Doch so weit kam sie mit dem Gedanken nicht. Die Rechnung war noch lange nicht voll ausgefüllt, so schien es. Er musste ja unbedingt noch erwähnen wie kurz es war! Die Pariserin versank in einem kurzen Moment der Stille und faltete ihre Hände hinter ihrem Rücken zusammen, während sie mit ihren blauen Augen mühe hatte, den Blickkontakt zu halten. Man wurde eben nicht alle Tage mit seinen „exotischeren“ Kleidern konfrontiert. Da konnte selbst die selbstbewusste Französin mal schwach werden.
Aber sie kam einfach nicht ums Lachen herum, als er erneut mit den Augenbrauen wackelte. Irgendwie hatte es ihr das angetan. Egal wie oft oder wann, sie konnte nicht anders als darüber zu lachen, oder innerlich zu grinsen. Gleichzeitig aber nahm ihr das in einem großen Stück die Anspannung weg und ihr Kampfgeist machte sich wieder breit. Der Kampfgeist einer Französin die sich nicht unterkriegen ließ! Zumindest nicht von sowas! Er wollte eine Vorführung? Dann sollte er sie kriegen! „Gut! Dann lass mich mal alleine.“, gab sie bestätigend zurück und verfolgte ihn mit einem aufmerksamen Blick in ihren blauen Seelenspiegeln, während er an ihr vorbei und hinaus aus der Kleiderkammer ging. Der Fokus änderte sich auch nicht, bis die Tür zum Kleiderschrank vollends geschlossen war. Ein Glück hatte das Ding eine eigene Lichtquelle. Im Dunkeln umziehen war nämlich nicht so ihr Ding…aber das war eine andere Geschichte. „Du willst also eine Vorführung, Damian…“, sprach sie leise zu sich selber, während sie den Bügel mit dem Kleid in ihren Händen hielt begutachtete. „Tres Bon, mon ami. Du sollst sie bekommen.“. Vorsichtig legte die Blondine den Bügel auf die Seite, während sie ein paar ihrer Schubladen öffnete. Sie brauchte…schwarz. Ja, genau das brauchte sie. Außerdem noch eine ihrer dünnen Strumpfhosen und die passenden Schuhe dazu, welche sich im hintersten Teil ihres Schrankinneren versteckt hatten. Ein Ort wo ihr Kleid auch hätte sein sollen, aber vermutlich war sie gestern Abend zu abwesend gewesen, als dass sie darauf geachtet hätte. Wie auch immer, es war ja nicht so als ob sie die Zeit zurückdrehen konnte. Jetzt musste die junge Dame damit leben, ob sie wollte oder nicht. Dementsprechend eifrig entfernte sie auch ihren Sommerhut von ihrem Haupt und entledigte sich kurzerhand auch dem weißen Kleid, was in diesem Moment noch ihre Haut bedeckte. Von außen hörte man wahrscheinlich in dem Moment nur dumpfes Türenklappen und das schließen und öffnen diverser Schubladen. Im inneren aber durchlief Helena eine Komplettumwandlung. Sie trug nun ihr kurzes, rotes, Kleid. Eines der Sorte die einen Ausschnitt in jedem Falle sehr gut betonten konnten und dessen Form sich auch sonst sehr elegant an den Körper der Trägerin anzuschmiegen vermochte. Die rote Farbe verdeutlichte das noch besser. Ganz ohne Zweifel ein Hingucker. Es bedurfte in jedem Fall nur noch ein bisschen Fantasie um sich ein Bild von Helena zu machen. Kein Wunder also, warum sie das nicht jeden Tag mit sich herumtrug. Sie hatte dieses Kleid immer so ein bisschen als versehen abgestempelt und hatte es in der Tat auch nur zweimal getragen. Danach war sie auf andere Sachen umgestiegen. Es war einfach nicht mehr so ganz ihr Stil. Aber Damian war wohl nun einer der glücklichen Leute.
"Une minute!", schallte es in femininen französisch aus dem Kleiderschrank heraus, dann schob sich die Tür des Kleiderschrankes auf. Heraus trat eine Französin auf roten, hochhackigen Schuhen, welche sich mit einer schwarzen Strumpfhose abwechselten. Diese wanderte die Beine hinauf und auf Hälfte des Oberschenkels – oder sogar noch darüber – begann das kurze, rote Kleid und ließ, wie der Blondschopf auch schon beim ansehen festgestellt hatte, nicht viel Raum für Interpretation. Außerdem hatte sie mit einer goldenen Kette am Hals, sowie mit einer Uhr ein paar Akzente gesetzt. Ihre Haare waren hingegen genauso wie vorher, offen. In ihren Augen ließ es das ganze etwas wilder wirken, aber da war ja jeder Mensch anders. In jedem Falle merkte, wie Helena am Eingang ein wenig stockte bevor sie das Zimmer gänzlich betrat. So eine Art Kleid trug sie da viel lieber in Gesellschaft, oder zumindest mit jemandem der ähnlichen Sachen trug wie sie es tat. Steigerte das Selbstbewusstsein und half sich nicht so allein zu fühlen, zumindest für sie. In diesem Moment versuchte sie also einfach so selbstbewusst wie möglich aufzutreten. Ihre linker Arm stützte sich an ihrer Hüfte ab, während der Recht einfach so herunter hing. „Et voila!“, kündigte sie sich selbst ein bisschen selbstironisch an um das ganze etwas erträglicher zu machen, während ihre Augen auf den Blondschopf gerichtet waren, der es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht hatte. „Gefällt dir was du siehst?“, fragte sie und ging auf ihr Bett zu, wo sie dann zwei Schritte vor ihm stehen blieb. Ihre Lippen zeichneten ein schwaches Lächeln. Eine kleine Drehung folgte. „Sag jetzt bloß nichts Falsches!“, scherzte sie ermahnend hinten nach und neigte sich etwas nach vorne. Warum sie das tat? Sie rächte sich, oder versuchte es zumindest. Wieso das Ganze nicht einfach ausspielen? Wenn sie sich denn jetzt schon einmal umgezogen hatte. Ein kleines Grinsen zog ihre Lippen nach oben. Ob er den Blicktest bestehen würde? Vielleicht. Ob sie flirtete? Auf jeden Fall. Von der Party würde sie ihm in jedem Falle gleich erzählen, wenn er es denn nicht schon wusste.