Am Rande des Stadtparkes umringt von hoch wachsenden Bäumen erstreckt sich ein kleiner Teich, dessen Wasser jedoch nicht sonderlich sauber ist. An gewissen Stellen ist der Teich am Rand auch sehr sumpfig - doch all das scheint dem Gewässer keinen Charme zu nehmen, wird er doch gut und gerne besucht. Sei es zum Enten füttern - ja, hier gibt es tatsächlich viele von ihnen - oder aber um sich ein kleines Boot in Form eines Schwans auszuleihen und ein paar Runden zu drehen. Oft sieht man auch kleine Jungs, die eben hiermit versuchen ihr Mädchen zu begeistern. Ob das gut geht?
Obwohl er sich (mehr oder weniger) entschuldigt hatte, fühlte sich Wen ertappt wie ein Hund, der die frischgebackenen Muffins von dem Esstisch stibitzt hatte, als der Geweckte ihn anblickte. Sein Blick verweilte jedoch nicht lange, denn im nächsten Moment, als er sich nicht stören lassend seiner vorherigen Tätigkeit nachgehen wollte, ließ ihn erneut etwas aufschrecken. Diesmal war es nicht der Aufprall eines Fußballs in der Bauchgegend sondern das Herunterrieseln der anscheinend heißen Zigarettenasche auf seinen Arm. Im diesem Moment war Wen die Zigarette zwar das erste Mal ins Auge gestochen, aber die Tatsache, dass ein Jugendlicher viele Jahres seines Lebens den Zigaretten verschenken würde, bereitete bei ihm kein Kopfschütteln. In China galt das Paffen schließlich als gesund und seriös, warum sollte es in Japan anders sein. Vielleicht war es das, aber darüber konnte sich Wen in diesem Moment sowieso nicht bewusst sein. Weitaus tödlicher schien hingegen der Blick zu sein, der ihm nun widerfuhr. Viel vernichtender und wütender als der vorherige Blick ließ er Wen in eine Eisskulptur erstarren, ohne dass er sich auch nur einen Millimeter rühren konnte, bis er nach einigen Sekunden wieder auftaute. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund und ließ sich von dem Rothaarigen anfahren, der nun … nicht mehr rothaarig war? „Locker bleiben … boah, wie hast du das gemacht?“ Der für Wen nicht zu erklärbare Haarfarbenwechsel von Rot zu Schwarz binnen wenigen Sekunden verwunderte ihn nur noch mehr und ließen ihn den Jungen prompt genauso ulkig erscheinen wie ein Chinese mit Gelbsucht. Trotzdem fühlte sich Wen von der Reaktion des Jungen überfahren, doch der Typ auf der Bank beendete sein Nickerchen ungewöhnlich schnell und entschuldigte sich genauso rasch bei ihm. Dabei färbten sich zu Wens Freude seine Haare wieder rot. „Ach was, ich hatte es nicht anders verdient.“, bekannte sich der Verbrecher für schuldig. Mit der Fußspitze versuchte er den Ball, der unter die Bank gerollt war, zu erreichen. Im nächsten Moment befand er sich wieder zwischen seinen Füßen. Als Wen hinabschaute, um ihn zu betrachten, bemerkte er, dass sich erneut ein Fetzen Leder abgelöst hatte. Geld für einen neuen Ball würde er eigentlich nicht aufbringen können, außer er würde die nächsten Tage mit Hungern und Arbeiten verbringen. Er dachte allerdings nicht weiter darüber nach, sondern lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen, der sich nach Wens Herkunft erkundigt hatte. „Ich komme aus China, genaugenommen aus Xi’an, falls dir das etwas sagt“, erklärte er und hatte dabei das Bild einer typischen chinesischen Großstadt vorm inneren Auge, „ich heiße übrigens Wen. Wirst wohl noch nicht von mir gehört haben, bin nämlich gerade erst auf der Insel angekommen.“ Voller Vorfreude, dass er bald schon seine erste Freundschaft auf Isola schließen könnte, kickte Wen den Ball mit allen Partien seines Körpers mehrmals in die Luft.
Ryo fuhr sich einmal über die müden Augen, die sich immer noch nicht an die Sonne gewöhnt hatten. Es war ihm hier eindeutig zu heiß! Er blickte kurz sehnsüchtig in Richtung des Teichs. Das Wasser schien herrlich erfrischend, trotzdem würde Ryo sicherlich nicht freiwillig drinnen baden. Der ganze See war umgeben von Sumpfgebiet. Außerdem hatte Ryo keine Lust sich das Wasser mit Fröschen oder Schlangen zu teilen. Er nahm den Blick wieder vom kühlen Nass und blickte zu dem Schwarzhaarigen. Wen sah aus wie ein begossener Pudel, doch einen Moment später hatte er sich ebenso schnell wieder gefasst wie sich die Haarfarbe des Rothaarigen zuvor verändert hatte. Zu Ryos Glück nahm es Wen ihm nicht einmal übel, dass er ihn so angefahren hatte. Ziemlich korrekt von Wen, der anstatt zu kontern erneut seine Schuld beteuerte. Ganz so war es in Ryos Augen nun auch wieder nicht, aber jetzt waren sie sozusagen quitt: Fußball in Magengegend gegen eine unfreundliche Antwort. 1 zu 1. Leicht verlegen über die Begeisterung des Werwolf über die geänderte Haarfarbe fuhr sich Ryo durch die Haare, sodass sie noch mehr abstanden, als sie es ohnehin schon taten. "Gestanltenwandler können so etwas für gewöhnlich." Er grinste einmal breit. Das einzig gute, dass Ryo bis jetzt an der Schule aufgefallen war, war dass alle hier magische Gene hatten und er seine "wahre Natur" nicht immer zu verstecken brauchte. Er machte keine Hel aus seiner Rasse, immerhin gab es nichts für das er sich hätte schämen müssen. Er folgte einige Male dem etwas mitgenommenem Fußball mit dem Blick, bevor es ihm zu blöd wurde er er stattdessen wieder Wen anblickte. "Nein, sagt mir nichts." Wen kam also aus China. Das erklärte auch das komische Kindergeprabel von vorhin. Es war Chinesisch, deshalb hatte Ryo es nicht verstanden. Womöglich hatte es sich um eine Begrüßung oder eine Entschuldigung gehandelt. Beides war dem Rothaarigen recht, zeugte es doch von Höflichkeit. "Ryo." Stellte der Gestaltenwandler sich knapp vor. Hätte Wen nicht Fußball gespielt, hätte er dem Jungen wahrscheinlich die Hand hingehalten, so entschied er sich aber dagegen. Ryo wollte den Werwolf nicht unterbrechen, schien er doch so glücklich bei dem was er tat. Im Gegensatz zu Ryo schien er einen guten Tag zu haben, oder er war einer dieser Dauergutgelaunten - das Glasistimmerhalbvoll- Typen, die voller Tatendrang und Begeisterung für alles und jeden waren. Er nickte kurz in Richtung des Balles als er Wens unglückliches Gesicht über dessen Zustand sah. "Wenn du mal einen Neue brauchst: Im Geräteschuppen kann man sich Bälle ausleihen. Ich kann ihn dir bei Zeiten mal zeigen, wenns is." Er schaute kurz in die Richtung, in der ungefähr der Geräteschuppen liegen musste. Da wen neu an der Schule war, würde ihm zwar nicht viel sagen, aber es war eine gut gemeinte Geste. "Du bist neu und dein erster Weg führ dich an solch einen abgeschiedenen Ort?" Ungläubig schaute Ryo den Schwarzhaarigen an. Normalerweise verirrten sich nur selten Schüler oder Lehrer hier her, umso wunderlicher, dass es Wen ausgerechnet hier her verschlagen hatte. Der Rothaarige schob seine trübsinne Laune beiseite. Die Lust nach Bewegung packte ihn, während er Wen beim Fußball spielen zu sah. Etwas schwerfällig, eine Hand in der Hosentasche, stand er deshalb auf. Kaum stand er, lies er das Skatboard mit einer geübten Handbewegung in seine Hände schnallen und lehte es gegen die Bank. Unbewachte, rollende Skatboarde waren ziemlich gefährlich, zumindest hatte Ryo diese Erfahrung gemacht.
Verständlicherweise hatte der Junge, der sich im Nachhinein als Ryo vorstellte, noch nie von Xi’an gehört. Das konnte man ihm kaum vorwerfen, schließlich kannte der Chinese im Gegenzug nur drei, vier japanische Städte, wovon zwei Tokyo und Yokohama, die zwei größten Städte Japans, waren. Was gab es in Xi’an auch zu sehen? Die Stadt war riesig, aber das war es auch schon. In japanischen Städten traf man dafür auf sonderbare Personen wie Ryo, der sich als Gestaltenwandler bekannte. Vermutlich beherrschte er die Fähigkeiten, die im Namen der Rassen beinhaltet waren und von der er bereits eine kleine Kostprobe gegeben hatte: er konnte seine Gestalt wandeln. Oha, Wen hätte sich jetzt für verdammt clever gehalten, wäre er nicht so bescheiden. Der Name des Jungens war also Ryo und die Rasse, der er zugehörte, die Gestaltenwandler. Wahrscheinlich waren das – der Name und die Rasse – die zwei wichtigsten Eigenschaften, die man über eine Person auf Isola wissen sollte, bevor man sich auf sie einließ. Wen unterschlug entgegen dieser These jedoch jegliche Andeutungen auf seine Rasse. Zu grausam waren die Taten, welche er in dieser Form begangen hatte, und zu nah lagen sie noch in der Vergangenheit. Er verließ sich darauf, dass Ryo keine Gegenfrage zu seiner Rasse stellen würde, ansonsten müsste er notgedrungen lügen, er sei eine Fee oder eine Nixe. Dem Werwolf war nicht entgangen, wie Ryos Blick dem in der Luft umherhüpfenden Fußball gefolgt war. Vermutlich waren ihm dabei die starken Gebrauchsspuren an dem Ball aufgefallen, denn kurz darauf informierte er Wen über die Möglichkeit, sich einen Ball im Geräteschuppen auszuleihen. Der Sparfuchs horchte auf, als er das Wort „ausleihen“ vernahm. Wie, wo und wann? Das war natürlich die angenehmere Alternative zum Hungern und Arbeiten, und solange es Geldausgaben ausschloss, war er selbstredend dabei. „Unbedingt!“ Mehr brachte er in diesem Moment nicht heraus. Von dieser Idee besessen starrte er sekundenlang in die Richtung, in der Ryo den Geräteschuppen vermutete. Müsste dort nicht die dazugehörige Schule liegen? Egal! Kostenlose Bälle! Dass er direkt auf einen Jungen getroffen war, der dieselbe Schule besuchte, wurde in diesem Moment lückenlos ausgeblendet. Ryo hielt es für suspekt, dass sich Wen als Neuling zu solch einem abgeschiedenen Ort begeben hatte. Eigentlich eine gute Frage. Wie hatte er überhaupt hierhergefunden? „Ich bevorzuge abgelegene Orte“, log Wen mit einem gruseligen tiefgeschnittenen Grinsen, denn tatsächlich hielt er sich überall gerne auf, „außerdem haben die Kinder den kompletten Spielplatz besetzt. He, wir sollten sie weggruseln.“ Was für eine Schnapsidee, die er höchstwahrscheinlich durchgeführt hätte, hätte er bei seiner kopflosen Abreise von Zuhause bloß eines seiner makabreren Halloweenkostüme in seine Tasche gepackt. Dann sprach er Ryo endlich auf das Skateboard an, welches nun gegen die Bank gelehnt war: „Hast du was drauf beim Skateboarden?“ Natürlich müsste er das haben, wozu trug er sonst ein Skateboard mit sich herum, könnte man meinen. Allerdings war Wen, der zu seinem Teil auf dem Brett einzig und allein kontinuierlich geradeausfahren konnte, schon dem ein oder anderen Untalentierten begegnet, der sich lediglich damit schmückte. Skateboards waren häufig nicht weniger ein Statussymbol als schnelle Autos oder Markenklamotten. In diesem Fall stand es allerdings nicht für Neichreichtum sondern für gespielte Coolness.
Ryo beobachtete den Schwarzhaarigen kurz. Er schien über etwas nachzudenken. Welcher Rasse er wohl angehörte? Ryo würde nicht nachfragen. Die Frage welcher Rasse man angehörte fand er viel zu persönlich, als dass er sie nach solch einem kurzen Treffen hätte stellen können. Trotzdem schwirrte die Frage nach der Rasse des Jungen in seinem Kopf herum, ebenso wie er immer noch hoffte, dass seine Mutter anrufen würde. Kurz zog er sein Handy aus der Hosentasche, bevor er es, ohne eine Nachricht erhalten zu haben und ohne dass das Handy einen verpassten Anruf anzeigte wieder zurück schob. Wie auch? Ryos Handy war für gewöhnlich auf laut gestellt, und falls ihn wirklich jemand angerufen hätte, hätte man die Musik sicherlich nur schwer überhören können. Ryo lies sich zu einem halbherzigen Lächeln herab, als Wen voller Begeisterung meinte, er müsse sich einen Ball ausleihen. Anscheinend hatte er einen Nerv des Jungen getroffen, den dieser schaute fast hypnotiesiert in die Richtung des Geräteschuppens, bis er sich schließlich wieder losreißen konnte und ihm den Grund für seinen Aufenthalt an diesem verlassenen Ort erklärte. Ryo nahm ihm die Antwort nicht ganz ab. Er bevorzugte abgelegene Orte wollte aber gleichzeitig Kinder vom Spielplatz weggrußeln? Diese kindische Seite wollte einfach nicht zu einem Einzelgänger passen, der seine Zeit lieber alleine an abgelegenen Orten verbrachte, als beispielsweise am Strand. Dort wimmelte es nur so vom Menschen. Wobei dort sicherlich der Spielplatz auch nicht leer sein würde. " Du willst kleine Kinder vom Spielplatz vertreiben?" Ryo war nicht der Typ für so etwas. Es war sicherlich amüsant den Kindern zuzuschauen, wenn sie vor einem verkleideten Wen wegrannten, der sich wahrscheinlich vor lachen nicht mehr halten konnte. Ryo bevorzugte jedoch eher einen passiven Teil in dieser Schreckaktion: Zuschaun, und sich von der Seite her über die erschreckten Gesichter der Kindern amüsieren. Er blickte kurz in die Richtung, in der der Spielplatz lag. Ab und zu hörte man einige Rufe und Kindergelache, bis der Wind die Fetzen wieder wegtrug und man nur noch das Quaken der Frösche hörte. Im Moment war Ryo diese Stille eindeutig lieber. Als Wen ihn auf das Skatboard ansprach, erhellte sich das Gesicht des Jungen etwas. Er war keiner dieser Teenager, die das Skateboard nur mit sich herumtrugen um "cool" zu wirken. Das war Ryo erstens viel zu unpraktisch und zweitens war es ihm egal ob andere ihn für cool oder streberhaft oder sonst irgendetwas hielten. Wäre Ryo ein etwas gesprächigerer Typ, hätte er Wen jetzt wahrscheinlich einen Haufen Geschichter erzählen können: Wie es dazu kam, dass er überhaupt angefangen hatten, wie lange er gerbaucht hatte um überhaupt einen Halfpipe runterfahren zu können, ohne sich aufgeschürfte Knie und Ellbogen zu holen oder wie er zusammen mit seinen Freunden durch die Stadt gefahren war, jeder mit einem anderen Fortbewegungsmittel. Aber all das tat er nicht, stattdessen nickte er nur einmal kurz. "Kommt drauf an, was du unter "was drauf haben verstehst." Ich falle nicht runter und kann ein paar Tricks, aber haupsächliche fahre ich damit, weil es Spaß macht." Er wollte sich nicht mit falschen Lorbeeren schmücken. Bescheidenheit war eines der Charakterzüge, die Ryo auszeichneten, ebenso wie seine meist nicht sonderlich ausführlichen Antworten. Erst mit der Zeit lernten die meisten, dass seine kruzen Sätze mehr Inhalt hatten, als sie auf den ersten Blick vermuten liesen. Ryo hatte 10 verschiedene Arten den kleinen Satz "Ich weiß es nicht." auszusprechen, wobei nur ungefähr drei davon wirklich bedeuten, dass er es nicht wusste und die anderen sieben hießen entweder er wollte nicht darüber reden oder man sollte nachfragen. In solche Sachen war er vllt. etwas weiblich angehaucht, auch wenn die Tatsache, dass Frauen nie meinten, was sie sagten, doch sehr klischeehaft war. Er nickte kurz in Richtung des Fußballs. "Du scheinst allerdings etwas draufzuhaben." Indirekt stellte er somit die Frage, warum er spielen konnte oder auch ob er im Verein spielte.
Ryo hatte für einen kurzen Moment sein Handy aus der Tasche gezogen, Wen vermutete, um die Uhrzeit zu checken. Wie viel Uhr war es eigentlich? Der Wechsel der Zeitzonen hatte ihm zwar nur eine Stunde genommen dafür aber auch sein komplettes Zeitgefühl. Die Sonne stand nicht mehr ganz so hoch wie vor wenigen Stunden, so konnte er zumindest aussagen, dass bereits später Nachmittag war. Was spielte das auch für eine Rolle? Auf Isola hatte er keinen Vater, der ihn pünktlich zum Abendessen erwartete. Obwohl sein Vater das zuhause ebenfalls nie von ihm verlangt hatte. Leider. Dass Wen abgelegene Orte bevorzugte, kaufte ihm Ryo allem Anschein nach nicht ab. Nunja, es sollte halt nur ein Scherz sein. Er ging jedoch nicht weiter darauf ein, sondern hackte über Wens Plan bezüglich der Kindervertreibung vom Spielplatz nach. „Wie?! Machst du das nie?“, fragte Wen im Gegenzug, auch wenn sein Plan aufgrund einer fehlenden Maskierung sowieso verfallen war. Vermutlich hätte er nichtmals eine benötigt, denn allein seine pechschwarzen Augen flößten dem ein oder anderen dämonische Angst ein. Dafür müsste er aber erst mal sein dauerfröhliches Gesicht abschrauben, was im Moment unmöglich war, schließlich fand sich kein Grund, der ihm das Lachen vergehen lassen könnte. Ryo gab nur wenig von seinem Können preis, verriet jedoch, dass ihm das Skateboarden Spaß bereitete. Es gab keinen Grund, ihm in diesem Punkt nicht zu glauben, zumal Ryo im Generellen sehr vertrauenswürdig wirkte, ähnlich wie Wen. „Skateboards sind cool und vor allem eine günstige Alternative zu Autos und Fahrrädern.“, fand dieser und führte in Gedanken wieder mal einen Preisvergleich durch. Wäre seine Körpermotorik nicht so schwer in den Griff zu bekommen, würde er damit vermutlich selber durch die Stadt sausen. Wen ließ den Fußball auf den Boden fallen und stoppte ihn mit der Unterseite seines linkes dunkelbraunen Stoffschuhs. Die Schuhe schienen auf den Ball wie abgestimmt: sie waren ebenso zerfleddert und ausgeleiert. Beschmutzt waren sie hingegen nicht, da Wen sich selber und seine Habseligkeiten stets sauber hielt. Er hätte schon fast von einem Wunder sprechen können, dass die Schuhe nach all den Jahren immer noch tragbar waren. Bei dem ein oder anderen wären sie längst verfallen oder in der Altkleidersammlung gelandet. Wen betrachtete Ryos Kleidung, vielleicht sogar etwas neidisch. Ein ordentliches Hemd hätte er sich auch gerne leisten können. Ob er selber etwas draufhatte? Nicht beim Skateboarden sondern beim Fußballspielen, verriet Ryos Kopfbewegung zum Ball hin. „Es geht“, gab er ebenso bescheiden wie der Skateboarder zurück, „ich komme aus armen Verhältnissen, da blieb kein Geld für Spielekonsolen, weshalb ich mir die Zeit oftmals auf der Straße mit einem Ball vertrieb.“ Ob er heute genauso sportlich wäre, wenn er in einem reichen Haushalt aufgewachsen wäre? Wäre er dann überhaupt hier? Er wusste es nicht, mochte sich aber auch keine Gedanken über so etwas Tiefgründiges machen (Tiefgründig?). „Hier“, sagte er nun und passte Ryo den Ball zu, „aber nicht kaputtmachen.“ Als ob er das nicht schon wäre.
Ryo musterte den Schwarzhaarigen kurz, der immer noch nicht locker lies und an seinem Plan die Kinder zu erschrecken festhielt. "Normalerweise nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden." Gab er schließlich eine nichts aussagende Antwort, um Wen zufrieden zu stellen. "Sonderlich furchteinflösend sehen wir eh nicht aus." Er schaute dem Schwarzhaarigen kurz in die Augen. Waren diese NUR schwarz? Das Licht musste sich etwas sonderbar spiegeln, denn einen Menschen mit solch schwarzen Augen hatte er noch nie gesehen. Womöglich war es auch ein ganz dunkles blau. Ryo kam kurz der Gedanke, dass Wen auch Kontaktlinsen tragen könnte, doch diese Idee verwarf der Rothaarige sofort wieder. Oder, womöglich eine vierte Variante: Er war ebenso wie Ryo selbst ein Gestaltenwandler und fand es nun mal lustig, mit rabenschwarzen Augen durch die Gegend zu laufen. Nach dem ersten Eindruck Wens konnte sich das der Rothaarige sogar vorstellen. Wobei er dann nicht so verwirrt über den plötzlich Haarwechsel reagiert hätte. Aber was machte er sich eigentlich Gedanken darüber? Jeder auf der Insel war etwas anders als jeder andere, darüber musste man sich nicht unnötig Gedanken machen und seine Zeit vertreiben. Ryo hatte nie große Geldprobleme gehabt, weshalb ihm nie der Gedanke gekommen war sein Skatboard als eine günstige Alternative zu Autos und sonstigem zu sehen. Aber Ryo musste Wen zustimmen, weshalb er kurz nickte und seinen Blick auf das Skatboard schweifen lies. "Du kannst gerne damit fahren, wenn du willst. Solange ich es heil wieder bekomme." Dafür mussten sie zwar die Stille des Teiches verlassen, aber seitdem Wen gekommen war, konnte man sowieso nicht mehr von "Stille" reden. Nicht diese abolute Stille, die zuvor geherrscht hatte. Eigentlich hatte Ryo diese Stille gar nicht vernommen, immerhin hatte er Kopfhörer auf. Instiktiv griff er kurz in seine Hosentasche um zu testen, ob der I-pod noch drinnen war. War er, natürlich. Aber Angewohnheiten konnte man eben schlecht ablegen, und eine Angewohnheit des Rothaarigen war es ungefähr alle zwei Minuten zu schaun, ob Handy, Schlüssel, i-pod und Geldbeutel noch in seinen Hosentaschen waren. Und seine Zigaretten und das dazugehörige Feuerzeug, in Suchtmomenten viel wichtiger als Geldbeutel oder Schlüssel. Apropos Suchtverhalten. Ryo wollte sich eigentlich eine Zigarette anzünden, als Wen ihm den Ball zuschmiss und meinte, er solle ihn nicht kaputt machen. Was für eine Ironie. Sah er ja nicht schon aus, als wäre er aus einer andere Zeit. Er fing den Ball mit der Brust auf und lies ihn auf seinen Fuß fallen. Er kickte den Ball ein, zwei mal in die Höhe, einen weitaus konzentrierten Blick aufgesetz als Wen, bevor er den Ball wieder zu dem Jungen zurück spielte. "Funktioniert doch eh noch." Meinte er mehr zu sich selbst als zu Wen. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass ein solch kaputter Ball erstes noch so viel Luft hatte und zweites auch noch "rund" war und keine Dellen hatte.
Nein, als furchteinflößend konnte man die beiden Burschen, so mysteriöse Fähigkeiten sie auch besaßen, in der Tat nicht bezeichnen. Dennoch schien Ryo recht offen, und hielt es nicht für ganz abwegig, dass er ebenfalls mal Kindern einen Schrecken einjagen würde. Wen kam der Gedanke, dass der Rothaarige als Gestaltenwandler sicherlich auch gruselige Formen draufhatte. Eigentlich wusste er aber gar nicht, was solch ein Gestaltenwandler überhaupt draufhatte. Im nächsten Moment bot Ryo Wen sein Skateboard an. Dieser lehnte er jedoch lächelnd mit einer Handbewegung ab: „Das kann ich dir nicht versprechen, also besser nicht.“ Bei seinem Können würde er es sogar schaffen, gegen den einzigen Baum im Umfeld zu fahren. Aber auch das war irgendwie gekonnt. Erneut griff Ryo in seine Hosentasche, diesmal jedoch nicht, um einen oberflächlichen Blick auf sein Handydisplay zu werfen, sondern scheinbar um etwas zu kontrollieren. Daraufhin griff Wen ebenfalls in seine Hosentasche. Nun war er es, der sein Handy zückte. „Wie wär’s, wenn wir Handynummern austauschen? Ich hab sonst niemanden auf der Insel, und falls ich mal in eine heikle Situation gerate …“, schlug er vor und reichte Ryo zum Eintippen seiner Nummer das alte Handy, welchem scheinbar genauso viel Tritte wiederfahren waren wie dem Fußball. Für sogenannte „Smartphones“, mit denen jeder herumzulaufen schien, reichte Wen weder das Geld noch das Bedürfnis danach. Mit der Zweckerfüllung seines jetzigen Handys war er mehr als zufrieden. Wer brauchte überhaupt diesen ständigen Zugriff ins Internet? Viele, aber wer brauchte es wirklich? Ryo nahm den Ball an, kickte ihn in die Luft und passte ihn anschließend zurück zu seinem Besitzer, dessen Augen sich als positive Reaktion darauf etwas weiteten. Japan war genauso wenig wie China eine Nation des Fußballs. Zumindest standen sie im internationalen Vergleich anderen Ländern in jeder Weise hinterher, weshalb sich Wen jedes Mal aufs Neue freute, wenn sich ein Asiate sichtbar für Fußball begeistern konnte. Des Weiteren sah er in Ryos Trickserei und Aussage eine Bestätigung, dass der Ball trotz starker Gebrauchsspuren noch spielbar war. Zum Geräteschuppen würde er sich in der nächsten Zeit trotz dessen begeben. Allein schon wegen anderen Bällen, denn über einen Basketball verfügte er selber im Gegensatz zu einem Fußball nicht. „Einen Moment.“, entschuldigte sich Wen, hechelte zu seiner Reisetasche, welche sich glücklicherweise noch zurückgelassen an ihrem Platz im wildwuchernden Rasen befand, warf sie sich über die Schulter und kehrte zurück zu Ryo, nur um an ihm vorbeizulaufen. „Du alter Hase kannst mir bestimmt etwas von der Insel zeigen.“, sagte er beim flüchtigen Vorbeigehen und ging vor, obwohl nicht er derjenige war, der sich hier auskannte.
Ryo war froh, dass Wen ehrlicherweise zugab, dass er nicht wirklich Skatboard fahren konnte. Der Rothaarige hatte zwar keine Geldprobleme wie Wen sie hatte, dennoch war er nicht scharf darauf sich ein neues Skatboard zu kaufen. Erstens liebte er eben gerade dieses Skatboard und zweitens war er sich nicht einmal sicher, ob man auf dieser Insel ein neues Skatboard erwerben hätte können. Entgegen seiner ehrlichen Meinung zuckte er nur kurz mit den Schultern, sodass es den Anschein hatte als wäre ihm egal ob Wen damit fahren konnte oder nicht. „Dann nicht.“ Erneut dieses nichtssagende Schulterzucken, bevor Wen sein Handy aus der Hosentasche zog und ihn darum bat Handynummern zu tauschen. Ryo blickte den Schwarzhaarigen kurz skeptisch an. Obwohl er seit Anfang des Schuljahres auf dieser Insel war, hatte er zu keinem richtig Kontakt geschlossen. Das lag wohl daran, dass er die meiste Zeit in diesem Park verbrachte, an einem der abgeschiedensten Orte, die er hatte finden können. Er hatte nichts gegen soziale Kontakte, doch zu Beginn des Schuljahres hatte er keinem seine schlechte Laune antun wollen. Wen schien es nicht zu stören, dass er zu Beginn relativ unfreundlich gewesen war und auch jetzt nicht wirklich gesprächig schien. „Was verstehst du unter einer heiklen Situation?“ Frage er interessiert nach, nachdem er nach dem Handy gegriffen hatte um seine Nummer einzutippen. Das Handy schien genauso als zu sein wie der Fußball des Werwolfs, jedoch war es nicht ganz so beschädigt. Nachdem er fertig war mit eintippen und voreilig auf „Kontakt speichern“ gedrückt hatte, gab der Rothaarige Wen das Handy zurück, bevor er sein eigenes Handy aus der Hosentasche zog. Im Gegensatz zu Wen´s Handy war es ein relativ neues Modell, ein Smartphone. Auch er hatte keinen ständigen Internet zugriff, aber Ryo hielt sowieso wenig von sozialen Netzwerken, weshalb er überhaupt kein Internet ab Handy benötigte. Soziale Netzwerke waren einfach nichts für den Rothaarigen. Es wurde erwartet, dass man seinen ganzen Tagesablauf postete und dass man, wenn man angeschrieben wurde auch zurück schrieb, da es sonst sofort hieß: „ Wieso hast du mir nicht mehr zurück geschrieben? Magst du mich nicht mehr?“ Dass Ryo einfach keine Lust hatte stundenlang auf Facebook oder ähnlichem zu verbringen schien jedoch keine zu verstehen. Viel lieber verbrachte er seine Zeit mit Onlinerollenspielen, in denen es galt Strategie anzuwenden. Ryo hielt, ebenso wie Wen zuvor, dem anderen Jungen sein Handy hin und bat ihn somit stumm, auch seine Nummer einzutippen. Wen hätte ihn auch einfach anrufen können, aber so ging es wahrscheinlich fast genauso schnell. Dann holte Wen seine Tasche raus und schon im nächsten Moment spazierte er vom Teich weg.
Ryo schaute dem voreiligen Wen kurz hinterher, bevor er sich sein Skatboard schnappte und ihm schnellen Schrittes nachging, sodass er ihn bald wieder eingeholt hatte und neben ihm hergehen konnte. Sein Skatboard trug er dabei locker in der einen Hand, die andere war in seiner Hosentasche verschwunden. Kurz blickte er zu dem kleinen Teich zurück, bevor er eine Zigarette aus seiner Schachtel zu Tage brachte und sie sich nach einigen Mühen im Gehen anzündete. Den Rauch einziehend überlegte er kurz, was genau Wen sehen wollen würde. Doch der Werwolf ging so zielstrebig vorran, dass Ryo schließlich erneut einfach mit den Schultern zuckte und den Schwarzhaarigen vorgehen lies. „Wenn du dich verlaufen solltest, halte ich dich auf.“ Meinte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Out: nö, kannst dir gerne was aussuchen J Hab jetzt übrigens wieder mehr Zeit!
Kaum hatte sich Alessia auf den Weg aus dem Speisesaal gemacht, war sie sich nicht mehr genau sicher wo sie nach den beiden suchen sollte. Sie hatte sich in der Stadt umgesehen weil dies eines der Ziele der drei war. Doch als sie die beiden dort nicht gefunden hatte, begann sie das ganze langsam zu hinter fragen. Wieso hatte sie einfach so ein Blackout? Wieso konnte sie sich nicht Erinnern was in dem Moment geschehen war? Und vor allem wusste sie nicht wieso die beiden einfach verschwunden waren.. sie würden Alessia wohl nicht einfach so alleine lassen im Gegenteil eigentlich waren die beiden immer an ihrer Seite und besonders Nanami würde sie wohl niemals zurücklassen. Irgendwas musste passiert sein da war sich Alessia ziemlich sicher doch sie wusste einfach nicht was. Sie konnte sich nichts zusammen reimen und während sie so in ihren Gedanken verloren weiter wandelte fand sie sich selbst im Stadtpark wieder und ihr Blick wandte in den Teich an welchem sie gerade entlang ging. Ihr fiel dabei wieder ein was geschehen war und wie es in ihrer Vergangenheit passiert ist. War vielleicht der Vater der beiden Geschwister involviert? Aber das sollte eigentlich unmöglich sein da dieser keinen Zugang zur Erde mehr hatte. Außerdem würde er seinen Kindern wohl kaum etwas antun wobei Alessia nicht genau wusste was er für ein Mann war und ihn kaum kennen lernen konnte. Doch einer Sache war sie sich sicher, sie wollte nicht ohne die anderen beiden weiter Leben und würde diese einfach finden müssen egal wie viel Arbeit sie in die Suche stecken müsste und auch egal wie lange es dauern wird. Sie wird die Menschen welche sie liebt wieder finden. Zumindest wollte sie sich mit diesen Gedanken einfach selbst Motivieren, denn eigentlich war die sonst so starke Alessia gerade Seelisch ziemlich am Ende sie war verletzt und hatte Angst. Vollkommene Verzweiflung machte sich in ihr breit und es fühlte sich an als würde sie ihren Verstand verlieren. Immer wieder musste sie daran denken was passiert sein könnte und was mit den anderen beiden sein könnte. Während sie so um den Teich wanderte wurde ihr immer mehr bewusst wie wenig sie gerade tun konnte und in welcher Lage sie eigentlich war doch sie durfte nicht aufgeben und so machte sie sich immer wieder selber Mut während sie ihre Sonnenbrille so auf der Nase trug. Sie machte dabei nicht wie immer ein Emotionsloses Gesicht und man konnte ihr ihre Sorgen wohl ansehen doch die Sonnenbrille half ihr zumindest einiges davon zu Verbergen. Also beschloss Alessia eine kurze Pause zu machen und hatte sich in der nähe des Wassers hingesetzt und hielt nur ihre Hand ins Wasser. Könnte sie doch nur so Schwimmen wie sie es damals konnte oder überhaupt mit den Bewohnern des Meeres in Kontakt kommen, so könnte sie zumindest in Erfahrung bringen ob es etwas mit dem Meer zu tun hat und ob die beiden überhaupt noch auf der Insel sind. Doch das war ihr nicht mehr vergönnt und so verfluchte sie ein weiteres mal ihren Fluch als Vampir weiter leben zu müssen. Auch wenn sie damals das richtige tat und bereit war dafür ihr Schicksal einfach hinzunehmen lag es genau in solchen Situationen wieder schwer auf ihr. Während sie so in der Wasser blickte blendete die Rothaarige auch langsam ihre Umwelt aus und war vollkommen in ihren Gedanken versunken.
Die Sonne schien und somit erschien es ja nur als ganz logisch das ich mich draußen Befand anstatt in die Schule zu gehen, das heute ein Feiertag war wusste ich natürlich nicht. Ich überlegte erst zum Strand zu gehen und mal wieder ein paar Runden zu schwimmen aber die Gefahr von anderen Bewohnern dieser Insel entdeckt zu werden war mir einfach zu hoch. Immer noch wusste keiner von meinem großen Geheimnis, alle dachten ich wäre ein gefährlicher Wolf, wie ein richtiges Badass halt. Ich hatte ein teil meiner grünlichen Haare hoch gebunden, trug einen locker, luftiges langarm Shirt und eine lässige Hose also stylisch wie immer. Mein Weg trieb mich erst in die Stadt, dann zum Park dort und schon war ich an einem kleinen Teich, wo ein Mädchen saß und ins Wasser starte. Ich blieb etwas weiter weg von ihr stehen und erkannte sie als eine Mitschülerin von mir. Schwänzt sie etwa auch? Allgemein war es für ein Schultag um diese Uhrzeit recht voll über all, so als wäre heute gar keine Schule. Ich zuckte kurz mit meinen breiten, männlichen Schultern und blieb noch eine Weile unschlüssig stehen. Natürlich könnte ich jetzt zu dem Mädchen rüber gehen und eine freundliche Unterhaltung mit ihr führen, mich anfreunden oder so aber hatte ich dazu wirklich die Lust? Immerhin hatte ich große Ansprüche an Anwärter für eine Freundschaft mit mir und das Mädchen kannte ich nicht wirklich, noch nicht mal ihren Namen, gut möglich das sie nur meine Zeit verschwenden würde. Ich lies meinen Blick kurz schweifen, seufzte leise und näherte mich dem Mädchen mit den langen Haaren, so leise es nur ging bis ich ganz dicht hinter ihr stand. Ich stoße sie mit meinen Beinen Händen gegen ihren Rücken, nicht aggressiv aber schon doll genug, so dass sie mit ihrem Oberkörper nach vorne kippte und man meinen könnte, sie würde nun in den Teich fallen. Da ich jedoch nicht ganz so gemein war, griff ich auch schon im nächsten Moment nach ihren Arm und hielt sie fest. "Hätte ich dich nicht gehalten."