Eine gewisse Zeit war ja nun schon verstrichen in der die beiden Mädchen alleine gewesen waren und ich stand auch nun noch, nach der kurzen Distanz vom Klassenraum zur Mädchentoilette, etwas unsicher davor. Immerhin wusste ich ja nicht wirklich was los war und ich hatte auch keine Ahnung, ob nicht vielleicht sogar andere Mädchen drin waren oder gar was sie da trieben.... als ich mich bei diesem Gedanken erwischte schüttelte ich den Kopf. Wie konnte mein Hirn in einer Situation wie dieser an so etwas denken? Noch immer unschlüssig streckte ich meine etwas zittrigen Händen aus, die nun über der Türklinke schwebte, doch das Zögern hatte nun ein Ende als ich hörte wie sich die Mädchen anschrieen oder sollte ich besser sagen wie Reisen schrie? Mit einem Ruck riss ich die Tür auf und mit allem angesammelten Mut stürmte ich quasi schon in die Toilette. Grade richtig wie es schien, denn nun schrie Lisanna Reisen an und ich starrte sie verwundert an. Mein Gesicht war inzwischen wahrscheinlich schon annähernd so rot wie meine Haare und ich fasste nicht wo ich stand und was hier vor sich ging. "Ähm..", räusperte ich mich um auf mich aufmerksam zu machen. "Ist Alles gut bei euch?", fragte ich und dann fiel mein Blick auf Reisen. Kurz musterten meine Augen sie und ich konnte mich nicht beherrschen. sofort sprudelte die Wahrheit aus mir raus: "Du siehst scheiße aus und solltest lieber zum Arzt." Etwas zögerlich ging ich auf sie zu, denn wir hatten uns eben gestritten und sie erklärt, dass wir ihr egal waren, doch wenn ich ehrlich war wollte ein Teil von mir sie grade einfach umarmen.
Als Lisanna Reisen so zusammenstauchte, wusste die Hasendame gar nicht mehr was sie noch dazu sagen sollte. Sie war es zwar gewohnt, wenn man sich mit ihr im Streit unterhielt oder sie anbrüllte aber in der Regel waren die Inhalte solcher Unterhaltungen dann etwas ganz anderes als jetzt gerade. Wie beschränkt war dieses Mädchen eigentlich? Sie kümmerte sich hier ganz ungeniert um eine Person der sie am Arsch vorbei ging. Wenn Lisanna nun an Reisens Stelle wäre, würde die Hasendame ihr das Leben nun noch schwerer machen als es ohnehin schon wäre. "Ach...was auch immer. Mach halt was du willst...", grummelte Reisen frustriert als Antwort auf das Geschimpfe ihrer Mitschülerin. Zum ersten mal seit langer Zeit fiel der Hasendame einfach nichts mehr ein was sie nun antworten könnte ohne sich dabei zum Affen zu machen. Sie fühlte sich einfach nur so erniedrigt... einfach nur sprachlos.
Das Hasenmädchen saß daraufhin einfach schweigend mit Lisanna auf dem Boden rum. Der Schmerz in ihrem linken Arm und ihrer Brust klang endlich ab. Wenigstens das war gut...beinahe hatte Reisen schon damit gerechnet hier vor Schmerzen bewusstlos zu werden. Aber allem Anschein nach beruhigte sich ihr Körper wieder. Sie hoffte in diesem Moment nur, dass dieses erlösende Gefühl nun keine Finte war und der Schmerz doppelt und dreifach zurück kommen würde. Aber dennoch machte sie sich sorgen. Noch vor Unterrichtsbeginn, ging es ihr blendend und nun saß sie zusammengebrochen und kraftlos mit Lisanna auf dem Boden der Mädchentoilette rum. Es war wie bei ihrer Mutter damals. Wenn Reisen nun tatsächlich wie ihre Mutter einen Herzfehler hatte, war alles aus. Dann konnte sie sich genau so gut eine Kugel durch den Schädel jagen. Mehr als ihr halbes Leben hatte sie sich bemüht stark und eigenständig zu sein. So etwas wie ein Herzfehler würde einfach alles kaputt machen... Es dauerte nicht mehr lange, da betrat überraschend Luziel den Raum. Normalerweise würde Reisen ihn dafür richtig zusammen stauchen. Immerhin hatte er besonders an diesem Ort überhaupt nichts zu suchen. Doch um ehrlich zu sein hatte sie nicht mehr wirklich die Kraft nun noch einmal an die Decke zu gehen. Nichtsdestotrotz versteckte sie ihre zweckmäßig mit Toilettenpapier bandagierte Hand und ihr Gesicht indem sie einfach den Kopf wegdrehte. "Keine Chance...", murmelte das Hasenmädchen geschwächt auf die Anmerkung des Jungen, dass sie lieber zum Arzt sollte. Ihre Hand war nur verbrannt. Dies zwar ziemlich stark, aber dennoch für die Hasendame kein Grund zum Arzt zu gehen. Und was ihre sonstigen Schmerzen anging, waren diese auch gerade auf dem Weg wieder zu verschwinden...außerdem hatte Reisen nicht den Mut sich mit einem Arzt über ihre Brustschmerzen zu unterhalten. Falls ein Fachmann ihren Verdacht bestätigen würde, würde Reisens Welt immerhin voll und ganz zusammenbrechen. Davor hatte sie tatsächlich zu viel...Angst.
"Mir gehts wieder gut. Kein Wort zu irgend jemanden davon sonst reiße ich euch Beiden den Kopf ab", drohte Reisen als sie langsam wieder versuchte auf die Beine zu kommen. Ihre Beine fühlten sich zwar immer noch wie Gummi an, aber auf der anderen Seite wollte sie auch nicht hier wie auf dem Präsentierteller sitzen bleiben. Es ging ihr wieder halbwegs gut also hatte sie keinen Grund mehr hier herum zu sitzen. Sie konnte es kaum glauben aber gerade war es ihr wirklich lieber in den Unterricht zurück zu kommen als hier von den Beiden umsorgt zu werden. Natürlich war es nett von ihnen...aber mit so etwas konnte und wollte das Hasenmädchen nicht umgehen. Ohne weitere Worte zu verlieren nahm Reisen den Verband von ihrer Hand und warf diesen in den Müll. Ihre Verbrennungen waren fast nur in der Handinnenfläche. Ohne Verband konnte sie ihre Verwundung mit Sicherheit besser verstecken als mit einem Verband aus Toilettenpapier. Ohne weiter auf das eben geschehene einzugehen, verließ Reisen den Raum und machte sich auf den Weg zurück zum Klassenraum.
Kaum hatte ich den Raum betreten fauchte Reisen mich auch schon an, dass es ihr besser ging und ihr Verhalten bestätigte dies nur, denn sonst hätte sie nicht schon wieder so zickig sein können. Sie verbot mir nicht nur sie zum Arzt zu bringen, sondern auch noch Lisanna und mir dies hier auch nur zu erwähnen und ihrer Drohung uns die Köpfe abzureißen musste man bei ihr leider Ernst nehmen. Etwas traurig und entmutigt stand ich nun da und musste mit ansehen, wie sie ihre Hand wieder von einem provisorischen Verband befreite und an mir vorbei rauschte ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich hatte mich also vollkommen zum Depp gemacht indem ich ihr nachgelaufen war und dass auch noch auf die Mädchentoilette. Mein Blick wanderte vom Boden hoch zu Lisanna und ich lächelte sie zaghaft an. „Danke, dass du ihr geholfen hast.“, murmelte ich, da sich Reisen bestimmt nicht bedanken würde und wand mich dann auch wieder zur Tür durch die ich erst gekommen war. „Wir sollten auch mal lieber wieder zurück, sonst gibt es noch Ärger.“ Mit diesen Worten verschwand ich.
Das Luziel während meines kleinen Ausrasters rein gekommen war merkte ich erst als er sich zu Wort meldete. Etwas erschrocken drehte ich mich zu ihm um und schaute ihn verwirrt an. Ich war mir eigentlich sicher das er Reisen wegen des Streits nicht mehr leiden konnte. Wie kam es das er sich trotzdem um sie sorgte und ihr sogar hierher auf die Mädchentoilette folgte. Sein Verhalten ließ sich aus meiner Sicht nur durch eines erklären. Doch gerade als ich ihn darauf ansprechen wollte meinte Reisen das es ihr wieder besser ging. Sie machte den Verband ab den ich ihr mühevoll angelegt hatte und verließ uns ohne ein weiteres Wort. Das sie nicht wollte das das hier jemand erfuhr war mir bereits klar. Und gerade als ich mich wieder an Luziel wenden wollte kam dieser mir zuvor und meinte wir sollten zurück gehen um keinen Ärger zu bekommen. Und im nächsten Augenblick war er auch schon weg. "Hey wartet auf mich!" rief ich den beiden hinterher und folgte ihnen.